LVwG-650711/2/WP

Linz, 07.12.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Peterseil über die Beschwerde des D S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 1. August 2016, GZ: 417654-2014, wegen Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung, den

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 1. August 2016, GZ: 417654-2014, wird aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG an die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zurückver­wiesen.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Bisheriges Verwaltungsgeschehen:

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 12. Dezember 2014 wurde die Lenkberechtigung der Gruppe 2 des Beschwerdeführers (in der Folge kurz: Bf) bis 11. Dezember 2019 befristet und ihm die Auflage des Tragens einer Brille sowie die „Vorlage eines Kontrollbefundes Innere Medizin und einer Stellungnahme Psychiatrie innerhalb 6 Monaten (beginnend mit 11.06.2015)“ erteilt.

 

2. In der Folge legte der Bf der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (in der Folge kurz: belangte Behörde) einen mit 18. Juni 2015 datierten Psychiatrisch neurologischen Befund und Gutachten des Dr. M B, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vor. Abschließend hält der Facharzt in seinem Gutachten fest: „Wegen der früheren Panikstörung könnte [der Bf] sich noch ambulant psychotherapeutisch beraten lassen. Es ist insgesamt seine Verkehrssicherheit oder Fahrtüchtigkeit nicht herabgesetzt, daher aus psychiatrischer Sicht kein Einwand wenn er auch weiterhin wieder den Führerschein der Gruppe 1 und 2 behält“.

 

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. Jänner 2016 wurde der Bf aufgefordert, sich innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 amtsärztlich untersuchen zu lassen. Begründend führt die belangte Behörde aus, der Bf wäre aufgrund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 12. Dezember 2015 verpflichtet gewesen, am 11.12.2016 einen Kontrollbefund eines Facharztes für Psychiatrie bei der Behörde vorzulegen. Da dieser nicht eingelangt sei und ob daher die Voraussetzung für die Belassung der Lenkberechtigung noch in ausreichendem Maße gegeben sei oder ob eine etwaige Verschlechterung des Gesundheitszustandes bzw eine Rückkehr in alte Konsummuster vorliege, könne daher nicht beurteilt werden, weshalb begründete Bedenken betreffend die gesundheitliche Eignung bestünden.

 

4. Am 15. Februar 2016 unterzog sich der Bf einer amtsärztlichen Untersuchung bei der belangten Behörde betreffend die Lenkberechtigung der Gruppe 1 (ON 6 des verwaltungsbehördlichen Aktes). Zur Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens wurde von der Amtsärztin die Vorlage eines psychiatrischen Kontrollbefundes angeordnet.

 

5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Februar 2016 wurde dem Bf aufgetragen, innerhalb von vier Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides zur Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens einen psychiatrischen Kontrollbefund vorzulegen.

 

6. In Entsprechung dieser bescheidmäßigen Anordnung legte der Bf der belangten Behörde einen mit 16. März 2016 datierten Psychiatrisch neurologischen Befund und Gutachten des Dr. M B, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vor. Abschließend hält der Facharzt in seinem Gutachten fest: „Insgesamt ist im Vergleich zu 2015 keine Änderung eingetreten und dementsprechend von psychiatrischer Seite kein Einwand wenn [der Bf] weiterhin den Führerschein behält aus der Gruppe 1 und 2“. Gleichzeitig legte der Bf einen Befund eines Facharztes für Innere Medizin vom 25. Jänner 2016 vor.

 

7. Am 5. April 2016 erstattete die Amtsärztin der belangten Behörde ein amtsärztliches Gutachten. Der Bf sei entsprechend diesem Gutachten zum Lenken eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 sowie der Gruppe 2 befristet geeignet, wobei auf die bereits im Führerschein eingetragene Befristung Bezug genommen wird. Zudem wird aus medizinischer Sicht eine „Nachuntersuchung mit internistischer und ev. augenfachärztlicher Stellungnahme“ als notwendig erkannt. Zudem sei eine „Kontrolluntersuchung“ erforderlich. Begründend wird ausgeführt, im Hinblick auf den internistischen Facharztbefund müsse mit einer Verschlechterung gerechnet werden, internistische Kontrollen seien daher weiterhin nötig. Hinsichtlich des psychischen Befundes bestehe keine Verschlechterungsgefahr, weshalb keine Befristungs- und Kontrollmaßnahmen mehr zulässig seien.

