LVwG-150078/2/AL/CJ

Linz, 31.03.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Astrid Lukas über die Beschwerde der X in X, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. X, Dr. X, Mag. X und Mag. X, X, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 8.7.2010, Z PPO-RM-Bau-100037-09, den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als der Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 8.7.2010, Z PPO-RM-Bau-100037-09, aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG zurückverwiesen wird.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Eingabe vom 18. November 2009 beantragte die Bauwerberin, X, die Erteilung einer Baubewilligung nach § 24 der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 (BO) für den Neubau eines eingeschossigen Hauses mit ausgebautem Dachgeschoß für zwei Wohneinheiten sowie den Neubau eines Carports für zwei Fahrzeuge auf der Liegenschaft Grundstück Nr. X, EZ X, KG X. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) ist Eigentümerin der östlich an das Baugrundstück angrenzenden Liegenschaft EZ X, bestehend aus den Grundstücken Nr. X und X.

 

Mit am 1. Dezember 2009 beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz eingelangter Eingabe suchte die Bauwerberin gemäß § 36 Abs 1 BO um eine geringfügige Abweichung vom Bebauungsplan an. Die im Bebauungsplan mit 100 m begrenzte bebaubare Fläche solle um ca. 9,5 m überschritten werden. Durch diese Änderung würden keine Mindestabstände zu den Nachbarn unterschritten. Das Erscheinungsbild des Hauses bleibe vom öffentlichen Gut aus gesehen unverändert, da das Haus nur in der Länge vergrößert werde.

 

Die Bauliegenschaft liegt im Wohngebiet. Nach dem maßgebenden Bebauungsplan T. IV ist die offene Bauweise vorgesehen mit der Beschränkung auf ein Vollgeschoß (Gesamtgeschoßzahl ohne allfällige Dach- und Kellergeschoße). Für die Bauliegenschaft und die östlich angrenzende Nachbarliegenschaft der Bf sowie für die westlich an die Bauliegenschaft angrenzende Liegenschaft Grundstück Nr. X wird zu den seitlichen Bauplatzgrenzen ein zulässiger Mindestabstand von 2 m festgelegt. Im Übrigen ist die bebaubare Grundfläche pro Bauplatz und Hauptgebäude einschließlich Neu- und Zubauten mit maximal 100 m2 beschränkt.

 

Einem Aktenvermerk des Anlagen- und Bauamtes vom 4. Dezember 2009 ist zu entnehmen, dass die Überschreitung der bebaubaren Grundfläche noch als geringfügig angesehen werden könne, da sie sich in einem Ausmaß von unter 10% bewege. Geschützte Interessen Dritter würden nicht verletzt, weil es durch diese geringfügige Überschreitung lediglich zu einer größeren flächigen Ausnützung des Bauplatzes komme, die zugleich keine wesentliche Gebäudeverlängerung bewirke. Zudem könnte das Bauprojekt angesichts des Baufluchtlinienzuges durchaus in noch längsgezogenerer Ausführung errichtet werden, was den nachbarschaftlichen Baubestand (und zwar in einer dem Bebauungsplan durchaus entsprechenden Weise) mehr abdecken würde als das geplante Projekt. Das Projekt widerspreche nicht den städtischen Planungszielen, weil durch die Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Situierung der Baukörper ein größerer Bewegungsspielraum zugelassen werde. Die angestrebte Siedlungsstruktur werde durch die Vergrößerung des Baukörpers nicht negativ beeinflusst.

 

Mit Schreiben vom 29. Jänner 2010 erhob die Bf Einwendungen gegen die Ausnahmegewährung gemäß § 36 BO und brachte ferner vor, dass ihre Nachbarliegenschaft durch das Bauvorhaben vermehrt von Hochwasser betroffen werde, sich das geplante Objekt nicht in das Erscheinungsbild der Nachbarhäuser einfüge und merklich das Ortsbild störe und außerdem die Festlegung eines seitlichen Mindestabstandes von nur 2 m gesetzwidrig sei. Der Dachbodenausbau widerspreche dem Bebauungsplan und mache das Dachgeschoß durch Gaupen zum Vollgeschoß.

 

Bei der mündlichen Bauverhandlung am 3. Februar 2010 führte die Bf ergänzend aus, es würde sich eine Abwertung ihrer Liegenschaft durch die Positionierung des Bauvorhabens ergeben. Es gebe eine Möglichkeit, dass durch die Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes der Bauplatz neu konfiguriert werden könnte, sodass die Belüftung und Belichtung der Nachbarliegenschaft weniger beeinträchtigt würde.

 

I.2. Mit Bescheid vom 5. März 2010 wurde die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung mehrerer Auflagen erteilt. Dieser Bescheid trägt im Kopf die Aufschrift "Magistrat der Landeshauptstadt Linz" und darunter "Anlagen- und Bauamt als Baubehörde 1. Instanz". Der Spruch dieses Bescheides beginnt mit den Worten "Vom X - X ergeht nachstehender Spruch". Gefertigt ist dieser Bescheid mit den Worten "Der Leiter des Anlagen- und Bauamtes : i.V. R. eh.".

 

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf Berufung, in der sie sich erneut gegen die Ausnahme gemäß § 36 BO wandte, die Beeinträchtigung durch Hochwässer geltend machte, ferner die bereits genannte Rechtswidrigkeit des Bebauungsplanes hinsichtlich des Seitenabstandes, darüber hinaus die Nichteinhaltung der Gebäudehöhe durch die gesetzwidrig großen Gaupen und auch durch Anschüttungen, die das natürliche Niveau und damit die Gebäudehöhe veränderten, schließlich auch noch, dass der erstinstanzliche Bescheid nichtig sei, weil er nicht vom Magistrat oder einem vom Magistrat approbationsbefugten Beamten erlassen worden sei.

 

Mit Eingabe vom 20. Mai 2010 erfolgte eine Projektänderung durch die Bauwerberin betreffend die Dachgaupen.

 

Die Beschwerdeführerin äußerte sich dazu in einem Schreiben vom 15. Juni 2010 ablehnend.

 

I.3. Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshaupstadt Linz vom 8. Juli 2010 wurde die Berufung der Bf als unbegründet abgewiesen.

Unter Hinweis auf VwGH 20.10.2009, Zl 2007/05/0046, führte der Stadtsenat unter anderem aus, dass die 10 %-Regel des § 36 Abs. 2 BO auch dann für die Auslegung des Merkmals "geringfügig" herangezogen werden könne, wenn es nicht um die Abweichung von Fluchtlinien gehe. Die erstinstanzliche Behörde habe daher zutreffend eine Genehmigungsfähigkeit der gegenständlichen Überschreitung als geringfügig angenommen. Die Berufungsbehörde könne auch nicht finden, dass das Abweichen von der zulässigen bebaubaren Fläche beim hier gegenständlichen kleinen und extrem schmalen Bauplatz unsachlich sei. Würde nämlich beispielsweise der an der Westseite 11,65 m lange Baukörper an dieser (also der dem Grundstück der Bf abgewandten Seite) um 1 m verschmälert, läge die bebaute Fläche zwar unter 100 m2, es würde sich jedoch an der Länge des Baukörpers an der der Bf zugewandten Seite nichts ändern. Angesichts der Grundstücksgröße und der Grundstücksbreite gälten bei der Anwendung des § 36 BO daher keine anderen Maßstäbe als die von der genannten Judikatur vorgegebenen.

 

I.4. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Bf wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Oö. Landesregierung keine Folge gegeben.

 

Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus, hinsichtlich der Begründetheit der Ausnahme gemäß § 36 BO sei auf die ausführliche Begründung des Berufungsbescheides zu verweisen. Für die Frage der Begründetheit des Antrages an sich sei das im Berufungsbescheid näher erläuterte Fehlen eines diesbezüglichen Nachbarrechtes vorrangig. Außerdem enthalte der Antrag der Bauwerberin sehr wohl eine Begründung, nämlich dass durch die Änderung keine Mindestabstände zu den Nachbargrenzen unterschritten würden und das Erscheinungsbild des Hauses vom öffentlichen Gut aus gesehen unverändert bleibe, da das Haus nur in der Länge vergrößert werde. Dass eine größere bebaubare Fläche ermöglicht werden solle, sei dem Antrag in der vorliegenden Form als Begründung ebenfalls immanent. Die Ansprüche an den "begründeten gesonderten Antrag" dürften insbesondere auch im Hinblick auf die von der Berufungsbehörde zitierten Gesetzesmaterialien nicht überspannt werden. Auch eine entsprechende Begründung der Bewilligung durch die Behörden sei erfolgt (Verweis auf den Aktenvermerk vom 4. Dezember 2009). Nach einer Anführung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sowie nach Überprüfung der Übereinstimmung mit dem Bebauungsplan sei die Bewilligung erteilt worden. In diesem Zusammenhang könne erneut auf die Begründung des Berufungsbescheides verwiesen werden, insbesondere auch zur Anwendung der 10 %-Regel unter Anführung der entsprechenden Judikatur. Im Übrigen habe die Berufungsbehörde nicht behauptet, dass die größere flächige Ausnutzung des Bauplatzes von vornherein keine Nachbarinteressen berühren könne. Es sei vielmehr ergänzend im Hinblick auf die vorgeworfene Unsachlichkeit beispielhaft angeführt worden, dass sich an der Länge des Baukörpers an der der Liegenschaft der Bf zugewandten Seite nichts ändern würde, wenn man an der anderen Seite den Baukörper um 1 m verschmälerte und damit die bebaute Fläche unter 100 m betrüge.

 

I.5. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 26. September 2011 ablehnte.

 

Mit Beschluss vom 3. November 2011 trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof ab.

 

In der vor dem Verwaltungsgerichtshof auftragsgemäß ergänzten Beschwerde beantragte die Bf die kostenpflichtige Aufhebung des in Beschwerde gezogenen Bescheides.

 

I.6. Mit Entscheidung vom 6. November 2013, 2011/05/0174, hob der Verwaltungsgerichtshof den angefochten Bescheid der Oö. Landesregierung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

 

Begründend führt das Höchstgericht in seiner Entscheidung nach Wiedergabe der anzuwendenden baurechtlichen Bestimmungen unter eingehender Begründung zusammengefasst aus, dass entgegen den Beschwerdebehauptungen der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid keineswegs nichtig sei, eine Bedrohung durch Hochwässer kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht begründe, Aufschüttungen hinsichtlich der Gebäudehöhe keine Rolle spielten und auch die grundsätzlich zulässige Festsetzung eines geringeren Seitenabstandes zur Nachbargrundgrenze im konkreten Fall nicht unsachlich sei.

 

Als rechtswidrig aufzuheben war der angefochtene Bescheid nach höchstgerichtlicher Auffassung allerdings mangels einer hinreichenden sachlichen und nachvollziehbaren Begründung, weshalb die Ausnahme gemäß § 36 BO gewährt werde. Zu diesem Beschwerdepunkt führt das Höchstgericht wörtlich Folgendes aus:

 

„Zielführend erweist sich jedoch das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Heranziehung der Ausnahmebestimmung des § 36 BO. Auszugehen ist zunächst davon, dass § 31 Abs. 4 BO neben den Abständen von den Nachbargrenzen und den Nachbargebäuden und der Lage des Bauvorhabens ausdrücklich die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes als subjektiv-öffentliches Nachbarrecht anführt. Dies bedeutet, dass es entgegen der Auffassung der Berufungsbehörde, der sich die belangte Behörde angeschlossen hat, beim Nachbarrecht auf Ausnutzbarkeit der Bauliegenschaft nicht darauf ankommt, wo sich die Nachbarliegenschaft befindet, zumal hinsichtlich des Bereiches an der Nachbargrenze selbst bereits ein die Bebauung betreffender Nachbarschutz durch die anderen genannten Nachbarrechte besteht (vgl. dazu auch das zur Bauordnung für Wien mit einer vergleichbaren Rechtslage ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2007, ZI. 2006/05/0192). Ungeachtet ihrer Rechtsmeinung ist die belangte Behörde aber zutreffend auf die Voraussetzungen für die Ausnahmegewährung inhaltlich eingegangen. Ausschlaggebend ist also, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahmegewährung nach § 36 BO in Bezug auf die bauliche Ausnutzbarkeit vorliegen.

 

Die Überschreitung der Ausnutzbarkeitsbestimmung würde die Beschwerdeführerin als Nachbarin nur dann nicht in ihren subjektiven Rechten verletzen, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung dieser konkreten Überschreitung erfüllt sind. Schon im Hinblick darauf, dass durch die Ausnahme in ein an sich gegebenes Nachbarrecht eingegriffen wird, besteht ein Mitspracherecht des Nachbarn diesbezüglich entgegen der Auffassung der Baubehörden und auch der belangten Behörde hinsichtlich sämtlicher Voraussetzungen, also auch hinsichtlich jener, die ansonsten kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht begründen (vgl. das zu einer vergleichbaren Rechtslage nach der Bauordnung für Wien ergangene hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 2004, ZI. 2003/05/0019). Damit letzten Endes keine Verletzung eines Nachbarrechtes vorliegt, müssen daher nicht nur die Voraussetzungen nach § 36 Abs. 1 Z 2 BO, sondern auch jene nach Z 1 dieser Bestimmung erfüllt sein, wobei auch dabei ein Mitspracherecht des Nachbarn gegeben ist. Schon dadurch, dass die Berufungsbehörde dies verkannte und sich die belangte Behörde der Auffassung der Berufungsbehörde anschloss, ergibt sich eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.

 

Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Geringfügigkeit der Abweichung im hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2009, ZI. 2007/05/0046, ausgeführt, dass § 36 Abs. 2 BO auch dann, wenn es nicht um die dort genannten Abweichungen von Fluchtlinien geht, für die Auslegung dieses Merkmals herangezogen werden kann. Damit ist wohl eine Richtschnur vorgegeben, und es kann nicht gesagt werden, dass eine Ausnahme nur deshalb nicht mehr geringfügig ist, weil sie 10% erreicht. Es erübrigt sich jedoch nicht, auf den konkreten Einzelfall einzugehen, zumal auch § 36 Abs. 2 BO nicht in jedem Fall eine Überschreitung von 10% erlaubt. An dieser Stelle ist auch festzuhalten, dass § 36 BO gegenüber den allgemeinen Anforderungen an Bauvorhaben eine Ausnahmebestimmung darstellt und als solche grundsätzlich restriktiv zu interpretieren ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 2006, ZI. 2005/05/0021, mwN). Im vorliegenden Fall ist auch von Bedeutung, dass der Bebauungsplan ein absolutes Maß von 100 m2 Bebauung festsetzt, nicht also etwa ein solches in Relation zur Bauplatzgröße. Es bedarf schon im Hinblick darauf einer näheren Begründung, weshalb die geplante Überschreitung angesichts der konkret gegebenen Bauplatzgröße noch als geringfügig angesehen werden kann.

 

Im Übrigen pflichtet der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde und den Baubehörden bei, dass es in Bezug auf Nachbarrechte nicht darauf ankommt, ob der Antrag nach § 36 BO als solcher eine ausreichende Begründung enthält. Jedenfalls von der Behörde ist aber, gegebenenfalls unter Nachforderung von Begründungen durch den Bauwerber, sachlich und nachvollziehbar, ausgehend von den zuvor genannten Grundsätzen, zu begründen, weshalb die Ausnahme gemäß § 36 BO gewährt wird.

 

Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Im Wesentlichen haben sich die Behörden auf den Aktenvermerk vom 4. Dezember 2009 gestützt. In diesem wurde zunächst nicht näher im Sinne der obigen Ausführungen dargelegt, weshalb die gegenständliche Überschreitung in der konkreten Fallkonstellation als geringfügig angesehen werden kann. Die Begründung, dass geschützte Interessen Dritter nicht verletzt würden, weil es durch die Überschreitung lediglich zu einer größeren flächigen Ausnutzung des Bauplatzes komme, die keine wesentliche Gebäudeverlängerung bewirke, ist schon im Hinblick auf das Nachbarrecht auf Ausnutzbarkeit des Bauplatzes ebenfalls nicht ausreichend. In Bezug auf die Verletzung geschützter Interessen Dritter durch die Ausnahme, die hier das Maß der flächenmäßigen baulichen Nutzung betrifft, kann ferner nicht ins Treffen geführt werden, dass ein Bau ohne Ausnahme möglich wäre, der den Nachbarn noch mehr als das Bauprojekt in anderen Interessen (z.B. Frontlänge, Abstand zur Grundgrenze) beeinträchtigen würde. Zum einen wird damit der Bauwille des Bauwerbers außer Acht gelassen, der in einem Baubewilligungsverfahren, das ein Projektgenehmigungsverfahren ist, ausschlaggebend ist, und einen solchen anderen Bau eben nicht umfasst. Zum anderen kann mit einer derartigen Hypothese die Frage der Beeinträchtigung von Nachbarn in ihren Interessen auf Einhaltung der baulichen Ausnutzbarkeit und damit die Frage einer Nachbarrechtsverletzung durch gerade deren Überschreitung nicht gelöst werden. Sachlich ist vielmehr auch hier darauf abzustellen, wie sich die Bauliegenschaft im Ganzen in Bezug auf die Bebauung darstellt, ob also ausreichend unbebaute Fläche vorhanden bleibt, wo diese situiert und wie sie konfiguriert ist, etwa im Hinblick auf Versickerungsmöglichkeiten oder kleinklimatische Verhältnisse und die Intentionen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes und allenfalls darauf, ob und inwieweit durch die Ausnahme die Verwendung oder auch bauliche Nutzbarkeit der Nachbarliegenschaft beeinträchtigt wird. Wenn schließlich ausgeführt wurde, dass durch die Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Situierung der Baukörper ein größerer Bewegungsspielraum zugelassen werde, sagt dies nichts darüber aus, wie sich die städtischen Planungsziele hinsichtlich der flächenmäßigen Verbauung bzw. Grundfreihaltung darstellen. Schließlich wird in diesem Aktenvermerk auf die angestrebte Siedlungsstruktur verwiesen, die nicht negativ beeinflusst werde, ohne dass näher dargelegt wird, worin diese angestrebte Siedlungsstruktur konkret besteht.“

 

 

II. Gemäß Art 151 Abs 51 Z 8 iVm Art 131 Abs 1 B-VG ist die Zuständigkeit zur Weiterführung des gegenständlichen Verfahrens auf das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich übergegangen.

 

Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat – unter Zugrundelegung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 6.11.2013, 2011/05/0174 – Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Baubehörde (einschließlich der Schriftsätze der Bf). Der unter I. dargelegte Sachverhalt und Verfahrensverlauf ergibt sich dabei aus dem bezogenen höchstgerichtlichen Erkenntnis auf Basis des vorliegenden Verwaltungsaktes.

 

Gem § 2 VwGVG hat das Oö. Landesverwaltungsgericht in der verfahrensgegenständlichen Sache durch eine Einzelrichterin zu entscheiden.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

III.1. Gemäß § 28 Abs 2 Z 1 und 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

In diesem Zusammenhang ist wiederum festzuhalten, dass auch im neuen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich von einer Bindungswirkung der Verwaltungsgerichte an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes iSd § 63 Abs 1 VwGG auszugehen ist.

 

III.2. Im Zuge der unter I.6. wiedergegebenen Entscheidung des Verwaltungs-gerichtshofes wurde der Bescheid der Oö. Landesregierung vom X betreffend Einwendungen der Bf gegen ein Bauvorhaben wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Dieser Entscheidung zu Folge sind daher insbesondere Feststellungen zur Frage zu treffen, ob die "geplante Überschreitung [der Ausnutzbarkeitsbestimmung] angesichts der konkret gegebenen Bauplatzgröße noch als geringfügig angesehen werden kann." Zur Beurteilung der Frage einer Beeinträchtigung der Nachbarinteressen auf Einhaltung der baulichen Ausnutzbarkeit sind konkret Ermittlungen – allenfalls unter Beiziehung entsprechender Sachverständiger – dahingehend notwendig, "wie sich die Bauliegenschaft im Ganzen in Bezug auf die Bebauung darstellt, ob also ausreichend unbebaute Fläche vorhanden bleibt, wo diese situiert und wie sie konfiguriert ist, etwa im Hinblick auf Versicherungsmöglichkeiten oder kleinklimatische Verhältnisse und die Intentionen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes und allenfalls darauf, ob und inwieweit durch die Ausnahme die Verwendung oder auch bauliche Nutzbarkeit der Nachbarliegenschaft beeinträchtigt wird".

 

Weiters konstatiert das Höchstgericht in der zitierten Entscheidung, dass auch nicht näher dargelegt worden sei, worin die im bezogenen Aktenvermerk verwiesene "angestrebte Siedlungsstruktur konkret besteht". Es bleibt daher auch diese Frage unter entsprechender Sachverhaltsermittlung zu klären.

 

III.3.1. Im Sinne des § 28 Abs 2 Z 1 VwGVG iVm Art 130 Abs 4 B-VG ist somit davon auszugehen, dass der für eine inhaltliche Entscheidung maßgebliche Sachverhalt – den eindeutigen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 6.11.2013, 2011/05/0174, zufolge – nicht feststeht.

 

Für eine Anwendung des § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG bleibt daher weiters zu prüfen, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass eine Behebung des angefochtenen Bescheides und eine Zurückverweisung an die Behörde zur neuerlichen Entscheidung zulässig ist, wenn die Behörde danach ihr neuerliches Ermittlungsverfahren voraussichtlich mindestens zum gleichen Datum abschließen kann wie es das Verwaltungsgericht könnte. Bezüglich des Kriteriums der Kosten ist eine Zurückverweisung zulässig, wenn dadurch höchstens etwas höhere Kosten entstünden, als wenn das Verwaltungsgericht sein Ermittlungsverfahren durchführt (vgl zur wortgleichen Bestimmung in Art 130 Abs 4 Z 2 B-VG Leeb, Das Verfahrensrecht der [allgemeinen] Verwaltungsgerichte unter besonderer Berücksichtigung ihrer Kognitionsbefugnis, in Janko/Leeb (Hrsg), Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz [2013] 85 [99f]; ebenso Fischer, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte I. Instanz [VwGVG], in Österreichische Juristenkommission [Hrsg], Justizstaat Chance oder Risiko, in Druck).

 

III.3.2. Im gegenständlichen Fall ist für das Oö Landesverwaltungsgericht nicht ersichtlich, dass die eigene Sachverhaltsermittlung eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer (konkrete Amtshandlung/Gesamtverfahren) bewirken könnte. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Behörde ihr Ermittlungsverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt abschließen wird können als das Oö Landesverwaltungsgericht ein von ihm geführtes abschließen könnte.

 

Vielmehr ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zu berücksichtigen, dass die in Rede stehende Einwendung der Bf gegen das Bauvorhaben in den bisherigen Verfahren nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes mangels entsprechender Sachverhaltsermittlungen nicht hinreichend substanziell geprüft wurde. Schon aus rechtsstaatlichen Erwägungen heraus schiene die erstmalige – und gleichzeitig endgültige – Ermittlung und Entscheidung durch das Oö. Landesverwaltungsgericht hinsichtlich dieser nachbarlichen Einwendung gegen das Bauvorhaben und die damit verbundene faktische Verkürzung des Instanzenzuges auch verfassungsrechtlich bedenklich.

 

III.2.3. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände des vorliegenden Einzelfalles ist somit der neuerlichen Prüfung und Entscheidung durch den Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz selbst jedenfalls der Vorzug einzuräumen.

 

IV. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Astrid Lukas