LVwG-400194/2/Gf/Mu

Linz, 24.10.2016

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Grof über die Beschwerde des A B, vertreten durch RA J S, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 31. August 2016, Zl. 0006492/2016, wegen einer Übertretung des Bundesstraßenmautgesetzes

 

 

z u  R e c h t  e r k a n n t:

 

 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 38 VwGVG i.V.m. § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.

 

II. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich zu leisten.

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG nicht zulässig.

 


 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

I.

 

Gang des Behördenverfahrens

 

 

1. Mit Schreiben vom 27. Jänner 2016 hat die ASFINAG beim Magistrat der Stadt Linz deshalb Anzeige erstattet, weil der Lenker des mautpflichtigen KFZ mit dem polizeilichen Kennzeichen x (D) am 4. September 2015 um 16:17 Uhr die mautpflichtige Bundesstraße A 1 benutzt habe, ohne zuvor die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, da am Fahrzeug keine Vignette bzw. die Vignette nicht ordnungsgemäß (z.B. Trägerfolie nicht entfernt) angebracht gewesen sei.

 

Vor der Anzeigeerstattung sei der  Zulassungsbesitzer dieses KFZ ermittelt und dieser mit Schriftsatz vom 16. November 2015 dazu aufgefordert worden, die fällige Ersatzmaut zu entrichten; dem sei jedoch innerhalb der gesetzlichen Frist nicht nachgekommen worden.

 

2. In der Folge wurde der Rechtsmittelwerber als Zulassungsbesitzer dieses KFZ mit Schreiben des Magistrates der Stadt Linz vom 2. Februar 2016 dazu aufgefordert, binnen zwei Wochen den Namen, das Geburtsdatum und die Anschrift jener Person bekanntzugeben, die das verfahrensgegenständliche KFZ zum hier fraglichen Zeitpunkt gelenkt hat.

 

3. Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2016 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass dieses KFZ damals von ihm selbst gelenkt worden sei.

 

4. Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Linz vom 25. Februar 2016, Zl. 0006492/2016, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 34 Stunden) verhängt, weil er am 4. September 2015 um 16:17 Uhr ein KFZ mit einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 t gelenkt und mit diesem die Autobahn A 1, Mautabschnitt Asten St. Florian - Knoten Linz (km 164,057), Richtungsfahrbahn Staatsgrenze Walserberg, benutzt habe, ohne zuvor die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, da am Fahrzeug keine gültige Mautvignette angebracht gewesen sei. Dadurch habe er eine Übertretung des § 20 Abs. 1 des Bundesstraßen-Mautgesetzes, BGBl I 109/2002 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 99/2013 (im Folgenden: BStMG), begangen, weshalb er nach § 20 Abs. 1 BStMG zu bestrafen gewesen sei.

 

5. Dagegen hat der Beschwerdeführer mittels Telefax vom 8. März 2016 rechtzeitig Einspruch erhoben. Gleichzeitig wurde Akteneinsichtnahme beantragt und erklärt, dass umgehend eine Einspruchsbegründung erfolgen werde.

 

Durch diesen Einspruch wurde die angefochtene Strafverfügung ex lege (vgl. § 49 Abs. 2 VStG) aus dem Rechtsbestand eliminiert.

 

6. Daraufhin hat der Magistrat der Stadt Linz dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 9. März 2016 den Bezug habenden Verwaltungsakt übermittelt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, sich binnen einer Frist von zwei Wochen zur Tatanlastung zu äußern.

 

7. In weiterer Folge brachte der Rechtsmittelwerber mit e-mail vom 8. April 2016 begründend vor, dass er eine gültige Vignette besessen und diese auch ordnungsgemäß an seinem KFZ angebracht habe. Zum Beweis dafür wurden entsprechende Lichtbilder sowie die Rechnung über den Kauf einer Vignette mitgesendet.

 

8. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 6. April 2016, Zl. 0006492/2016, wurde über den Beschwerdeführer neuerlich eine Geldstrafe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 34 Stunden) verhängt, weil er am 4. September 2015 um 16:17 Uhr ein KFZ mit einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 t gelenkt und mit diesem die Autobahn A 1 benutzt habe, ohne zuvor die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, weil am Fahrzeug keine Mautvignette angebracht gewesen sei. Dadurch habe er eine Übertretung der §§ 1 Abs. 1 und 10 Abs. 1 BStMG begangen, weshalb er nach § 20 Abs. 1 BStMG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass diese Übertretung aufgrund der Anzeige der ASFINAG vom 27. Jänner 2016 und des von der Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen sei.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien keine Erschwerungsgründe hervorgekommen, während die bisherige Unbescholtenheit des Rechtsmittelwerbers als strafmildernd zu werten gewesen sei.

 

9. Gegen dieses ihm am 21. April 2016 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die gegenständliche, am 19. Mai 2016 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Beschwerde.

 

Darin wendet der Rechtsmittelwerber neuerlich ein, dass er an seinem Fahrzeug eine gültige Vignette ordnungsgemäß angebracht gehabt habe. Auf den Lichtbildern, die bereits mit e-mail vom 8. März 2016 übermittelt worden seien, sei zudem ersichtlich, dass diese Vignette in Höhe des Innenspiegels auf die Windschutzscheibe geklebt gewesen sei. Durch den Tönungsstreifen der Windschutzscheibe sei die Vignette allerdings teilweise verdeckt gewesen. Auch auf dem von der belangten Behörde mit Schreiben vom 2. Februar 2016 übermittelten Foto sei in der Mitte der Windschutzscheibe des gegenständlichen Fahrzeuges zumindest der untere Teil der Vignette erkennbar. Daraus und aus der Rechnung vom 4. August 2015 ergebe sich, dass er zum Tatzeitpunkt über eine gültige Vignette verfügt und diese am Fahrzeug auch ordnungsgemäß angebracht gehabt habe.

 

Daher wurde – erschließbar – die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

10. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 1. August 2016, LVwG-400163/2/Gf/Mu, wurde dieser Beschwerde gemäß § 50 VwGVG insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wurde.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses hinsichtlich des Tatbestandmerkmales der Ordnungsgemäßheit der Mautentrichtung keine zureichenden Konkretisierungsmerkmale aufweist. Insgesamt besehen dürfte die Behörde wohl davon ausgegangen sein, dass der Beschwerdeführer die Autobahn A 1 zum Vorfallszeitpunkt ohne jegliche Vignette benutzt hat, obwohl sich aus den im Zuge der automatischen Überwachung angefertigten, im Akt der belangten Behörde einliegenden Lichtbildern entnehmen lässt, dass zum Tatzeitpunkt wohl eine Vignette an der Windschutzscheibe des gegenständlichen KFZ angebracht gewesen sein dürfte. Diese war allerdings zumindest zum Teil auch innerhalb des Tönungsstreifen platziert, weshalb objektiv besehen nicht erkennbar ist, um welche Art von Vignette es sich hierbei gehandelt habe. Daher hätte der Beschwerdeführer nicht wegen Nichtanbringens einer Vignette, sondern lediglich deshalb bestraft werden dürfen, weil die Vignette nicht der Mautordnung entsprechend positioniert war.

 

Angesichts der noch offenen Verfolgungsverjährungsfrist war lediglich eine Aufhebung des Straferkenntnisses, nicht jedoch auch eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen.

 

11. In der Folge hat der Magistrat der Stadt Linz den Rechtsmittelwerber mit einer ihm am 12. August 2016 – und damit noch innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 1 VStG zugestellten – Aufforderung zur Rechtfertigung vom 5. August 2016, Zl. 0006492/2016, angelastet, dass er am 4. September 2015 um 16:17 Uhr ein KFZ mit einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 t gelenkt und mit diesem die Autobahn A 1 benutzt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Dies deshalb, weil die Mautvignette teilweise innerhalb des Tönungsstreifen und sohin nicht ordnungsgemäß im Sinne der Mautordnung angebracht gewesen sei; sohin liege eine Übertretung der §§ 1 Abs. 1, 10 Abs. 1 und 20  Abs. 1 BStMG vor.

