LVwG-601384/16/MZ LVwG-650637/16/MZ

Linz, 26.09.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der V N, geb x 1970, gegen 1) das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 15.4.2016, VerkR96-939/8-2016-Saz, und 2) den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 15.4.2016, VerkR21-79/8-2015-Saz,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Den Beschwerden wird stattgegeben und werden die angefochtenen Bescheide ersatzlos behoben.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.a) Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 15.4.2016, VerkR96-939/8-2016-Saz, wurde der Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) angelastet, am 23.3.2016 um 17.00 Uhr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (1,12 mg/l Atemluftalkoholgehalt) den PKW mit dem Kennzeichen x im Gemeindegebiet von Sierning zum öffentlichen Parkplatz in der Gewerbestraße x gelenkt zu haben. Die Bf habe daher §§ 99 Abs 1 lit a iVm 5 Abs 1 StVO 1960 verletzt, weshalb über sie eine Geldstrafe in der Höhe von 1.600,- EUR, ersatzweise eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Tagen, verhängt wurde.

 

Ihren Bescheid begründet die Behörde mit dem Ergebnis eines von der Bf durchgeführten Alkomattests; einem von der Bf angegebenem Nachtrunk wurde kein Glauben geschenkt.

 

b) Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 15.4.2016, VerkR21-79/8-2015-Saz, wurde über die Bf wie folgt abgesprochen:

 

„I. Der Vorstellung wird keine Folge gegeben.

Der Entzug der Lenkberechtigung in der Dauer von 12 Monaten, gerechnet ab 23.03.2016 bis einschließlich 23.03.2017, wird aufrechterhalten.

Zugleich wird ausgesprochen, dass vor Ablauf der Entziehungsdauer keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

 

Führerschein ausgestellt von: Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land am 22.09.2015

Zahl: 15/335171

Klassen: A mit Code 79.03/04, AM und B

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 3 Abs. 1 Ziff. 2, 7 Abs. 3 Ziff. 1, 24 Abs. 1, 26 Abs. 2 Ziff. 1, 29 Abs. 3 bzw. 4, 41a Abs. 6 des Führerscheingesetzes (FSG)

 

II. Sonstige Anordnungen und begleitende Maßnahmen entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit:

·         Sie haben sich einer verkehrspsychologischen Untersuchung zu unterziehen.

·         Zusätzlich haben Sie sich einer begleitenden Maßnahme (Nachschulung) zu unterziehen.

·         Abschließend Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung.

Die Entzugsdauer bzw. das Lenkverbot enden nicht vor Befolgung der Anordnungen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 14 FSG-GV

§ 24 Abs. 3 FSG

 

III. Die aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Beschwerde wird ausgeschlossen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 22 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – (VwGVG)“

 

Ihren Bescheid begründet im Wesentlichen wie oben. Im Hinblick auf die 12-monatige Entzugsdauer verweist sie auf den do Bescheid vom 10.4.2014, VerkR21-99-2014, mit welchem der Bf die Lenkberechtigung wegen einer Übertretung des § 5 StVO 1960 für die Dauer von sechs Monaten entzogen wurde.

 

II. Gegen die genannten Bescheide erhob die Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

Auf das Wesentliche verkürzt begründet sie ihr Rechtsmittel mit einem erfolgten Nachtrunk und stellt das Lenken eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in Abrede.

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt, die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

 

c.1) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die 150 cm große und 45 kg schwere Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) konsumierte am 23.3.2016 gegen 9.30 Uhr zuhause 0,2 Liter Sekt mit einem Alkoholgehalt von 11 %. Um 14.00 Uhr lenkte die Bf den PKW mit dem Kennzeichen x von zuhause zum Supermarkt „Spar“ in Sierning. Dort kaufte ua eine 0,75 l – Flasche Rose‘-Wein mit einem Alkoholgehalt von 11,5 % und eine 0,04 l – Flasche Jägermeister mit einem Alkoholgehalt von 35 %. Um 15.00 Uhr trank sie 0,2 l Rose‘-Wein und lenkte den genannten PKW zum Wäschehaus L. Von dort steuerte sie um 15.45 Uhr das Fahrzeug zum Parkplatz des Geschäftes „KIK“ und stellte den PKW dort ab. Um 16.03 Uhr konsumierte die Bf den restlichen Rose‘-Wein 0,55 l und den zuvor gekauften Jägermeister. Ein Test mit dem geeichten Alkomaten um 16:57 Uhr brachte ein Ergebnis von 1,12 mg/l. Nahrung wurde am gesamten Tag nahezu keine aufgenommen.

 

c.2) Soweit der Sachverhalt strittig ist ergibt er sich aufgrund folgender Überlegungen:

 

Vorweg ist festzuhalten, dass die Bf in der öffentlichen mündlichen Verhandlung weder ihr Alkoholproblem beschönigte noch die begangenen Straftaten relativierte, was beim Verhandlungsleiter einen sehr glaubwürdigen Eindruck hinterließ. Auch der als Zeuge geladene Gatte der Bf vermittelte, ebenso wie der einvernommene Meldungsleger, einen aufrichtigen Eindruck.

 

In der Sache hat die belangte Behörde den von der Bf angegebenen Nachtrunk um 16.03 Uhr am Parkplatz des Geschäftes „KIK“ als Schutzbehauptung qualifiziert. Für diese Annahme spricht, dass die Bf im Rahmen der Amtshandlung gegen 17.00 Uhr angegeben hat, zu Mittag Sekt konsumiert zu haben, den Alkoholkonsum hingegen 16.00 Uhr unerwähnt ließ.

 

Die Bf begründete diesen Widerspruch jedoch nachvollziehbar damit, dass sie in betrunkenem Zustand dazu neige, die konsumierte Alkoholmenge herunterzuspielen. Ferner habe sie – was aufgrund des sehr hohen Grades an Alkoholisierung ebenfalls nachvollzogen zu werden vermag – keine klare Erinnerung mehr an die Amtshandlung und könne nicht mehr sagen, ob sie die Fragen des Meldungslegers überhaupt verstanden habe. Dies korrespondiert mit der Aussage des Meldungslegers, die Bf sei nicht gänzlich orientiert gewesen. Eine dezidierte Nachfrage hinsichtlich eines Nachtrunks durch den Meldungsleger ist, wie auch eine Nachschau nach etwaigen Leergebinde, zudem nicht erfolgt.

 

Gegen eine Schutzbehauptung spricht weiters, dass der Gatte der Bf aussagte und mit Verbindungsnachweisen belegte, dass er um 14.39 Uhr und um 15:59 Uhr mit seiner Gattin telefonierte. Im Rahmen dieser Telefonate habe er keinerlei der ihm bei seiner Frau bekannten Anzeichen einer starken Alkoholisierung – konkret: Veränderungen der Sprache – erkennen können. Der Meldungsleger gab hingegen auf Nachfrage des Verhandlungsleiters an, die Bf habe bei der Amtshandlung gegen 17.00 Uhr lallend gesprochen; auch dies indiziert den geltend gemachten Nachtrunk.

 

Zu berücksichtigen ist zudem, dass es, laut Aussage der Bf und ihres Gatten, in Folge des Führerscheinentzuges im Jahr 2014 zwischen den beiden genannten Personen die Abmachung gebe, dass der Zeuge die Bf jederzeit abhole, wenn diese betrunken sei und ansonsten ein Fahrzeug lenken „müsste“. Weiters sei am Abend vom Zeugen und seiner Tochter im PKW der Bf eine leere Weinflasche aufgefunden worden.

 

Eine Gesamtschau der vorliegenden Indizien führt somit für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zum Ergebnis, dass die Bf zwar den Nachtrunk nicht unmittelbar bei der Amtshandlung ins Treffen geführt hat, dieser jedoch dennoch erfolgt sein dürfte.

 

c.3) Im Hinblick auf den in Punkt III.c.1) dargestellten Sachverhalt wurde vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ein medizinisches Gutachten in Auftrag gegeben, um den Alkoholisierungsgrad der Bf in den Zeitpunkten, in welchen sie ein Kraftfahrzeug lenkte, zu ermitteln.

 

Nach Darlegung der Berechnungsmodalitäten gelangt der Gutachter schlüssig und nachvollziehbar zum Ergebnis, dass die Bf um 14.00 Uhr beim Lenken ihres Kraftfahrzeuges maximal einen Blutalkoholwert von 0,09 Promille und um 15.45 Uhr von 0,045 Promille aufwies.

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Gemäß § 5 Abs 1 StVO 1960 darf, wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

 

§ 99 Abs 1 lit a StVO 1960 zufolge begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt.

 

Gemäß § 99 Abs 1a begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 1200 Euro bis 4400 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zehn Tagen bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.

 

Schließlich begeht gemäß § 99 Abs 1b StVO 1960 eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 800 Euro bis 3700 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.

 

b) Wie das Beweisverfahren ergeben hat, wurde von der Bf kein unter § 99 Abs 1 bis Abs 1b StVO 1960 zu subsumierendes Verhalten gesetzt. Das angefochtene Straferkenntnis ist vor diesem Hintergrund ersatzlos zu beheben. Da der Bescheid über den Entzug der Lenkberechtigung an eine Übertretung des § 99 StVO 1960 anknüpft gilt gleiches auch für diesen.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Da im ggst Fall ausschließlich der entscheidungsrelevante Sachverhalt zu klären und keine Rechtsfrage zu beurteilen war, der grundsätzliche, dh über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt, ist die ordentliche Revision aufgrund eines ordnungsgemäß abgeführten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer