LVwG-750378/2/BP/SA

Linz, 23.08.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde der Y K,
geb. x, B, Tunesien, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 6. Juli 2016, GZ: Pol18-5742, mit dem ein Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ abgewiesen wurde,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. § 47 Abs. 2 iVm. § 11 Abs. 1 Z. 1 und 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 122/2015, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid vom 6. Juli 2016, GZ: Pol18-5742, wies die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) den Erstantrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 11 Abs. 2 Z.1 iVm Abs. 4 und Abs. 2 Z.4 iVm Abs. 5 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 (im Folgenden: NAG) als unbegründet ab.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt wie folgt aus:

Sie haben am 25.02.2016 im Wege der Österreichischen Botschaft in Tunis einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" eingebracht.

 

Als familienangehörige Bezugsperson haben Sie Ihren Ehegatten M H T, geb. x, österreichischer Staatsbürger, angegeben; als beabsichtigten Wohnsitz die Adresse A, H, Österreich.

Mit Verbesserungsauftrag vom 25.04.2006 wurden Sie aufgefordert, folgende Unterlagen binnen zwei Wochen nachzureichen:

- Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts (AMS Bezugsbestätigung)

- Auszüge aus dem Kreditschutzverband

- Haushaltsbestätigung

- Kontoauszüge der letzten 3 Monate von Ihrem Mann.

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 31.05.2016, wurden Sie über das Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und Ihnen mitgeteilt, dass die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land beabsichtigt, Ihren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" abzuweisen.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren, insbesondere aus den, Ihrem Antrag beigefügten Unterlagen.

 

In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:

 

(...)

 

 

Da der Aufenthalt eines Fremden gem. § 11 Abs. 2 Z 4 NAG zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen darf, müsste Ihr Ehegatte ein monatliches Einkommen erzielen, das über dem derzeit geltenden ASVG-Richtsatz liegt und zudem Kosten für den Wohnungsaufwand und eventuelle Kredite abdeckt. Der Richtsatz für ein Ehepaar und ein minderjähriges Kind beträgt im Jahr 2016 1.459,79 (= 1.323,58+136,21) Euro monatlich. Laut den vorliegenden Unterlagen bleibt nach Abzug der monatlichen Miet- und Kreditbelastungen eine Differenz von -612,44 Euro.

 

Aus den oben dargelegten Gründen wird festgestellt, dass Ihr Ehemann nicht in der Lage ist, für Ihren Unterhalt aufzukommen. Aus diesem Grund besteht die begründete Gefahr, dass Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich zu einer finanziellen Belastung einer öffentlichen Gebietskörperschaft führen wird. Des Weiteren gefährdet dieser Mangel an Unterhaltsmittel - laut Erkenntnis des VwGH vom 30.01.2007, GZ 2006/18/0448 - die öffentliche Ordnung und Sicherheit.

 

(...)

 

Ihre Ehe mit Herrn M H T wurde am x.x.2015 geschlossen. Sie haben bisher nicht in Österreich gelebt und sind daher in Österreich auch nicht integriert. Ihr tatsächliches Familienleben, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens sowie der Grad der Integration hat kein derartiges Ausmaß erreicht, die gemäß Artikel 8 EMRK geboten erscheint.

Nach Prüfung Ihres Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK kommt die hs. Niederlassungsbehörde zum Ergebnis, dass durch die Abweisung Ihres Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" zwar von einem Eingriff in Ihr Privatleben auszugehen ist, dieser aber zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend geboten und somit zulässig ist.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde der Bf vom 10. August 2016, worin ua. ausgeführt wird:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Mein Ehemann hat sich sofort um eine neue Arbeitstelle gekümmert und wollte seinen Arbeitsvertrag gleich direkt in der Bezirkshauptmannschaft Linz / Österreich abgeben aber sein Arbeitsvertrag wurde nicht angenommen, er wurde abgewiesen und nach Hause geschickt. Ich frage mich warum, denn wir haben den Kritikpunkt weshalb ich keinen Aufenthaltstitel erhalten habe weniger Wochen erfüllt. Der Grund warum mir dieser Aufenthaltstitel so wichtig ist, ist der das ich und unserer gemeinsame Tochter Z T geb: x 2016 in Kebili / Tunesien zusammen mit Ehemann und Vater leben können. Wir wünschen uns nichts mehr als eine glücklich zusammenlebende Familie zu sein.

 

Ob sie mir Aufgrund der neuen Tatsache das mein Ehemann einer regelmäßigen Tätigkeit nach geht und monatlich sein festes Einkommen erhält mir meinen Aufenthaltstitel genehmigen.

 

3.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den mit Schreiben vom 17. August 2016 von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vorgelegten Verwaltungsakt.

 

3.2. Nachdem der relevante Sachverhalt völlig unbestritten und geklärt vorliegt, im Verfahren bloß Rechtsfragen zu klären sind, erübrigte sich die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht zunächst von dem unter Punkt I.1. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus. Zusätzlich ist festzuhalten, dass der Ehegatte der Bf – laut Arbeitsvertrag vom 4. August 2016 – nunmehr über ein monatliches Bruttoeinkommen von 1.434,17 Euro verfügt.

 

 

II.

 

Aufgrund des unbestrittenen und geklärten Sachverhalts kann auf eine detaillierte Beweiswürdigung verzichtet werden.

 

 

III.

 

1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B VG erkennen ab 1. Jänner 2014 die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

 

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.

 

1.2. Gemäß § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 122/2015, ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

 

Gemäß § 47 Abs. 1 NAG sind Zusammenführende im Sinne der §§ 47 Abs. 2 bis 4 NAG Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

 

Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

 

§ 11 Abs. 4 NAG normiert, dass der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse widerstreitet, wenn

1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde oder

2. der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden kann.

 

Gemäß § 11 Abs. 5 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBL Nr. 189/1955. entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 15 oder 18), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur-der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

 

Durch die demonstrative Aufzählung von „Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen" soll verdeutlicht werden, dass die individuelle Situation des Antragstellers oder des im Falle einer Familienzusammenführung für ihn Aufkommenden, die Höhe der erforderlichen Unterhaltsmittel beeinflusst, weshalb die tatsächliche Höhe der Lebensführungskosten als relevanter Faktor mit zu berücksichtigen ist.

 

Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen sind daher vom (Netto)Einkommen in Abzug zu bringen, jedoch nur insoweit, als sie ziffernmäßig über dem in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG genannten „Freibetrag" liegen und schmälern insofern die zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel.

 

2.1. Aus dem vorliegenden Sachverhalt ergibt sich, dass als Zusammenführender im Sinne des § 47 Abs. 1 und 2 NAG der nunmehrige Ehegatte der Bf (ein österreichischer Staatsangehöriger, die Eheschließung erfolgte im Jahr 2015) anzusehen ist. Zur Erlangung des intendierten Aufenthaltstitels bedarf es gemäß § 47 Abs. 2 NAG der Erfüllung der Voraussetzungen des ersten Teiles des NAG.

 

Im Verfahren vor der belangten Behörde war dabei insbesondere die Frage strittig, ob das zu erwartende Familieneinkommen als ausreichend anzusehen ist, um die Gefahr der finanziellen Belastung öffentlicher Mittel durch den Aufenthalt der Bf auszuschließen.

 

2.2. Da der Aufenthalt eines Fremden gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen darf, müssen also die Bf und ihr Gatte ein monatliches Einkommen erzielen, das über dem derzeit geltenden ASVG-Richtsatz liegt und zudem Kosten für den Wohnungsaufwand und eventuelle Kredite abdeckt. Der Richtsatz für ein Ehepaar und ein minderjähriges Kind beträgt im Jahr 2016 1.459,79 Euro (1.323,58 + [1x 136,21]) monatlich.

 

2.3. Aus dem vorgelegten Arbeitsvertrag vom 4. August 2016 ist ersichtlich, dass der Ehegatte der Bf nunmehr über ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 1.434,17 Euro verfügt. Dies ergibt ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.157,98 Euro. Der monatliche Mietaufwand beträgt 317,61 Euro. Hievon abzuziehen ist der Wert der freien Station in Höhe von 282,06, was einen Betrag von 35,55 Euro ergibt. Nach dessen Abzug kann von einem monatlich zur Verfügung stehenden Betrag von 1.122,43 Euro ausgegangen werden. 

 

Die Berechnung resultiert also in einem monatlichen Fehlbetrag von 336,76 Euro.

 

2.4. Aus diesem Grund besteht – der belangten Behörde folgend – die begründete Gefahr, dass ein Aufenthalt der Bf im Bundesgebiet der Republik Österreich zu einer finanziellen Belastung einer öffentlichen Gebietskörperschaft führen wird. Des Weiteren gefährdet dieser Mangel an Unterhaltsmittel die öffentliche Ordnung und Sicherheit (vgl. ua. VwGH 30. Jänner 2007, 2006/18/0448).

 

Im oben zitierten Erkenntnis führt der VwGH aus, dass nach ständiger Judikatur aus der Mittellosigkeit eines Fremden die Gefahr der finanziellen Belastung der Republik Österreich und die Gefahr der illegalen Beschaffung der Mittel zum Unterhalt resultiert. Vermag ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen, so ist sowohl der Versagungsgrund des § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 NAG als auch der Versagungsgrund des Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 leg.cit. erfüllt.

 

Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung somit zu Recht auf § 11 Abs. 2 Z. 1 und 4 NAG.

 

3.1. Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzungen gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei-und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

 

Art. 8 Abs. 2 EMRK normiert, dass eine Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen darf, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.

 

3.2. Im vorliegenden Fall ist sohin eine Interessensabwägung vorzunehmen, die sowohl das öffentliche Interesse an einem geordneten Niederlassungswesen als auch das Privat- und Familienleben der betroffenen Personen einander gegenüber stellt. Aufgrund ihrer Eheschließung mit einem österreichischen Staatsangehörigen im April 2015 ist durch die Versagung des Aufenthaltstitels grundsätzlich das Privat- und Familienleben der Bf tangiert. 

 

3.3. Zunächst ist auszuführen, dass die Bf nicht vorbringt, bislang im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten in Österreich gelebt zu haben. Auch das gemeinsame Kind brachte sie in Tunesien zur Welt. Legale Voraussetzungen für einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet hätten auch nicht erkannt werden können.

 

Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens scheint kaum betroffen zu sein, da dieses sich unter der Prämisse entwickelte, dass die Bf und ihr Kind in Tunesien lebten, der Ehegatte aber in Österreich aufhältig ist. Überdies kann angesichts der Verehelichung vor gut einem Jahr von keiner langfristigen und daher besonders schutzwürdigen Verbindung ausgegangen werden. Insbesondere gilt dies auch für die zu berücksichtigenden Interessen des Ehegatten, der die Verbindung im Bewusstsein eingegangen war, dass seine nunmehrige Gattin nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist. Auch die Interessen des Kindes scheinen wenig schutzwürdig.

 

Die Bf kann bislang auf keine berufliche Integration im Bundesgebiet  verweisen, zumal sie in Österreich offensichtlich am Arbeitsmarkt nicht als integriert gelten kann. Mit Ausnahme des Umstandes, dass die Bf über die Deutschprüfung auf A1 Niveau verfügt, sind keinerlei Momente für eine gelungene soziale Integration zu entdecken. Hingegen kann die Bf in ihrem Heimatland fraglos als sprachlich, kulturell und auch sozial integriert gelten.

 

Strafrechtliche Verurteilungen liegen gegen die Bf in Österreich nicht vor. Ein Verstoß gegen Fremden- oder Asylrecht kann ihr ebenfalls nicht vorgehalten werden.

 

Das Privat- und Familienleben entwickelte sich fraglos während eines unsicheren Aufenthaltsstatus der Bf, zumal sie eben nicht zu längeren Aufenthalten in Österreich berechtigt war. Überlange Verfahrensdauer kann den Behörden jedenfalls nicht vorgeworfen werden. 

 

3.4. Unter Berücksichtigung der oa. Umstände kann keinesfalls von einem Überwiegen der persönlichen Interessen der Bf bzw. der betroffenen Familienangehörigen (teils österreichische Staatsbürger) ausgegangen werden, weshalb sich die Bf auch nicht zielführend auf § 11 Abs. 3 NAG stützen kann. 

 

4. Es war somit im Ergebnis die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, der angefochtene Bescheid zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Bernhard Pree