LVwG-301046/2/Py/AKe

Linz, 31.08.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn F P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H H, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 12. April 2016,
GZ: SanRB96-6-2016, wegen Verwaltungsüber­tretung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungs­strafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 VStG eingestellt.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems (in der Folge: belangte Behörde) vom 12. April 2016, GZ: SanRB96-6-2016, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) wegen Verwaltungs­übertretung nach § 71 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) eine Geld­strafe in Höhe von 220 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatz­freiheitsstrafe in Höhe von 96 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 22 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

 

„Sie haben am 25.01.2016 von 08.00 Uhr bis 11.20 Uhr vorsätzlich Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch genommen, ohne dazu berechtigt zu sein, da Sie 38,5 Stunden pro Woche als Facharbeiter beschäftigt waren ohne die Aufnahme der Tätigkeit dem AMS zu melden.

 

Tatort: Gemeinde M in Oberösterreich, X

Tatzeit (Kontrollzeitpunkt): 25.01.2016 um 10.30 Uhr“

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrens­ganges und der Rechtsgrundlage zusammengefasst aus, dass die angelastete Übertretung in objektiver Hinsicht – aufgrund des schlüssig und widerspruchsfrei geschilderten Sachverhaltes, wie er von der Finanzpolizei in der Anzeige mitgeteilt wurde – als erwiesen anzusehen ist, zumal selbst vom Rechtsvertreter des Beschuldigten zugegeben wurde, dass die Meldung am 25. Jänner 2016 um ca. 11.00 Uhr erfolgte und somit erst nach der Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei. Somit wurde die Meldung nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt, wenn man bedenkt, dass der Arbeitsantritt bereits um 8.00 Uhr (drei Stunden vorher) war.

 

Zum Verschulden führt die belangte Behörde aus, dass eine Glaubhaftmachung, dass den Bf kein Verschulden trifft, nicht gelungen ist, da es in der Verant­wortung des Beziehers von Arbeitslosenentgelt liegt, die Aufnahme der Tätigkeit dem AMS zu melden.

 

Abschließend bringt die belangte Behörde ihre für die Strafbemessung heran­gezogenen Gründe vor.

 

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Beschwerde. Darin wird vorgebracht, dass die Tätigkeit des Bf im telefonischen Weg am 25. Jänner 2016 um ca. 11.00 Uhr vom Arbeitgeber gemeldet wurde, was unstrittig ist. Richtig sei, dass im Betrieb der Firma R üblicherweise die Meldungen an das AMS über den Arbeitsbeginn vom Arbeitgeber durchgeführt werden, da auf diese Weise die Meldungen besser kontrolliert werden können. Diese Vorgangsweise gehe im Übrigen auf eine ausdrückliche Empfehlung der Finanzpolizei zurück. Die Meldungen wurden auf dieser Basis regelmäßig rechtzeitig erstattet und funktionierte dieses System in der Vergangenheit auch klaglos. Im vorliegenden Fall konnte vom Bf die Meldung nicht früher erstattet werden und durfte sich dieser auf die vereinbarungsgemäße Meldung durch den Arbeitgeber verlassen, welche auch tatsächlich erfolgt ist. Insbesondere wird auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach bei der Beurteilung der „Unverzüglichkeit“ nach § 50 Abs. 1 AlVG wesentlich geringere Anforderungen an die meldepflichtigen Personen gestellt werden als nach § 33 Abs. 1 ASVG an den Dienstgeber. Jedenfalls könne allenfalls mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden.

 

 

3. Mit Schreiben vom 10. Mai 2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich vor, das gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen ist.

 

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG entfallen.

 

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 12 Abs. 3 lit.a Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 idgF gilt als arbeitslos im Sinn der Abs. 1 und 2 insbesondere nicht, wer in einem Dienstverhältnis steht.

 

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigen maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Fall des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungs­verhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden aufgrund eines nachträglich vorgelegten Einkommenssteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstands­hilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, dass aufgrund einer Anrechnung von Einkommen aus vorübergehender Erwerbstätigkeit gemäß § 21 a keine oder nur eine niedrigere Leistung gebührt. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels weiter gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte.

 

Gemäß § 25 Abs. 2 AlVG gilt, wenn ein Empfänger von Arbeitslosengeld (Notstandshilfe) bei einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. a, b oder d durch öffentliche Organe, insbesondere Organe von Behörden oder Sozial­versicherungsträgern oder Exekutivorgane betreten wird, die er nicht unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle angezeigt hat (§ 50), die unwiderlegliche Rechtsvermutung, dass diese Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt ist. Das Arbeitslosengeld (die Notstandshilfe) für zumindest vier Wochen ist rückzufordern. Erfolgt in einem solchen Fall keine zeitgerechte Meldung durch den Dienstgeber an den zuständigen Träger der Krankenversicherung, so ist dem Dienstgeber von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice ein Sonderbetrag in doppelter Höhe des Dienstgeber- und des Dienstnehmeranteils zur Arbeitslosenversicherung (§ 2 des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994) für die Dauer von sechs Wochen vorzuschreiben. Als Bemessungsgrundlage dient der jeweilige Kollektivvertragslohn bzw., falls kein Kollektivvertrag gilt, der Anspruchslohn. Die Vorschreibung gilt als vollstreckbarer Titel und ist im Wege der gerichtlichen Exekution eintreibbar.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG ist, wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen oder das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen. Bei Bezug von Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 5 trifft die Anzeigepflicht auch den Träger der Einrichtung. Bei Bezug von Weiterbildungsgeld oder „Bildungsteilzeit­geld“ trifft die Anzeigepflicht auch den Arbeitgeber.

 

Gemäß § 71 Abs. 2 AlVG begeht, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbaren Handlung bildet, noch nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 200 Euro bis zu 2.000 Euro, im Wiederholungsfall von 400 Euro bis zu 4.000 Euro zu bestrafen, wer vorsätzlich Leistungen der Arbeitslosen­versicherungen in Anspruch nimmt oder genießt, ohne dazu berechtigt zu sein, oder zu solchen Missbräuchen anstiftet oder Hilfe leistet.

 

5.2. Vom Bf wird nicht bestritten, dass er am 25. Jänner 2016 ab 8.00 Uhr als Dienstnehmer von der Firma R beschäftigt wurde und diese Beschäftigung erst um 11.00 Uhr dem zuständigen Arbeitsmarktservice gemeldet wurde. Zum Beschwerdevorbringen, wonach bei der Beurteilung der „Unverzüglichkeit“ nach § 50 Abs. 1 AlVG wesentlich geringere Anforderungen an die meldepflichtige Stelle gestellt werden als nach § 33 Abs. 1 ASVG an den Dienstgeber, ist auszuführen, dass laut Akteninhalt der Bf zwischen 7.30 Uhr und 8.00 Uhr vom Dienstgeber benachrichtigt wurde, dass er mit einem Kollegen zur Behebung eines Wasserschadens auf die verfahrensgegenständliche Baustelle fahren soll. Weshalb dem Bf ab diesem Zeitpunkt bis zur Kontrolle durch die Beamten der Finanzpolizei um 10.30 Uhr eine Meldung beim Arbeitsmarktservice über seinen Arbeitsantritt beim Arbeitsmarktservice nicht möglich gewesen wäre, konnte vom Bf jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt werden, weshalb der objektive Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung als erfüllt zu werten ist.

 

5.3. Zu Unrecht bezogene Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sind von der zuständigen Behörde zurückzufordern (vgl. § 25 AlVG). Für das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren wegen einer Übertretung der Bestimmungen des AlVG ist jedoch zu berücksichtigen, dass – entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des Straferkenntnisses, wonach fahrlässige Tatbegehung ausreicht – für das Vorliegen eines strafbaren Verhaltens des Beschuldigten eine vorsätzliche Tatbegehung erforderlich ist. Gemäß § 71 Abs. 2 AlVG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung, der vorsätzlich Leistungen der Arbeitslosenversicherung ohne Berechtigung bezieht. Allein fahrlässiges Verhalten des Bf genügt daher nicht, sondern es muss gegen den Beschuldigten der konkrete Tatvorwurf, der die Annahme rechtfertigt, er habe die Tat vorsätzlich begangen, erhoben und nachgewiesen werden. Es ist zwar zutreffend, dass es eine Verpflichtung des Bf darstellt, dem Arbeitsmarktservice umgehend die Aufnahme einer Beschäftigung während der Dauer des Bezuges von Leistungen aus der Arbeitslosen­versicherung bekanntzugeben, sowohl der Bf als auch dessen Dienstgeber führen jedoch übereinstimmend aus, dass diese den Bf treffende Verpflichtung üblicherweise die Firma R im Rahmen der Anmeldung der Beschäftigung übernommen hat. Dies geht im Übrigen auch aus den Angaben hervor, die der Bf anlässlich der Kontrolle gegenüber den Organen der Finanzpolizei machte, indem er angab, dass die Anmeldung zur Sozialversicherung wie üblich vom beschäftigenden Unternehmen durchgeführt wurde. Somit ist hinsichtlich des den Bf am Zustandekommen der vorliegenden Verwaltungsübertretung treffenden Verschuldens zwar festzuhalten, dass Fahrlässigkeit vorliegt, da es seine Aufgabe gewesen wäre, sich über die tatsächliche Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung zur Meldung seiner Arbeitsaufnahme durch das Beschäftigungs­unternehmen zu versichern, eine vorsätzliche Tatbegehung – wie für die Anwendung der gegenständlichen Strafnorm erforderlich – kann im Hinblick auf die unwidersprochenen Angaben des Bf sowie seines Dienstgebers jedoch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden und das gegenständliche Strafer­kenntnis mangels Nachweis der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen vorsätzlichen Tatbegehung zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

II. Der Kostenausspruch ist in seiner angeführten gesetzlichen Bestimmung begründet.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.in Andrea Panny