LVwG-400168/3/ER

Linz, 21.10.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde des R J, geb. x, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 21. April 2016, GZ. VerkR96-28636-2015, wegen Zurückweisung eines Einspruchs gegen eine Strafverfügung wegen verspäteter Einbringung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid vom 21. April 2016, GZ: VerkR96-28636-2015, wies die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen (im Folgenden: belangte Behörde) den Einspruch des nunmehrigen Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) vom 18. Februar 2016 gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 21. Jänner 2016, GZ: VerkR96-28636-2015, wegen verspäteter Einbringung zurück.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die gegenständliche Strafverfügung am Donnerstag, dem 28. Jänner 2016 zugestellt und von Frau K B übernommen worden sei. Die Frist zur Erhebung eines Einspruchs sei daher am 11. Februar 2016 abgelaufen. Der Einspruch des Bf vom 18. Februar 2016 sei daher verspätet gewesen, die Strafverfügung bereits in Rechtskraft erwachsen.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Bf, in der er ausführte, dass es richtig sei, dass die angefochtene Strafverfügung bereits am 28. Jänner 2016 an seine Wohnadresse zugestellt und von Frau B entgegengenommen worden sei. Bei Frau B handle es sich allerdings um die Vermieterin der Wohnung des Bf, die zufällig anwesend gewesen sei. Der Bf selbst – ein Berufskraftfahrer – sei ortsabwesend gewesen, er habe erst bei seiner Rückkehr (am 13. Februar 2016, wie sich aus dem Einspruch ergibt) von der Strafverfügung Kenntnis erlangt und umgehend reagiert.

 

I.3. Mit Schreiben vom 18. Mai 2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.

Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch den vorgelegten Verwaltungsakt und die Beschwerde. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

I.4. Es steht folgender entscheidungsrelevanter  S a c h v e r h a l t  fest:

 

Die Strafverfügung der belangten Behörde vom 21. Jänner 2016, VerkR96-28636-2015, wurde am 28. Jänner 2016 an die Wohnadresse des Bf in Deutschland zugestellt und von Frau K B, der Vermieterin des Bf übernommen. Auf dem Rückschein ist die Adresse des Bf angeführt, ebenso das Datum der Versendung, außerdem sind die Sendungsarten „Priority/Brief“ und „Eingeschrieben“ angekreuzt. Ferner findet sich auf dem Rückschein die Unterschrift von Frau B und das Datum der Übernahme.

 

Am 18. Februar 2016 sendete der Bf per Fax einen Einspruch gegen die Strafverfügung an die belangte Behörde, in der er ausführte, aus beruflichen Gründen ortsabwesend gewesen zu sein und erst am Samstag, dem 13. Februar 2016 die Strafverfügung seinem Briefkasten entnommen zu haben. In diesem Einspruch ersuchte der Bf, seinem verspäteten Einspruch aufgrund der Ortsabwesenheit dennoch stattzugeben.

 

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch zurück, wogegen der Bf rechtzeitig Beschwerde erhob.

 

 

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich völlig eindeutig und unbestritten aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und der gegenständlichen Beschwerde.

 

 

III. Gemäß § 11 Abs 1 Zustellgesetz – ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

 

§ 7 ZustG regelt unter der Überschrift "Heilung von Zustellmängeln", dass, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt gilt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

 

Gemäß Art 3 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl Nr 526/1990, wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet. Die Vornahme von Zustellungen ist in Art 10 des genannten Vertrages geregelt.

 

Gemäß dessen Art 10 Abs 1 werden Schriftstücke in Verfahren nach Artikel 1 Absatz 1 (ua österreichische Verwaltungsstrafverfahren) unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig“ und „Rückschein“ zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstücks nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit.

 

 

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1. Die Strafverfügung wurde dem Bf zwar mit Rückschein an seine Wohnadresse zugestellt, doch fehlte der Vermerk „Eigenhändig“.

Im vorliegenden Fall war – unbestritten – die Zustellung durch die Post möglich, die zentrale Anlaufstelle für die Vornahme von Zustellungen in Deutschland musste daher nicht befasst werden.

Art 10 Abs 1 des Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen regelt für Sendungen, für die ein Zustellnachweis benötigt wird, ausdrücklich, dass in diesem Fall das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden ist. Wenn dies hinsichtlich der Versendungsform „Eigenhändig“ unterlassen wird, ist eine Ersatzzustellung nicht zulässig (vgl VwGH 23.4.2008, 2006/03/0152 uHa VwGH 28.2.2006, 2002/03/0314, mwN).

 

Entsprechend dieser Judikatur war sohin die Ersatzzustellung an die Vermieterin des Bf unzulässig. Aufgrund der erfolgten Ersatzzustellung liegt ein Zustellmangel vor, der grundsätzlich gemäß § 7 ZustG heilbar ist (vgl VwGH 28.6.2016, Ra 2016/17/0067 uHa VwGH 20.1.2015, Ro 2014/09/0059, u VwGH 16.5.2011, 2009/17/0185). Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu hinsichtlich eines vergleichbaren Sachverhalts betreffend eine Zustellung nach Deutschland aus, dass „[e]s [...] nämlich der hg Judikatur [entspricht], dass für die Frage der Heilung von Mängeln einer im Ausland erfolgten Zustellung grundsätzlich § 7 ZustellG maßgeblich ist, es sei denn, aus einem internationalen Abkommen ergäbe sich ausdrücklich oder von seiner Zwecksetzung her Gegenteiliges (...). Das hier maßgebliche Rechtshilfeabkommen sieht nichts Gegenteiliges vor; auch aus anderen Abkommen ist - soweit ersichtlich - nichts Anderes erkennbar (...). Nach der hg Judikatur ist die Nichteinhaltung von Zustellvorschriften immer dann unschädlich, wenn der Zweck der Zustellung trotz aufgetretener Zustellmängel, mögen sie auch in einer Verletzung des Gesetzes begründet sein, auf welchem Weg auch immer, erreicht worden ist.“

 

IV.2. Zumal aufgrund des Fehlens des Vermerks „Eigenhändig“ als Sendungsform ein Zustellmangel vorliegt und die Ersatzzustellung an die Vermieterin des Bf nicht möglich war, diesem jedoch das Schriftstück – wie er selbst ausgeführt hat – am 13. Februar 2016 zugekommen ist, gilt die Zustellung gemäß § 7 ZustG als in diesem Zeitpunkt bewirkt und begann die Einspruchsfrist ab diesem Zeitpunkt zu laufen. Der Einspruch des Bf vom 18. Februar 2016 war iSd zitierten Judikatur daher rechtzeitig.

 

 

V. Im Ergebnis war der Beschwerde daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere weicht die gegenständliche Entscheidung von der als einheitlich zu beurteilen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. R e i t t e r