LVwG-601586/2/SCH/LR

Linz, 25.10.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter            Dr. Schön über die Beschwerde der Frau E G, H,
K, vom 8. Oktober 2016 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 22. September 2016, GZ: VerkR96-7645-2016, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960,

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin als Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren den Betrag von
40 Euro (20% der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

 

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der   Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf hat mit Straferkenntnis vom
22. September 2016, GZ: VerkR96-7645-2016, über Frau E G wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

 

Im Spruch des Straferkenntnisses heißt es:

Sie sind mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl Sie und die Person in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.

Tatort: Gemeinde Kremsmünster, Gemeindestraße Ortsgebiet, Rathausplatz, Parkplatz vor Haus Rathausplatz 8.

Tatzeit: 18.07.2016, 13:42 Uhr.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 4 Abs. 5 StVO

 

Fahrzeug: Kennzeichen x, PKW, Fiat FIAT PUNTO, grau/silberfarbig

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich

ist, Ersatzfreiheitsstrafe   gemäß

von

 

200,00 72 Stunden § 99 Abs. 3 lit. b StVO

Euro

Allfällige weiter Aussprüche (zB über die Anrechnung der Vorhaft, über den Verfall oder über privatrechtliche Ansprüche): ---

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

20,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, mindestens jedoch 10,00 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100,00 Euro);

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 220,00 Euro.“

 

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben. Diese ist von der belangten Behörde samt Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt worden. Dieses hatte gemäß § 2 VwGVG durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter zu entscheiden.

Gemäß § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Eine solche wurde im Übrigen auch nicht beantragt.

 

3. Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin den PKW mit dem Kennzeichen x am 18. Juli 2016 auf dem Rathausplatz in Kremsmünster zum Parken abgestellt hatte. Neben ihr war auf den dort vorhandenen Schrägparkplätzen bereits ein weiteres Fahrzeug abgestellt gewesen. Als die Besitzerin dieses Fahrzeuges gegen 13:40 Uhr dorthin zurückkam, musste sie feststellen, dass das Fahrzeug der Beschwerdeführerin im Bereich der Fahrertüre an ihr Fahrzeug angestoßen war und noch in dieser Lage dort stand.

Zumal sie die Beschwerdeführerin nicht erreichen konnte, wurde von ihr die Polizei verständigt. Von den Beamten sind aussagekräftige Fotos angefertigt worden. Hierauf sieht man klar und deutlich, dass die Beschwerdeführerin mit der rechten Vorderseite ihres Fahrzeuges ganz offenkundig in die Fahrertür des Fahrzeuges der Zweitbeteiligten hineingefahren war. Die beiden Fahrzeuge berührten einander. Zudem war es aufgrund des Umstandes, dass dadurch die Fahrertür nicht geöffnet werden konnte, der Zweitbeteiligten nicht möglich, durch diese Tür in ihr Fahrzeug zu gelangen.

Wenn nun die Beschwerdeführerin behauptet, von diesem Verkehrsunfall, der an beiden Fahrzeugen zumindest geringfügige Schäden zur Folge hatte, nichts bemerkt zu haben, so muss ihr Folgendes entgegen gehalten werden:

Der Anstoß an das abgestellte Fahrzeug erfolgte unmittelbar im Sichtbereich der Beschwerdeführerin, der durch die Windschutzscheibe bzw. durch die beifahrerseitige Scheibe auch bei nur allergeringster Aufmerksamkeit jedenfalls hätte wahrgenommen werden müssen. Es ist also nicht so, dass etwa der Anstoßbereich an einer Stelle des Fahrzeuges gewesen wäre, der von der Beschwerdeführerin nicht hätte eingesehen werden können oder nur bei ganz besonderer Aufmerksamkeit wahrnehmbar gewesen wäre, vielmehr passierte der Anstoß quasi direkt vor ihren Augen. Dazu kommt noch, dass die Beschwerdeführerin sich ganz offenkundig derartig knapp zum abgestellten Fahrzeug hinbewegt hatte, dass, nachdem diese ihr Fahrzeug abgestellt hatte, es der Zweitbeteiligten völlig unmöglich war, durch die Fahrertür in ihr Fahrzeug zu gelangen. Dass man angesichts dessen behaupten will, hier nichts von einem Anstoß bemerkt zu haben, muss als völlig lebensfremd bewertet werden. Der Anstoß wäre der Beschwerdeführerin bei auch nur halbwegs gegeben gewesener Aufmerksamkeit jedenfalls visuell wahrnehmbar gewesen. Dazu kommt auch noch die akustische Wahrnehmungsmöglichkeit, wobei hier zu sagen ist, dass eine Fahrzeugkarosserie mit der Wirkung eines Resonanzkörpers jeden Kontakt von außen nach innen als Geräusch wesentlich verstärkt, also auch von einer akustischen Wahrnehmungsmöglichkeit des Anstoßes für die Beschwerdeführerin auszugehen war. Ob auch die dritte Möglichkeit, nämlich den Anstoß durch eine dadurch bewirkte Fahrzeugbewegung zu bemerken, kann angesichts der relativ geringen Fahrgeschwindigkeit, die die Beschwerdeführerin vor dem Anstoß eingehalten hatte, wohl verneint werden. Im Ergebnis kommt es aber darauf ohnehin nicht an, da eine visuelle und akustische Möglichkeit des Bemerkens des Anstoßes hinreichend gegeben war.

Letztendlich kommt es auch nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin den Anstoß tatsächlich bemerkt hatte oder nicht, etwa weil sie unaufmerksam war oder das Autoradio laut eingeschaltet hatte. Entscheidend ist vielmehr, ob sie den Verkehrsunfall bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte bemerken müssen. Oder mit anderen Worten, ob ihr objektive Umstände, etwa die visuelle Wahrnehmung des Anstoßes oder ein entsprechendes Geräusch, zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit wenigstens einer Sachbeschädigung zu erkennen war (VwGH 23.05.2002, 2001/03/0417). Angesichts der hier gegeben gewesenen Situation muss davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls mit der Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden hätte rechnen müssen.

 

4. Aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin, zumal die zweitbeteiligte Fahrzeuglenkerin für einen Identitätsnachweis nicht verfügbar war, den Verkehrsunfall bei der nächsten Polizeidienststelle hätte melden müssen.

§ 4 Abs. 5 StVO 1960 ordnet nämlich an, dass, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die Unfallbeteiligten die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen haben. Eine solche Verständigung darf unterbleiben, wenn diese Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Dieser Nachweis ist, wie oben dargelegt, nicht erfolgt, sodass für die Beschwerdeführerin die Meldepflicht bei der Polizei bestanden hatte.

Wenn die Beschwerdeführerin in ihrem Einspruch vom 26. Juli 2016 gegen die ursprünglich ergangene Strafverfügung vermeint, dass sie, wenn sie die „Tat“ bemerkt hätte, dann einen Zettel hinterlassen hätte, gemeint wohl ein Verständigungszettel an der Windschutzscheibe des zweitbeteiligten Fahrzeuges, ist hier entgegenzuhalten, dass auch diese Vorgangsweise nicht der Vorschrift des § 4 Abs. 5 StVO 1960 entsprochen hätte, zumal dieser entweder die Meldung des Verkehrsunfalls bei der Polizei oder den Identitätsnachweis, also den gegenseitigen Nachweis von Name und Anschrift der Beteiligten, verlangt.

 

5. Zur Strafbemessung:

Der Strafrahmen für Übertretungen des § 4 Abs. 5 StVO 1960 beträgt gemäß
§ 99 Abs. 3 lit.b leg cit bis zu 726 Euro.

Bei der konkreten Strafbemessung ist zu bedenken, dass die Verpflichtungen des § 4 StVO 1960 für die Unfallbeteiligten insofern von Bedeutung sind, als dadurch ermöglicht werden soll, zum einen die Ursachen eines Verkehrsunfalles möglichst rasch und ohne übermäßigen Aufwand zu klären. Zum anderen geht es auch darum, dem Geschädigten die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Verursacher bezüglich Schadensregulierung ohne umfangreiche Nachforschungen auseinanderzusetzen. So gesehen dürfen also die sogenannten „Fahrerfluchtdelikte“ nicht als Bagatelldelikte mit bloß geringfügigen Geldstrafen abgetan werden.

Die von der belangten Behörde verhängte Strafe in Höhe von 200 Euro entspricht diesen Erwägungen, wobei der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin hinreichend berücksichtigt wurde. Erschwerungsgründe lagen nicht vor.

Die Beschwerdeführerin hat im Rahmen des behördlichen Verwaltungsstrafverfahrens von der Möglichkeit, ihre persönlichen Verhältnisse, insbesondere ihre Einkommenssituation, bekannt zu geben, nicht Gebrauch gemacht. Sohin ist es zulässig, von einer Schätzung derselben auszugehen, wobei ein monatliches Nettoeinkommen von etwa 1.000 Euro bei der Beschwerdeführerin wohl angenommen werden kann. Damit wird ihr die Bezahlung der verhängten Geldstrafe ohne unzumutbare Einschränkung ihrer Lebensführung möglich sein. Solche Verwaltungsstrafen lassen sich im Übrigen leicht vermeiden, wenn man sich an die Vorschriften hält.

 

 

Zu II:

Die Entscheidung über den Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren ist in den zitierten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

 

 

Zu III.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Für die Beschwerdeführerin ist gemäß § 25a Abs.4 VwGG die Einbringung einer Revision ex lege nicht zulässig.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

H i n w e i s

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

Dr. Schön