LVwG-050071/16/Gf/Mu

Linz, 25.11.2016

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K

 

 

 

Geschäftszeichen:                                                                                                                                                                                                                                                 Datum:

LVwG-050071/16/Gf/Mu                                                           Linz, 25. November 2016

 

 

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Grof aus Anlass der Beschwerde des Mag. H O, vertreten durch RAin Dr. E B, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 21. April 2016, Zl. SanRB01-2-2016 (Mitbeteiligte Partei: Dr. A D), wegen Erteilung einer Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke nach dem Apothekengesetz

 

z u  R e c h t  e r k a n n t :

 

I.          Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 und 3 stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

 

 

 


 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

 

Sachverhalt des Behördenverfahrens

 

 

1. Mit Schriftsatz vom 18. Jänner 2016 hat die Mitbeteiligte Partei – ein Vertragsarzt i.S.d. § 342 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (im Folgenden: ASVG) – einen Antrag auf Erteilung der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke mit dem Standort (Berufssitz) E , E, gestellt.

 

Darin wurde vorgebracht, dass sie beabsichtige, dort ab dem 4. April 2016 eine Ordination für Allgemeinmedizin zu eröffnen, wobei sich die nächstgelegene öffentliche Apotheke in mehr als 6 Straßenkilometer Entfernung – nämlich die „R‑Apotheke“ in der K in R – befinde.

 

2. Dagegen hat der Beschwerdeführer als Konzessionär einer (ca. 7,5 Straßenkilometer vom beabsichtigten Standort entfernt gelegenen) öffentlichen Apotheke mit Schreiben vom 4. März 2016 eingewendet, dass die Mitbeteiligte Partei derzeit de facto noch nicht über einen Berufssitz verfüge und nur deshalb das Gebäude des Katholischen Pfarramtes als künftigen Standort für ihre Ordination in Aussicht genommen habe, weil dieses weiter als 6 Straßenkilometer von der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke entfernt sei.

 

Außerdem werde die Mitbeteiligte Partei diesen Standort auch nur als Zweitberufssitz neben ihrer bereits bestehenden Hauptordination in R betreiben.

 

3. In der Folge wurde von der Österreichischen Apothekerkammer (Landesgeschäftsstelle Oberösterreich) mit Schreiben vom 7. März 2016, Zl. III-5/2/22-49/10/16, eine Stellungnahme zum Antrag der Mitbeteiligten Partei abgegeben.

 

Darin wird darauf hingewiesen, dass die zum beabsichtigten Ordinationssitz nächstgelegene öffentliche Apotheke zwar ca. 6,8 Straßenkilometer entfernt sei.

 

Ob allerdings das Schwergewicht der ärztlichen Tätigkeit der Mitbeteiligten Partei tatsächlich an diesem Standort liege, sei deshalb zu bezweifeln, weil sich die diesbezüglichen Ordinationszeiten (künftig insgesamt 12 Stunden an 4 Halbtagen) von ihrer Ordination in R (künftig insgesamt 11 Stunden an 5 Halbtagen), die bisher als alleiniger Berufssitz diente, nur geringfügig unterscheiden würden.

 

Dazu komme, dass die Stadt R 11.381 Einwohner (≈ 1.423 Einwohner pro Allgemeinmediziner), die Gemeinde E jedoch nur 770 Einwohner zähle.

 

Mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen sei der Antrag der Mitbeteiligten Partei sohin abzuweisen.

 

4. Mit Schreiben vom 18. April 2016 gab die Mitbeteiligte Partei bekannt, dass die aktuelle Anzahl an Patienten aus der Stadt R und den dazugehörigen umgebenden Gemeinden insgesamt 1.395 und jener Patienten, die nicht aus diesem Gebiet – sondern z.B. aus E, M, A – stammen, insgesamt 1.299 betrage.

 

Außerdem würden ab Mai 2016 die Ordinationszeiten am Zweitberufssitz auf insgesamt 131/2 Stunden an 5 Halbtagen pro Woche ausgeweitet.

 

5. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 21. April 2016, Zl. SanRB01-2-2016, wurde der Mitbeteiligten Partei die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in E, E, erteilt.

 

Begründend wurde dazu in der Sache ausgeführt, dass die von ihr festgesetzten Ordinationszeiten im Gegensatz zur Annahme der Österreichischen Apothekerkammer nicht willkürlich, sondern vielmehr als der Anzahl der künftig zu behandelnden Patienten entsprechend festgelegt erscheinen würden. Im Übrigen sei zu erwarten, dass sich die in E und umgebenden Gemeinden zu versorgende Personenzahl deshalb noch weiter erhöhen werde, weil für die Nachbargemeinde A (2.996 Einwohner) seit dem 1. April 2013 nur mehr 1 Allgemeinmediziner zur Verfügung stehe und in der Nachbargemeinde M (2.290 Einwohner) der Arzt für Allgemeinmedizin seine Praxis mit 1. Oktober 2015 geschlossen habe, wobei dessen Nachfolger ab 1. Juli 2016 seinen Berufssitz nach R (5,6 km vom Ortskern in M entfernt) verlegen werde; und auch in der Gemeinde S (785 Einwohner) ordiniere kein Arzt für Allgemeinmedizin.  

 

6. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 25. April 2016 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 19. Mai 2016 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Beschwerde.

 

Darin wird zunächst eingewendet, dass die Erteilung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke nach der Judikatur des VwGH nur an jenem Berufssitz in Frage komme, an dem das Schwergewicht der ärztlichen Tätigkeit entfaltet wird. In diesem Zusammenhang komme es aber nicht ausschließlich auf den Umfang der jeweiligen Ordinationsöffnungszeiten oder auf die allgemeine Lebenserfahrung, sondern vielmehr auf das objektive Verhältnis zwischen Einwohnerzahl und Anzahl von Ärzten für Allgemeinmedizin an; daraus ergebe sich hier aber, dass das künftige Schwergewicht der ärztlichen Tätigkeit der Mitbeteiligten Partei nicht in der Gemeinde E, sondern in der Stadt R liegen werde.

 

Außerdem sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. Mai 2016, Zl. SanRB01-136-2015, bereits einem anderen Arzt für Allgemeinmedizin eine Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in M, R, erteilt worden.

 

Daher wird beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

 

7. Mit Schreiben vom 27. Mai 2016, Zl. SanRB01-2-2016, hat die belangte Behörde – ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung – dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich den Bezug habenden Verfahrensakt vorgelegt.

 

 

 

II.

 

Zuständigkeit des LVwG Oberösterreich

 

 

Gemäß Art. 131 Abs. 1 B-VG i.V.m. Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennen über Beschwerden (sofern nicht ein Fall des Art. 132 Abs. 6 B-VG – nämlich eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde – vorliegt, was jedoch gegenständlich nicht zutrifft) die Verwaltungsgerichte der Länder.

 

Da hier die Bestimmungen des Art. 131 Abs. 2 bis 4 B-VG über von diesem Grundsatz abweichende Anordnungen nicht zum Tragen kommen, ist nach der Generalklausel des Art. 131 Abs. 1 B-VG die funktionelle und örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich gegeben.

 

Die vorliegende, auf Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG gegründete Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde und wurde innerhalb der Vier-Wochen-Frist des § 7 Abs. 4 VwGVG bei der belangten Behörde eingebracht; da der Inhalt dieser Beschwerde den Anforderungen des § 9 VwGVG entspricht und auch sonstige Prozesshindernisse nicht vorliegen, ist sie insgesamt als zulässig anzusehen.

 

Weil diesbezüglich weder im Apothekengesetz noch im VwGVG Abweichendes angeordnet ist, hatte das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hierüber gemäß Art. 135 Abs. 1 B VG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden.

 

 

 

III.

 

Ergänzende Sachverhaltsfeststellungen und Beweiswürdigung

durch das LVwG Oberösterreich

 

 

1. Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis zu Zl. SanRB01-2-2016 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 14. September 2016, an der die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers, die Mitbeteiligte Partei und J H als Vertreter der belangten Behörde sowie Mag. C V als Vertreter der Amtspartei (Österreichische Ärztekammer) teilgenommen haben.

 

2. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurden ergänzend zu dem bereits oben unter I. dargestellten Sachverhalt folgende entscheidungswesentliche Fakten festgestellt:

 

2.1.1. Die Mitbeteiligte Partei führt gegenwärtig nicht nur in R, sondern auch am Standort E, E, eine Ordination für Allgemeinmedizin. In der Letzteren betreibt sie seit dem 2. Mai 2016 auch die ihr behördlich bewilligte Hausapotheke.

 

Die wöchentlichen Öffnungszeiten für die Ordination in R (insgesamt 11 Stunden) stellen sich konkret wie folgt dar:

 

Montag, Mittwoch, Freitag von 9.00 bis 11.00 Uhr und

Dienstag und Donnerstag von 15.30 bis 18.00 Uhr

 

Die Versorgungszahl (= Kassen- und Privatpatienten) in dieser Ordination beträgt ca. 1.395  Patienten pro Quartal.

 

Dem gegenüber bestehen für die Ordination in E folgende wöchentliche Öffnungszeiten (insgesamt 131/2 Stunden):

 

Montag und Mittwoch von 15.30 Uhr bis 18.00 Uhr

Dienstag und Donnerstag von 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr sowie

Freitag von 15.30 Uhr bis 17.00 Uhr

 

In dieser Ordination liegt die Versorgungszahl zwischen 1.299 (Stand: 18. April 2016) und ca. 1.400 pro Quartal (subjektive Schätzung der Mitbeteiligten Partei im September 2016).

