LVwG-650074/2/KLi/GD/KR

Linz, 18.03.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Lidauer über die Beschwerde der Frau A S, geb. X, U, B, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 02.07.2013, VerkR22-1-138-2013, wegen einer Nachschulung gemäß § 4 Abs. 6 Z 2 FSG

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.         Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid der belangten Behörde aufgehoben.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

 

§ 4 Bundesgesetz über den Führerschein (FSG) 1997 idF BGBl. I Nr. 96/2013

§ 28 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (VwGVG) idF BGBl. I Nr. 122/2013


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Zur Vorgeschichte des Sachverhalts ist anzuführen, dass die Beschwerdeführerin  (Bf) wegen der Verwaltungsübertretung gem. § 20 (2) StVO 1960, Fahrgeschwindigkeit iVm § 99 (3a) StVO rechtskräftig bestraft wurde (Strafverfügung vom 29.11.2012). Die Tat fand am 14.11.2012, 10.54 Uhr statt. Da dies innerhalb der Probezeit der Lenkberechtigung passierte, hatte die Bf eine Nachschulung gem. § 4 Abs 6 Z 2 FSG 1997 zu absolvieren. Der Bescheid mit der Verpflichtung zur Nachschulung (VerkR22-1-132-2013) wurde von der Behörde am 02.07.2013 erlassen.

 

I.2. Der verfahrensgegenständlichen Anordnung einer Nachschulung liegt eine am 27.12.2012, 12.35 Uhr (ca. 1 Monat später) mit demselben PKW an der gleichen Stelle begangene Verwaltungsübertretung gem. § 20 (2) StVO 1960, Fahrgeschwindigkeit iVm § 99 (3a) StVO zugrunde. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde die Bf mit Strafverfügung vom 10.01.2013 rechtskräftig bestraft.

 

In der Folge erging am 02.07.2013 der Bescheid der Behörde mit der Verpflichtung zur Nachschulung (VerkR22-1-138-2013). Der Bf wurde gemäß § 4 Abs 6 Z 2 FSG 1997 aufgetragen, eine Nachschulung innerhalb von vier Monaten ab Zustellung des zitierten Bescheids zu absolvieren. Unter Nachschulung sei ein verkehrspsychologischer Kurs für verkehrs- oder alkoholauffällige Kraftfahrzeuglenker oder Lenker mit sonstiger Problematik zu verstehen.

 

Es handelte sich um den Führerschein

ausgestellt von: Bezirkshauptmannschaft Liezen/Exp. Gröbming

Zahl: X

am: 30.08.2012

Klassen: B

 

Begründet wurde der Bescheid damit, dass die Bf einen schweren Verstoß gemäß § 4 Abs 6 Z 2 FSG 1997 begangen habe. Sie habe den PKW X am 27.12.2012 um 12.35 auf der Salzkammergut Straße B 145 in Fahrtrichtung Bad Ischl gelenkt, wobei auf Höhe des Strm. 66,100 die im Ortsgebiet Bad Goisern erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 23 km/h überschritten wurde.

 

I.3. Dies bedeutet, dass die belangte Behörde am 02.07.2013 für zwei Verwaltungsübertretungen zwei Bescheide mit jeweiliger  Verpflichtung zur Nachschulung gemäß § 4 Abs 6 Z 2 FSG 1997 erließ. Beide Bescheide wurden per Hinterlegung am 08.07.2013 zugestellt.

 

 

Die Bf absolvierte die angeordnete Nachschulung nachweislich im Zeitraum 19.07.2013 bis 12.08.2013.

 

I.4. Gegen den zweiten Bescheid (VerkR22-1-138-2013) hat die Bf innerhalb offener Frist eine begründete Berufung vom 11.07.2013 erhoben, die seitens der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung erst am 27.02.2014 (Eingangsstempel) dem Landesverwaltungsgericht vorgelegt wurde. Diese Berufung ist nunmehr als Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG anzusehen, über die gemäß Art. 131 B-VG das Landesverwaltungsgericht zu entscheiden hat.

 

I.5. In ihrer Beschwerde führt die Bf an, dass am 27.12.2012, 12.35 Uhr nicht sie, sondern ihre Mutter H F-S das Fahrzeug X gelenkt habe. Die Mutter habe sich das Auto der Bf ausgeliehen und ihr auch das Geld für die Bezahlung der Strafe gegeben, dass die Bf der BH Gmunden überwiesen habe. Die Bf selbst könne versichern, dass sie nicht mit dem Auto gefahren sei, da sie an diesem Tag den Geburtstag ihres verstorbenen Vaters bei einem gemeinsamen Mittagessen mit ihren Geschwistern gefeiert habe. Die Bf entschuldigte sich für die verspätete Richtigstellung, da sie nicht damit gerechnet hatten, "dass dies weitere Folgen mit sich bringen würde“.

 

 

II.          Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Die Beschwerdeführerin wurde mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 29.11.2012 wegen der Verwaltungsübertretung gem. § 20 (2) StVO 1960, Fahrgeschwindigkeit iVm § 99 (3a) StVO rechtskräftig bestraft. Die Tat fand am 14.11.2012, 10.54 Uhr statt. Da dies innerhalb der Probezeit der Lenkberechtigung passierte, hatte die Bf eine Nachschulung gem. § 4 Abs 6 Z 2 FSG 1997 zu absolvieren. Der Bescheid mit der Verpflichtung zur Nachschulung (VerkR22-1-132-2013) wurde von der Behörde am 02.07.2013 erlassen. Die Bf absolvierte die angeordnete Nachschulung nachweislich im Zeitraum 19.07.2013 bis 12.08.2013.