 

8. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 1. August 2016 wurde dem Bf aufgetragen, sich innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken führerscheinpflichtiger Kraftfahrzeuge der Gruppe 1 amtsärztlich untersuchen zu lassen. Begründend wird lediglich auf die angewendete Gesetzesbestimmung verwiesen. Dem Begründungsteil des Bescheides kann weder ein entscheidungserheblicher Sachverhalt noch eine darauf bezogene rechtliche Beurteilung entnommen werden. Zudem mangelt es dem in Beschwerde gezogenen Bescheid an einer Rechtsmittelbelehrung.

 

9. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bf. Begründend führt dieser aus, er habe nachweislich keine gesundheitlichen Probleme mehr und fühle sich von der belangten Behörde „schikaniert“. Abschließend begehrt der Bf daher, sein Führerschein möge wieder eine „normale Geltungsdauer [haben] (5 Jahre)“.

 

10. Mit Schreiben vom 21. September 2016, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am darauffolgenden Tag eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt – unter Hinweis auf das Absehen von einer Beschwerdevorentscheidung – zur Entscheidung vor.

 

 

II.         Beweiswürdigung:

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt und das Beschwerdevorbringen. Das unter Punkt I. wieder­gegebene bisherige Verwaltungsgeschehen ergab sich daraus widerpruchsfrei.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gem § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der Bescheid aufzuheben ist.

 

 

III.        Rechtslage:

 

Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des Führerscheingesetzes (FSG) lautet auszugsweise wie folgt:

 

§ 24

(1) […]

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Gem § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

 

Gem § 56 AVG hat der Erlassung eines Bescheides, wenn es sich nicht um eine Ladung (§ 19) oder einen Bescheid nach § 57 handelt, die Feststellung des maßgebenden Sachverhalts, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, nach den §§ 37 und 39 voranzugehen.

 

Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

 

IV.          Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG) hat gem Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter im Rahmen des § 27 VwGVG über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

 

1. In ständiger Judikatur vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs 4 FSG seien begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei gehe es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssten aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen.

 

2. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass ein Aufforderungsbescheid nur dann zulässig sei, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen (nochmals VwGH 30.9.2011, 2010/11/0248, sowie 21.9.2010, 2010/11/0105).

 

3. Im Hinblick auf § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG ist zunächst festzuhalten, dass die belangte Behörde offenkundig kein (eigenständiges) Ermittlungsverfahren iSd §§ 37 und 39 AVG durchgeführt hat, da dem Bescheid keinerlei Sachverhalt entnommen werden kann, auf den sich die spruchmäßige Anordnung bezieht. Auch die Aktenlage lässt nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, welche Bedenken die belangte Behörde zu der Annahme geführt haben, die gesundheitliche Eignung des Bf zu bezweifeln. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich könnte allenfalls Mutmaßungen anstellen und müsste Erhebungen in mehrere Richtungen anstellen, um die von der belangten Behörde nicht dargelegten Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung des Bf zu substituieren.

 

4. Nach gefestigter Rsp des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063; 10.09.2014, Ra 2014/08/0005; 26.3.2015, Ra 2014/07/0077) kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer „Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

 

5. Im Ergebnis hat die belangte Behörde iSd dargelegten Rsp des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts keinerlei Ermittlungsschritte gesetzt. Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich läge zudem nicht im Sinne der Verfahrensökonomie des § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG, da dem in Beschwerde gezogenen Bescheid keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme von begründeten Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung zu entnehmen sind. Zudem wurde der Bf durch das gänzliche Fehlen des maßgeblichen Sachverhalts im in Beschwerde gezogenen Bescheid an der Verfolgung seiner Rechte gehindert, da es ihm mangels Darstellung des maßgeblichen Sachverhalts nicht möglich war, dem Bescheid – allenfalls mit ergänzendem Tatsachenvorbringen oder einer anderslautenden rechtlichen Beurteilung – entgegen zu treten. Insgesamt erweist sich daher die Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung als im Interesse der Raschheit gelegen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

V.           Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Das gänzliche Unterlassen eines Ermittlungsverfahren iSd §§ 37 und 39 AVG berechtigt nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063; 10.09.2014, Ra 2014/08/0005; 26.3.2015, Ra 2014/07/0077) das Verwaltungsgericht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung an die belangte Behörde. Die ordentliche Revision ist daher unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Peterseil