 

Nach Einschätzung der Mitbeteiligten Partei stellt E nicht nur wegen der längeren Öffnungszeiten, sondern auch deshalb die Hauptordination dar, weil dort zusätzliches künftiges Patientenpotenzial besteht, während die Patientenzahlen in R schon seit längerer Zeit stagnieren.

 

2.1.2. Dass in der Gemeinde E weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1 ASVG von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, ist ebenso allseits unstrittig wie die Tatsache, dass die Entfernung zwischen der Hausapotheke der Mitbeteiligten Partei und der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke mehr als 6 Kilometer beträgt; dass die Mitbeteiligte Partei über einen Kassenvertrag gemäß § 342 Abs. 1 ASVG verfügt, in dem mit Wirksamkeit seit 1. Juli 2016 als

 

„Berufssitz a) R

b) E“

 

eingetragen ist (vgl. den „Anhang zum Einzelvertrag vom 1.1.2015“ vom 1. Juni 2016), d.h., dass sich dieser sowohl auf die Gemeinde R als auch auf die Gemeinde E bezieht (ob bzw. unter welchen Voraussetzungen es rechtlich zulässig ist, den Geltungsbereich eines Einzelvertrages über das örtliche Gebiet einer Gemeinde hinaus zu erstrecken, ist im gegenständlichen Verfahren nicht zu beurteilen); der Umstand, dass die Gemeinde E eine eigenständige Gemeinde mit ca. 770 Einwohnern bildet und in dieser keine öffentliche Apotheke situiert ist; sowie, dass die zuvor unter III.2.1.1. festgestellten Ordinationszeiten von der OÖGKK genehmigt wurden und eine künftige Änderung derselben nicht einseitig durch die Mitbeteiligte Partei, sondern nur mit Zustimmung der Ärztekammer und der OÖGKK erfolgen könnte.

 

2.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Akteninhalt und auf die glaubwürdigen, in sich widerspruchsfreien und wechselseitig jeweils unbestritten gebliebenen Aussagen der in der öffentlichen Verhandlung einvernommenen Parteien(vertreter).

 

Ergänzend wird das Verhandlungsprotokoll (ONr. 4 des hg. Aktes) zum integrierenden Bestandteil dieses Erkenntnisses erklärt.

 

 


 

 

IV.

 

Nachfolgende Stellungnahmen der Verfahrensparteien

 

 

1. Mit e-mails vom 14. und vom 22. September 2016 hat die Mitbeteiligte Partei dem LVwG Oberösterreich ihren mit der OÖGKK i.S.d. §§ 342 ff ASVG abgeschlossenen Einzelvertrag übermittelt.

 

2. In ihrem Schreiben vom 20. September 2016 weist die Vertreterin des Beschwerdeführers darauf hin, dass sich den beigelegten Ausdrucken (e‑mail der OÖGKK vom 9. Februar 2016 bzw. Screenshot der Internetseite der Ärztekammer vom 14. September 2016) jeweils zweifelsfrei entnehmen lasse, dass der Hauptordinationssitz der Mitbeteiligten Partei in R liegt.

 

3. Mit e-mail vom 12. Oktober 2016 gab die Mitbeteiligte Partei bekannt, dass eine Auswertung ihrer Patientenzahlen des 3. Quartals ergeben habe, dass in der Ordination in R insgesamt 486, in jener in E hingegen 587 Regelfälle zu behandeln gewesen seien.

 

Dieses Verhältnis von 45% zu 55% belege wiederum, dass die Patientenzahlen in der Ordination in R stagnieren, jene in der E Ordination hingegen kontinuierlich steigen würden. 

 

4. In ihrer ergänzenden Äußerung vom 15. Oktober 2016 wies die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers insbesondere darauf hin, dass die Gemeinde E lediglich über 770 ständige Einwohner verfüge und die in M wohnhaften Patienten bereits durch eine mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. Mai 2016 bewilligten Hausapotheke des dort ansässigen Allgemeinmediziners versorgt würden.

 

5. Mit weiterer Stellungnahme vom 22. November 2016 vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, dass die von der Mitbeteiligten Partei am 12. Oktober 2016 bekannt gegebenen Patientenzahlen – ganz abgesehen davon, dass deren Herkunft nicht belegt worden und deren tatsächliches Zutreffen sohin zweifelhaft sei – bloß ein geringfügiges Überwiegen erweisen würden. Außerdem erscheine die Vorgangsweise, den für die Ordination in R bestehenden Kassenvertrag dadurch zu umgehen, dass einseitig die Zweitordination in E zum Hauptberufssitz umfunktioniert wird, aus rechtlicher Sicht unzulässig.

 

 


 

 

V.

 

Rechtliche Beurteilung

 

 

In der Sache selbst hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich über die vorliegende Beschwerde erwogen:

 

1.1. Gemäß § 28 Abs. 2 des Apothekengesetzes, RGBl 5/1907 i.d.g.F. BGBl I 30/2016 (im Folgenden: ApG), erfolgt u.a. dann, wenn in einer Gemeinde weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1 ASVG von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung – um zugleich auch die ärztliche Versorgung in solchen Gemeinden zu sichern – in der Regel, d.h.: sofern nicht § 28 Abs. 3 ApG oder § 29 Abs. 1 Z. 3 ApG Anwendung findet, durch ärztliche Hausapotheken.

 

Ist in einer solchen Gemeinde bereits eine Konzession für eine öffentliche Apotheke rechtskräftig erteilt worden, so kann nach § 28 Abs. 3 ApG eine Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke dann erteilt werden, wenn die Entfernung zwischen dem Berufssitz des hausapothekenführenden Arztes und der Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke mehr als 6 Straßenkilometer beträgt.

 

Nach § 29 Abs. 1 Z. 3 ApG ist einem Arzt für Allgemeinmedizin die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke dann zu erteilen, wenn der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als 6 Straßenkilometer entfernt ist.

 

Insgesamt ergibt sich aus diesen apothekenrechtlichen Bestimmungen, dass ein Arzt für Allgemeinmedizin mit Kassenvertrag i.S.d. § 342 ASVG – insbesondere wenn dieser in einer sog. „Ein-Arzt-Gemeinde“ ordiniert – dann einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Hausapothekenbewilligung hat, wenn sein Berufssitz von (einer in dieser oder in einer anderen Gemeinde, d.h. von) der nächstgelegenen bereits bestehenden öffentlichen Apotheke mehr als 6 Straßenkilometer entfernt ist.

 

1.2. Gemäß § 45 Abs. 1 des Ärztegesetzes, BGBl I 169/1998 i.d.g.F. BGBl I 75/2016 (im Folgenden: ÄrzteG), hat jeder Arzt das Recht, seinen Beruf im ganzen Bundesgebiet auszuüben.

 

Nach § 45 Abs. 2 ÄrzteG hat ein Arzt für Allgemeinmedizin, der seinen Beruf (nicht in einem Angestelltenverhältnis, sondern) als freien Beruf auszuüben beabsichtigt, anlässlich der Anmeldung bei der Österreichischen Ärztekammer frei seinen Berufssitz oder seine Berufssitze im Bundesgebiet zu bestimmen; als Berufssitz gilt der Ort, an dem sich die Ordinationsstätte befindet, in der und von der aus der Arzt für Allgemeinmedizin seine freiberufliche Tätigkeit ausübt.

 

Gemäß § 45 Abs. 3 ÄrzteG darf ein Arzt für Allgemeinmedizin nur zwei Berufssitze im Bundesgebiet haben; die freiberufliche Ausübung des ärztlichen Berufes ohne bestimmten Berufssitz (Wanderpraxis) ist verboten (§ 45 Abs. 4 ÄrzteG).

 

2. Im gegenständlichen Verfahren steht – was auch von den Verfahrensparteien allseits unbestritten geblieben ist – fest, 1.) dass die Mitbeteiligte Partei ein Arzt für Allgemeinmedizin ist und diese (zwar noch nicht zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, aber zumindest gegenwärtig) sowohl in Bezug auf die Gemeinde R als auch in Bezug auf die Gemeinde E in einem Vertragsverhältnis gemäß § 342 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (BGBl 189/1955 i.d.g.F. BGBl II 260/2016) zur OÖGKK steht; 2.) dass die Gemeinde E eine sog. „Ein-Arzt-Gemeinde“ i.S.d. § 28 Abs. 2 ApG ist und sich in dieser keine öffentliche Apotheke befindet; sowie 3.) dass die am E in E etablierte Ordination der Mitbeteiligten Partei sowohl von der Betriebsstätte der hierzu nächstgelegenen öffentlichen Apotheke – d.i. die „R-Apotheke“ in der K in R – als auch von jener des Beschwerdeführers (S, R) jeweils mehr als 6 Straßenkilometer entfernt ist.

 

Insoweit liegen also hier die gemäß § 28 Abs. 2 i.V.m. § 29 Abs. 1 ApG geforderten Voraussetzungen zur Erteilung einer ärztlichen Hausapothekenbewilligung an die Mitbeteiligte Partei vor.

 

3. Strittig ist allerdings zwischen den Verfahrensparteien, ob gegenständlich auch das in § 29 Abs. 1 Z. 2 und 3 ApG jeweils normierte Kriterium des „Berufssitzes“ erfüllt ist bzw. anders gewendet: ob die am E in E von der Mitbeteiligten Partei geführte Ordination (nicht nur als ein Berufssitz i.S.d. § 45 ÄrzteG, sondern auch) als ein Berufssitz im Sinne des § 29 ApG zu qualifizieren ist.

 

3.1. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden auch: VwGH) in seinem Erkenntnis vom 3. Juli 1990, 86/08/0125 (= VwSlg 13248 A/1990), unter Hinweis auf Vorjudikatur festgehalten, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Regelung der Hausapotheken von einem typischen Berufsbild des niedergelassenen praktischen Arztes ausgegangen sei. Insbesondere könne bei einer solchen Durchschnittsbetrachtung nämlich nur von einem Arzt, der das Schwergewicht seiner ärztlichen Tätigkeit an dem betreffenden Ordinationssitz entfaltet, auch erwartet werden, dass er – zumal er die ärztliche Hausapotheke selbst führen müsse und Hilfskräfte zum selbständigen Dispensieren von Arzneien nicht verwenden dürfe – den gesetzlichen Anforderungen an die Betriebsanlage, die Betriebseinrichtung und die ordnungsgemäße Führung des Betriebes in vollem Umfange nachkommen wird. Von daher besehen seien somit Befürchtungen, dass ärztliche Hausapotheken am Sitz der Zweitordination, an dem der Arzt nicht seine Haupttätigkeit (sondern im Extremfall etwa nur eine geringfügige Tätigkeit von wenigen Stunden pro Woche) entfaltet, Risiken für eine ordnungsgemäße Heilmittelgebarung mit sich bringen oder dass zur Vermeidung dieser Risiken die vorgebliche Hausapotheke in Wahrheit vom ersten Berufssitz aus (an dem sich voraussetzungsgemäß keine ärztliche Hausapotheke befinden dürfe) versorgt werden könnte, nicht ganz von der Hand zu weisen. Vor diesem Hintergrund würde zwar allein das Vorhandensein von zwei ärztlichen Berufssitzen die Bewilligung einer ärztlichen Hausapotheke nicht hindern, weil ja auch eine bestehende Hausapothekenbewilligung am ersten Berufssitz wegen einer hinzutretenden Zweitordination von geringem Umfang nicht verloren gehe. Allerdings komme es in einem solchen Zusammenhang auf das Schwergewicht bzw. auf das Übergewicht der entfalteten ärztlichen Tätigkeit an dem für die ärztliche Hausapotheke in Aussicht genommenen Berufssitz an. Dafür, auf welchen der Berufssitze der Arzt das Schwergewicht seiner beruflichen Tätigkeit verlagert hat, würden die verbindlich festgesetzten Ordinationszeiten zwar ein grundsätzlich taugliches Indiz bilden; dies jedoch nur, solange sich nicht sachverhaltsbezogen ergebe, dass die Ordinationszeiten willkürlich und nicht der Zahl der behandelten Patienten entsprechend gewählt wurden. Auf die tatsächliche Patientenanzahl käme es sohin bei der Beurteilung des Schwergewichtes einer ärztlichen Tätigkeit entscheidend an.

 

Mit seinem nahezu gleichzeitig ergangenen Erkenntnis vom 9. Juli 1990, 90/10/0038, hat der VwGH diese Rechtsansicht dann weiter dahin präzisiert, dass bei gleich langen Ordinationszeiten – nämlich im Anlassfall: jeweils 12 Stunden wöchentlich – ein Verhältnis von 3:2 (bzw. von 60% zu 40%) geeignet sei, zu erweisen, dass das Schwergewicht der beruflichen Tätigkeit in jener Ordination liege, in der vergleichsweise um 20% mehr Patienten behandelt würden.

 

Schließlich lässt sich aus dem Erkenntnis vom 26. Juni 1995, 91/10/0169, noch ableiten, dass nach Ansicht des VwGH feste Ordinationszeiten in einem Ausmaß von 181/2 Stunden pro Woche jedenfalls geeignet sind, die gesetzlich geforderte fachlich ordnungsgemäße Heilmittelzubereitung, ‑lagerung und ‑abgabe zu gewährleisten.

 

3.2. Abweichend von der gegenwärtig maßgeblichen, oben unter V.1.2. referierten Bestimmung des § 45 ÄrzteG lauteten die analogen, den vorgenannten Erkenntnissen des VwGH zu Grunde liegenden Anordnungen in § 19 des Ärztegesetzes 1984, BGBl 373/1984 (im Folgenden: ÄrzteG 1984):   

 

"(2) Der praktische Arzt oder Facharzt, der seinen Beruf als freien Beruf auszuüben beabsichtigt, hat anlässlich der Anmeldung bei der Österreichischen Ärztekammer (§ 11) frei seinen Berufssitz zu bestimmen. Berufssitz ist der Ort, an dem sich die Ordinationsstätte befindet, in der und von der aus der praktische Arzt bzw. der Facharzt seine freiberufliche Tätigkeit ausübt.

 

(3) Der praktische Arzt bzw. der Facharzt darf grundsätzlich nur einen Berufssitz haben. Die freiberufliche Ausübung des ärztlichen Berufes ohne bestimmten Berufssitz (Wanderpraxis) ist verboten.

 

(4) Ein praktischer Arzt oder ein Facharzt, der seine freiberufliche Tätigkeit regelmäßig wiederkehrend an bestimmten Wochentagen oder für eine kalendermäßig bestimmte Zeitdauer auch an einem zweiten Berufssitz auszuüben beabsichtigt, bedarf hierzu einer Bewilligung der Österreichischen Ärztekammer. Eine solche Bewilligung ist zu erteilen, wenn eine ausreichende allgemeinärztliche oder fachärztliche Betreuung der Bevölkerung in dem für den zweiten Berufssitz in Aussicht genommenen Ort und dessen Einzugsgebiet nicht gewährleistet ist. Die Bewilligung ist zurückzunehmen, wenn der für ihre Erteilung maßgebend gewesene Bedarf nicht mehr besteht. .....".

 

Aus Anlass einer – wegen Verstoßes der damit festgelegten Bedarfsprüfung gegen das Grundrecht der Erwerbsfreiheit – erfolgten Aufhebung von Teilen dieser Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof (vgl. VfGH vom 2. Oktober 1992, G 338/91 = VfSlg 13184/1992) erfolgte durch die (am 1. Jänner 1995 in Kraft getretene) Novelle BGBl 100/1994 eine inhaltliche Neugestaltung des ÄrzteG 1984 dahin, dass seither eine freiberufliche ärztliche Tätigkeit schon von Gesetzes wegen – und ohne Bewilligung durch die Ärztekammer – an zwei (statt zuvor bloß an einem) Berufssitz(en) möglich ist (vgl. 1361 BlgNR, 18. GP, S. 40).

 

Ein wesentlicher Unterschied zwischen § 19 Abs. 2 bis 4 ÄrzteG 1984 in jener den vorangeführten Entscheidungen des VwGH zu Grunde liegenden Fassung einerseits und § 45 Abs. 2 bis 4 ÄrzteG andererseits besteht somit darin, dass ein freiberuflich tätiger praktischer Arzt damals „grundsätzlich nur einen Berufssitz“ und einen zweiten Berufssitz nur mit Bewilligung der Ärztekammer haben durfte, während ein solcher Arzt seit dem 1. Jänner 1995 schon von vornherein „zwei Berufssitze“ etablieren darf.

 

3.3. Daraus, dass auf gesetzlicher Ebene eine zeitgleich-parallele Fortentwicklung des Apothekengesetzes unterblieben ist bzw. (erst) mit der am 29. März 2006 in Kraft getretenen ApG-Novelle BGBl I 41/2006 eine Aufwertung der Versorgungsfunktion von ärztlichen Hausapotheken als Anreiz zur Aufrechterhaltung der ärztlichen Versorgung in ländlichen Gebieten erfolgte (da hierzu „reguläre“ Gesetzesmaterialien fehlen vgl. StenProt der 139. Sitzung des NR, 22. GP, S. 241), lässt sich insgesamt ableiten, dass sich zwar aus der Sicht der ärztlichen Berufsausübung die Bindung des Arztes an bloß einen Standort entsprechend gelockert hat, dass Gleiches jedoch nicht für die für eine ärztliche Hausapotheke geforderte Gewährleistung einer fachlich ordnungsgemäßen Heilmittelzubereitung, ‑lagerung und ‑abgabe gilt.

 

Weil bzw. solange keine dementsprechend explizite gesetzliche Modifikation erfolgt(e), besteht somit nach Ansicht des LVwG Oberösterreich auch kein Grund, die zuvor unter V.3.1. wiedergegebene Judikatur des VwGH zur Auslegung des § 29 Abs. 1 ApG als obsolet zu erachten, bzw. anders gewendet: Die seit der Novelle BGBl 100/1994 erfolgte Bedeutungsänderung des Begriffes „Berufssitz“ im ÄrzteG hat keine Auswirkungen auf den synonymen, nunmehr aber inhaltlich nicht mehr (völlig) deckungsgleichen Begriff in § 29 Abs. 1 Z. 2 und 3 ApG nach sich gezogen.

 

Insgesamt lässt sich sohin aus diesen Entscheidungen für die gegenwärtig maßgebliche Rechtslage (weiterhin) ableiten, dass bei zwei Berufssitzen eine Hausapothekenbewilligung nur für jenen erteilt werden darf, an dem tatsächlich signifikant mehr Patienten behandelt werden. Dabei kommt es auf prognostische Entwicklungen – wie etwa ein künftiges Patientenpotential – nicht an; vielmehr kann, wenn ein deutliches Überwiegen für den in Aussicht genommenen Berufssitz vorerst nicht gegeben ist, ein (neuer) Antrag jederzeit gestellt werden, sobald sich das Verhältnis anforderungsgemäß eingestellt hat.