 

II.2. Am 27.12.2012, 12.35 Uhr (ca. 1 Monat später) wurde mit demselben PKW an der gleichen Stelle wiederum eine Verwaltungsübertretung gem. § 20 (2) StVO 1960, Fahrgeschwindigkeit iVm § 99 (3a) StVO begangen. Die Bf hat den PKW X am 27.12.2012 um 12.35 auf der Salzkammergut Straße B 145 in Fahrtrichtung Bad Ischl gelenkt, wobei auf Höhe des Strm. 66,100 die im Ortsgebiet Bad Goisern erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 23 km/h überschritten wurde. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde die Bf mit Strafverfügung vom 10.01.2013 rechtskräftig bestraft. Am 02.07.2013 wurde diesbezüglich ein weiterer Bescheid (VerkR22-1-138- 2013) mit der Anrordnung einer Nachschulung und Verlängerung der Probezeit um ein weiteres Jahr erlassen.

 

 

III.        Beweiswürdigung:

III.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig und widerspruchsfrei bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt, sodass weitere Erhebungen nicht erforderlich waren. Aus den weiter unten dargestellten rechtlichen Erwägungen war es außerdem nicht notwendig, sich mit dem Vorbringen der Bf dazu auseinander zu setzen, wer am 27.12.2012 tatsächlich den PKW mit dem Kennzeichen X gelenkt hat; abgesehen davon besteht grundsätzlich – vorbehaltlich der unten ausgeführten rechtlichen Erwägungen – Bindungswirkung an die vorliegende rechtskräftige Strafverfügung, sodass das diesbezügliche Vorbringen der Bf irrelevant ist.

 

III.2. Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

 

IV. Rechtslage:

 

§  4 FSG, Lenkberechtigung für Anfänger (Probeführerschein)

 

(3) Begeht der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der Probezeit einen schweren Verstoß (Abs. 6) oder verstößt er gegen die Bestimmung des Abs. 7, so ist von der Behörde unverzüglich eine Nachschulung anzuordnen, wobei die Rechtskraft der Bestrafung wegen eines schweren Verstoßes abzuwarten ist. Berufungen gegen die Anordnung der Nachschulung haben keine aufschiebende Wirkung. Mit der Anordnung einer Nachschulung verlängert sich die Probezeit jeweils um ein weiteres Jahr oder es beginnt eine neuerliche Probezeit von einem Jahr, wenn die Probezeit in der Zeit zwischen der Deliktsetzung und der Anordnung der Nachschulung abgelaufen ist; die Verlängerung oder der Neubeginn der Probezeit ist von der Wohnsitzbehörde dem Führerscheinregister zu melden und in den Führerschein einzutragen. Der Besitzer des Probeführerscheines hat diesen bei der Behörde abzuliefern, die Behörde hat die Herstellung eines neuen Führerscheines gemäß § 13 Abs. 6 in die Wege zu leiten.

 

 

V. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

V.1. Zur Rechtslage ist anzuführen, dass im FSG der Grundsatz der Einheitlichkeit des Verfahrens gilt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verfahren betreffend die Lenkberechtigung – hier Anordnung der Nachschulung – ein einheitliches, als die Behörde alle bis zur Bescheiderlassung verwirklichten Umstände zu berücksichtigen hat. Waren der Behörde solche Umstände nicht bekannt, kommt unter den Voraussetzungen des § 69 Abs 3 AVG die Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen in Betracht (siehe dazu VwGH 23.10.2001, GZ: 2001/11/0185 mit zahlreichen Literaturverweisen). Daraus folgt, dass bis zur Erlassung des Bescheides verwirklichte Tatsachen im Bescheid bereits zu berücksichtigen sind. Die wiederholte Ergreifung von Maßnahmen jeweils nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich einzelner Erteilungsvoraussetzungen ist daher ebenso wenig zulässig, wie die wiederholte Anordnung einer Nachschulung aufgrund mehrerer nacheinander (aber vor Bescheiderlassung) begangener strafbarer Handlungen.

 

V.2. Dieser Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens gilt nicht nur für die im § 24 Abs 1 Z1 FSG 1997 geregelte Entziehung der Lenkberechtigung, sondern auch für die im § 24 Abs 1 Z2 FSG 1997 genannten Einschränkungen der Gültigkeit der Lenkberechtigung, mit anderen Worten, die Behörde darf nicht, ohne dass sich der Sachverhalt wesentlich geändert hätte, wiederholt Einschränkungen der Gültigkeit der Lenkberechtigung verfügen (VwGH 23.10.2001, 2001/11/0185; VwGH 29.04.2003; VwGH 25.04.2006, GZ.2006/11/0042).

 

V.3. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung (02.07.2013) waren der Behörde beide von der Bf begangenen, rechtskräftigen Verwaltungsübertretungen bekannt. Die belangte Behörde hat zwei Bescheide mit jeweils einer Nachschulung gemäß § 4 Abs 6 Z2 FSG 1997 erlassen. Mit der Anordnung der Nachschulung von 02.07.2013, zugestellt am 08.07.2014 verlängerte sich außerdem die Probezeit um ein weiteres Jahr. Die Eintragung einer zweiten Probezeitverlängerung ist nicht zulässig.

 

Gegen den dargelegten Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens verstößt die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid dadurch, dass sie zwei Bescheide erlassen hat. Die Behörde hätte alle bis zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bekannten Tatsachen in einem Bescheid erledigen müssen.  

 

V.4. Es war daher der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid der belangten Behörde aufzuheben.

 

 

VI.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.in Karin Lidauer