LVwG-700195/2/MZ

Linz, 05.12.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Zeinhofer über die Beschwerde des S M, geb x, x, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 22.9.2016, GZ: VStV/916301341094/2016,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.          Der Beschwerde wird mit der Maßgabe stattgegeben, als die Geldstrafe mit 60,- Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 30 Stunden festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt (unter Anrechnung der Vorhaft) 53,- Euro.

 

 

II.         Der Beschwerdeführer hat keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.a) Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 9.9.2016, VStV/916301341094/2016, wurde über den Beschwerdeführer (in Folge: Bf) wie folgt abgesprochen:

 

„Sie haben sich am 08.09.2016 zwischen 23:50 und 23:54 Uhr in L, D.gasse Höhe Nr. 16 durch das unten beschriebene Verhalten trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzliche Aufgabe wahrnahm (Sachverhaltsaufnahme bzw. Sachverhaltsklärung wegen Verletzung einer Person, Verdacht der Körperverletzung), aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert.

 

Sie haben die einschreitenden Beamten lautstark in der Öffentlichkeit als „Volltrotteln“ beschimpft, die Polizisten, welche Fragen zu den Vorkommnissen stellten angeherrscht: „jetzt rede ich, wenn ich fertig bin seid ihr dran!“, als Sie von den Beamten zur Ausweisleistung aufgefordert wurden, lautstark geschrien: „was wollt ihr? Ich gebe euch den Ausweis wenn ich es will und nicht wenn es euch passt!“, in der Folge nicht nur geschrien, sondern mit erhobenen Händen vor den einschreitenden Beamten wild gestikuliert. Sie haben an der Amtshandlung bzw. Sachverhaltsfeststellung trotz Abmahnung und Androhung der Festnahme nicht mitgewirkt.“

 

Der Bf habe dadurch § 82 Abs 1 SPG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 200,- EUR, ersatzweise eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Tagen und acht Stunden verhängt wurde.

 

b) Gegen die og Strafverfügung erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel des Einspruchs.

 

c) Mit nunmehr gegenständlichem Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 22.9.2016, GZ: VStV/916301341094/2016, wurde wie folgt abgesprochen:

 

„Ihrem Einspruch vom 22.09.2016 gegen die Strafverfügung vom 09.09.2016 … wird Folge gegeben und die Geldstrafe mit € 100,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tag€ 2 Stunde(n) 0 Minute(n) neu bemessen.

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen:

 

€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% für jede einzelne verhängte Strafe, jedoch mindestens 10 Euro (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet);

 

Delikt: Strafe neu:

§ 82 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. €100,00

566/91

 

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnen von Vorhaft):

 

Gemäß § 19a VStG wird die Vorhaft von 8 Stunden und 30 Minuten, das entspricht EUR 17,-- auf die verhängte Geldstrafe angerechnet.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Barauslagen) beträgt daher € 93,00. [Hervorhebungen nicht übernommen]“

 

Im Hinblick auf die Strafzumessung führt die Behörde aus:

„Bei der Überprüfung der Strafhöhe wurden das Ausmaß des Verschuldens und auch der Umstand, dass Sie zumindest keine einschlägigen verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen aufweisen und inhaltlich ihre Verfehlung eingeräumt haben (Geständnis), gewertet und somit die Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abgewogen. Im konkreten Fall konnte nunmehr von einem Überwiegen der Milderungsgründe ausgegangen werden.

 

Zu Ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie Ihren sozialen Verpflichtungen wurde der Behörde bekannt gegeben, dass Sie als Student derzeit über ein Einkommen von ca. EUR 400,-- verfügen, keine für die Strafbemessung relevanten Sorgepflichten haben und kein Vermögen besitzen. Vielmehr hätten Sie Schul[d]en in Höhe von EUR 600,--.

 

Ihre Ausführungen im Einspruch und Ihre Einsicht waren somit geeignet, eine Herabsetzung der Strafe zu rechtfertigen. Eine noch weitergehende Herabsetzung der Strafe war allerdings nicht mehr vertretbar, als Sie letztlich sogar festgenommen werden mussten.“

 

 

II. Gegen das in Punkt I.c) genannte Straferkenntnis ergriff der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde. Diese begründet er wie folgt:

 

„… Die Nacht wollte ich nur mein freund retten weil er sein verstand verloren hat wegen eine physische unfall daß er gehabt hat und ich habe selber einen poliziest auf die strasse gesehen und um hilfe gebitten aber sie haben ihm fest gehalten und nicht nach krankenhaus gebraucht, ich habe mehr als 10 mal poliziesten gebitten daß sie mein freund nach krankenhaus bringen mussen aber sie haben mich nicht zugehört und um meine ausweis gebitten obwohl mein freund war verbluten dann habe ich laut poliziesten gesprochen und einer von beamten hat mich volltrottel genannt dann habe ich daß (zurückgesagt) und scheiß auslander hat mich auch gennant und hat mich mehreres mal gesagt daß ich zurück wo ich gekommen bin fliehe, danach wollte ich aus mein kamera tasche meine ausweis hinaus und haben sie mich mit gewalt plötzlich auf boden gestoßen und mich am meine rücken mit fuß und ins gesicht leicht geschlagen, die frage war und noch immer ist wo ist menschlichkeit gegangen!

wenn ich am die nacht nicht mein freund gerettet habe man weiß nicht was ihn passieren könnte.

