LVwG-600165/15/Br/SA

Linz, 12.03.2014

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bleier, über die Beschwerde der X X, geb. x, X, x, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oö. -  Polizeikommissariat Steyr, vom 22. Jänner 2014,  Zl. S7480/ST/13, nach der am 12.3.2014 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung,

 

zu Recht  e r k a n n t:

 

 

 

I.     Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde statt gegeben; das Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

 

 

II.   Gemäß § 52 Abs.9 VwGVG entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

 

                  

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich – Kommissariat Steyr hat über die Beschwerdeführerin wegen der Übertretung nach § 52 Z10a iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 150 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 60 Stunden verhängt, weil sie  am 5. Oktober 2013  um 11.02 Uhr in Steyr, in einer Entfernung von 151,3 m  zum Standort X Straße 29, in Fahrrichtung Xer-Straße, als Lenkerin des Pkw mit dem Kennzeichen  X die durch Verbotszeichen gemäß § 52  Z10a StVO 1960 kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 32 km/h überschritten habe.

 

 

I.1. Die Behörde stützte den Schuldspruch im Grunde auf eine Anzeige eines Straßenaufsichtsorgans, welche mittels geeichtem Lasermessgerät die Fahrgeschwindigkeit im Umfang von 64 km/h festgestellt habe, wobei von diesem Wert bereits die so genannte Verkehrsfehlertoleranz abgezogen wurde.

Rechtlich wurde die Übertretung auf § 52 Z10a StVO 1960 gestützt und ebenfalls auf die der gegenständlichen Geschwindigkeitsbeschränkung zu Grunde liegenden Verordnung.

Hinsichtlich der Strafzumessung wurde auf § 19 Abs.1 u. 2 VStG verwiesen, wobei inhaltlich vermeint wurde die verhängte Geldstrafe würde dem Unrechtsgehalt der Tat und der schwere der Übertretung entsprechen. Die Einkommens- und Vermögens sowie Familienverhältnisse seien von der Beschwerdeführerin nicht bekannt gegeben worden, so dass die Behörde von keinem relevantem Vermögen und keinen ins Gewicht fallenden Sorgepflichten ausgegangen ist. Auf den bis zu 726 € reichenden Strafrahmen wurde abschließend hingewiesen.

 

 

II. Dem tritt die Beschwerdeführerin mit ihrer fristgerecht am 17.2.2014 um 12:36 Uhr per E-Mail übermittelten Beschwerde entgegen.

Sinngemäß wird darin sowohl die Mangelhaftigkeit des behördlichen Verfahrens gerügt als auch offenbar die Richtigkeit der Messung bezweifelt und zuletzt die Rechtsgrundlage als rechtswidrig darzustellen versucht. Ersteres, weil der Beschwerdeführerin keine Gelegenheit zur Stellungnahme im Hinblick auf das verwendete Messsystem gewährt worden sei.

Sie hat daher beantragt

1. die Vorlage der Anlage betreffend die ordnungsgemäße Kalibrierung des Messgerätes,

2. das Einrichtung-und Justierprotokoll und

3. den (fotoxisch dokumentierten) Segmenttest (8888-Test).

 

Betreffend die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit wird ein Kundmachungsmangel dieser „Zonenbeschränkung 30 km/h“ eingewendet. Zum Beweis dafür wurde die Durchführung eines Ortsaugenschein anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt.

Nach den örtlichen Gegebenheiten würde dort niemand mit einer 30 km/h-Beschränkung  rechnen und dort auch nicht so langsam fahren. In diesem Zusammenhang regte die Beschwerdeführerin auch ein Verordnungsprüfungsverfahren an und ebenso die Beischaffung des Verordnungsaktes.

Abschließend wird die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt.

 

III. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nach § 44 Abs.1 VwGVG durchzuführen.

 

III.1. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurden im Vorfeld der öffentlichen mündlichen Verhandlung Auszüge aus dem Verordnungsakt des Magistrats der Stadt Steyr eingeholt. Darin wurde insbesondere auf die Stellungnahme eines straßenverkehrstechnischen Sachverständigen betreffend die sachliche Rechtfertigung der Verordnung hingewiesen.  Ebenfalls wurde die Position der Anbringung der Verkehrszeichen erhoben und dazu Luftbilder aus dem digitalen Oberösterreichischen Raum-Informations-System [DORIS] beigeschafft. Darauf wurden von der die Verordnung erlassenden Behörde die Positionierung der Verkehrszeichen an zwei Punkten (am Anfang und Ende des ca. 1,6 km langen und sich mit mehreren Einmündungen gestaltenden Straßenzug der S ersichtlich gemacht.

Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerdeführerin vom Bevollmächtigten Univ.-Prof. Dr. W vertreten und der Meldungsleger als Zeuge einvernommen. Vom Landesverwaltungsgericht wurde vorweg ebenfalls der Eichschein und das von diesem Messeinsatz erstellte Messprotokoll beigeschafft. Die Behörde gab mit Schreiben vom 11.3.2014 bekannt an der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen.

 

 

 

III.2. Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin lenkte zur fraglichen Zeit einen PKW auf der S in Richtung X. Dabei wurde ihre Fahrgeschwindigkeit mittels so genanntem Laserverkehrsgeschwindigkeitsmessgerät auf eine Distanz von 151,3 m in einer Höhe von 64 km/h (unter Berücksichtigung des so genannten Verkehrsfehlers) festgestellt. Die Messung ist bei guten Lichtverhältnissen und uneingeschränkter Sicht zum gemessenen Fahrzeug erfolgt. Die Anhaltung der Beschwerdeführerin erfolgte am Parkplatz des Hauses X.

Die Beschwerdeführerin verantwortete sich gegenüber dem Meldungsleger sinngemäß dahingehend, dass sie heute einfach zu viel Stress wegen der Zubereitung des Mittagessens gehabt hätte. Sie wähle normal auf dieser Strecke immer eine angemessene Fahrgeschwindigkeit, aber heute wäre sie wohl zu schnell gewesen. Die Einhebung eines so genannten Organmandates seitens des einschreitenden Organs ist aufgrund der erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung und der fehlenden behördlichen Ermächtigung unterblieben.

Hinsichtlich der Messung findet das Landesverwaltungsgericht keine Anhaltspunkte diese in Zweifel ziehen zu können.

 

 

 

III.3.  Mit Schreiben vom 26.2.2014 übermittelte der Magistrat der Stadt Steyr einen Aktenvermerk über die Verkehrsmaßnahmen im Bereich der S. Demnach sei auf der S zwischen der Zufahrt zum Haus S bis zur Kreuzung mit der X derzeit aufgrund des Straßenzustandes durch die KBS (dieser Begriff kann vom Gericht  nicht gedeutet werden) eine lineare 30 km/h Beschränkung angeordnet. Im Jourfix Bau/Planung/Verkehr am 5.2.2013 sei festgelegt worden, dass die bereits verordnete lineare 30 km/h Beschränkung auf der S von der Zufahrt zum Objekt S bis zur Zufahrt zum Objekt S (Gärtnerei M) nun bis zur Kreuzung mit der X (oben angeführter Abschnitt) verlängert werde. Dies wurde mit der Verordnung vom 7.2.2013 zum Ausdruck gebracht, passt jedoch nicht mit dem Text des „Durchführungsvermerks vom 12.9.2013“ der sich lediglich auf die VO vom 11.1.2013 zu beziehen scheint, worin vom Beschränkungsbereich lt. § 1 lit.h, von der „Kstraße ab der Kreuzung mit der JS-Straße bis zur Kreuzung mit der Sstraße“ die Rede ist.  Des Weiteren würden Leitpflöcke zur Straßenbegrenzung und besseren Kennzeichnung des Fahrbahnrands angebracht.

Die angeführte Maßnahme wäre auch von Herrn X (Polizeiinspektion Ennserstraße) vehement gefordert worden.

Auf den beigeschlossenen Luftbild finden sich die jeweiligen Endpunkte der Geschwindigkeitsbeschränkung mit einem roten Dreieck markiert, wobei die Gesamtlänge des Beschränkungsbereiches auf der S mit etwa 1,6 km angenommen werden kann.

Dieser Nachricht findet sich auch noch ein Vermerk beigehängt, aus dem hervorgeht, dass die genannte Verordnung vom 11.1.2013 – S per 10.9.2013 8:00 Uhr „durchgeführt worden sei“.

Ein Sachverständigengutachten betreffend die fachliche Beurteilung des Verordnungsprojektes wurde im Sinne des hiesigen Ersuchens vom Magistrat Steyr nicht übermittelt.

Dem vorgelegten Behördenakt (AS 29) findet sich eine Verordnung unter GZ: VerkR-1395/2012 Ru/Fü, vom 11. Jänner 2013 angeschlossen. In dessen § 1 finden acht Straßenzüge benannt sind, an denen eine 30 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung durch Zonenbeschilderung erlassen werden sollte. Unter Punkt „h“ findet sich diese Zonenbeschränkung von der K ab der Kreuzung mit der JS bis zur Kreuzung mit der S verordnet. Offenbar noch nicht die restlichen 700 m bis zu X.

In einem  weiteren Verordnungstext vom 7.2.2013 ([AS 24] unter identer Aktenzahl) wird schließlich in deren § 1 wiederum „für die S ab der Kreuzung mit der X bis zur Zufahrt zum Objekt S, die erlaubte Höchstgeschwindigkeit in beiden Richtungen mit 30 km/h festgelegt.

 

 

 

III.3.1. Seitens der Polizeiinspektion Einzelstraße wurde noch vor dem Verhandlungstermin mit E-Mail vom 27.2.2014 das Messprotokoll unter Anschluss des Eichscheines mit der Nr.  4705 übermittelt. Dem zur Folge ist das verwendete  Messgerät bis zum 31.12.2014 als geeicht ausgewiesen.

Der Messeinsatz währte am 5.10.2013 von 10:30 Uhr bis 12:00 Uhr. Insgesamt wurden während dieses Messeinsatzes 18 Fahrzeuge gemessen. Zwei Lenker wurden abgemahnt und gegenüber drei Lenkern wurde ein Organmandat ausgestellt. Die Beschwerdeführerin wurde mit eine Überschreitung von mehr als 30 km/h als einzige zur Anzeige gebracht.

 

 

 

IV. Beweisergebnis der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung:

Unbestritten blieb von der Beschwerdeführerin im Grunde der Umstand, nach ihrer Anhaltung die Geschwindigkeit mit ihrer damaligen Eiligkeit zu erklären versucht zu haben. Es wurde im Ergebnis nur pauschal in Frage gestellt, ob überhaupt vom Standort der Polizeibeamten eine Frontalmessung möglich war.

Dies stellte sich letztlich im Rahmen der Verhandlung als zutreffend heraus.

Der Meldungsleger legte glaubwürdig und den Denkgesetzen entsprechend nachvollziehbar den Messablauf dar.

Die Messung erfolgte  hier mit dem vom Bundesamt für Eich- u. Vermessungswesen unter der zugelassenen und geeichten Lasermessgerät der Bauart "TruSpeed" mit der Nr. 4705.  Der Eichschein mit dem Eichdatum 20.4.2011 liegt vor.

Der Messeinsatz im technischen Sinn erfolgte laut glaubhafter Darstellung des Meldungslegers sachgerecht, sodass an dem hier festgestellten Messergebnis und dessen Zuordnung zum Fahrzeug des Beschwerdeführers, angesichts der Messentfernung von bloß 151 m nicht gezweifelt werden kann (Beilagenkonvolut mit Bild Nr.1).

 

 

 IV.1. Wie sich jedoch aus dem im Zuge der Berufungsverhandlung vom bevollmächtigten Vertreter vorgelegten Fotos durchaus anschaulich nachvollziehen lässt, verläuft der von der Beschwerdeführerin gegen die Messerichtung befahrene Straßenzug auf etwa 700 m in westlicher Richtung völlig übersichtlich (siehe Bild unten). Es ist in der Tat davon auszugehen, dass auf dieser Strecke von einem Lenker/einer Lenkerin an eine 30 km/h Beschränkung nicht gedacht wird, nachdem der verbaute Bereich bereits längst verlassen wurde.

Es handelt sich bei der S um eine etwa fünf Meter breite befestigte Straße, deren Bankette unbefestigt sind, wobei deren Fahrbahn in diesem Bereich wohl deutliche Abnützungserscheinungen in Form von Rissen am Straßenkörperr und Ausbrüchen im Bankettbereich aufweist. Dies ist wiederum auf einem weiterem Lichtbild ersichtlich, auf dem am rechten Straßenrand sich offenbar ein Pkw zum fotoxischen Dokumentationszweck abgestellt befindet wodurch  deutlich wird, dass ein aneinander vorbeibewegen zweier mehrspuriger Kraftfahrzeuge mit angemessener Fahrgeschwindigkeit mühelos möglich scheint.

Dieser Straßenzug verläuft auf dem gegen die Fahrtrichtung der Beschwerdeführerin aufgenommenen Foto (oben) bis zu den etwa 700 m weiter westlich gelegenen Bauernhöfen in einer flachen Links- und folglich wieder in eine ebensolchen Rechtskurve zwischen landwirtschaftlichen Kulturen, wobei mit Ausnahme des Trafogebäudes keinerlei Bebauung vorhanden ist und auf der genannten Wegstrecke der gesamte Straßenzug sich als durchgehend einsehbar erweist (sie Bild oben iVm der Bildbeilage 1 ff).

Wenn auf diesem Straßenzug an einem Samstag Vormittag  während  eineinhalb Stunden letztlich nur insgesamt achtzehn Fahrzeuge gemessen wurden, ist dort wohl das Verkehrsaufkommen als nur sehr gering anzunehmen.

 

IV.1. Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung erklärte der als Zeuge einvernommene Meldungsleger die Notwendigkeit dieser Geschwindigkeitsbeschränkung einerseits mit dem Straßenzustand und andererseits mit Anrainerbeschwerden ob in Folge unsachgemäßen Fahrzeugbetrieb durch Fahrzeuglenker in unsachlicher Weise herbeigeführter Lärmentwicklungen. Dies bezieht sich jedoch offenbar auf den  südlich bzw. südwestlich der genannten Bauernhöfe (S) gelegenen Wohnsiedlung an der JS, AU uA, wo auch der Meldungsleger wohnhaft sein soll.

Noch während der Berufungsverhandlung wurden seitens der Polizeiinspektion Ennserstraße dem Landesverwaltungsgericht siebzehn Lichtbilder per E-Mail übermittelt, welche die Beschilderungen an den Kreuzungen zur S im Bereich der  Einmündungen in diesen Straßenzug zeigen.

Diese wurde dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin im Anschluss an die öffentliche mündliche Verhandlung zur Kenntnisnahme übermittelt.

Der äußerte sich dazu in offenbar eigener Kenntnis der Örtlichkeit dahingehend,

dass diese Bilder die Beschilderungen (30 km/h) betreffend die zur S führenden Verbindungen zeigten. Das erste Bild (sichtbare Bildelemente: "Vorrang geben", 30 km/h mit rechts und links weisenden Pfeilen) würde die (im Sinne des § 48 Abs.2 StVO korrekte) Beschilderung auf der K, aber eben nicht auf der S  zeigen (nur für ein von der K kommendes Fahrzeug wäre 30 km/h tatsächlich wirksam kund gemacht).

Ebenso zeigte das zweite Bild in der Gegenrichtung (wiederum Aufstellungsort des Verkehrszeichens: am rechten Fahrbahnrand der die Sstaße querenden Straße);

Ebenso zeigten die von der Beschwerdeführerin bzw. deren Vertreter vorgelegten Bilder die in die [bevorrangte] S einmündende Straßen.

Das letzte Bild (Bildelemente: Stopptafel, dahinter "Ortsende Steyr", Verkehrsspiegel, auf der Straßenbeschilderung "S angebrachtes Schild: 30 km/h und 10 t) zeigt das von der Beschwerdeführerin benutze Straßenstück (aus Richtung Stopptafel kommend) in Richtung X.

Das VZ 30 km/h sei links  angebracht. Rechts sei weder in diesem einmündenden Bereich noch im gesamten Straßenverlauf  bis zur X 30 km/h kundgemacht.

Dieses VZ 30 km/h befinde sich somit auf einem wirkungslosen (gelegentlich sogar als "absolut unzulässig" bezeichneten) Aufstellungsort.

Die Beschwerdeführerin stützt sich in dieser Stellungnahme – wie bereits anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung  -  auf die einhellige Rechtsprechung   [Hinweis auf RS UVS Steiermark 1995/10/3130.16-65/95 und andere], wonach Verkehrszeichen nach § 48 Abs.2 StVO rechts oder oben angebracht sein müssten. Die Missachtung eines links oder in der Fahrbahnmitte (etwa auf einer Sperrfläche) angebrachten Verkehrsschildes sei nicht beachtlich.

Selbst wenn sich ein die Beschilderung deckender Verordnungstext - doch noch - finden sollte (mit haltbaren sachlichen Erwägungen samt SV-Stellungnahme), beantragte die Beschwerdeführerin, das angefochtene Erkenntnis bereits wegen des aufgezeigten Kundmachungsmangels aufzuheben.

In diesem Vorbringen ist ihr letztlich auch zu folgen!

 

 

IV.1. Beweiswürdigung:

 

Es kann daher auf sich bewenden, ob die Verordnung etwa im Bereich Xer-Straße bis zum Sgut, welche im Messbereich auf 700 m völlig übersichtlich und lediglich gesäumt von Feldern, eine von § 20 Abs.2 StVO vorgegebenen Fahrgeschwindigkeiten gravierend abweichende  Einschränkung sachlich gerechtfertigt sein könnte. Dies auch mit Blick auf ein dort vorherrschendes nur geringes Verkehrsaufkommen. Der Verordnung fehlt diesbezüglich offenbar auch jegliche fachliche Begründung und Rechterfertigung.

Ein Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Prüfung dieser Verordnung erübrigt sich daher mit Blick auf die zumindest im Messbereich nicht nachvollziehbaren behördlichen Verordnungswillen einerseits und der mangelhaften Kundmachung andererseits.

Zur Verordnung und Beschilderung ist grundsätzlich festzustellen, dass sowohl die Umstände über die sachliche Grundlage und die behördliche Willensbildung sowie den Zeitpunkt  deren Erlassung und insbesondere die Beschilderung in mehreren Punkten sich als nicht nachvollziehbar  darstellt. Wie oben festgestellt wurde weder ein Gutachten eines Verkehrstechnikers noch sonstige Expertenmeinungen offen gelegt, auf die sich die gesetzlich definierten Voraussetzungen für die sachliche Rechtfertigung dieser weitläufigen („linearen“) Geschwindigkeitsbeschränkung rückführen ließen. In den von der die Verordnung erlassenden Behörde wurde im übermittelten Aktenvermerk vom 26.2.2014 lediglich mitgeteilt, dass diese Maßnahme (gemeint wohl die Verordnung) von dem hier in der Vollziehung dieser Beschränkung tätig gewordenen  Meldungsleger „vehement gefordert“ worden sei.

Letztlich war jedoch der Beschwerdeführerin schon in ihrer Darstellung eines Kundmachungsmangels zu folgen gewesen. Von der Anregung eines Verordnungsprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof konnte daher Abstand genommen werden.

 

 

V. Rechtslage:

§ 43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.

(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung

a) wenn ein Elementarereignis bereits eingetreten oder nach den örtlich gewonnenen Erfahrungen oder nach sonst erheblichen Umständen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, die zum Schutze der Straßenbenützer oder zur Verkehrsabwicklung erforderlichen Verkehrsverbote oder Verkehrsbeschränkungen zu erlassen;

b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,

§ 94d. Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde:

Sofern der Akt der Vollziehung nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die nach den Rechtsvorschriften weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten sind, beziehen soll, sind folgende Angelegenheiten von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen:

...

4. die Erlassung von Verordnungen nach § 43, mit denen

...

d) Geschwindigkeitsbeschränkungen erlassen werden, ....

Nach § 44 Abs.1 StVO sind die im § 43 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft.

Nach § 48 Abs.2 StVO 1960 sind die Straßenverkehrszeichen auf der rechten Straßenseite oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt.

Erforderlich ist eine Verkehrsbeschränkung gemäß § 43 Abs.1 lit.b StVO 1960 nach ständiger Rechtsprechung des VfGH dann, wenn sie aufgrund der örtlichen und verkehrsmäßigen Gegebenheiten der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs oder der Ordnung des ruhenden Verkehrs dient und sich aufgrund des Anhörungs- und Ermittlungsverfahrens ergibt, dass dieses Interesse das persönliche oder wirtschaftliche Interesse der Verkehrsteilnehmer an der ungehinderten Benützung der Verkehrswege überwiegt (Interessensabwägung durch die Behörde). Verkehrsbeschränkungen dürfen daher auch nur in jenen sachlichen, zeitlichen wirklichen und personellen Umfang erlassen werden, indem der im Einzelnen angestrebte, vom B-VG und der StVO geschützte Zweck dies rechtfertigt. Die Schwere des Eingriffs in die ungehinderte Benützung der Verkehrswege und der vom Gesetz gebilligte und von der Behörde beabsichtigte Zweck der Verkehrsbeschränkung müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Ist diese Verhältnismäßigkeit anders nicht gewährleistet, müssten erforderliche Einschränkungen oder Ausnahmen von der Verkehrsbeschränkung zugelassen oder eine weniger Eingriffs intensive Verkehrsbeschränkung verfügt werden. Der VfGH lässt jedoch der Behörde bei der Interessensabwägung ein relativ großes Interesse (Pürstl-Somereder, StVO-Kommentare 11. Auflage, zu § 43 Rz 7).

Gemäß § 43 Abs.1 lit.b StVO bedarf es zur Erlassung einer Geschwindigkeitsbeschränkung einer Verordnung der Behörde. Eine Bestrafung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist nur dann zulässig, wenn der am Tatort durch vorschriftsmäßige Aufstellung von Verkehrszeichen gemäß § 52 lit.a Z10a StVO erfolgte Kundmachung einer Geschwindigkeitsbeschränkung eine den entsprechenden normativen Gehalt aufweisende Verordnung zugrunde liegt (VwGH 19.10.1988, 87/03/0196).

Diese vom Gesetzt vorgesehenen Kriterien lässt sich hier einerseits weder dem von der die Verordnung erlassenden Behörde übermittelten Unterlagen noch deren Kundmachung entnehmen.

 

 

V.1. Der Verordnungsgeber ist ferner verpflichtet, den örtlichen Geltungsbereich einer auf § 43 Abs.1 lit.b StVO 1960 gestützten verkehrsbeschränkenden Maßnahme möglichst genau zu umschreiben. Den örtlichen Geltungsbereich nur in groben Zügen anzuführen, ist daher unzulässig. Es ist erforderlich festzulegen, auf welcher Strecke, beginnend und endend mit bestimmten Punkten, die Verkehrsteilnehmer die vorgesehenen Höchstgeschwindigkeiten einzuhalten haben. Lässt aber eine Verordnung einen derart großen Spielraum zu, so entspricht sie nicht dem Bestimmtheitsgebot. Der VwGH vermochte etwa im nachzitierten Fall in der Verordnung nicht den für die Festlegung einer Geschwindigkeitsbeschränkung erforderlichen normativen Gehalt erkennen. Sohin wurde nicht davon ausgegangen, dass der am Tatort vorhanden gewesenen Kundmachung einer Geschwindigkeitsbeschränkung ein entsprechender Verordnungsakt der Behörde zu Grunde liegt (VwGH 5.9.2008, 2008/02/0011 mit Hinweis auf VwGH 19.10.1988, 87/03/0196 und 19.10.1988, 88/03/0007).

Die vom Vertreter der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis des UVS-Steiermark nimmt im Übrigen auf mehrere Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes Bezug, welche ebenfalls ganz klar besagen, dass die gesetzwidrige Anbringung eines Vorschriftszeichens – etwa auch die Anordnung der Kurzparkzone -  mit einem Kundmachungsmangel belastet (VwGH 13.6.1986, 84/17/0156).

Dies trifft auch für den gegenständlichen Fall zu, weil – wie die Lichtbilder zeigen – sich mehrfach die Verkehrszeichen nicht im beabsichtigten Beschränkungsbeginn und auf dem fraglichen Straßenzug direkt angebracht sind (vgl. auch VwGH 25.11.2009, 2009/02/0095), sondern sich vor Einmündungen befinden. Darüber hinaus  vermag etwa ein/eine im Bereich der Bauernhöfe (700 m vom Messort entfernt) in die S einbiegender FahrzeuglenkerIn wohl kaum nachvollziehen, er/sie könnte sich noch in der „30iger-Zone“ bewegen.

Letztendlich ist hier unter Hinweis auf das oben Ausgeführte im Aufstellen einzelner Verkehrszeichen „vor einem solchen Straßenzug“ schon vom Wortlaut des Gesetzes her nicht entsprochen worden.

 

 

V.1. Nach § 45 Abs.1 VStG die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Z1 die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. B l e i e r