 

12. Dazu äußerte sich der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 26. August 2015 dahingehend, dass seinem Mandanten bereits mit der Strafverfügung vom 25. Februar 2016 (s.o., I.4.) ein Foto seines Fahrzeuges übermittelt worden sei, auf dem ersichtlich sei, dass nicht in der Mitte unter dem Rückspiegel, sondern vom Fahrer aus gesehen links unten eine österreichische Vignette auf der Windschutzscheibe angebracht gewesen sei und diese Positionierung ohnehin der Mautordnung entspreche.

 

13. Schließlich wurde mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 31. August 2016, Zl. 0006492/2016, über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 34 Stunden) verhängt, weil er am 4. September 2015 um 16:17 Uhr ein KFZ mit einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 t gelenkt und mit diesem die Autobahn A 1 benutzt habe, ohne zuvor die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, weil die Mautvignette teilweise innerhalb des Tönungsstreifens und sohin nicht ordnungsgemäß im Sinne der Mautordnung angebracht gewesen sei. Dadurch habe er eine Übertretung der §§ 1 Abs. 1 und 10 Abs. 1 BStMG begangen, weshalb er nach § 20 Abs. 1 BStMG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass diese Übertretung aufgrund der Anzeige der ASFINAG vom 27. Jänner 2016 und des von der Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen sei.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien keine Erschwerungsgründe hervorgekommen, während die bisherige Unbescholtenheit des Rechtsmittelwerbers als strafmildernd zu werten gewesen sei.

 

14. Gegen dieses ihm Anfang September 2016 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die gegenständliche, am 21. September 2016 – und damit jedenfalls rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Beschwerde.

 

Darin verweist der Beschwerdeführer auf sein bisheriges Vorbringen, insbesondere auf seine Rechtfertigung vom 26. August 2016.

 

15. Der Magistrat der Stadt Linz hat dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich diese Beschwerde mit Schreiben vom 21. September 2016, Zl. 0006492/2016, samt Bezug habendem Akt vorgelegt; von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat die belangte Behörde abgesehen. 

 

II.

 

Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich

und Zulässigkeit der Beschwerde

 

 

1. Die vorliegende, auf Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG gegründete Beschwerde richtet sich gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde und wurde innerhalb der Vier-Wochen-Frist des § 7 Abs. 4 VwGVG bei der belangten Behörde eingebracht; da der Inhalt dieser Beschwerde den Anforderungen des § 9 VwGVG entspricht und auch sonstige Prozesshindernisse nicht vorliegen, ist sie insgesamt als zulässig zu qualifizieren.

 

2. Weil diesbezüglich weder im BStMG noch im VwGVG Abweichendes angeordnet ist, hatte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich im vorliegenden Fall gemäß Art. 135 Abs. 1 B‑VG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

 

 

III.

 

Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung

durch das Verwaltungsgericht

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Stadt Linz zu Zl. 0006492/2016; da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der entscheidungswesentliche, oben unter I. dargestellte Sachverhalt als zutreffend klären ließ und die Verfahrensparteien zudem einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

IV.

 

Rechtliche Beurteilung

 

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:

 

1. Nach § 20 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 BStMG begeht derjenige eine Verwal-tungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe von 300 Euro bis zu 3.000 Euro zu bestrafen, der als Lenker eines Kraftfahrzeuges, dessen höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, die zeitabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG haben Lenker solcher KFZ die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette i.S.d. § 11 Abs. 2 BStMG am Fahrzeug zu entrichten, wobei die näheren Bestimmungen über die Beschaffenheit der Mautvignetten, über ihre Anbringung an den Fahrzeugen und über das Mitführen der Mautvignetten anstelle der Anbringung in der Mautordnung getroffen sind.

 

Nach Punkt 7.1 (S. 15) der Mautordnung für die Autobahnen und Schnellstraßen Österreichs (Version 41, im Folgenden: MautO V41)[1] ist die Vignette u.a. vor der Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes ordnungsgemäß – insbesondere unter Verwendung des originären Vignettenklebers – anzubringen. Jede andere Art der Anbringung (z.B. durch [zusätzliche] Klebestreifen, andere Arten von
Fixierungen oder ein Überkleben der Vignette mit einer zusätzlichen Schutzfolie) ist danach nicht gestattet und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung; Zehntagesvignetten und Zweimonatsvignetten sind nur dann gültig, wenn sie durch ordnungsmäßige, vollständige Lochung des Kalendertages und ‑monats entwertet wurden; die Vignette für mehrspurige Fahrzeuge ist – nach vollständigem Ablösen von der Trägerfolie – unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar ist (z.B. kein Ankleben hinter einem dunklen Tönungsstreifen); jede Nichtbeachtung der Anbringungsvorschriften (z.B. nicht vollständiges Ablösen von der Trägerfolie oder nicht vollständige Anbringung der Vignette) führt ebenso zum Verlust des Nachweises der ordnungsgemäßen Mautentrichtung wie das Ablösen und Umkleben einer bereits geklebten gültigen Vignette, jede andere als in der MautO V41 zugelassene Mehrfachverwendung der Vignette oder auch die chemische oder die technische Manipulation des originären Vignettenklebers derart, dass bei Ablösen der Vignette deren Selbstzerstörungseffekt verhindert wird.

 

2.1. Im gegenständlichen Fall wurde der Rechtsmittelwerber beim Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 t auf der Autobahn A 1 betreten. Dies wird von ihm selbst gar nicht in Abrede gestellt und Gleiches ergibt sich auch aus der Anzeige der ASFINAG vom 27. Jänner 2015, Zl. 770222015090416170946, aus der hervorgeht, dass die Übertretung durch ein auf der Autobahn A 1 installiertes automatisches Überwachungssystem festgestellt wurde.

 

In Würdigung dieser Umstände ist es daher als erwiesen anzusehen, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt mit einem KFZ, das – allseits unbestritten – ein höchstzulässiges Gesamtgewicht von weniger als 3,5 t aufwies, die Autobahn A 1 benutzt hat (siehe dazu bereits oben, I.).

 

2.2. Die Autobahn A 1 zählte nach Teil A, Pkt. 2.1 (Seite 8), der auf § 14 BStMG basierenden MautO V41 zum Tatzeitpunkt (4. September 2015) zu den mautpflichtigen Bundesstraßen.

 

Der Rechtsmittelwerber war daher nach § 10 erster Satz BStMG dazu verpflichtet, für die Benützung der A 1 mit seinem ein nicht über 3,5 t höchstzulässiges Gesamtgewicht aufweisenden KFZ eine zeitabhängige Maut zu entrichten.

 

2.3. Zur Frage, ob er die Maut ordnungsgemäß entrichtet hat, ergibt sich aus den im Behördenakt enthaltenen, von der automatischen Überwachungskamera angefertigten Lichtbildern, dass sich auf der Windschutzscheibe des Fahrzeuges des Beschwerdeführers mehrere Aufkleber befanden, die in der Mitte des oberen Bereiches und im unteren Bereich sowohl links als auch rechts platziert waren, wobei die (jeweils vom Fahrzeuglenker aus gesehen) unten rechts positionierte Vignette eine solche verkörperte, die in der BRD (auch) das Befahren von Innenstädten erlaubt (sog. „Deutsche Umweltplakette“), und es sich auch bei dem unten links angebrachten Aufkleber zweifelsfrei nicht um eine österreichische Autobahnvignette handelte.

 

Ob hingegen der im oberen Bereich in der Mitte der Windschutzscheibe zum Teil innerhalb und zum Teil außerhalb des Tönungsstreifens angebrachte Aufkleber eine österreichische Autobahnvignette – und wenn ja, welchen Typs (Jahres-, Monats- oder Zehntagesvignette) – war, lässt sich deshalb nicht feststellen, weil das von der automatischen Überwachungskamera angefertigte Foto nicht die hierfür erforderliche Schärfe bzw. Auflösungsmöglichkeit aufweist.

 

Aus rechtlicher Sicht ist die Klärung dieser Frage jedoch schon deshalb von entscheidender Bedeutung, weil es sich bei der Tatanlastung der Benützung einer mautpflichtigen Straße überhaupt ohne Vignette einerseits bzw. mit einer gültigen, allerdings (bloß) nicht entsprechend der Mautordnung positionierten Vignette andererseits jeweils um Delikte mit schon ex ante maßgeblich divergierendem Unrechtsgehalt handelt. Es kann daher schon im Hinblick auf den von 300 Euro bis 3.000 Euro reichenden Strafrahmen gleichsam nicht genügen, dass bloß überhaupt ein strafbares Verhalten vorliegt, ohne dass es zudem darauf ankäme, welchem der in Pkt. 7.1. der MautO V41 i.V.m. § 20 Abs. 1 BStMG normierten zahlreichen Deliktstatbestände (s.o., IV.1.) dieses konkret zuzurechnen ist.

 

Lässt sich daher auf Grund der vorhandenen Belege nicht mit der für die Verhängung einer Verwaltungsstrafe erforderlichen Sicherheit beweisen, welcher konkrete Deliktstatbestand als erfüllt anzusehen ist – wobei in diesem Zusammenhang vor allem auch zu beachten ist, dass, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jüngst in seinem Urteil vom 20. September 2016, 926/08 (Karelin/Russland – ECLI:CE:ECHR:2016:0920JUD000092608), festgestellt hat, jedenfalls eine autonom-ergänzende Beweisführung durch das LVwG dem in Art. 6 Abs. 1 EMRK zum Ausdruck kommenden Prinzip der Unparteilichkeit des Gerichts widersprechen würde –, ist folglich im Zweifel gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK zugunsten des Rechtsmittelwerbers von der Nichterwiesenheit der Tat auszugehen.

 

2.4. Ergänzend ist im vorliegenden Fall anzumerken, dass dann, wenn der Rechtsmittelwerber nunmehr in rechtmäßiger Weise wegen eines der beiden zuvor erwähnten Delikte („Fahren ohne Vignette“ oder „Fahren mit nicht ordnungsgemäß angebrachter Vignette“) rechtskräftig bestraft worden wäre, im Ergebnis keine Verletzung das Doppelverfolgungs- bzw. ‑bestrafungsverbots des Art. 4 des 7.ZPMRK vorgelegen hätte, weil die durch das Erkenntnis des LVwG vom 1. August 2016, LVwG-400163/2/Gf/Mu, explizit ohne Einstellung verfügte Aufhebung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 6. April 2016, Zl. 0006492/2016, (noch) keine rechtskräftige Erledigung des Verwaltungsstrafverfahrens verkörperte (vgl. in diesem Sinne schon VwGH vom 4. Juli 1991, 90/10/0131; vom 27. Mai 1988, 88/18/0034; und vom 22. Jänner 1980, 1967/79 [allerdings jeweils zur Rechtslage vor der VStG-Novelle 1991, die noch eine Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren vorgesehen hatte]).

 

3. Wegen – wie gezeigt – Nichterweisbarkeit der Tatbestandsmäßigkeit des dem Rechtsmittelwerber angelasteten Verhaltens war daher der gegenständlichen Beschwerde gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK i.V.m. § 50 VwGVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und zudem das Verwaltungsstrafverfahren nunmehr deshalb nach § 38 VwGVG i.V.m. § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG  einzustellen, weil zwischenzeitlich die Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 1 VStG abgelaufen ist.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich vorzuschreiben.

 


 

 

V.

 

Revision an den Verwaltungsgerichtshof

 

 

Eine ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren seitens der belangten Behörde lediglich eine Geldstrafe von 300 Euro verhängt wurde (vgl. § 25a Abs. 4 Z. 2 VwGG).

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

 

 

Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

Rechtssatz:

 

LVwG-400194/2/Gf/Mu vom 24. Oktober 2016

 

Erkenntnis

 

Normen:

 

Art. 6 Abs. 1 EMRK

Art. 6 Abs. 2 EMRK

§ 20 BMStG

Pkt. 7.1 MautO V41

§ 50 VwGVG

§ 31 VStG

§ 45 VStG

 

Abstract:

 

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters wurde über den Bf. eine Geldstrafe von Euro 300,− verhängt, weil er bei der Benützung einer Autobahn an seinem Fahrzeug nicht die erforderliche Mautvignette angebracht gehabt habe. Seiner dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des LVwG vom 1.8.2016, LVwG-400163, stattgegeben, wobei explizit lediglich die Aufhebung des Straferkenntnisses, nicht jedoch auch eine Einstellung des Strafverfahrens verfügt wurde. In der Folge wurde über den Bf. mit Straferkenntnis des Bürgermeisters neuerlich eine Geldstrafe von Euro 300,− verhängt, weil er die Mautvignette nicht der Mautordnung entsprechend angebracht gehabt habe. Dagegen hat der Bf. wiederum eine Beschwerde an das LVwG erhoben.

 

 

Rechtssätze:

 

* Ob der im oberen Bereich in der Mitte der Windschutzscheibe zum Teil innerhalb und zum Teil außerhalb des Tönungsstreifens angebrachte Aufkleber eine österreichische Autobahnvignette – und wenn ja, welchen Typs (Jahres-, Monats- oder Zehntagesvignette) – war, lässt sich deshalb nicht feststellen, weil das von der automatischen Überwachungskamera angefertigte Foto nicht die hierfür erforderliche Schärfe bzw. Auflösungsmöglichkeit aufweist. Aus rechtlicher Sicht ist die Klärung dieser Frage jedoch schon deshalb von entscheidender Bedeutung, weil es sich bei der Tatanlastung der Benützung einer mautpflichtigen Straße überhaupt ohne Vignette einerseits bzw. mit einer gültigen, allerdings (bloß) nicht entsprechend der Mautordnung positionierten Vignette andererseits jeweils um Delikte mit schon ex ante maßgeblich divergierendem Unrechtsgehalt handelt. Es kann daher schon im Hinblick auf den von 300 Euro bis 3.000 Euro reichenden Strafrahmen gleichsam nicht genügen, dass bloß überhaupt ein strafbares Verhalten vorliegt, ohne dass es zudem darauf ankäme, welchem der in Pkt. 7.1. der MautO V41 i.V.m. § 20 Abs. 1 BStMG normierten zahlreichen Deliktstatbestände dieses konkret zuzurechnen ist;

 

* Lässt sich auf Grund der vorhandenen Belege nicht mit der für die Verhängung einer Verwaltungsstrafe erforderlichen Sicherheit beweisen, welcher konkrete Deliktstatbestand als erfüllt anzusehen ist – wobei in diesem Zusammenhang vor allem auch zu beachten ist, dass, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jüngst in seinem Urteil vom 20. September 2016, 926/08 (Karelin/Russland – ECLI:CE:ECHR:2016:0920JUD000092608), festgestellt hat, jedenfalls eine autonom-ergänzende Beweisführung durch das LVwG dem in Art. 6 Abs. 1 EMRK zum Ausdruck kommenden Prinzip der Unparteilichkeit des Gerichts widersprechen würde –, ist folglich im Zweifel gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK zugunsten des Rechtsmittelwerbers von der Nichterwiesenheit der Tat auszugehen;

 

* Ergänzend ist im vorliegenden Fall anzumerken, dass dann, wenn der Rechtsmittelwerber nunmehr in rechtmäßiger Weise wegen eines der beiden hier in Betracht kommenden Delikte („Fahren ohne Vignette“ oder „Fahren mit nicht ordnungsgemäß angebrachter Vignette“) rechtskräftig bestraft worden wäre, im Ergebnis keine Verletzung das Doppelverfolgungs- bzw. -bestrafungsverbots des Art. 4 des 7.ZPMRK vorgelegen hätte, weil die durch das Erkenntnis des LVwG vom 1.8.2016, LVwG-400163, explizit ohne Einstellung verfügte Aufhebung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 6.4.2016, Zl. 0006492/2016, (noch) keine rechtskräftige Erledigung des Verwaltungsstrafverfahrens verkörperte (vgl. in diesem Sinne schon VwGH vom 4. Juli 1991, 90/10/0131; vom 27. Mai 1988, 88/18/0034; und vom 22. Jänner 1980, 1967/79 [allerdings jeweils zur Rechtslage vor der VStG-Novelle 1991, die noch eine Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren vorgesehen hatte]).

 

 

 



[1] Abrufbar unter http://www2.asfinag.at/web/guest/maut/mautordnung/archiv.