LVwG-550925/4/SE

Linz, 25.11.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Mag.a Ellmer über die Beschwerde der Oö. U, vertreten durch X
Dipl.-Ing. Dr. M D, X, X, vom 6. Juli 2016, gegen den Bescheid der Oö. Landes­regierung vom 16. Juni 2015, GZ: N-106673/1-2015-Has/HE, betreffend Neuaufforstung im Europa­schutzgebiet „W und N“

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.     Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

 

II.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichts­hofgesetz - VwGG keine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz zulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.             1. Mit Bescheid der Oö. Landesregierung (kurz: belangte Behörde) vom 16. Juni 2016, GZ: N-106673/1-2015-Has/HE, wurde gemäß § 24 Abs. 3 Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 iVm § 56 Allgemeines Ver­waltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG – der Antrag von C und J R, X, X, (kurz: die Antragsteller), vom 10. Dezember 2014, auf Genehmigung der Neuaufforstung auf den Gst. Nr. X und X, KG H, als unzulässig zurückgewiesen.  

 

Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Schutzgut „6510 Magere Flachland-Mähwiese“ auf den gegenständlichen Flächen nicht mehr vorhanden sei und somit durch die Neuaufforstung eine wesentliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes nicht vorliegen könne.

 

I. 2. Die Oö. U (kurz: die Beschwerdeführerin) stellte mit Schriftsatz vom
17. März 2016 an die belangte Behörde den Antrag auf Zustellung dieses nunmehr angefochtenen Bescheids.

 

Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 31. März 2016, GZ: N-2016-47865/3-Has, mangels Parteistellung zurück­gewiesen. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Die belangte Behörde gab der Beschwerde mit der Beschwerdevorentscheidung vom 23. Mai 2016, GZ: N-2016-47865/5-Has, statt und stellte den hier ange­fochtenen Bescheid an die Beschwerdeführerin zu.

 

I. 3. Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 6. Juli 2015 fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 16. Juni 2015, GZ: N-106673/1-2015-Has/HE, erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragte darin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. In concreto führte die Beschwerdeführerin begründend aus, dass die Tierhaltung (Beweidung durch X seit 2007) als auch die Neuaufforstung eine Beeinträchtigung des Lebens­raumtyps „6510 Magere Flachland-Mähwiesen“ erwarten lasse. Die Zerstörung des Schutzgutes sei schon vor Inkrafttreten der Schutzgebietsverordnung 2014 erfolgt. Die Anwendbarkeit des Art. 6 FFH-Richtlinie sei der Zeitpunkt der Auf­nahme in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung. Im Europa­schutzgebiet W und N betrage der quantitativ-relative Flächenverlust des Lebensraumtyps „6510 Magere Flachland-Mähwiesen“ im Einzelnen (Antrags­gegenstand) 8,1 %, im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen (Aufforstung auf benachbarter Schutzgutfläche) sogar 12,7 %. Es sei daher von einer erheb­lichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes auszugehen. Dieser Lebensraumtyp werde in der Liste der Biotoptypen Österreichs bundesweit als „stark gefährdet“ und im B M als „von vollständiger Vernichtung bedroht“ geführt. Die belangte Behörde hätte Maßnahmen zur Wiederherstellung einleiten müssen, um einen günstigen Erhaltungszustand zu gewährleisten.

 

I. 4. Die von der belangten Behörde übermittelte Beschwerde unter Anschluss des Verfahrensaktes ist am 28. Juli 2016 beim Landesverwaltungsgericht Ober­österreich eingelangt.

 

Im Vorlageschreiben hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass die gegenständlichen Grundstücke seit 2007 von X beweidet worden seien, dadurch könnten diese Grundstücke nicht mehr als Lebensraumtyp „Magere Flachland-Mähwiese“ eingestuft werden. Das Schutzgut sei nicht mehr fest­stellbar und dadurch bestehe auch kein naturschutzrechtlicher Tatbestand. Das Gebiet „W und N“ sei im Juni 2002 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden. Ab der Aufnahme des Gebiets in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung bestehe das Verschlechterungsverbot gemäß Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie und unterliege den Bestimmungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-Richtlinie.

Vorab habe eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes nicht festgestellt werden können. Mangels Vorhandensein des Schutzgutes gäbe es auch keine wesentliche Beeinträchtigung. Der Verlust des Schutzgutes sei bereits Jahre vor Erlassung der Verordnung eingetreten ohne dass die Behörde auf der Grundlage eines rechtsstaatlichen Verfahrens dies hätte unterbinden können.

 

 

II. 1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt sowie Einsichtnahme im Digitalen Oö. Raum-Informations-System (DORIS). Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil sich der entscheidungs­relevante Sachverhalt widerspruchsfrei aus den Akten ergibt. Überdies hat die Beschwerdeführerin keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Ver­handlung gestellt und die belangte Behörde sogar darauf verzichtet.

 

II.          2. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens gilt folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt als erwiesen:

 

Der Antrag auf Neuaufforstung umfasst die Grundstücke Nr. X und X, KG H. Diese sind im Besitz der Antragsteller und befinden sich im ver­ordneten Europaschutzgebiet „W und N“. Die gegenständliche Beschwerde betrifft das Grundstück Nr. X, KG H. Teile dieses Grund­stücks Nr. X, KG H, sind als Schutzgutfläche „X“ mit dem Lebensraumtyp 6510 „Magere Flachland-Mähwiesen“ ausgewiesen. Diese Ver­ordnung trat am 31. Juli 2014 in Kraft.

 

Das Gebiet „W und N“ ist im Juni 2002 in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden. Ab 2007 wurden die gegenständlichen Grundstücke von X beweidet, wodurch es bereits vor Inkrafttreten der Verordnung Europaschutzgebiet „W und N“ zu einer Veränderung des Pflanzenbestandes und der lebensraumtypischen Strukturen kam. Der Lebensraumtyp 6510 wurde im gegenständlichen Bereich zerstört, weshalb dieser dem Grundstück Nr. X schon vor 31. Juli 2014 nicht mehr zugerechnet werden konnte.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat über die Beschwerde erwogen:

 

III. 1. Maßgebliche Rechtslage:

 

Die im konkreten Fall maßgeblichen Bestimmungen des Oö. Natur- und Land­schaftsschutzgesetzes 2001 (Oö. NSchG 2001), LGBl. Nr. 129/2001 in der Fassung LGBl. Nr. 92/2014, lauten:

 

„§ 24

Europaschutzgebiete

 

(1) Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinn des Art. 4 der FFH-Richt­linie und Vogelschutzgebiete gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutz-Richt­linie sind durch Verordnung der Landesregierung als ,Europaschutzgebiete` zu bezeichnen.

 

(2) In der Verordnung gemäß Abs. 1 sind die Grenzen und der Schutzzweck des Gebietes (§ 3 Z 12) genau festzulegen. Darüber hinaus sind Maßnahmen bei­spielsweise anzuführen, die keinesfalls zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes im Sinn des Abs. 3 führen können. [...]

 

(3) Maßnahmen, die einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes eines Europaschutz­gebietes führen können, bedürfen vor ihrer Ausführung der Bewilligung der Landesregierung. Auf Antrag des Projektwerbers hat die Behörde innerhalb von acht Wochen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Bewilligungspflicht gemäß dem ersten Satz besteht.

 

[...]“

 

Die Verordnung der Oö. Landesregierung, mit der das Gebiet „W und N“ als Europaschutzgebiet bezeichnet und mit der ein Landschaftspflegeplan für dieses Gebiet erlassen wird, LGBl. Nr. 45/2014, (kurz: ,VO Europaschutz­gebiet W und N`) lautet auszugsweise:

 


 

„§ 3

Schutzzweck

 

Schutzzweck des ,Europaschutzgebiets W und N` (§ 1) ist die Erhal­tung oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungs­zustands

1. der in der Tabelle 1 angeführten natürlichen Lebensräume des Anhangs I der ,FFH-Richtlinie` (§ 7 Z 1)

 

Tabelle 1

 

[...]

6510 Magere Flachlandmähwiesen (Alopecurus pratensis, Sanguisorba offcinalis)

[...]

 

§ 4

Erlaubte Maßnahmen

 

(1) Maßnahmen, die einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Europaschutzgebietes führen können, bedürfen vor ihrer Ausführung einer Bewilligung der Landesregierung gemäß § 24 Abs. 3 Oö. NSchG 2001.

 

(2) Insbesondere nachstehende Maßnahmen führen keinesfalls zu einer wesent­lichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes des Europaschutzgebiets im Sinn des § 24 Abs. 3 Oö. NSchG 2001:

 

[...]

 

2. in der Forstwirtschaft:

2.1. die rechtmäßige Neuaufforstung, ausgenommen

-      auf Flächen der Lebensraumtypen [...] ,6510 Magere Flachland-Mäh­wiesen`, [...]“

 

 

III. 2. Die gegenständlichen Grundstücke liegen im Europaschutzgebiet „W und N“. Schutzzweck ist die Erhaltung oder gegebenenfalls die Wieder­herstellung eines günstigen Erhaltungszustands u. a. des Lebensraumtyps 6510 „Magere Flachland-Mähwiesen“. Das Gst. Nr. X, KG H, ist diesem teilweise entsprechend der Verordnung „Europaschutzgebiet W und N“ zugerechnet.

 

Gemäß § 4 Abs. 2 Z 2.1. dieser Verordnung führt die rechtmäßige Neuaufforstung keinesfalls zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes, ausge­nommen jedoch auf Flächen mit dem Lebensraumtyp 6510 „Magere Flachland-Mähwiesen“. Das bedeutet, dass es auf diesen Flächen durch eine (rechtmäßige) Neuaufforstung doch zu einer wesentlichen Beeinträchtigung kommen könnte. Es bedeutet aber nicht, dass auf diesen Flächen eine (rechtmäßige) Neuaufforstung von vornherein ausgeschlossen bzw. verboten ist.

 

Gemäß § 4 Abs. 1 der Verordnung „Europaschutzgebiet W und N“ iVm § 24 Abs. 3 Oö. NSchG 2001 bedürfen Maßnahmen, die einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen zu einer wesentlichen Beeinträch­tigung des Schutzzweckes eines Europaschutzgebietes führen können, vor ihrer Ausführung der Bewilligung der Landesregierung.

 

Es ist somit im gegenständlichen Fall zu prüfen, ob die beantragte Neuauf­forstung auf dem Gst. Nr. X, KG H, zu einer wesentlichen Beein­trächtigung des Schutzzweckes hinsichtlich des Lebensraumtyps 6510 führt.

 

Unbestritten geblieben ist, dass der geschützte Lebensraumtyp 6510 schon vor 31. Juli 2014 auf dem Gst. Nr. X, KG H, nicht mehr bestanden hat, weshalb durch die Neuaufforstung auch keine Beeinträchtigung dieses Lebens­raumtyps, der als Schutzzweck in § 3 der VO Europaschutzgebiet „W und N“ angeführt ist, erfolgen kann. Eine Bewilligungspflicht nach § 24 Oö. NSchG 2001 ist daher nicht gegeben.

 

Die Einwendungen der Oö. U betreffend Zerstörung des Lebensraumtyps 6510 schon vor Inkrafttreten der gegenständlichen Schutzgebietsverordnung sind im konkreten Fall nicht relevant, weil § 24 Oö. NSchG 2001 ausschließlich darauf abstellt, ob in einem genau festgelegten Gebiet bzw. Bereich des Europaschutzgebietes eine wesentliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes mit den konkret beantragten Maßnahmen verbunden ist.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtspre­chung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichts­hof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Maga. Ellmer