LVwG-301096/2/KLi

Linz, 10.06.2016

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Lidauer in der Angelegenheit der Beschwerde vom 6. Mai 2016 des J. N., geb. x, x, A, vertreten durch die S. W GmbH, x, S, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 12. April 2016, GZ: BZ-Pol-78025-2015, wegen Übertretung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) den

 

B E S C H L U S S

 

gefasst:

 

 

 

I. Der Vertreter des Beschwerdeführers wird gemäß § 38 VwGVG i.V.m. § 24 VStG und § 10 Abs. 3 AVG nicht zugelassen.

 

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 12. April 2016, GZ: BZ‑Pol-78025-2015, wurde dem Beschwerdeführer eine Übertretung des AVRAG vorgeworfen und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 8.000 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen verhängt.

 

I.2. Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde vom 6. Mai 2016. Diese wurde im Namen und im Auftrag des Beschwerdeführers von der S. W GmbH eingebracht.

 

I.3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Akt mit Vorlageschreiben vom 24. Mai 2016 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt.

 

I.4. Da ein Beschluss zu fassen war und die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen (§ 44 Abs. 4 VwGVG).

 

 

II. Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

II.1. Gemäß § 10 AVG, welcher gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungs­strafverfahren Anwendung findet, können sich die Beteiligten und ihre Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte natürliche Personen, juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis (Abs. 1). Als Bevollmächtige sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbs­zwecken betreiben (Abs. 3).

 

Inwieweit eine Person zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt ist, ergibt sich aus dem jeweiligen Berufsrecht (Hengstschläger/Leeb, AVG2, § 10 Rz 5 mwN).

 

II.2. Gemäß §§ 3 und 5 WTBG kommt einem Steuerberater und Wirtschafts­prüfer keine Ermächtigung zur Vertretung in Verwaltungsstrafsachen nach dem AVRAG zu.

 

Bei solchen Verfahren handelt es sich weder um die Vertretung in Abgabe- und Abgabestrafverfahren für Bundes,- Landes- und Gemeindeabgaben gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 WTBG noch um eine Beratung und Vertretung in Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten der Sozialversicherungen, ein­schließlich der Vertretung vor den Verwaltungsgerichten gemäß § 3 Abs. 2 Z 3 WTBG noch um eine Vertretung bei den Einrichtungen des Arbeitsmarktservices, der Berufsorganisationen, der Landesfremdenverkehrsverbände und bei anderen in Wirtschaftsangelegenheiten zuständigen Behörden und Ämtern, einschließlich der Vertretung vor den Verwaltungsgerichten gemäß § 3 Abs. 2 Z 7 WTBG.

 

II.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16. März 2011, Zl. 2008/08/0040, in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen sozialver­sicherungsrechtlicher Meldepflichtverletzungen erkannt, dass aus § 3 Abs 2 Z 3 WTBG keine Vertretungsbefugnis in Verwaltungsstrafverfahren abgeleitet werden kann:

 

Aus § 3 Abs. 2 Z 3 WTBG kann die beschwerdeführende Partei keine Vertretungsbefugnis in Verwaltungsstrafverfahren ableiten. Diese Bestimmung nimmt nämlich hinsichtlich „Vertretungs­befugnis in erster und zweiter Instanz“ ausdrücklich (nur) auf die Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten der Sozialversicherungen Bezug. In einem Verwaltungsstrafverfahren wegen § 33 Abs. 1 ASVG ist jedoch keine Beitrags-, Versicherungs- oder Leistungsangelegenheit Gegenstand des Verfahrens, sondern einzelne Fragen aus diesen Bereichen könnten in Verwaltungsstrafverfahren (allenfalls) als Vorfrage zu beurteilen sein. [...]

Die belangte Behörde hatte nach § 38 AVG die Vorfrage, ob die von H.B. nicht zur Sozialversicherung gemeldeten Personen in der konkreten Tätigkeit der Pflichtversicherung unterlagen, selbst zu beurteilen oder hätte – sofern das Feststellungsverfahren bereits anhängig gewesen wäre oder gleichzeitig anhängig gemacht worden wäre – das Strafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage auch aussetzen können. Durch die Beurteilung der Vorfrage der Pflichtversicherung in einem Verwaltungsstrafverfahren wird diese Frage zwar für die konkrete Sache beantwortet, nicht aber mit Bindungswirkung für das Hauptverfahren – Feststellung der Pflichtversicherung – entschieden. Da in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung des § 33 Abs. 1 ASVG somit nicht über eine Beitrags-, Versicherungs- oder Leistungsangelegenheit der Sozialversicherungen verbindlich abgesprochen wird, liegt kein diese Angelegenheiten „betreffendes Verwaltungsverfahren“ im Sinne des § 3 Abs. 2 Z 3 WTBG vor, in dem die beschwerdeführende  Partei zur Vertretung berechtigt wäre. Dieses Begriffsverständnis steht – worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinwiest – zudem im Einklang mit § 3 Abs. 1 Z 3 WTBG, wonach es den zur Ausübung des Wirtschaftstreuhänderberufes Steuerberater Berechtigten vorbehalten ist, die Vertretung in Abgabe- und Abgabestrafverfahren für Bundes-, Landes- und Gemeindeabgaben auszuüben. Hätte der Gesetzgeber den Begriff des Abgabestrafverfahrens bereits vom Begriff des Abgabeverfahrens erfasst gesehen, wäre die Nennung auch des Abgabestrafverfahrens nicht erforderlich gewesen. Die Vertretung in Abgabestrafverfahren zählt daher nur deshalb zu den vorbehaltenen Tätigkeiten im Sinne des § 3 Abs. 1 WTBG, weil diese neben den Abgabeverfahren ausdrücklich im Gesetz erwähnt werden. Auch bei systematischer Auslegung des § 3 WTBG ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber Verwaltungsstrafverfahren in § 3 Abs. 2 Z 3 WTBG ausdrücklich genannt hätte, wenn sie vom Umfang der dort geregelten Vertretungsbefugnis in Verwaltungsverfahren betreffend Beitrags-, Versicherungs- und Leistungsangelegenheiten der Sozialversicherungen hätten umfasst sein sollen. Auch soweit die beschwerdeführende Partei ihre Vertretungsbefugnis aus § 3 Abs. 2 Z 7 WTBG ableitet, kann ihr nicht gefolgt werden: Gemäß § 3 Abs. 2 Z 7 WTBG sind Steuerberater zur Vertretung bei anderen in Wirtschaftsangelegenheiten zuständigen Behörden und Ämtern berechtigt, soweit mit den für den gleichen Auftraggeber durchzuführenden wirtschaftstreuhänderischen Arbeiten ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Diese Bestimmung setzt konkrete wirtschaftstreuhänderische Arbeiten für den gleichen Auftraggeber voraus, die ein Tätigwerden auch vor einer anderen in Wirtschaftsangelegenheiten zuständigen Behörde erfordern oder zumindest nahelegen. Die Verteidigung eines Beschuldigten in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Verletzung einer Meldepflicht nach § 33 ASVG weist keinen derartigen unmittelbaren Zusammenhang mit einer für diesen durchzuführenden wirtschaftstreuhänderischen Arbeit auf. Zudem ist festzuhalten, dass bereits § 3 Abs. 2 Z 3 WTBG die Befugnisse der Steuerberater im Rahmen der Angelegenheiten der Sozialversicherung regelt und nicht erkennbar ist, dass die in dieser spezielleren Bestimmung geregelten Befugnisse durch § 3 Abs. 2 Z 7 WTBG erweitert werden sollten.

 

II.4. Die wesentlichen Bestimmungen haben auch in der Novelle BGBl. I Nr. 121/2013 keine Änderungen erfahren. Die Entscheidung des Verwaltungs­gerichtshofes ist daher weiterhin maßgeblich.

 

II.5. Hat der Beteiligte oder sein gesetzlicher Vertreter eine nicht zuzulassende Person bevollmächtigt, so ergibt sich aus § 10 Abs. 3 AVG (arg „nicht zuzulassen“), dass die Bevollmächtigung solcher Personen nicht von vornherein „nichtig“ ist, sondern erst durch eine entsprechende – in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen vorzunehmende – Verfügung der Behörde über die Nichtzulassung unwirksam wird. Dies hat in Form eines verfahrensrechtlichen Bescheides zu erfolgen, der dem Winkelschreiber gegenüber zu erlassen ist und die Vertretungsbefugnis ex nunc beendet (Hengstschläger/Leeb, AVG2, § 10 Rz 6 mwN).

 

II.6. Dass der Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder die Vertretung zu Erwerbszwecken betreibt, ist unstrittig. Es war daher spruchgemäß die Nichtzulassung des Vertreters auszusprechen.

 

 

III. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

III.1. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

III.2. Im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Vertretung durch einen Steuer­berater / Wirtschaftstreuhänder kann auf die unter Punkt II.3. zitierte Rechtsprechung verwiesen werden. Die gegenständliche Entscheidung steht im Einklang mit dieser Rechtsprechung. Die ordentliche Revision war daher für unzulässig zu erklären.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr. Lidauer