Dann haben sie mich verhaftet und eine nacht im knast musste ich schlafen.

dann haben sie mich erst 200 Euro bestraft und ich habe beschwerde gemacht dann ist das strafe reduziert zum 100 Euro.

Ich muss Ihnen sagen daß das ist nicht richtigkeit wirklich und war schonmal im knast unschuldig 20 monaten im knast mit feuchte augen geschlafen und habe ich nochimmer meine unschuld beweise mit.

Ich studiere jetzt Fotografie und bildbearbeitung und ich habe viel geld von freunden und family geliehen um in diese akdemi anzumelden.

Ich habe genau jetzt in meine geld tausche 10 cent und alles.

Ich kann diese Strafe nicht bezahlen und ich werde das zu schätzen wissen wenn Sie bitte diese starfe absagen/aufheben.“

 

 

III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs 3 Z 3 VwGVG abgesehen werden.

 

c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von dem in den Punkten I. und II. dargestellten Sachverhalt aus.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Die einschlägige Bestimmung des Bundesgesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz – SPG), BGBl 566/1991 in der im Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I 61/2016, lautet:

 

„Aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber militärischen Organen im Wachdienst

§ 82. (1) Wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

(2) …“

 

b) Der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts zufolge ist, wenn ein „sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten“ vorliegt, eine Person gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht als aggressiv anzusehen (VfSlg 12.246/1990; 12.253/1990; VwGH 1.3.1979, 873/78; 21.2.1994, 93/10/0092). Auch bereits allein das Schreien mit einem Aufsichtsorgan nach erfolgter Abmahnung reicht für die Erfüllung des Tatbestandes des § 82 Abs 1 SPG aus (VwGH 22.11.1982, 82/10/0134; 20.12.1990, 90/10/0056). Der Bf bestreitet nicht, das ihm von der belangten Behörde im Spruch vorgeworfene Verhalten gesetzt zu haben. Vor dem Hintergrund der zitierten Judikatur ist der objektive Tatbestand des § 82 Abs 1 SPG daher als erfüllt anzusehen.

 

c) Umstände, welche das Verschulden des Bf ausschließen würden, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, weshalb gemäß § 38 VwGVG iVm § 5 Abs 1 VStG von fahrlässigem Verhalten auszugehen und somit auch die subjektive Tatseite zu bejahen ist.

 

d.1) Es bleibt daher die Höhe der verhängten Strafe zu überprüfen.

 

Gemäß § 38 VwGVG iVm § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

d.2) Schutzzweck des § 82 Abs 1 SPG ist die stete Sicherstellung der Einsatzfähigkeit der Sicherheitsexekutive (sog „Funktionsschutz“). Da der Bf in der Pflichtverletzung verharrte und letztlich festgenommen werden musste, wurde die Einsatzfähigkeit der Sicherheitsexekutive über einen längeren Zeitraum stark beeinträchtigt. Das Ausmaß der mit der Tat des Bf verbundenen Schädigung oder Gefährdung der gesetzlichen Schutzinteressen ist daher als hoch anzusehen und kann vom Landesverwaltungsgericht ein Strafausmaß in der Höhe von 100,- Euro, welches ca 20 % der vom Gesetzgeber vorgesehenen Höchststrafe entspricht, auch in Ansehung der von der belangten Behörde berücksichtigten Milderungsgründe bei einem annähernd durchschnittlichen Monatsverdienst nicht als zu hoch angesehen werden.

 

Die belangte Behörde ist jedoch bei der Strafzumessung davon ausgegangen, dass der Bf als Student über ein Einkommen von ca 400,- Euro verfügt und kein Vermögen besitzen. Eine Bestrafung in der Höhe von 100,- Euro würde daher ein Viertel des dem Bf monatlich zur Verfügung stehenden Geldbetrages betragen. Vor diesem Hintergrund ist das Landesverwaltungsgericht der Ansicht, dass auch eine Bestrafung des Bf in der Höhe von 60,- Euro ausreicht, um den Bf künftig von derartigen Übertretungen abzuhalten, zumal auch die mit dem Vorfall einher gegangene, mehrstündige Haft zu berücksichtigen ist.

 

e) Bei diesem Ergebnis ist dem Bf gem § 52 Abs 8 VwGVG kein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufzuerlegen.

 

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde unzulässig, da der Frage, wie hoch das konkret durch den Bf in der damaligen Situation gesetzte Verhalten in Anbetracht der individuellen Einkommensverhältnisse und Milderungsgründe zu bestrafen ist, keine grundsätzliche, dh über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt und die Entscheidung darüber hinaus der zitierten, soweit ersichtlich einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Zeinhofer