LVwG-700194/2/MZ/HG

Linz, 18.11.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde von F M, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirks­hauptmannschaft Vöcklabruck vom 5. September 2016, GZ: 2016-285200, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben.

 

II.      Der Beschwerdeführer hat keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (in der Folge: belangte Behörde) vom 5. September 2016, GZ: 2016-285200, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) eine Geldstrafe iHv. 300 Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 168 Stunden verhängt.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben, indem sie in die unmittelbare Umgebung des Hauses B 7 in G (Grundstück, Garten etc.) im Zeitraum vom 04.01.2016 bis 21.05.2016 (insgesamt 44 mal), eingedrungen sind, gegen die am 10.08.2015 vom Bezirksgericht Vöcklabruck zu GZ: 21 C 13/11 p-117 gemäß § 382 c Abs.3 EO erlassene einstweilige Verfügung, womit Ihnen untersagt wurde, sich dem genannten Haus bis zu einem Umkreis von 150 m zu nähern, zuwider gehandelt.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt.

 

§ 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor  Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden“

 

 

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften wie folgt aus:

 

"Die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung wurde im Zuge einer Privatanzeige der Behörde zur Anzeige gebracht.

 

Da Sie der ha. Aufforderung vom 11.07.2016 sich schriftlich zu rechtfertigen oder einen mit der Sachlage vertrauten und schriftlich bevollmächtigten, eigenberechtigten Vertreter zu entsenden, keine Folge geleistet haben, wird das Verwaltungsstrafverfahren nunmehr ohne Anhörung durchgeführt. Die Durchführung des Strafverfahrens ohne Anhörung wurde angedroht.

 

Die übermittelte Stellungnahme vom 05.08.2016 hat überhaupt KEINEN Bezug auf die angelastete Verwaltungsübertretung und beinhaltet lediglich bereits vergangene Ereignisse.

 

Der Aufforderung zur Rechtfertigung war eine zweiseitige Auflistung der im angelasteten Tatzeitraum angezeigten Übertretungen angeschlossen. Diese wird auch dem Straferkenntnis als Beilage angeschlossen.

 

Zu den Bestimmungen des § 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 wird ein Einkommen von ca. 1.000 Euro sowie keine Vermögenswerte angenommen.

 

Gemäß § 18 Abs. 1 Allgemeines Verfahrensgesetz (im Folgenden AVG) hat sich die Behörde bei der Erledigung von Verfahren so viel als möglich einfacher, rascher und kostensparender Erledigungsformen zu bedienen.

 

Gemäß § 45 Abs. 1 AVG bedürfen Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind und solche für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.

 

Als straferschwerend wurde die Vielzahl der Zuwiderhandlungen gegen die einstweilige Verfügung gewertet.

 

Daraus lässt sich nur unschwer eine mangelhafte bis fehlende Verbundenheit mit diesem gesetzlich geschützten Wert ableiten.

 

Strafmildernde [sic] wurde die zum Tatzeitpunkt bestehende verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertet, weshalb nicht die im Bundesgesetz vorgesehene mögliche Höchststrafe von 500,00 Euro verhängt wurde.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten gründet sich die bezogene Gesetzesstelle.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

 

II. Mit Schreiben vom 29. September 2016 erhob der Bf fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin zusammengefasst aus, dass er auf die Aufforderung zur Rechtfertigung einen Brief an den zuständigen Beamten geschrieben habe, dieser ihm aber nicht beantwortet wurde und er sich daher ungerecht behandelt fühle. Somit sei auch die Strafverfügung nicht rechtens. Außerdem sei er vom Bezirksgericht zu Unrecht verurteilt und auch bei früheren Verwaltungshandlungen unrechtmäßig behandelt worden. Abschließend ersucht der Bf um Einstellung des Verfahrens und ersuchte um schriftliche Antwort.

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis zu beheben ist.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem, dem Akt entnehmbaren Sachverhalt aus:

 

Gegen den Bf wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 15.06.2011 eine einstweilige Verfügung erlassen, womit diesem untersagt wurde, den Bereich des Hauses B 7 in G bis zu einem Umkreis von 150 m zu betreten. Diese einstweilige Verfügung wurde zuletzt mit Beschluss vom 10.08.2015, GZ: 21 C 13/11p-117, bis zum 14.06.2016 verlängert.

 

Der Beschluss des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 10.08.2015, GZ: 21 C 13/11p-117, liegt dem Verfahrensakt in Kopie bei. Nach welcher Bestimmung der Exekutionsordnung die einstweilige Verfügung erlassen wurde, geht aus dem vorliegenden Akt der belangten Behörde nicht hervor.

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, BGBl. I Nr. 152/2013, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 500 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer einer in einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b, 382e Abs. 1 Z 1 und Z 2 erster Fall und § 382g Abs. 1 Z 1 und 3 des Gesetzes vom 27. Mai 1896 über das Exekutions- und Sicherungsverfahren (Exekutionsordnung – EO), RGBl. Nr. 79/1896, getroffenen Anordnung zuwiderhandelt.

 

b) Die belangte Behörde wirft dem Bf vor, im Zeitraum vom 4. Jänner 2016 bis zum 21. Mai 2016 insgesamt 44 mal in die unmittelbare Umgebung des Hauses B 7 in G eingedrungen zu sein und damit gegen die vom Bezirksgericht Vöcklabruck am 10. August 2015 zu GZ 21 C 13/11p-117 gemäß § 382c Abs. 3 EO erlassene einstweilige Verfügung zuwider gehandelt zu haben.

 

Die dem Bf zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begeht jedoch dem klaren Gesetzeswortlaut zufolge, wer einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b, 382e Abs. 1 Z 1 oder Z 2 erster Fall oder § 382g Abs. 1 Z 1 oder Z 3 Exekutionsordnung zuwiderhandelt. Die belangte Behörde wirft dem Bf allerdings ein Zuwiderhandeln gegen eine gemäß § 382c Abs. 3 EO erlassene einstweilige Verfügung vor. Das Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, listet in § 1 Abs. 1 die im Tatvorwurf von der belangten Behörde genannte Norm § 382c Abs. 3 EO nicht auf.

 

Die belangte Behörde hat dem Bf daher eine Tat vorgeworfen, die nicht strafbar ist.

 

c) Es war somit im Ergebnis der Beschwerde gemäß § 50 VwGVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

Nachdem der Beschwerde stattgegeben wurde, waren keine Verfahrenskosten für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aufzuerlegen.

 

d) Im Übrigen ist seitens des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich festzustellen, dass die belangte Behörde bei der Festsetzung der Strafe offenbar von einem fortgesetzten Delikt ausgegangen ist. Mangels dem engen zeitlichen Zusammenhang sowie dem Umstand, dass im gegenständlichen Fall kaum von einem Gesamtkonzept des Täters im Sinne eines einheitlichen Tatvorsatzes gesprochen werden kann, liegt aus Sicht des erkennenden Gerichts jedoch kein fortgesetztes Delikt vor, sondern handelt es sich um 44 Einzeldelikte (wobei die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes diesbezüglich kasuistisch ist; siehe dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II VStG, § 22 E 49ff.).

 

Die dem Bf angelasteten 44 Missachtungen des Betretungsverbotes wären daher bei einer, vor Eintritt der Verjährung noch möglichen Verfolgungshandlung, einzeln zu bestrafen und somit im Spruch auch einzeln aufzuführen.

 

 

V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist unzulässig, da aufgrund des eindeutigen Wortlautes des § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, Zuwiderhandlungen gegen § 382c Abs. 3 EO nicht zur Verwaltungsstrafe erklärt werden und daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt.

 

Für den Bf ist die Möglichkeit zur Revisionserhebung gemäß § 25a Abs.4 VwGG ex lege ausgeschlossen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

 

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Markus Zeinhofer