LVwG-301177/2/Re/Rd

Linz, 25.11.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Werner Reichenberger über die Beschwerde des Herrn F G, ver­treten durch Rechtsanwalt Ing. Mag. K H, x, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 6. Juni 2016, Ge96-42-2015, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitszeit­gesetz,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das ange­fochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstraf­verfahren ge­mäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt.

 

 

II.      Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG entfällt jeglicher Verfahrens­kostenbeitrag.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

1.         Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 6. Juni 2016, Ge96-42-2015, wurde über den Beschwerdeführer (Bf) wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 iVm § 28 Abs. 5 Z 3 AZG eine Geldstrafe in der Höhe von 200 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der X Fleisch-, Wurst- und Selchwarenerzeugung mit Sitz in M, x als Arbeitgeberin zu verantworten hat, dass, wie im Zuge einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle am 21. Juni 2015 um 19:48 Uhr auf der Ax – W Außenring Autobahn bei Straßenkilo­meter x, Richtung Osten in der Gemeinde B durch Organe der Landesverkehrsabteilung Niederösterreich festgestellt wurde, der Fahrer M A, geb. x, die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten nicht eingehalten hat. Beginn des 24-Stundenzeitraumes war am 4.6.2015 um 19:50 Uhr. Die unzureichend aufgeteilte tägliche Ruhezeit betrug anstatt von 3 Stunden + 9 Stunden nur 3 Stunden + 7 Stunden und 2 Minuten.  

 

2.         Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die erstinstanzliche Behör­de jegliches Ermittlungsverfahren unterlassen habe, sodass das angefochtene Straferkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet sei. Überdies erweise sich das angefochtene Straferkenntnis auch inhaltlich als rechtswidrig, zumal eine präzise Tatumschreibung nicht vorliege. Weder aus der Straf­verfügung vom 28.4.2016 noch aus dem Straferkenntnis sei nachvollziehbar, um welche Übertretung es sich tatsächlich handle. Die Firma X Fleisch-, Wurst- und Selch­warenerzeugung in M verfüge über zahlreiche Firmenfahrzeuge, wobei strikt darauf geachtet werde, dass von sämtlichen Mitarbeitern alle einschlägigen Verwaltungsvorschriften eingehalten werden. Gegenständlich sei in keiner Weise nachvollziehbar, um welchen Vorfall es sich gehandelt haben soll bzw. mit welchem Fahrzeug die angebliche Übertretung begangen worden wäre, sodass der Bf nicht in der Lage sei, die Daten über die Verwendung des Fahrzeuges anhand des Fahrtenbuches bzw. der Fahrtenschrei­ber und sonstigen Aufzeichnungen zu überprüfen.

Die belangte Behörde habe in ihrem Tatvorwurf lediglich ausgeführt, dass die Übertretung am 21.6.2015 um 19:48 Uhr auf der Ax durch den Fahrer M A begangen worden sei. Aus dem Tatvorwurf lasse sich nicht ableiten, ob der Fahrer einen Pkw oder Lkw gelenkt habe und vor allem nicht welchen.

Da das Unternehmen über zahlreiche Kraftfahrzeuge, sowohl Pkw als auch Lkw, verfüge, werde der Bf durch eine derart rudimentäre Um­schreibung nicht in die Lage versetzt, sich konkret zu rechtfertigen und den ihm angelasteten Tatvorwurf zu widerlegen. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beginn eines 24-Stundenzeitraumes und abweichende Ruhezeiten angeführt werden, da er nicht wisse, mit welchem Fahrzeug die Übertretung begangen worden sein soll. Da seit der angeblichen Tat am 4. Juni 2015 bereits Verfolgungsverjährung eingetreten sei, scheide auch eine Präzisie­rung des Tatvorwurfes, um die Möglichkeit einer inhaltlichen Rechtfertigung zu geben, aus, weshalb das gegenständliche Verfahren infolge Verjährung einzu­stellen sei.     

 

3.         Die Bezirkshauptmannschaft Perg als belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Landesver­waltungsge­richt vorgelegt.

 

4.         Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

5.         Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

5.1.      Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 muss der Fahrer tägliche und wöchentliche Ruhezeiten einhalten.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 leg.cit. muss der Fahrer innerhalb von 24 Stunden nach dem Ende der vorangegangenen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit eine neue tägliche Ruhezeit genommen haben. Beträgt der Teil der täglichen Ruhezeit, die in den 24-Stundenzeitraum fällt, mindestens 9 Stunden, jedoch weniger als 11 Stunden, so ist die fragliche tägliche Ruhezeit als reduzierte tägliche Ruhezeit anzusehen.

 

Gemäß § 28 Abs. 5 Z 3 AZG sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die die tägliche Ruhezeit gemäß Art. 8 Abs. 2, 4 oder 5 oder Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 nicht gewähren, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe gemäß Abs. 6 zu strafen.

 

Sind Übertretungen gemäß Abs. 5 nach Anhang III der Richtlinie 2006/22/EG als

1.         leichte Übertretungen eingestuft oder in diesem Anhang nicht erwähnt, sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber

a)         in Fällen der Z 1 bis 7 mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 1.815 Euro, im Wiederholungsfall von 145 Euro bis 1.815 Euro,

b)         im Fall der Z 8 mit einer Geldstrafe von 145 Euro bis 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 200 Euro bis 3.600 Euro;

2.         schwerwiegende Übertretungen eingestuft, sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit einer Geldstrafe von 200 Euro bis 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 250 Euro bis 3.600 Euro;

3.         sehr schwerwiegende Übertretungen eingestuft, sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit einer Geldstrafe von 300 Euro bis 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 350 Euro bis 3.600 Euro,

zu bestrafen (§ 28 Abs. 6 AZG).

 

Gemäß Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2006/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 idF der Richtlinie 2009/5/EG der Kommission vom 30. Jänner 2009, in Kraft getreten am 19. Februar 2009, enthält die nach­stehende Tabelle Leitlinien für ein gemeinsames Spektrum von Verstößen gegen die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 und die Verordnung (EWG) Nr. 3821/85, welche gemäß ihrer Schwere in Kategorien aufgeteilt sind.

 

Art. 8 Abs. 2:

Unzureichende aufgeteilte tägliche Ruhezeit von weniger als 3 Stunden + 9 Stunden:

3h+(8h< ... <9h) ................ geringfügiger Verstoß

3h+(7h< ... <8h) ................ schwerwiegender Verstoß

3h+( ... <7h) ..................... sehr schwerwiegender Verstoß

 

5.2.      Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch des Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, d.h., in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat), muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Um­schrei­bung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheid­begründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechts nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1522 ff).

 

5.3.      Diesen Konkretisierungsanforderungen entspricht weder die Strafver­fügung vom 28. April 2016 noch der Spruch des angefochtenen Strafer­kenntnisses, zumal in beiden Bescheiden dem Beschwerdeführer nicht zur Last gelegt wurde, dass die Unterschreitung der täglichen Ruhezeit im Rahmen einer gewerbs­mäßigen Güterbeförderung mit einem Kraftfahrzeug, dessen höchstzu­lässiges Gesamtgewicht 3,5 t übersteigt, durchgeführt wurde. Dabei handelt es sich aber um ein wesentliches Tatbestandsmerkmal, welches erst die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 begründet.

 

Überdies entspricht auch die zur Last gelegte Tatzeit nicht dem Konkretisierungs­gebot des § 44a Z 1 VStG, zumal aus dem Tatvorwurf: "Beginn des 24-Stunden­zeit­raumes war am 4.6.2015 um 19:50 Uhr. Die unzureichende aufgeteilte tägliche Ruhezeit betrug anstatt von 3 Stunden + 9 Stunden nur 3 Stunden + 7 Stunden und 2 Minuten", weder das Ende des 24-Stundenzeitraumes noch die jeweiligen Einsatzzeiten und somit auch weder der konkrete Beginn noch das konkrete Ende der Ruhezeiten erkennbar sind. Eine Überprüfung der konkreten täglichen Ruhezeitenunterschreitung war somit nicht möglich.

 

Es handelt sich sohin in beiden Fällen um wesentliche Tatbestandsmerkmale, welche innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG im Sinne einer tauglichen Verfolgungshandlung einem Beschuldigten vorzuhalten sind. Nach der Aktenlage ist dies jedoch nicht geschehen, sodass eine Änderung des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses durch das Oö. Landesverwal­tungs­­gericht nicht möglich war.   

 

Darüber hinausgehend ist darauf hinzuweisen, dass § 28 Abs. 5 Z 3 AZG normiert, dass "Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die die tägliche Ruhezeit gemäß Art. 8 Abs. 2, 4 oder 5 oder Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 nicht gewähren, ..." zu bestrafen sind. Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurde dem Bf hingegen zur Last gelegt, dass er "... zu verantworten hat, dass, wie im Zuge einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle am 21.6.2015 um 19:48 Uhr ...  festgestellt wurde, der Fahrer M A, ... die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten nicht eingehalten hat.“

 

Es fehlt dem Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde sohin der essentielle Tatvorwurf des "Nichtgewährens". Unter den verba legalia "zu verantworten" ist eine pauschale Verantwortlichkeit, unabhängig zu welchem Zeitpunkt, gemeint. Dass der Bf dem Lenker – z.B. durch ein geeignetes Kontrollsystem, welches die Unterschreitung des zweiten Teils der geteilten Ruhezeit aufgezeigt hätte – die gesetzlich normierte Ruhezeit nicht gewährt hat, stellt somit auf jenen Zeitpunkt ab, wo durch geeignete Vorsorgemaßnahmen die Hintanhaltung der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung möglich gewesen wäre. Das strafbare Verhalten liegt sohin im Vorfeld des Arbeitseinsatzes und nicht zum Kontrollzeitpunkt, wenngleich dieser das Ver­säum­nis an den Tag bringt.  

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Um­stände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

Es war daher angesichts des Eintritts der Verfolgungsverjährung das angefoch­tene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. 

   

6.         Weil die Beschwerde Erfolg hatte, entfällt gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG ein Kostenbeitrag.  

 

 

II.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Reichenberger