LVwG-350262/2/Py/SH

Linz, 07.10.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Drin. Andrea Panny über die Beschwerde der Frau J. B. E. R., x, L, gegen den Bescheid der Bezirkshaupt­mannschaft Linz-Land vom 19. Juli 2016, GZ: BHLLSO-2016-272666/5-SG, mit dem ihr Antrag vom 17. Juni 2016 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs zurückgewiesen wurde,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (in der Folge: belangte Behörde) vom 19. Juli 2016, GZ: BHLLSO-2016-272666/5-SG, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) vom 19. Juni 2016 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfs gemäß §§ 27 und 30 Oö. BMSG zurückgewiesen.

 

In der Begründung führt die belangte Behörde aus, dass die Bf mit Schreiben vom 23. Juni 2016 zur Vorlage eines Nachweises der Selbsterhaltungsfähigkeit aufgefordert wurde. Als Nachweise für die Selbsterhaltungsfähigkeit wurde ange­führt, dass eine abgeschlossene Lehre/Berufsausbildung und Lohnzettel über einen Zeitraum von mindestens durchgehend sechs Monaten, in denen die Höhe der Mindest­pension inklusive Sonderzahlung (derzeit monatlich 837,76 Euro netto x 14) erwirtschaftet wurde, gilt. Ist die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben, sind die Eltern unterhaltspflichtig und ist dieser Unterhalt einzuklagen oder mittels Unterhaltsvereinbarung zu regeln. Eine bereits erlangte Selbster­haltungsfähigkeit könne aus verschiedenen Gründen auch wieder erlöschen und die Unterhaltspflicht aufheben lassen. Die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen stellt eine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung einer Leistung der bedarfs­orientierten Mindestsicherung dar. Da die Bf ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, fehlt für ihren Antrag die Entscheidungsgrundlage und war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 3. August 2016. Darin bringt die Bf vor, dass sie ihre Lehrabschlussprüfung im Juni abgeschlossen hat und den Lehrbrief erst im Juli erhielt, der am 1. August 2016 nachgereicht wurde.

 

3. Mit Schreiben vom 8. August 2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor, das zur Entscheidung gemäß § 2 VwGVG durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist.

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akten­einsicht. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden.

 

4.1. Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt steht fest:

 

Die Bf, österreichische Staatsangehörige, geboren x, beantragte am 17. Juni 2016 die Gewährung bedarfsorientierter Mindestsicherung. Dem Antrag beigelegt wurde eine AMS-Bezugsbestätigung vom 2. Juni 2016, eine AMS-Mitteilung vom 18. Mai 2016 über den Leistungsanspruch, ein Schreiben des Amtes der Oö. Landesregierung, Direktion Soziales und Gesundheit, vom 10. Juni 2016, betreffend die Zusicherung von Wohnbeihilfe für den Zeitraum von Juni bis November 2016 in Höhe von 157,50 Euro monatlich, ein Schreiben der x Wohnungsgenossenschaften vom 28. Oktober 2013, mit dem der Übertragung der bislang vom Vater der Bf gemieteten Wohnung auf dessen Tochter zugestimmt wurde sowie eine Umsatzliste des Girokontos der Bf für den Zeitraum 2. Februar 2016 bis 2. Juni 2016. Des Weiteren wurde beigefügt eine Meldebestätigung der Bf an der Adresse L, x, sowie der Mietvertrag und die Höhe der Mietvorschreibung.

 

Mit Schreiben vom 23. Juni 2016 wurde die Bf von der belangten Behörde aufge­fordert, bis längstens 15. Juli 2016 folgende Auskünfte zu erteilen/folgende Urkunden bzw. Unterlagen beizubringen:

 

- Familienbeihilfenachweis

- Nachweis der Selbsterhaltungsfähigkeit*

- Nachweis Schulung/Ausbildung/Stiftungsvertrag AMS

- Angaben/Nachweise zur Bezugseinstellung mit 4. Juni 2016

- Kontoübersicht der letzten sechs Monate, Kontostand (Ausdruck der Bank, Ein- und Ausgänge)

- sämtliche Vermögensnachweise (Sparbücher, Bausparer, Wertpapiere, Fonds, ...)
- sämtliche Versicherungspolizzen; bei Lebens-/Pensionsversicherungen: aktueller Rückkaufwert und Information über Auflösung/Stilllegung)

 

Hinsichtlich des geforderten Nachweises über die Selbsterhaltungsfähigkeit enthält das Schreiben folgende Information:

 

* Nachweise für die Selbsterhaltungsfähigkeit zur Gewährung der bedarfs­orientierten Mindestsicherung sind eine abgeschlossene Lehre/Berufsausbildung und Lohnzettel über einen Zeitraum von mindestens durchgehend sechs Monaten, in denen die Höhe der Mindestpension inklusive Sonderzahlung (derzeit monatlich 837,76 Euro netto x 14) erwirtschaftet wurde.

Ist die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben, sind die Eltern unterhaltspflichtig und ist dieser Unterhalt einzuklagen oder mittels Unterhaltsvereinbarung zu regeln.

Eine bereits erlangte Selbsterhaltungsfähigkeit kann aus verschiedenen Gründen auch wieder erlöschen und die Unterhaltspflicht aufleben lassen.

Die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen stellt eine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung einer Leistung der bedarfsorientierten Mindestsicherung dar.

Sollte eine private Unterhaltsvereinbarung abgeschlossen werden, ist zu beachten, dass Eltern bis zu 22 % ihres Einkommens (abhängig von weiteren Sorgepflichten) unterhaltspflichtig sind.

 

Gleichzeitig wurde die Bf darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass sie ihrer Mit­wirkungspflicht innerhalb der angegebenen Frist nicht nachkommt, die Behörde der Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt wurde, zugrunde legen oder bei mangelnder Entscheidungsgrund­lage den Antrag zurückweisen kann.

 

Am 30. Juni 2016 legte die Bf im Wege der Stadtgemeinde L folgende Unterlagen vor:

 

- Kontoumsatzliste vom 1. Jänner 2016 bis 29. Juni 2016

- Ausbildungsvertrag V. und Bestätigung Stipendium

- Familienbeihilfenachweis

- AMS-Bestätigungen

 

Am 1. August 2016 reichte die Bf ihr Zeugnis betreffend ihre am 15. Juni 2016 bestandene Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Einzelhandelskauffrau nach.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist in dieser Form unbestritten.

 

5. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 30 Abs. 1 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG, LGBl. Nr. 74/2011 idgF ist die hilfesuchende Person (ihr gesetzlicher Vertreter) verpflichtet, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mitzuwirken. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht sind insbesondere die zur Durchführung des Verfahrens

1. erforderlichen Angaben zu machen,

2. erforderlichen Urkunden oder Unterlagen beizubringen und

3. erforderlichen Untersuchungen zu ermöglichen.

 

Gemäß § 30 Abs. 2 Oö. BMSG kann die Behörde der Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt wurde, zugrunde legen oder bei mangelnder Entscheidungsgrundlage den Antrag zurückweisen, wenn eine hilfesuchende Person (ihr gesetzlicher Vertreter) ihrer Mitwirkungspflicht innerhalb angemessener Frist nicht nachkommt. Voraussetzung dafür ist, dass die hilfesuchende Person oder ihr Vertreter nachweislich auf die Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hingewiesen worden ist.

 

5.2. Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist „Sache“ des nunmehrigen Beschwerdeverfahrens nur die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Zurückweisung (vgl. VwGH vom 29.04.2010, Zl. 2008/21/0302 u.a.).

 

Im Beschluss vom 17.12.2014, Ra2014/03/0049, führt der Verwaltungsgerichts­hof zu den Verfahrensbestimmungen vor den Verwaltungsgerichten aus, dass „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungs­behörde gebildet hat, ist. Wenngleich § 66 Abs. 4 AVG einerseits und § 28 Abs. 2 und Abs. 3 VwGVG andererseits unter jeweils verschiedenen Tatbestandsvoraus­setzungen eine Pflicht zur Entscheidung „in der Sache selbst“ normiert, ist das Verständnis dessen, was unter „Sache des Verfahrens“ zu verstehen ist, unver­ändert geblieben. Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, dann ist „Sache“ sowohl eines Berufungsverfahrens vor einer im administrativen Instanzenzug übergeordneten Berufungsbehörde als auch eines Beschwerdever­fahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die „Rechtmäßigkeit der Zurückweisung“ (vgl. VwGH vom 18.12.2014, Zl. Ra2014/07/0002).

 

Das Landesverwaltungsgericht hat insofern im gegenständlichen Verfahren nur zu überprüfen, ob die Zurückweisung des Antrages vom 17. Juni 2016 durch die belangte Behörde rechtmäßig war oder nicht.

 

Die Bf beantragte mit Eingabe vom 17. Juni 2016 Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfs gemäß den Bestimmungen des Oö. BMSG. Nachdem anhand der Eingabe über den Antrag keine Sach­entscheidung gefällt werden konnte, forderte die belangte Behörde die Bf mit Schreiben vom 23. Juni 2016 nachweislich auf, weitere Unterlagen vorzulegen. Die geforderten Unterlagen wurden aufgelistet und beschrieben, sodass es für die Bf deutlich erkennbar war, welche Unterlagen von der belangten Behörde gefordert wurden. Gleichzeitig wurde die Bf auf die möglichen Konsequenzen hingewiesen, wenn sie ihrer Mitwirkungspflicht im Verfahren nicht nachkommt.

 

Die von der Bf der Behörde im Anschluss an dieses Schreiben vorgelegten Unter­lagen waren nur unvollständig, zumal der von der belangten Behörde geforderte Nachweis über die Selbsterhaltungsfähigkeit der Bf nicht beigebracht wurde. Allein aus dem Umstand, dass die Bf am 1. August 2016 einen Nachweis über ihren Lehrabschluss vorlegte, kann die Behörde nicht von einer Selbsterhaltungs­fähigkeit der Bf ausgehen. Im Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, 20b179/106, hat der OGH ausgesprochen, dass ein Kind seinen Unterhaltsanspruch nicht automatisch mit dem Abschluss der Berufsausbildung verliert. Nicht schon dann, wenn das Kind zur Ausübung eines Berufes fähig ist, sondern erst dann, wenn ihm die wirtschaftlichen Verhältnisse auch die Möglichkeit zur Ausübung des Berufes geben, liegt Selbsterhaltungsfähigkeit vor (OGH vom 15.09.1971, 30b89/71). Selbsterhaltungsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit zur angemessenen Bedarfsdeckung auch außerhalb des elterlichen Haushaltes (OGH 11.07.1990, 10b594/90).

 

Aus dem Verfahren ergibt sich somit, dass die Bf mit Schreiben vom 23. Juni 2016 aufgefordert wurde, mit längstens 15. Juli 2016 zusätzliche Unterlagen vorzulegen. Insbesondere wurde zum geforderten Nachweis der Selbst­erhaltungs­fähigkeit ausführlich dargelegt, durch welche Unterlagen diese zu belegen ist. Ungeachtet dessen legte die Bf der belangten Behörde bis zur Vorlage der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht lediglich einen Nach­weis über ihren Lehrabschluss vor.

 

Zusammengefasst ergibt sich somit, dass die Bf der Behörde nicht die für die Bearbeitung des Antrages erforderlichen und von dieser ausdrücklich geforderten Unterlagen vorlegte. Da die Bf über die Zurückweisung bei fehlender Mitwirkung belehrt wurde, war die belangte Behörde berechtigt, den Antrag der Bf mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid zurückzuweisen, zumal eine nur teilweise Erfüllung eines Verbesserungsauftrages der gänzlichen Unterlassung der Behebung von Mängeln gleichzusetzen ist (vgl. VwGH vom 09.09.1987, Zl. 87/01/0144).

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Drin. Andrea Panny