LVwG-800206/50/Wg

Linz, 22.11.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde des R M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P F, X, T, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt­mannschaft Linz-Land vom 10. Juni 2016, GZ: Ge96-133-2015/DJ, wegen einer Übertretung der Gewerbeordnung  

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben. Der Spruch des Straf­erkenntnisses wird präzisiert und folgende Tat im Sinne des § 44a
Z 1 VStG als erwiesen angenommen: „R M hat als gewerbe­rechtlicher Geschäftsführer der X-gmbH & Co KG, die im Standort X, X, das Gewerbe ‚Einzelhandel mit Waren ohne Beschränkung‘ ausübt, gemäß § 370 Abs. 1 GewO folgende Verwaltungsüber­tretung zu verantworten: Am 10. August 2015 wurde um 16.45 Uhr in der weiteren Betriebs­stätte X, X, von der im Betrieb beschäftigten Angestellten S G 1 Flasche Wodka Eristoff 0,7 l, 37,5 % Vol., um 11,99 Euro an eine jugend­liche Testkäuferin, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (geb. 31.07.2000), abgegeben, obwohl Jugendlichen gemäß § 8 Abs. 1 Oö. Jugendschutzgesetz der Erwerb von alkoholischen Geträn­­­ken bis zum vollendeten 16. Lebensjahr verboten ist.“ Die Geldstrafe wird auf 180 Euro und die Ersatz­freiheitsstrafe wird auf 16 Stunden herabgesetzt. Der Verfahrens­kostenbeitrag für das Verfahren der Bezirkshauptmannschaft reduziert sich auf 18 Euro. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

1.1.      Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) wirft dem Beschwerdeführer (Bf) im bekämpften Straferkenntnis die im Spruch dieses Erkenntnisses (Punkt I.) beschriebene Verwaltungsübertretung nach § 114 iVm 367a Gewerbeordnung (GewO) vor und verhängte eine Geldstrafe in der Höhe von 200 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden. Als Verfahrenskostenbeitrag wurden 20 Euro vorgeschrieben. Straferschwerend wertete die Behörde eine rechtskräftige Vorstrafe
(LVwG-800184). Mildernd wertete die Behörde keinen Umstand. Die Einkom­mens- und Vermögensverhältnisse schätzte sie wie folgt: kein Vermögen, keine Sorge­pflichten, monatliches Nettoeinkommen 2.500 Euro.

 

1.2.      Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich führte über die dagegen erhobene Beschwerde am 15. September 2016 und am 14. November 2016 eine öffentliche Verhandlung durch. Der Bf führte zusammengefasst aus, für S G sei das jugendliche Alter der Testperson nicht erkennbar gewesen. Des Weiteren wendete er ein, die belangte Behörde sei unzuständig gewesen, die maß­geblichen Bestimmungen der GewO würden gegen das Legalitätsprinzip ver­stoßen und sei ein ausreichendes Kontrollsystem vorhanden. Selbst bei dem Fall, dass es sich bei der Testperson um einen Grenzfall handle, so handle es sich bei dem Irrtum von Frau G um ein minimales Verschulden. Auf Grund dieses Umstandes und der nicht eingetretenen negativen Folgen sei jedenfalls eine Einstellung nach § 45 VStG erforderlich.

 

1.3.      Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat wie folgt Beweis erhoben: Akteninhalt (GZ: Ge96-133-2015 und LVwG-800206), Einvernahme der ZeugInnen R S, M S, K P, S G, C H; der Bf stellte abschließend den Beweisantrag auf Einvernahme der Testkäuferin zum Beweis dafür, dass zum Zeitpunkt des Testkaufes nicht erkennbar war, dass sie eine jugendliche Person war. Ansonsten wurden keine Beweisanträge gestellt. Der Verhandlungsleiter verfügte daraufhin den Schluss der Beweisaufnahme und hatte der Bf die Gelegenheit, ein Schluss­vorbringen zu erstatten.

 

2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

 

Die von der belangten Behörde angenommenen Einkommens- und Vermögens­verhältnisse des Bf (kein Vermögen, keine Sorgepflichten, monatliches Netto­einkommen von 2.500 Euro) blieben unbestritten. Zum Tatzeitpunkt lag noch keine rechtskräftige Verwaltungsvorstrafe vor. Die X-gmbH & Co KG, die im Standort X, X, das Gewerbe „Einzelhandel mit Waren ohne Beschränkung“ ausübt, betreibt an der Adresse X, X, eine weitere Betriebsstätte. Standort der Gewerbeberechtigung ist X, X. Gegenstand des Verfahrens ist ein am
10. August 2015 in der erwähnten Filiale stattgefundener Testkauf, bei dem die Kassiererin S G um 16.45 Uhr an eine noch nicht 16 Jahre alte jugendliche Testkäuferin (geb. 31.07.2000) eine Flasche Wodka Eristoff 0,7 l, 37,5 Volums­prozent, um 11,99 Euro abgegeben hat. Die Abgabe erfolgte ohne Ausweis­kontrolle. Obwohl die Test­käuferin ein altersentsprechendes jugendliches Erscheinungsbild aufwies, ging S G irrtümlich davon aus, dass die Testkäuferin bereits erwachsen war. Der Bf war damals und ist nach wie vor gewerberecht­licher Geschäftsführer der Gewerbeinhaberin. Für die gegenständliche Filiale ist nach wie vor wie auch damals kein Filialgeschäftsführer im Sinne der Gewerbe­ordnung bestellt. Formal gesehen ist unbestritten die strafrechtliche Verant­wortung gemäß § 370 Gewerbeordnung beim Bf als gewerberechtlichen Geschäftsführer zu sehen. Mit der im Akt befindlichen Bestellungsurkunde vom 1. März 2014 konnte die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit unstrittig nicht auf die Marktleiterin K P übertragen werden. Nach Ansicht des Bf ist die Bestellungsurkunde Teil eines umfassenden Kontroll- und Organisations­systems, um hier Übertretungen der Gewerbeordnung bzw. des Jugendschutz­gesetzes auch zu vermeiden. Teil des Kontrollsystems ist insbesondere auch, dass, wenn alkoholische Getränke über den Laserscanner der Kassa gezogen werden, automatisch ein Hinweis auf der Kassa aufscheint, dass hier der Ausweis zu kontrollieren ist. Dann muss der Ausweis kontrolliert werden, ansonsten kann die Kassa nicht bedient werden. Erst dann kann mit einer zusätzlichen Eingabe­taste, die nach Ausweiskontrolle zu betätigen ist, die Kassa wieder geöffnet werden (Anzeige, Auszug Gewerberegister, jeweils ON 1 des Behördenaktes, Erörterung Tonbandprotokoll Beilage zu ON 13 des verwaltungsgerichtlichen Aktes, Licht­bildbeilage 2 zu ON 48 des verwaltungsgerichtlichen Aktes, Aussage H Tonbandprotokoll Beilage zu ON 48).

 

Unstrittig ist, dass in der erwähnten Filiale zwar nicht wie in der Anzeige erwähnt im Zeitraum Jänner bis Dezember 2014 ein Testkauf seitens des Landes Ober­österreich stattgefunden hat, sondern am 20. März 2015. Bei diesem Testkauf wurden von einer (anderen) Kassiererin Alkoholika an einen Jugendlichen ver­kauft. Es wurde aber keine Anzeige erstattet (Erörterung Tonbandprotokoll Beilage zu ON 48 des verwaltungsgerichtlichen Aktes).

 

Dieser erste Testkauf bzw. die Beanstandung wurde entsprechend den internen Richtlinien an die Zentrale bzw. an Herrn S gemeldet. Herr S leitete das E-Mail über die Meldung der Beanstandung an den Bezirksleiter, Herrn E, weiter. Herr E ist für die Nachschulungsmaßnahmen auch verantwortlich. Dieser ist dann direkt vor Ort. Die entsprechenden Belehrungen fanden am 7. Mai und 8. Mai 2015 statt. Die Kassiererin beim ersten Testkauf war P K. Das unterfertigte Belehrungsformular ist dem Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich vorgelegt worden (Belehrungsformulare Beilage zu ON 30 des verwaltungsgerichtlichen Aktes, Erörterung Tonbandprotokoll Beilage zu ON 48 des verwaltungs­gerichtlichen Aktes).

 

Die Filialleiterin K P ist der Ansicht, dass S G alles richtig gemacht hat. K P führte nach dem Testkauf (10. August 2015) ein Gespräch mit S G. Es wurde dann noch die Alkoholbelehrung bzw. Unterweisung durchgeführt. Diese wurde von S G auch unter­schrieben. Das über den Testkauf aufgenommene Protokoll wurde ins Postfach des Bezirksleiters E gelegt. Dieser kommt ca. einmal wöchentlich in der Filiale vorbei. Mit der Unterweisung und Verständigung des Bezirksleiters war die Sache für die Filialleiterin P erledigt. Es wurden seitens der Filialleiterin keine weiteren Veranlassungen getroffen (Aussagen M S und K P Tonbandprotokoll Beilage zu ON 48 des verwaltungsgerichtlichen Aktes).

 

Bei einem seiner Aufenthalte in der Filiale ging der Bezirksleiter E zu S G in den Kassenbereich und teilte ihr mit, dass sie im Zweifelsfall jedenfalls den Ausweis kontrollieren müsse. Seitens des Bezirksleiters E wurden keine weiteren Maßnahmen gesetzt (Aussage S G Ton­band­protokoll Beilage zu ON 48 des verwaltungsgerichtlichen Aktes).

 

Im konkreten Fall der S G gibt es den Nachweis über eine ausführliche Kassaschulung am 30. Mai 2012, die R S durchgeführt hat. Bei dieser Schulung ging es ausdrücklich um die Einhaltung von Jugend­schutzbestimmungen und gewerberechtlichen Bestimmungen. Des Weiteren ist S G jährlich ausführlich unterwiesen worden mit den Daten 21. März 2011, 13. Februar 2012,
20. Februar 2013, 22. Jänner 2014 und 8. Mai 2015. Ausdrücklich festzuhalten ist, dass unternehmensintern seitens der Bezirksleitung Testkäufe durchgeführt werden. Diese werden anonym durch­geführt. Konkret wurde am
28. Februar 2015 bei der Filiale X (X) ein Testkauf durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass entsprechend den gesetzlichen Vorschriften an den Jugend­lichen kein Alkohol ausgefolgt wurde (Aussage R S Tonbandprotokoll Beilage zu ON 13 des verwaltungsgerichtlichen Aktes, Beilagen 3 und 4 der Niederschrift ON 13).

 

Der Bezirksleiter E führte u.a. am 7. Mai 2015 Belehrungen der Filialleiterin K P durch (Beilage zu ON 30 des verwaltungsgerichtlichen Aktes).

 

Der Bf hat diese Belehrungen so an R S, den Bezirksleiter E und in weiterer Folge an die Filialleitung delegiert und vertraut darauf, dass dieses System auch funktioniert (Parteivorbringen Tonbandprotokoll Beilage zu ON 48 des verwaltungs­gerichtlichen Aktes).

 

 

 

3.             Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt (2.) ergibt sich aus den in Klammer angeführten Beweismitteln. Zum Aussehen der Testkäuferin fand in der Verhandlung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich am 14. November 2016 eine umfassende Beweisaufnahme statt. Dem Landesverwaltungsgericht Oberöster­reich liegen zwei Fotobeilagen vor, die die Testkäuferin des zweiten verfahrens­gegenständlichen Testkaufes zeigen. Lichtbildbeilage 2 entspricht - wie der Zeuge H (Begleitperson) glaubwürdig aussagte - ihrem Aussehen zum Zeit­punkt des Testkaufes. Das Lichtbild Beilage 2 zeigt die Testkäuferin im Alter von 15 Jahren. Daran ändert auch der Umstand, dass die Zeuginnen G, S und P sie für älter hielten, nichts. Für den erkennenden Richter zeigt das Lichtbild Beilage 2 eindeutig eine Person mit jugendlichem, altersentsprechendem Erscheinungsbild.

 

Die Feststellungen zum Kontrollsystem ergeben sich aus den Zeugenaussagen der Filialleiterin P, der Kassiererin G, der Filialleiter-Stellvertreterin S und des R S sowie den vorgelegten Urkunden. Der Bf hat die Belehrungen delegiert. Hervorzuheben ist, dass nach Ansicht der Filial­leiterin P die Kassiererin G „alles richtig“ gemacht hat. Zitat P: Vom Verhandlungsleiter ergänzend befragt, ob Frau G aus meiner Sicht alles richtig gemacht hat, gebe ich an, dass Frau G aus meiner Sicht alles richtig gemacht hat. Gerade bei einer wie auf der Lichtbildbeilage 2 abgebildeten Person und wenn man sich sicher ist, ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn man Wodka ohne Ausweiskontrolle abgibt.“ Zitat S: Über Vorhalt von Lichtbildbeilage 2 durch den Verhandlungsleiter und befragt, ob ich bei einer solchen Person den Ausweis kontrollieren würde, wenn sie eine Flasche Wodka kaufen möchte, gebe ich an, dass ich von einer solchen Person nicht den Ausweis kontrollieren würde.“

 

Die Rückmeldungen Beilage 5 der Niederschrift ON 13 sind nicht relevant, beziehen sie sich doch nicht auf die Filiale X.

 

4.           Rechtliche Beurteilung:

 

4.1.      Zur Zuständigkeit der belangten Behörde:

 

Die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde wird im gegenständlichen Fall durch den Standort der Gewerbeberechtigung in X (Bezirk Linz-Land) begründet (vgl. VwGH 95/10/0240 und 92/04/0131).

 

4.2.      Zum Einwand, es liege ein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip vor:

 

Der Bf brachte vor: „Es gibt zudem keine objektiven Kriterien, an denen sich der Begriff ‚Jugendlichkeit‘ feststellen lässt. Frau G hat glaubwürdig ausge­sagt, dass ihrer Einschätzung nach die Testkäuferin bereits erwachsen war. Die Bestimmungen des § 114 Gewerbeordnung iVm § 8 Oö. Jugendschutzgesetz widersprechen den Bestimmungen des Legalitätsprinzips. Dies begründet sich vor allem damit, dass keine objektiven Kriterien festgelegt werden, wann eine Person als Jugendlicher erkennbar ist oder nicht. Aus dem Gesetz selber ergibt sich somit keine Testnotwendigkeit.“

 

Im gegenständlichen Fall ist das jugendliche, altersentsprechende Erscheinungs­bild eindeutig erwiesen. Ob ausgehend vom festgestellten Sachverhalt die Jugendlichkeit „erkennbar“ war, ist bei der rechtlichen Beurteilung des Verschul­dens zu klären (z.B. bei Vorlage eines gefälschten Ausweises o.ä.). Ein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip (Art. 18 B-VG) ist nicht ersichtlich.

 

4.3.      Zur Abweisung des Beweisantrages (1.3.):

 

Dem AVG und dem VwGVG ist eine antizipierende Beweiswürdigung fremd und dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich bzw. an sich nicht geeignet ist, über den beweiserheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern (VwGH 28.10.2015, 2012/10/0104, ständige Rechtsprechung).

 

Die „Erkennbarkeit“ ist wie schon erwähnt bei der rechtlichen Beurteilung des Verschuldens zu berücksichtigen. Fragen der rechtlichen Beurteilung können nicht zulässiger Gegenstand eines Beweisantrages sein. Abgesehen davon ist die Ein­vernahme der Testkäuferin zu ihrem von anderen Personen wahrgenommenen Erscheinungsbild zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt ein unge­eignetes Beweismittel. Durch die Aussage des Zeugen H und der Lichtbild­beilage 2 konnte dazu eine entsprechende Feststellung getroffen werden. Der Beweisantrag war daher abzuweisen.

 

4.4.      Zum objektiven Tatbestand der Verwaltungsübertretung im Sinne des
§ 114 iVm § 367a GewO:

 

Gewerbetreibenden ist es gemäß § 114 GewO untersagt, selbst oder durch die im Betrieb beschäftigten Personen alkoholische Getränke an Jugendliche auszu­schenken oder ausschenken zu lassen, abzugeben oder abgeben zu lassen, wenn Jugendlichen dieses Alters nach den landesrechtlichen Jugendschutzbestim­mungen der Genuss von Alkohol verboten ist. Die Gewerbetreibenden und die im Betrieb beschäftigten Personen müssen die Vorlage eines amtlichen Lichtbild­ausweises oder einer speziellen Jugendkarte, die nach den jeweiligen landes­rechtlichen Jugendschutzbestimmungen zum Nachweis des Alters geeignet ist, verlangen, um das Alter der Jugendlichen festzustellen. Die Gewerbetreibenden haben an einer geeigneten Stelle der Betriebsräume einen Anschlag anzubringen, auf dem deutlich auf das im ersten Satz angeführte Verbot hingewiesen wird.

 

Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von mindestens 180 Euro bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, begeht gemäß § 367a GewO, wer entgegen der Bestimmung des § 114 Alkohol ausschenkt oder abgibt oder ausschenken oder abgeben lässt.

 

Die Gewerbeinhaberin hat über die ihr zuzurechnende Erfüllungsgehilfin G (vgl.
§ 1313a ABGB) eine Flasche Wodka an eine jugendliche Test­käuferin abgegeben. Die Kassiererin G ließ sich den Ausweis der Test­käuferin nicht zeigen, obwohl in Oberösterreich Jugendlichen der Erwerb von alkoholischen Getränken bis zum vollendeten 16. Lebensjahr verboten ist. Der objektive Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung nach § 114 GewO iVm § 367a GewO und
§ 8 Abs. 1 Oö. Jugendschutzgesetz ist damit erfüllt. Da kein Filialgeschäftsführer im Sinne des § 47 GewO bestellt war, trifft den Bf gemäß § 370 Abs. 1 GewO als gewerberechtlichen Geschäftsführer die verwal­tungsstrafrechtliche Verant­wor­tung. Die im Spruch des Straferkenntnisses ange­lastete Tat war im Sinne des
§ 44a Z 1 VStG entsprechend zu präzisieren.

 

4.5.      Zur subjektiven Tatseite (Verschulden), Kontrollsystem:

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahr­lässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwal­tungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungs­vorschrift kein Verschulden trifft. Auch die gegenständliche Verwaltungsüber­tretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahr­lässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bf kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bf initiativ alles darzu­legen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Der dem Bf nach § 5 Abs. 1 obliegende Entlastungsbeweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hierzu taugliche Person über­tragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeig­nete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH 18.9.1991, 90/19/0177, u.v.a.).

 

Auf Grund des jugendlichen, altersentsprechenden Erscheinungsbildes war eine „Erkennbarkeit“ des jugendlichen Alters jedenfalls gegeben. Zur Aussage der Zeugin G Von Dr. F zur Körpersprache von Frau L beim Testkauf befragt, gebe ich an, dass die Person sehr selbstbewusst aufgetreten ist. Man hat keinesfalls gemerkt, dass sie ein schlechtes Gewissen hätte oder ähnliches. Von Dr. F befragt, wie sich die üblichen Jugendlichen verhalten, gebe ich an, dass, wenn ein Jugendlicher versucht, Zigaretten oder Alkohol zu erwerben, obwohl er das nicht darf, er üblicherweise nervös ist. Er schaut nervös um sich, um zu kontrollieren, ob noch jemand da ist, der ihn sehen könnte. Man merkt das jedenfalls.“ ist festzuhalten, dass der Ausweis auch bei selbstsicherem Auftreten zu kontrollieren ist. S G handelte jedenfalls leicht fahrlässig. Ein fehlendes Verschulden ist inso­weit nicht ersichtlich. Der Bf hat die Belehrungen insbesondere an den Bezirksleiter und die Filialleitung delegiert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes ist es für die Darstellung eines wirksamen Kon­trollsystems erfor­derlich, unter anderem aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen ver­pflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebun­dene Mitarbeiter die Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maß­nahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt, sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung der Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden. Es kann kein Vertrauen darauf geben, dass die eingewiesenen, laufend geschulten Arbeit­nehmer die Vorschriften einhalten (vgl. VwGH 24.5.2013, 2012/02/0072).

 

Die dargestellten Maßnahmen nach dem Testkauf (Belehrung durch die Filial­leiterin, Anweisung durch den Bezirksleiter im Kassenbereich) belegen kein funk­tionierendes Kontrollsystem, ist doch die Filialleiterin der Ansicht, dass S G „alles richtig“ gemacht hat. Die Belehrungen durch den Bezirksleiter und R S sind offenkundig nicht ausreichend. Auch die firmeninternen Testkäufe sind offenbar nicht ausreichend. Anders lässt sich die Fehleinschät­zung, es dürfte an eine Person wie auf Lichtbildbeilage 2 abgebildet - ohne Ausweiskontrolle - eine Flasche Wodka abgegeben werden, nicht erklären. Dem Bf ist es nicht gelungen, fehlendes Verschulden glaubhaft zu machen. Es ist gemäß § 5 Abs. 1 VStG von leichter Fahrlässigkeit auszugehen. 

 

4.6. Zur Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG (Ermahnung):

 

Der Bf beantragt gegebenenfalls die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG.

 

Zur Auslegung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ist zunächst auf das Erkenntnis des Ver­waltungsgerichtshofes vom 17. April 2015, Ra 2015/02/0044, zu verweisen: „Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Neuregelung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013,
BGBl. I Nr. 33/2013, kann auf die gesicherte Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichts­hofes zu § 21 Abs. 1 VStG in der Fassung vor der genannten Novellierung zurück­gegriffen werden (vgl. den hg. Beschluss vom 5. Mai 2014, Zl. Ro 2014/03/0052). Es bedarf daher insoweit - insbesondere auch zum Rechtsanspruch auf Einstellung nach
§ 45 Abs. 1 Z 4 VStG unter den dort genannten Voraussetzungen (vgl. zu § 21 Abs. 1 VStG etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1992, Zl. 92/02/0033) - keiner neuen Leitlinien höchst­gerichtlicher Rechtsprechung.“

 

In seinem Erkenntnis vom 20. November 2015, Ra 2015/02/0167, führte der Verwaltungsgerichtshof aus: „Eine Entscheidung gemäß § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG liegt im Ermessen der Behörde (‚kann‘) und hängt von einer auf den Einzelfall abzustel­lenden spezialpräventiven Prognose ab. Dahingehend liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern nur eine die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungs­frage vor. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. B 5. März 2015, Ra 2015/02/0027; B 29. Juli 2014, Ra 2015/07/0096; B 7. September 2015, Ra 2015/02/0146). Allerdings setzt diese Ermes­sens­entscheidung voraus, dass die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände kumulativ vorliegen. Das zu schützende Rechtsgut ist im Verfahren gemäß § 29b Abs. 4 StVO 1960 die Erhaltung der Mobilität von Menschen, die dauernd stark gehbehindert sind. Diese sind in der Regel auf reservierte Parkmöglichkeiten im öffentlichen Raum angewiesen, um jene Wege zurücklegen zu können, die Menschen ohne dauernde starke Gehbehinderung auch ohne solche besonderen Halte- und Parkmöglichkeiten bewältigen können. Den vorbehaltenen Halte- und Parkmöglichkeiten kommt demnach erhebliche Bedeutung zu, keinesfalls kann davon gesprochen werden, dass die Bedeutung dieses strafrechtlich geschützten Rechtsgutes gering ist. Diese Wertigkeit des durch die ver­letzte Norm geschützten Rechtsgutes findet ihren Ausdruck auch in der Höhe des gesetz­lichen Strafrahmens, der für entsprechende Zuwiderhandlungen gemäß § 99 Abs. 3 lit. a) StVO 1960 immerhin Geldstrafen bis zu EUR 726,-- vorsieht (vgl. E 24. Oktober 2001, 2001/04/0137). Ist aber die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht gering, fehlt es an einer der in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens, weshalb auch keine Ermahnung nach § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG in Frage kommt.“

 

Das Erkenntnis Ra 2015/02/0044 knüpft an die bisherige Rechtsprechung zu § 21 Abs. 1 VStG an, E Ra 2015/02/0167 nimmt besonders auf die „Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes“ Bedacht. Die erläuternden Bemer­kungen des Ausschussberichtes zu § 114 GewO führen aus: Der Alkoholmiss­brauch insbesondere bei Jugendlichen erscheint als gesellschaftliches Problem. Bekannt wurden zuletzt Vorkommnisse wie das sogenannte ‚Koma-Trinken‘, bei denen insbeson­dere jugendliche Personen - ohne sich des ganzen Ausmaßes möglicher negativer Folge­wirkungen bewusst sein zu können - schwere alkoholische Rauschzustände absichtlich herbeiführen. Die bereits bestehenden Vorkehrungen des Gewerberechts sollen daher noch verbessert werden. Zunächst werden nun durch die Neuformulierung des § 114 zusätzlich zur bisherigen Regelung, wonach im Wesentlichen nur die Gastgewerbetreiben­den in der Pflicht waren, nun auch die Handelsbetriebe und alle sonstigen, die im Rahmen ihres Gewerbes - sei es entgeltlich oder unentgeltlich - Alkohol abgeben, in die Pflicht zum Jugendschutz genommen.“

 

Erklärtes Ziel ist damit der Jugendschutz. Dem Jugendschutz kommt abstrakt gesehen keine unerhebliche Bedeutung zu, weshalb keinesfalls davon gesprochen werden kann, dass die Bedeutung dieses strafrechtlich geschützten Rechtsgutes gering ist. Diese Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten Rechts­gutes findet ihren Ausdruck auch in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens, der für entsprechende Zuwiderhandlungen eine Geldstrafe bis zu 3.600 Euro vor­sieht. Auch wenn das Verschulden gering ist (leichte Fahrlässigkeit) liegen die Voraussetzungen nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG nicht vor.

 

4.7. Zur Strafbemessung:

 

Gemäß § 367a GewO beträgt der Strafrahmen 180 Euro bis zu 3.600 Euro. Mildernd war die Unbescholtenheit. Erschwerend war kein Umstand. Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat (§ 19 Abs. 1 VStG). Die unbestrittenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und das Verschulden (leichte Fahrlässigkeit) waren gemäß § 19 VStG der Straf­be­messung zu Grunde zu legen.

 

Die von der belangten Behörde herangezogene Vorstrafe war zum Tatzeitpunkt nicht rechtskräftig. Mildernd war damit die Unbescholtenheit. Erschwerend war kein Umstand. Es ist nicht ersichtlich, dass die Milderungsgründe die Erschwe­rungsgründe beträchtlich überwiegen würden und damit ein Unterschreiten der gesetzlichen Mindeststrafe (180 Euro) gemäß § 20 VStG gerechtfertigt wäre. Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe waren aber wegen der fehlerhaften Strafbemes­sung (irrtümliche Berücksichtigung einer Vorstrafe) aliquot neu festzusetzen. Bei diesem Verfahrensergebnis ist für das Beschwerdeverfahren kein Kostenbeitrag zu entrichten.

 

Aus diesem Grund war spruchgemäß zu entscheiden.

 

5.           Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurtei­len. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Rechtslage ist durch die angeführte Recht­sprech­ung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen, ab dem Tag der Zustellung, die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichts­hof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsan­walt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Wolfgang Weigl