 

3.4. Vor diesem Hintergrund ist daher im gegenständlichen Fall zu untersuchen, ob es sich bei der in E situierten Ordination um einen Berufssitz (nicht im Sinne des ÄrzteG, sondern) im Sinne des § 29 Abs. 1 Z. 2 und 3 ApG in jener Bedeutung, die diesem Terminus nach der Judikatur des VwGH zukommt, handelt, d.h. ob die Mitbeteiligten Partei dort das anhand von Patientenzahlen zu messende Schwergewicht ihrer beruflichen Tätigkeit ausübt.

 

3.4.1. Selbst wenn man davon ausgehend die diesbezüglich für die Mitbeteiligte Partei günstigste Variante, nämlich nur die von ihr jeweils angegebenen (aktuellsten) „Regelfälle“ des 3. Quartals 2016 heranzieht (vgl. oben, IV.3.) und dieses Vorbringen auch als tatsächlich zutreffend erachtet, ergäbe sich lediglich ein Patientenzahlenverhältnis von 45% (Ordination R) zu 55% (Ordination E).

 

Damit entspricht aber die Patientenzahl der Zweitordination nicht dem vom VwGH in seinem Erkenntnis vom 9. Juli 1990, 90/10/0038, als maßgeblich erachteten Richtwert von 60%.

 

3.4.2. Dieses Defizit wird aber auch durch den relativen Überhang an wöchentlichen Ordinationszeiten nicht aufgewogen:

 

Denn abgesehen davon, dass diese jene der Ordination in R (insgesamt 11 Stunden) nur geringfügig, nämlich um 21/2 Stunden, überlagern, bleiben sie ebenfalls deutlich unter dem Ausmaß, das der VwGH in seinem Erkenntnis vom 26. Juni 1995, 91/10/0169, – nämlich 181/2 Stunden – als akzeptabel festgelegt hat.

 

3.4.3. Im Ergebnis bildet die Ordination der Mitbeteiligten Partei in E sohin keinen „Berufssitz“ i.S.d. § 29 Abs. 1 Z. 2 und 3 ApG.

 

Weil aber sämtliche Voraussetzungen dieser Bestimmung kumulativ erfüllt sein müssen, lagen bzw. liegen somit insofern die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung zur Führung einer ärztlichen Hausapotheke an diese nicht vor.

 

4. Daher war der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 und 3 VwGVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

5. Bemerkt wird, dass die Mitbeteiligte Partei durch diese Entscheidung nicht daran gehindert ist, neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Hausapothekenbewilligung zu stellen, sobald sich die Patientenzahlen für ihre Ordination in E in dem oben unter V.3.4.1 dargestellten Ausmaß günstiger entwickelt haben.

 

 

 

VI.

 

Revision an den Verwaltungsgerichtshof

 

 

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsge-richtshof unzulässig, weil im Zuge des vorliegenden Verfahrens im Hinblick auf die unter V.3.1. dargestellte Judikatur keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

Weder weicht nämlich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Judikatur; zudem ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.

 

Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich

Dr.  G r o f

 

 

Rechtssatz:

 

LVwG-050071/16/Gf/Mu vom 25. November 2016

 

 

Normen:

§ 28 ApG

§ 29 ApG

§ 45 ÄrzteG

§ 19 ÄrzteG 1984

§ 342 ASVG

 

Rechtssätze:

 

* Insgesamt ergibt sich aus den §§ 28 und 29 ApG, dass ein Arzt für Allgemeinmedizin mit Kassenvertrag i.S.d. § 342 ASVG – insbesondere wenn dieser in einer sog. „Ein-Arzt-Gemeinde“ ordiniert – dann einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Hausapothekenbewilligung hat, wenn sein Berufssitz von (einer in dieser oder in einer anderen Gemeinde, d.h. von) der nächstgelegenen bereits bestehenden öffentlichen Apotheke mehr als 6 Straßenkilometer entfernt ist;

 

* Strittig ist zwischen den Verfahrensparteien lediglich, ob das in § 29 Abs. 1 Z. 2 und 3 ApG jeweils normierte Kriterium des „Berufssitzes“ erfüllt ist bzw. anders gewendet: ob die in der Gemeinde E. von der Mitbeteiligten Partei geführte Ordination (nicht nur als ein Berufssitz i.S.d. § 45 ÄrzteG, sondern auch) als ein Berufssitz im Sinne des § 29 ApG zu qualifizieren ist;

 

* In diesem Zusammenhang hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 3.7.1990, 86/08/0125 (= VwSlg 13248 A/1990) mit ausführlicher Begründung darauf abgestellt, dass im Falle einer Haupt- und einer Zweitordination jene als Berufssitz anzusehen ist, in der das Schwergewicht der ärztlichen Tätigkeit ausgeübt wird, wobei sich dieses nach der jeweiligen Anzahl der Patienten bemisst; im Erkenntnis vom 9.7.1990, 90/10/0038, wurde dies dahin präzisiert, dass bei gleich langen Ordinationszeiten ein Verhältnis von 3:2 (bzw. von 60% zu 40%) geeignet sei, zu erweisen, dass das Schwergewicht der beruflichen Tätigkeit in jener Ordination liege, in der vergleichsweise um 20% mehr Patienten behandelt wurden; und schließlich lässt sich aus dem Erkenntnis vom 26.6.1995, 91/10/0169, ableiten, dass feste Ordinationszeiten in einem Ausmaß von 181/2 Stunden pro Woche jedenfalls geeignet sind, die gesetzlich geforderte fachlich ordnungsgemäße Heilmittelzubereitung, ‑lagerung und ‑abgabe zu gewährleisten;

 

* Daraus, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen § 19 Abs. 2 bis 4 ÄrzteG 1984 in jener den vorangeführten Entscheidungen des VwGH zu Grunde liegenden Fassung einerseits und § 45 Abs. 2 bis 4 ÄrzteG andererseits darin besteht, dass ein praktischer Arzt damals „grundsätzlich nur einen Berufssitz“ und einen zweiten Berufssitz nur mit Bewilligung der Ärztekammer haben durfte, während ein solcher Arzt seit dem 1.1.1995 schon von vornherein „zwei Berufssitze“ etablieren darf, lässt sich in Verbindung damit, dass auf gesetzlicher Ebene eine zeitgleich-parallele Fortentwicklung des ApG unterblieben ist bzw. (erst) mit der am 29. März 2006 in Kraft getretenen ApG-Novelle BGBl I 41/2006 eine Aufwertung der Versorgungsfunktion von ärztlichen Hausapotheken als Anreiz zur Aufrechterhaltung der ärztlichen Versorgung in ländlichen Gebieten erfolgte, insgesamt ableiten, dass sich zwar aus der Sicht der ärztlichen Berufsausübung die Bindung des Arztes an bloß einen Standort entsprechend gelockert hat, dass Gleiches jedoch nicht für die für eine ärztliche Hausapotheke geforderte Gewährleistung einer fachlich ordnungsgemäßen Heilmittelzubereitung, ‑lagerung und ‑abgabe gilt. Die seit der Novelle BGBl 100/1994 erfolgte Bedeutungsänderung des Begriffes „Berufssitz“ im ÄrzteG hat daher keine Auswirkungen auf den synonymen, nunmehr aber inhaltlich nicht mehr völlig deckungsgleichen Begriff in § 29 Abs. 1 Z. 2 und 3 ApG nach sich gezogen;

 

* Insgesamt lässt sich sohin aus diesen Entscheidungen für die gegenwärtig maßgebliche Rechtslage (weiterhin) ableiten, dass bei zwei Berufssitzen eine Hausapothekenbewilligung nur für jenen erteilt werden darf, an dem tatsächlich signifikant mehr Patienten behandelt werden. Dabei kommt es auf prognostische Entwicklungen – wie etwa ein künftiges Patientenpotential – nicht an; vielmehr kann, wenn ein deutliches Überwiegen für den in Aussicht genommenen Berufssitz vorerst nicht gegeben ist, ein (neuer) Antrag jederzeit gestellt werden, sobald sich das Verhältnis anforderungsgemäß eingestellt hat;

 

* Angesichts des im vorliegenden Fall bestehenden Verhältnisses der Patientenzahlen von (lediglich) 55% (Ordination E) zu 45% (Ordination R), das unter dem vom VwGH als maßgeblich erachteten Richtwert von 60%:40% liegt, sowie des Umstandes, dass die wöchentliche Ordinationszeit in E bloß 131/2 Stunden beträgt und diese ebenfalls unter dem vom VwGH als akzeptabel festgelegten Ausmaß von 181/2 Stunden liegt, stellt die Ordination der Mitbeteiligten Partei in E sohin keinen „Berufssitz“ i.S.d. § 29 Abs. 1 Z. 2 und 3 ApG dar, weshalb sich die Bewilligungserteilung für eine Hausapotheke aus diesem Grund als rechtswidrig erweist.

 

 

 

Beschlagwortung:

 

Hausapotheke; öffentliche Apotheke; Kassenvertrag; Bedarfsprüfung; mehrere Berufssitze; überwiegende ärztliche Tätigkeit

 

RIS = JA