LVwG-600137/53/Bi/CG

Linz, 05.12.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin        Mag. Bissenberger nach teilweiser Aufhebung des Erkenntnisses vom 15. Februar 2016, LVwG-600137/31/Bi, durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 2016, Ra 2016/02/0085-5, erneut über die Beschwerde des Herrn F P, vertreten durch Herrn RA Dr. J P, vom 8. Jänner 2014 gegen Punkt 1) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 18. Dezember 2013, VerkR96-11041-2012, wegen Übertretung der StVO 1960

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis im Punkt 1) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

 

II.

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren.

 

 

III.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

Zu I.:

 

I. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 42 Abs. 2 iVm 99 Abs. 2a StVO 1960 und 2) §§ 102 Abs. 1 Z 1 iVm 14 Abs. 1 und 134 Abs. 1 KFG 1967 und § 11 Abs. 1 KDV Geldstrafen von 1) 218 Euro und 2) 70 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 48 Stunden und 2) 14 Stunden verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs. 1 VStG Beiträge zu den Verfahrenskosten der belangten Behörde von gesamt 31,80 Euro auferlegt. Laut Schuldspruch wurde ihm zur Last gelegt, er habe am 14. Oktober 2012 um 11.40 Uhr im Gemeindegebiet Kematen am Innbach auf der A8 bei km 24.900 in Richtung Wels das Sattelzugfahrzeug x mit dem Sattelanhänger x,

1) sohin ein Sattelkraftfahrzeug mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t gelenkt, obwohl an Samstagen von 15.00 Uhr bis 24.00 Uhr  sowie an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 00.00 Uhr bis 22.00 Uhr das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen, Sattelkraftfahrzeugen und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten und das verwendete Fahrzeug bzw die durchgeführte Beförderung nicht unter eine gesetzliche Ausnahme gefallen sei. Er habe keine Ladungspapiere mitgeführt.

2) Er habe sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar gewesen wäre, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprochen habe, da zur oben angeführten Zeit am oben genannten Ort festgestellt worden sei, dass beim betroffenen Fahrzeug die Summe der Lichtstärke aller Scheinwerfer, mit denen gleichzeitig Fernlicht ausgestrahlt werden kann, größer gewesen sei als 300.000 cd. Die Bestimmung sei erfüllt, wenn die Summe der Kennzahlen im Sinne der Regelung Nr.20 aller an einem Kraftwagen angebrachten Scheinwerfer die Zahl 100 nicht  überschreite. Die Summe der Kennzahlen habe 150 betragen.

 

2. Über die dagegen eingebrachte Beschwerde hat das Landesverwaltungsgericht nach Aufhebung des Erkenntnisses vom 11. August 2014, LVwG-600137/2/Bi/MSt, mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 2015, Ra 2015/02/0183-6, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 26. Jänner 2016 erneut mit Erkenntnis vom 15. Februar 2016, LVwG-600137/31/Bi, entschieden, das mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 2016, Ra 2016/02/0085-5, hinsichtlich Punkt 1) wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben wurde. Hinsichtlich Punkt 2) wurde die Revision zurückgewiesen („Die Frage, ob neben dem Zulassungsbesitzer auch der Lenker wegen der Ausstattung des Lkw mit Scheinwerfern bestraft werden könne, ist keine grundsätzliche Rechtsfrage, die vom VwGH zu beantworten wäre, weil bereits dem Gesetz zu entnehmen ist, dass auch der Lenker für die Ausstattung des Kraftfahrzeuges verantwortlich ist [vgl. § 102 Abs. 1 KFG 1967].“) – Punkt 2) ist demnach insofern in Rechtskraft erwachsen, als das Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 50 Euro und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt wurde.

 

Im Punkt 1) war über die vom Beschwerdeführer (in Folge: Bf) fristgerecht gemäß § 7 VwGVG iVm Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG eingebrachte Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG neuerlich zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erübrigte sich gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG.

 

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, beim von ihm gelenkten Sattelkraft­fahrzeug habe es sich um einen Milchtransporter gehandelt. Von den Verboten des § 42 Abs. 1 und 2 StVO ausgenommen seien Fahrten, die ausschließlich der Beförderung von Milch dienten. Bei Molke- und Milchkonzentrat handle es sich um verderbliche Ware, die unter die Ausnahmebestimmungen falle. Der Tatvorwurf sei daher unberechtigt und die Verwendungsart des Fahrzeuges sei vom Meldungsleger ohnehin unwidersprochen geblieben.

In der Verhandlung hat der Rechtsvertreter zwei „Lieferscheine“ vorgelegt, handgeschrieben und unterschrieben vom Bf mit Datum 14. Oktober 2012. Demnach hat er beim Empfänger A R beide Male „Konzentrat“ abgeliefert, einmal von der B in Feldkirchen (27.380 kg, Temperatur 8 Grad, PH-Wert 6,07), einmal – nach der Beanstandung – von der B in Garsten (26.780 kg, Temperatur 7,3 Grad, PH-Wert 6,35). Vorgelegt wurde weiters eine mit 22.9.2014 datierte, vom „Leiter Rohstoffmanagement“ der B eGen unterzeichnete „Bestätigung für Molkekonzentrat-Transporte an Wochen­enden“ an die Zulassungsbesitzerin des Sattelzuges, die W Transport & Handels­GmbH, Neumarkt, wonach Molke bei der Käseerzeugung entstehe und ein saures Produkt sei, das in diesem Zustand nicht pasteurisiert werden könne. Um Transportkosten zu sparen, werde die Molke zu Molkekonzentrat eingedickt. Molkekonzentrat sei ein leicht verderbliches Lebensmittel und müsse daher nach der Erzeugung schnellst möglich weiter zu Pulver verarbeitet werden, zumal es nach langer Lagerung nicht mehr zur Weiterverarbeitung geeignet sei. Molke sei kein Abfallprodukt wie früher Futtermittel, sondern ein hochwertiges Lebensmittel in der Schokolade- und Bäckereierzeugung. Die W Transporte GmbH transportiere vertraglich dieses Lebensmittel für die B von den Käsereien zu den dafür vorgesehenen Verarbeitungsbetrieben (großteils A R).

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

Strafbarkeitsverjährung ist auf der Grundlage des § 31 VStG noch nicht eingetreten, zumal die mit dem Vorfallstag, dem 14. Oktober 2012, begonnen habende dreijährige Frist aufgrund der Nichteinrechnung der Zeiten der Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof noch nicht abgelaufen ist.

Gemäß § 99 Abs. 2a StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Fahrverbote des § 42 oder einer auf Grund des § 42 erlassenen Fahrverbotsverordnung verstößt.

 

Aus der Zusammenschau des § 42 Abs. 1 und 2 StVO in der am 14. Oktober 2012 geltenden Fassung BGBl.I Nr.116/2010 ergibt sich, dass an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 00 Uhr bis 22 Uhr das Befahren von Straßen ua mit Sattelkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten ist. Gemäß Abs. 3a sind davon ua Fahrten ausgenommen, die ausschließlich der Beförderung von „frischer Milch und frischen Milch­erzeugnissen“ dienen sowie damit verbundene Leerfahrten oder Rückfahrten zur Beförderung von Transporthilfsmitteln und Verpackungen der vorgenannten Gütergruppen. Bei der Beförderung ist ein Frachtbrief bzw. eine Ladeliste für die einzelnen Entladestellen mitzuführen und bei Kontrollen vorzuweisen. Der Status der Beladung (Menge) hat zu Beginn und während einer Beförderung jederzeit nachvollziehbar zu sein.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 9. September 2016, Ra 2016/02/0085-5, ausgeführt:

„Nach den Gesetzesmaterialien (1020 Blg. XXIV.GP) besteht der Zweck der Ausnahme gemäß § 42 Abs. 3a StVO 1960 vom Wochenendfahrverbot darin, Lebensmittel zur Verarbeitung, zum Vertrieb oder zum Verzehr anbieten zu können, die ohne diese Ausnahme wegen ihrer besonders schnellen Verderblichkeit nicht mehr weiter verarbeitet, verteilt oder verzehrt werden könnten, weil sie ungenießbar geworden sind. Wäre also die Genießbarkeit von Lebensmitteln nicht mehr gegeben, wenn sie während eines Zeitraums, der dem Wochenendfahrverbot entspricht (Samstag 15:00 Uhr bis Sonntag 22:00 Uhr bzw. an gesetzlichen Feiertagen von 00:00 Uhr bis 22:00 Uhr), nicht zur Produktion, zur Veredelung, zur Verteilung oder zum Verzehr transportiert werden könnten, die Lebensmittel also ohne Transport während dieser Zeit nicht mehr verarbeitet, verteilt oder verzehrt werden könnten, handelt es sich um Lebensmittel, die von der Ausnahme gemäß § 42 Abs. 3a StVO 1960 umfasst sind. Jedenfalls nicht umfasst sind nach den Materialien konservierte Lebensmittel. Das Molkekonzentrat wurde vom VwG als `Milcherzeugnis` eingestuft. Das VwG hat es aber verabsäumt, sich mit der Frage der Verderblichkeit bzw. Genießbarkeit von Molkekonzentrat auseinander zu setzen, um aus dem Ergebnis schließen zu können, ob Molkekonzentrat auch ohne Transport in der Zeit des Wochenendfahrverbotes noch genauso weiterver­arbeitet werden kann und es sich dabei um ein `frisches Milcherzeugnis` handelt. Allenfalls wird diese Frage durch einen Sachverständigen zu beantworten sein.“

Seitens des Landesverwaltungsgerichtes wurde das Gutachten Dris G R, Hygieniker und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger ua für das Fachgebiet Nr.36.36 Milch, Milchprodukte, vom 1. Dezember 2016, SV0101216, eingeholt, in dem dieser ausführt:

„Zur adressierten Fragestellung, inwieweit gemäß § 42 StVO an Samstagen von 15 Uhr bis 24 Uhr und an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 00 Uhr bis 22 Uhr das Befahren von Straßen mit Lkw mit Anhängern mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht >3,5 t, sowie Lkw, Sattelkraftfahrzeugen und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht >7,5 t bei einer Beladung mit Molkekonzentrat, eben diese Beladung zur Produktgruppe `frische Milcherzeugnisse` zugehörig sei, wird wie folgt ausgeführt:   

Molkekonzentrat, als ein saures nicht pasteurisierbares Nebenprodukt der Käseerzeugung, ist ein leicht verderbliches Lebensmittel und muss dahingehend unmittelbar nach der Erzeugung weiter zu Molkepulver verarbeitet werden. Eine unverarbeitete Lagerung von Molkekonzentrat würde selbiges sehr rasch unbrauchbar werden lassen und ein Inverkehrbringen würde nach dem LMSVG untersagt sein.

Molke findet als hochwertiges Lebensmittel (in der stabilisierten Form als Molkepulver) auch Verwendung in der Schokolade und Bäckereierzeugung.

Demgemäß ist das Produkt `Molkekonzentrat` der Produktgruppe `frische Milcherzeugnisse` zuzuordnen. Die Ausnahme vom Wochenendfahrverbot ist aus Sicht des Sachverständigen statthaft.“

 

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 2. Alt VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet.

Auf der Grundlage des schlüssigen SV-Gutachtens war davon auszugehen, dass Molkekonzentrat ein leicht verderbliches frisches Milcherzeugnis ist, das unter die Ausnahmen des Wochenendfahrverbotes fällt. Damit war spruchgemäß zu entscheiden, naturgemäß unter Entfall von Verfahrenskostenbeiträgen. Die „Beschwerdeergänzung“ vom 2. November 2016 hatte außer Betracht zu bleiben.

 

 

Zu II.:

 

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.

 

 

Zu III.:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungs­gerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger