LVwG-750364/10/BP/HG

Linz, 16.08.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde von S J, geb. x, bosn. StA., A, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G S, L, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 9. Mai 2016, GZ: Pol18-46337-2016, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. § 28 Abs. 6 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2015, wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid der belangten Behörde ersatzlos aufgehoben.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.              

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (in der Folge: belangte Behörde) vom 9. Mai 2016, GZ: Pol18-46337-2016, wurde dem Beschwerde­führer (in der Folge: Bf) der Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte", KartenNr. A xy, mit einer Gültigkeit vom 22.09.2015 bis 21.09.2016 gemäß § 28 Abs. 6 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) entzogen und der Bf verpflichtet, die Aufenthaltskarte bei der belangten Behörde abzugeben.

 

Begründend führte die belangte Behörde darin wie folgt aus:

 

"Sie sind bosn. Staatsbürger und haben am 23. Juli 2015 beim Magistrat der Stadt Linz, ZI AEG/58724, einen quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot Karte" gemäß § 41 Abs. 2 z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (sonstige Schlüsselkraft) gestellt.

 

Nach Prüfung Ihres Antrages und nach positiver Mitteilung des Arbeitsmarktservice, Landesgeschäftsstelle Ausländerfachzentrum, ist Ihnen die beantragte Bewilligung am 22.09.2015 mit einer Gültigkeit bis zum 21.09.2016, KartenNr. A xy, erteilt worden.

 

Am 15. März 2016 hat das Arbeitsmarktservice Landesgeschäftsstelle , Ausländerfachzentrum, die hs. Niederlassungsbehörde per E-Mail verständigt, dass Sie nicht mehr die Voraussetzungen für eine „sonstige Schlüsselkraft" gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 NAG besitzen. Eine Überprüfung Ihrer Lohnkonten hat ergeben, dass Ihre Entlohnung nicht dem gesetzlich festgelegten Wert in der Höhe von monatlich € 2.325,- als sonstige Schlüsselkraft entspricht. Ihre monatliche Entlohnung beträgt € 1.739,36,-.

 

Mit nachweislichem Schreiben vom 22. März 2016, ZI Poll8-46337-2016, hat Ihnen die hs. Niederlassungsbehörde schriftlich in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt ist, Ihren gültigen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte" einzuziehen, da Sie die Voraussetzungen für eine sonstige Schlüsselkraft nicht mehr erfüllen. Mit zitiertem Schreiben sind Sie ebenfalls binnen zwei Wochen aufgefordert worden zur beabsichtigen Einziehung Ihres Aufenthaltstitels schriftlich Stellung zu nehmen.

 

Ihre schriftliche Stellungnahme samt Lohnabrechnungen sind am 8. April 2016 per E-Mail bei der hs. Niederlassungsbehörde eingelangt. Aufgrund der vorgelegten Lohnabrechnungen sind diese dem Arbeitsmarktservice Landesgeschäftsstelle , Ausländerfachzentrum, mit dem Ersuchen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine sonstige Schlüsselkraft nach dem AuslBG erfüllt sind, übermittelt worden.

 

Mit E-Mail vom 2. Mai 2016 hat das Ausländerfachzentrum mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für eine sonstige Schlüsselkraft bei Ihnen nicht gegeben sind.

 

Die Behörde hat dazu erwogen:

 

[Nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften setzt die belangte Behörde fort:]

 

Faktum ist, dass Sie im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte", KartenNr. A xy, mit einer Gültigkeit vom 22.09.2015 bis zum 21.09.2016 sind. Faktum ist auch, dass Sie aufgrund der vorgenommen Prüfung durch das Ausländerfachzentrum des Arbeitsmarkt-services, Landesgeschäftsstelle , die Voraus­setzungen für eine sonstige Schlüsselkraft nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nicht mehr erfüllen, da Sie eine wesentlich zu geringe Entlohnung erhalten.

 

Aufgrund dieser Mitteilung des Arbeitsmarktservices hat die hs. Niederlassungsbehörde Ihren gültigen Aufenthaltstitel, KartenNr. A xy, mit einer Gültigkeit vom 22.09.2015 bis zum 21.09.2016 einzuziehen.

 

Sie werden aufgefordert Ihren gültigen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte", KartenNr. A xy, unverzüglich der hs. Niederlassungsbehörde vorzulegen.

 

Es ist spruchgemäß entschieden worden."

 

2. Mit Schreiben vom 13. Juni 2016 erhob der Bf in rechtsfreundlicher Vertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin wie folgt aus:

 

"In umbezeichneter Verwaltungsangelegenheit hat die BH Vöcklabruck mit Bescheid vom 09.05.2016, zugestellt am 19.05.2016, dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte", KartenNr. A xy mit Gültigkeit vom 22.09.2015 bis 21.09.2016 eingezogen.

 

Gegen diesen Bescheid erhebt der Beschwerdeführer die

BESCHWERDE

an das Verwaltungsgericht.

 

 

Der Bescheid wird in seinem gesamten Umfang bekämpft. Als Beschwerdegründe werden unrichtige Sachverhaltsfeststellungen und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

 

Die Beschwerde wird sodann wie folgt ausgeführt:

 

Die Behörde I, Instanz unterliegt einer unrichtigen Rechtsansicht insofern, als sie die Auffassung vertritt, dass die Entlohnung des Beschwerdeführers nicht dem gesetzlich festgelegten Wert iHv monatlich 2.325,00 (brutto) entspricht. Diese Rechtsauffassung ist insofern unrichtig, als die Behörde I. Instanz verkennt, dass der Betrieb des Dienstgebers M J (Stuckateur und Trockenausbaubetrieb) gemäß § 2 Abs. 1 lit. e BUAK der Bauarbeiter-Urlaubskasse unterliegt. Nach diesem Gesetz hat der Dienstgeber Beträge für Urlaub, Abfertigung und Überbrückungsgeld direkt an die BUAK zu bezahlen. Jene Mitarbeiter, die auf Urlaub gehen, Urlaubsentgelt oder Urlaubszuschuss beantragen, erhalten diese Beträge direkt von der BUAK ausbezahlt.

 

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung dieses Sachverhaltes sind daher die Löhne, die direkt vom Dienstgeber M J ausbezahlt wurden, sowie die Entgelte, die im direkten Weg von der BUAK an den Beschwerdeführer ausbezahlt worden sind, zu addieren.

 

Die Gehälter des Beschwerdeführers wurden daher nochmals aufgerollt. Eine Nachverrechnung hat noch vor der Erlassung des nunmehr bekämpften Bescheides stattgefunden. Unter Anrechnung der Beiträge, die von der BUAK erfolgt sind, hat der Beschwerdeführer Beträge erhalten, die über den Richtwert von EUR 2.325,00/monatlich (brutto) gelegen sind.

 

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung dieses Sachverhaltes hätte die Behörde I. Instanz daher zur Auffassung gelangen müssen, dass bereits vor Bescheiderlassung I. Instanz die Voraussetzungen für deinen Entzug der Rot-Weiß-Rot-Karte nicht mehr vorgelegen haben. Das Verwaltungsverfahren wäre daher einzustellen gewesen.

 

Beweis: M M, pA A OG,

Steuerberatungsgesellschaft, L, als Zeugin,

vorzulegende Unterlagen,

PV.

 

Es wird daher

beantragt,

 

1.         das Verwaltungsgericht möge die beantragten Beweise aufnehmen,

2.         den Bescheid I. Instanz aufheben und

3.         das Verfahren einstellen."

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 16. Juni 2016 zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen. Zusätzlich wurde am 10. August 2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:

 

Dem Bf wurde mit Bescheid vom 22. September 2015 ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte“ gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) als sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 Ausländerbeschäftigungs­gesetz (AuslBG) erteilt. Grundlage war unter anderem ein Arbeitsvertrag zwischen dem Bf und Herrn M J mit einer geplanten Tätigkeit als Trockenbauer und einem monatlichen Gehalt in der Höhe von 2.860 Euro brutto.

 

Seit Oktober 2015 ist der Bf bei Herrn J angestellt und führt in dessen Betrieb Arbeiten entsprechend seiner Qualifikation als Trockenbauer aus. Beim Sozialversicherungsträger, der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, ist der Bf jedoch als „Hilfsarbeiter“ angemeldet.

 

Mit Schreiben vom 15. März 2016 hat das Arbeitsmarktservice die belangte Behörde darüber informiert, dass die Lohnkontoprüfung des Bf negativ beurteilt wurde, weil der Bf bisher ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in der Höhe von 1.739,36 Euro erhalten hat. Über die daher beabsichtigte Entziehung des Aufenthaltstitels wurde der Bf von der belangten Behörde mit Schreiben vom 22. März 2015 informiert.

 

Der Arbeitgeber des Bf, Herr J, veranlasste daraufhin im April 2016 eine Gehaltsaufrollung für das Jahr 2016 in der Form, dass der Bf ein monatliches Bruttogehalt von zumindest 2.325 Euro erhält. Dies ist der Mindestbetrag, den eine sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG iVm. § 108 Abs. 3 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) verdienen muss. Für die Monate im Jahr 2015, für welche eine Gehaltsaufrollung nicht mehr möglich war, wurden ebenfalls die entsprechenden Lohnanteile nachgezahlt. Herrn J war die Höhe des Mindestgehalts nicht bewusst, da der Bf sowie ein weiterer Arbeiter seine ersten Arbeitskräfte sind, welche auf Grund eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte“ als sonstige Schlüsselkräfte in Österreich arbeiten. Es ist für Herrn J kaum möglich, inländische Fachkräfte für den Trockenbau zu finden. Auch aktuell haben Anfragen an das Arbeitsmarktservice Vöcklabruck und an das Arbeitsmarktservice Gmunden ergeben, dass keine diesbezüglich qualifizierten (österreichischen) Arbeiter am regionalen Arbeitsmarkt verfügbar sind.

 

Mit Schreiben vom 2. Mai 2016 teilte das Arbeitsmarktservice der belangten Behörde mit, dass die Lohnkontoprüfung noch immer negativ sei. Daraufhin erließ die belangte Behörde den gegenständlichen Bescheid, mit dem der Aufenthaltstitel des Bf entzogen wurde.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf mit Schreiben vom 13. Juni 2016 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich und legte einen Lohnzettel, in dem die Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherung in den Monaten von Jänner 2016 bis Mai 2016 mit einem Betrag zwischen 2.325,00 Euro und 2.420,50 Euro ausgewiesen wurde, sowie einen Nachweis über die Lohnnachzahlung für das Jahr 2015 vor.

 

 

II.             

 

1. Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus dem vorgelegten Akt. Strittig waren das Entsprechen der zweiten negativen Lohnkontoprüfung durch das Arbeitsmarktservice , welche nach der Gehaltsaufrollung durch den Arbeitgeber durchgeführt wurde, sowie die tatsächliche Arbeitstätigkeit des Bf, nachdem dieser als Hilfskraft beim Sozialversicherungsträger angemeldet ist. Diese Punkte wurden im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 10. August 2016 erörtert.

 

2. Zum monatlichen Gehalt des Bf ist vorweg anzumerken, dass in der Baubranche für jene Tage, an denen ein Arbeitnehmer Urlaub nimmt, kein Gehalt durch den Arbeitgeber ausbezahlt wird. Auch nach der durch den Arbeitgeber veranlassten Gehaltsaufrollung kann es daher vorkommen, dass der Arbeitgeber dem Bf weniger als die iSd. AuslBG notwendigen 2.325 Euro brutto auszahlt. Die Urlaubstage werden stattdessen von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) ausbezahlt und stellen einen Teil des Gehalts dar. Diese Beträge sind folglich in die Berechnung des monatlichen Bruttogehalts mit einzubeziehen.

 

Aus dem im Zuge der Beschwerde vorgelegten Lohnzettel geht hervor, dass der Bf nach der Gehaltsaufrollung unter Einrechnung der Auszahlung durch die BUAK monatlich zumindest 2.325 Euro brutto erhalten hat, in den Monaten mit Urlaubstagen etwas mehr. Gemäß diesem Lohnzettel hat der Bf in den Monaten Februar 2016, März 2016 und April 2016 Urlaub in Anspruch genommen. Die Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherung ergab daher im Februar 2016 einen Betrag von 2.367,75 Euro, im März 2016 einen Betrag von 2.420,50 Euro und im April einen Betrag von 2.419,53 Euro. In den Monaten Jänner 2016 und Mai 2016, in denen der Bf keinen Urlaub beansprucht hat, ist die Bemessungsgrundlage mit exakt 2.325 Euro ausgewiesen. Dieser Lohnzettel wurde vom Bf erst nach Erlassung des gegenständlichen Bescheides vorgelegt. Nachdem für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich ist, war dieser Lohnzettel im gegenständlichen Verfahren zu berücksichtigen. Es bestand keinerlei Veranlassung die Glaubwürdigkeit der vorgelegten Dokumente anzuzweifeln.

 

In dem geforderten monatlichen Betrag von 2.325 Euro dürfen gemäß § 12b Z 1 AuslBG Sonderzahlungen, wie das 13. und 14. Monatsgehalt, nicht eingerechnet werden. Laut Bf wird das Weihnachtsgeld (13. Gehalt) durch den Arbeitgeber und das Urlaubsgeld (14. Gehalt) durch die BUAK ausbezahlt. Für das erkennende Gericht gibt es keinen Grund daran zu zweifeln, dass diese Sonderzahlungen in dieser Form erfolgen, zumal im Lohnzettel für die Urlaubstage auch ein „Urlaubs­zuschuss BUAK“ ausgewiesen ist, der nicht in die Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherung eingeflossen ist.

 

3. Bezüglich der tatsächlichen Arbeitstätigkeit des Bf konnte dessen Arbeitgeber, Herr J, glaubhaft darlegen, dass der Bf fachspezifische Tätigkeiten im Bereich Trockenbau durchführt. Der Bf sei nur deshalb als „Hilfsarbeiter“ beim zuständigen Sozialversicherungsträger gemeldet, weil für eine dortige Einstufung als „Facharbeiter“ die Deutschkenntnisse sowie die Kenntnisse der österreichischen Baunormen noch zu gering seien, um den Bf alleine auf eine Baustelle zu entsenden.

 

Der Arbeitgeber vermittelte auch glaubhaft, dass er derzeit wieder auf der Suche nach weiteren qualifizierten Arbeitern aus dem Bereich Trockenausbau sei, solche aber durch das regionale Arbeitsmarktservice (Anfragen an AMS Vöcklabruck und AMS Gmunden) nicht zur Verfügung gestellt werden könnten. Daher hat er auch die Gehaltsaufrollung veranlasst, um den Bf als Arbeitnehmer halten zu können. Die Vertreterin des Arbeitsmarktservice konnte nicht mit Gewissheit sagen, wie die derzeitige Situation bezüglich Fachkräfte für den Trockenbau aussehe.

 

Für das erkennende Gericht gibt es keinen Grund daran zu zweifeln, dass der Bf als Facharbeiter in den Bereichen Stuckateur und Trockenbau für den Arbeitgeber tätig ist, auch wenn er als Hilfsarbeiter bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse gemeldet ist. Auch die Aussage des Arbeitgebers, dass es schwierig sei, am heimischen Arbeitsmarkt Fachkräfte für den Trockenbau zu finden, war für das Gericht glaubwürdig. Zum Zeitpunkt des Erstantrags zur Bewilligung einer „Rot-Weiß-Rot-Karte“ für den Bf war die Arbeitsmarktsituation jedenfalls so, dass am inländischen Arbeitsmarkt keine Fachkräfte für den Trockenbau vom regionalen Arbeitsmarkt­service vermittelt werden konnten, weil es ansonsten damals keine positive Stellungnahme durch das AMS gegeben haben würde.

 

 

III.            

 

1. Gemäß § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2015, ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung über die vorliegende Beschwerde zuständig. Dieses hatte gemäß § 2 VwGVG durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

 

2. Gemäß § 28 Abs. 6 NAG sind Aufenthaltstitel gemäß §§ 41 und 42 zu entziehen, wenn die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice der Behörde mitteilt, dass die jeweiligen Voraussetzungen gemäß §§12 bis 12c AuslBG nicht länger vorliegen.

 

Gemäß § 12b Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung BGBl. I Nr. 113/2015, werden Ausländer zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft zugelassen, wenn sie die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und für die beabsichtigte Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt erhalten, das mindestens 50 vH oder, sofern sie das 30. Lebensjahr überschritten haben, mindestens 60 vH der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zuzüglich Sonderzahlungen beträgt, und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind.

 

§ 4 Abs. 1 AuslBG lautet auszugsweise:

Einem Arbeitgeber ist auf Antrag eine Beschäftigungsbewilligung für den im Antrag angegebenen Ausländer zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt (Arbeitsmarktprüfung), wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen und […]

 

§ 4b Abs. 1 AuslBG lautet zur Prüfung der Arbeitsmarktlage auszugsweise:

Die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 4 Abs. 1) lässt die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu, wenn für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben. […] Der Prüfung ist das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen hat der Arbeitgeber zu erbringen.

 

3. Die Behörde hat gemäß § 28 Abs. 6 NAG den Aufenthaltstitel zu entziehen, wenn die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mitteilt, dass die Voraussetzungen gemäß §§ 12 bis 12c AuslBG nicht länger vorliegen. Dass die Voraussetzungen nicht mehr vorlägen teilte das Arbeitsmarktservice mit Schreiben vom 15. März 2016 – und nach nochmaliger Lohnkontoprüfung – mit Schreiben vom 2. Mai 2016 der belangten Behörde mit.

 

Für die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen gemäß §§ 12 bis 12c AuslBG noch erfüllt sind, ist kein eigenständiges Verfahren vorgesehen. Eine Nachprüfung dieser Beurteilung durch das Arbeitsmarktservice hat daher in einem Verfahren zur Entziehung des Aufenthaltstitels gemäß § 28 Abs. 6 NAG zu erfolgen. Aus diesem Grund hatte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich im gegenständlichen Verfahren auch zu prüfen, ob die Mitteilung des Arbeitsmarktservices an die belangte Behörde zu Recht erfolgte.

 

Die zu prüfenden Faktoren sind dabei die Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C des AuslBG angeführten Kriterien, die Höhe des monatlichen Bruttogehalts sowie die allgemeinen Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG.

 

4. Die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C des AuslBG angeführten Kriterien wurden vom Bf laut Arbeitsmarktservice erreicht. Die geforderten Punkte setzen sich im Wesentlichen aus der beruflichen Ausbildung, der Berufserfahrung in diesem Bereich, den Deutschkenntnissen sowie dem Lebensalter des antragstellenden Ausländers zusammen. Diesbezüglich haben sich auch keine Änderungen seit der Antragstellung im Juli 2015 ergeben.

 

5. Das erforderliche Mindestbruttogehalt beträgt, weil der Bf das 30. Lebensjahr noch nicht überschritten hat, monatlich 2.325 Euro. Ursprünglich hat der Bf von seinem Arbeitgeber ein monatliches Bruttogehalt in der Höhe von 1.739,36 Euro erhalten. Nach der Mitteilung der belangten Behörde, dass auf Grund des zu geringen Monatsgehalts der Aufenthaltstitel zu entziehen sei, hat der Arbeitgeber das Gehalt jedoch auf monatlich 2.325 Euro brutto erhöht. Wegen der in der Baubranche geregelten Ausbezahlung des Urlaubsentgelts durch die BUAK war das Gehalt in den Monaten, in denen der Bf einen Urlaub beansprucht hat, sogar etwas höher.

 

Auf Grund der vom Arbeitgeber nachträglich veranlassten Gehaltsaufrollung für das Jahr 2016, der Nachzahlung für das Jahr 2015 und dem zum Gehalt einzurechnenden Urlaubsgeld der BUAK erfüllt der Bf das Kriterium, ein monatliches Bruttogehalt von mindestens 2.325 Euro zu beziehen.

 

Auch wenn im ursprünglichen Arbeitsvertrag, welcher bei der Antragsstellung für den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte“ vorgelegt wurde, ein monatliches Gehalt von 2.860 Euro ausgewiesen war, so ist es zur Erfüllung der Voraussetzungen für eine sonstige Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG auch seitens des Arbeitsmarktservice lediglich ausschlaggebend, dass zumindest ein monatliches Gehalt in der Höhe von 2.325 Euro ausbezahlt wird. Dies aber ist im Fall des Bf gegeben.

 

6. Schließlich sind noch die allgemeinen Voraussetzungen für eine sonstige Schlüsselkraft gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG zu berücksichtigen, insbesondere die Prüfung der Arbeitsmarktlage gemäß § 4b Abs. 1 AuslBG. Hier hat das Arbeitsmarktservice im Rahmen der Erstprüfung für eine Fachkraft im Bereich Trockenbau eine positive Stellungnahme als sonstige Schlüsselkraft abgegeben. Im Rahmen der Lohnkontoprüfung durch das Arbeitsmarktservice wurde jedoch festgestellt, dass der Bf lediglich als Hilfskraft bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse angemeldet ist. Der Anmeldung beim Sozialversicherungs­träger kann zwar eine gewisse Indizwirkung zukommen, für die Beurteilung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG ist jedoch auf die tatsächliche Tätigkeit des Bf abzustellen. Wie bereits unter den Punkten I.5. und II.3. ausgeführt, ist der Bf unbeschadet der Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse als Fachkraft für den Trockenausbau tätig und erfüllt daher die allgemeinen Voraussetzungen im selben Ausmaß wie zur Zeit der Erstprüfung durch das Arbeitsmarktservice .

 

7. Da für den Bf die Voraussetzungen gemäß § 12b AuslBG vorliegen war also im Ergebnis spruchgemäß zu entscheiden, der Beschwerde stattzugeben und der Bescheid der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben.

 

 

IV.          Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung zur Entziehung des Aufenthaltstitels fehlt, wenn die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarkt­service der Behörde mitteilt, dass die Voraussetzungen gemäß § 12b AuslBG nicht länger vorliegen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree