LVwG-650704/2/MZ

Linz, 12.10.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des R T, geb x 1964, vertreten durch RA Mag. B S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 22.8.2016, GZ. VerkR21-669-2014,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und angeordnet, dass dem Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden uneingeschränkte Einsicht in den zur Zahl VerkR21-669-2014 geführten Verwaltungsakt zu gewähren ist.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 22.8.2016, GZ. VerkR21-669-2014, wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in Folge: Bf) vom 21.7.2016 auf uneingeschränkte Akteneinsicht in einem abgeschlossenen Verfahren gemäß § 17 Abs 3 AVG nicht gewährt.

 

Dem Bescheid zugrunde liegt ein aufgrund einer E-Mail vom 22.10.2014 von der Bezirkshauptmannschaft Gmunden eingeleitetes Verfahren zur Überprüfung der gesundheitlichen Eignung des Bf zum Lenken von KFZ. Dieses Verfahren wurde mit (mündlich verkündetem) Bescheid vom 16.2.2015 (SZ 17 des vorgelegten Verwaltungsaktes) abgeschlossen.

 

Um Kenntnis vom Absender der verfahrenseinleitenden E-Mail zu erlangen, stellte der Bf einen Antrag auf uneingeschränkte Akteneinsicht, die ihm nunmehr wie einleitend dargestellt verweigert wurde.

 

Ihren Bescheid begründet die belangte Behörde wie folgt:

„Wie bereits telefonisch mitgeteilt, sieht die BH Gmunden keinerlei Zusammenhang zwischen dem Ausgang des Verfahrens und dem Namen (bzw. der E-Mail-Adresse) des Anzeigers. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Kenntnis des Namens des Anzeigers einen [sic; gemeint wohl: keinen] anderen Ausgang des Verfahrens bewirkt hätte bzw. bewirken würde.

Von § 17 Abs. 3 AVG werden etwa auch sonstige berechtigte Interessen geschützt, also etwa das Interesse eines Zeugen oder einer Auskunftsperson am Unterbleiben von „Repressalien“. Da diese im gegenständlichen Fall nicht auszuschließen sind, musste die uneingeschränkte Akteneinsicht verweigert werden.“

 

II. Gegen den genannten Bescheid erhob der Bf im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

 

Der Bf argumentiert, dass es sich beim Bf um eine rechtstreue Person handelt, die in keinster Weise Repressalien gegen eine allfällige bekannt werdende Auskunftsperson vorhabe. Es würden auch keine Verfahrensergebnisse vorliegen, die eine solche Vorgehensweise befürchten ließen.

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von keiner der Verfahrensparteien beantragt. Da sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt vollinhaltlich aus dem Verwaltungsakt ergibt, war die Durchführung einer solchen auch im Sinne des § 24 Abs 1 VwGVG nicht erforderlich bzw durch die mündliche Erörterung im Sinne des Abs 4 leg cit eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten. Dass der Entfall der Verhandlung Art 6 EMRK oder Art 47 GRC entgegenstünde, vermag ebenfalls nicht erkannt zu werden.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von dem in den Punkten I. und II. genannten, unstrittigem Sachverhalt aus.

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Die einschlägige Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes – AVG idF BGBl I 2013/161, lautet:

 

„Akteneinsicht

§ 17. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.

(2) …

(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.

(4) ….“

 

b.1) Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung zum einen darauf, dass keinerlei Zusammenhang zwischen dem Ausgang des Verfahrens und dem Namen (bzw der E-Mail-Adresse) des Anzeigers bestünde. Dieser Auffassung ist zwar grundsätzlich beizupflichten, inwiefern in Ansehung des Wortlauts des § 17 Abs 3 AVG jedoch deshalb eine Verweigerung der Akteneinsicht in Betracht kommen soll, vermag vom Landesverwaltungsgericht nicht nachvollzogen zu werden. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen auch ausgesprochen, dass eine Nichtgewährung der Akteneinsicht ohne ausreichende weitere Begründung "umso mehr“ unzulässig ist, „wenn die betreffenden Aktenteile für die (negative) Entscheidung in der Sache (zB über eine Aufenthaltsbewilligung) und damit auch für die Rechtsverfolgung durch die Partei wesentlich sind (VwGH 19.9.1996, 95/19/0778; 11.5. 010, 2008/22/0284). Die Formulierung „umso mehr“ lässt klar erkennen, dass, ohne weiter auf die Tatbestände des § 17 Abs 3 AVG abzustellen, Verfahrensparteien Akteneinsicht zu gewähren ist.

 

b.2) Grundsätzlich zu Recht führt die belangte Behörde aus, dass § 17 Abs 3 AVG ua berechtigte Interessen dritter Personen vor Schädigung schützt, also etwa das Interesse eines Zeugen oder einer Auskunftsperson am Unterbleiben von „Repressalien“. Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Folge darf sich die Behörde jedoch bei Bedenken, dass im Fall der unbeschränkten Akteneinsicht dritte Personen Repressalien ausgesetzt wären, nicht mit allgemeinen Befürchtungen, die nicht nachvollziehbar sind, begnügen, sondern hat darzulegen, welchen Repressalien die betreffende(n) Person(en) bei Bekanntwerden ihrer Identität ausgesetzt sein könnten (VwGH 19.12.2000, 95/12/0007).

 

Im konkreten Fall erschöpft sich die Begründung der belangten Behörde allerdings darin, dass Repressalien „im gegenständlichen Fall nicht auszuschließen sind“.

 

Die belangte Behörde legt damit jedoch in keinster Weise dar, aufgrund welcher Überlegungen sie zur Auffassung gelangt, dass bei unbeschränkter Akteneinsicht der Verfasser der E-Mail, aufgrund derer das Verfahren zur Prüfung der gesundheitlichen Eignung des Bf zum Lenken von KFZ eingeleitet wurde, mit (welchen?) Repressalien seitens des Bf zu rechnen haben dürfte. Auch im vorgelegten Verwaltungsakt finden sich keinerlei derartige Hinweise wie etwa einschlägige Vorstrafen, eingeholte Auskünfte bei der örtlichen Polizei, ein aggressives Verhalten des Bf bei der Behörde, oder ähnliches. Es vermag vor diesem Hintergrund nicht davon ausgegangen zu werden, dass der Bf im Falle der unbeschränkten Akteneinsicht berechtigte Interessen des E-Mail-Verfassers schädigen wird.

 

Der angefochtene Bescheid ist daher zu beheben und der Behörde aufzutragen, dem Bf uneingeschränkte Akteneinsicht zu gewähren.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da die Entscheidung der zitierten, soweit ersichtlich einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer