LVwG-070001/2/WEI/SA

Linz, 12.03.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Wolfgang Weiß aus Anlass der Abtretung der beim Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 2013/11/0235 protokollierten Säumnisbeschwerde der S W Betriebsgesellschaft mbH in W wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Oö. Landesregierung in der Angelegenheit einer Betriebsbewilligung nach dem Oö. Krankenanstaltengesetz 1997 gemäß § 31 Abs 1 VwGVG den

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I.          Gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 Abs 1 erster Halbsatz AVG wird von Amts wegen festgestellt, dass das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Behandlung der ihm vom Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Säumnisbeschwerde nicht zuständig ist. Der Säumnisbeschwerdeakt wird daher an den Verwaltungsgerichtshof zurückgestellt.

 

II.         Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit verfahrensleitender Anordnung vom 29. Jänner 2014, Zl. 2013/11/0235-6, ho. eingelangt am 7. Februar 2014, hat der Verwaltungsgerichtshof die Säumnisbeschwerde der beschwerdeführenden Partei S W Betriebsgesellschaft mbH gegen die belangte Behörde Oberösterreichische Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit betreffend Betriebsbewilligung nach dem Oö. Krankenanstaltengesetz 1997 gemäß § 5 Abs 2 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG (BGBl I Nr. 33/2013 idF BGBl I Nr. 122/2013) dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich abgetreten.

 

Die Errichtung (§ 4) und der Betrieb (§ 6) einer bettenführenden Krankenanstalt bedürfen ebenso wie die Verpachtung oder die Übertragung einer Krankenanstalt an einen anderen Rechtsträger (§ 9) einer Bewilligung der Landesregierung nach dem Oö. Krankenanstaltengesetz 1997 (LGBl Nr. 132/1997 idF LGBl Nr. 90/2013). Die Oö. Landesregierung entscheidet dabei in einem Verwaltungsverfahren erster und letzter Instanz. Im gegenständlichen Säumnisfall geht es um eine solche Angelegenheit der Betriebsbewilligung einer Krankenanstalt.

 

 

II. Die Vorschrift des § 5 Abs 2 VwGbk-ÜG sieht eine Abtretung von Säumnisbeschwerden in den mit Ablauf des 31. Dezembers 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen sonstigen (keine Säumnis einer unabhängigen Verwaltungsbehörde nach § 5 Abs 1 leg.cit.) Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht an das zuständige Verwaltungsgericht vor, dessen Entscheidungsfrist neu zu laufen beginnt.

 

Die maßgeblichen Bestimmungen für den Übergang zur neuen Rechtslage finden sich im gegeben Zusammenhang auf Verfassungsebene in der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr. 51/2012, mit der Regelung des Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG, die wie folgt (ohne Hervorhebungen) lautet :

 

„In den beim Verwaltungsgerichtshof und beim Verfassungsgerichtshof mit Ablauf des 31. Dezember 2013 anhängigen Verfahren treten die Verwaltungsgerichte an die Stelle der unabhängigen Verwaltungsbehörden, sonstigen unabhängigen Verwaltungsbehörden und, soweit es sich um Beschwerdeverfahren handelt, aller sonstigen Verwaltungsbehörden mit Ausnahme jener Verwaltungsbehörden, die in erster und letzter Instanz entschieden haben oder zur Entscheidung verpflichtet waren, sowie mit Ausnahme von Organen der Gemeinde. Nach Beendigung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof betreffend den Bescheid oder die Säumnis einer unabhängigen Verwaltungsbehörde oder vor dem Verfassungsgerichtshof betreffend den Bescheid einer solchen ist das Verfahren gegebenenfalls vom Verwaltungsgericht fortzusetzen.“

 

Aus der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 geht hervor, dass die Ziffern 8 bis 11 den eigentlichen Übergang der Zuständigkeit auf Verwaltungsgerichte regeln. Neben den Aufgaben der (aufgelösten) unabhängigen Rechtsmittelbehörden sollte die Zuständigkeit zur Weiterführung von Verfahren der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörden oder im Instanzenzug übergeordneten Behörden auf die Verwaltungsgerichte übergehen (vgl Erl RV 1618 BlgNR 24. GP, Seite 26). Dies gilt nicht auch für Verfahren von Verwaltungsbehörden, die in erster und letzter Instanz zuständig sind, wie die Ausführungen der Regierungsvorlage zur Z 9 auch klar zum Ausdruck bringen (vgl Erl RV 1618 BlgNR 24. GP, Seite 27: „... Da die Aufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren gemäß Art 119a Abs 5 B-VG nicht ‚in erster und letzter Instanz‘ entscheidet, treten die Verwaltungsgerichte auch in den beim Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren gegen Vorstellungsbescheide der Aufsichtsbehörde (nicht jedoch in Beschwerdeverfahren betreffend sonstige Bescheide der Aufsichtsbehörde) an deren Stelle.“)

 

Die Verwaltungsgerichte treten demnach überhaupt nicht (auch nicht im Säumnisfall) an die Stelle von Verwaltungsbehörden erster und letzter Instanz (Satz 1). Eine Fortsetzung des Verfahrens durch das Verwaltungsgericht kommt nach Satz 2 nur bei ehemaligen Verfahren einer unabhängigen Verwaltungsbehörde in Betracht.

 

In den Ausnahmefällen des Art 151 Abs 51 Z 9 Satz 1 B-VG gibt es keinen Eintritt in die mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren und damit auch keinen Zuständigkeitsübergang auf die Verwaltungsgerichte.

 

 

III. Im vorliegenden Fall einer erst- und letztinstanzlichen Zuständigkeit der Oö. Landesregierung liegt entsprechend der Verfassungsnorm des Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG eine Ausnahme vom Zuständigkeitsübergang auf die Verwaltungsgerichte vor, weshalb das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht zuständig sein kann. Die Abtretung einer Säumnisbeschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof nach § 5 Abs 2 VwGbk-ÜG setzt ein zuständiges Verwaltungsgericht voraus und vermag bei verfassungskonformer Auslegung selbst keine neue Zuständigkeit eines Verwaltungsgerichts schaffen.

 

Nach § 9 Abs 1 VwGbk-ÜG ist in den Verfahren gemäß §§ 3 bis 8 leg.cit. (also auch in den Säumnisbeschwerdeverfahren des § 5 leg.cit.) der Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG „sinngemäß“ anzuwenden. Auch wenn die (unmittelbare) Anwendbarkeit dieser Übergangsvorschrift des B-VG ohnehin klar sein sollte (krit daher Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] Anm 3 zu § 9 VwGbk-ÜG), kann aus § 9 Abs 1 VwGbk-ÜG jedenfalls erschlossen werden, dass der einfache Gesetzgeber den Eintritt der Verwaltungsgerichte entsprechend dem Zuständigkeitsübergang nach der zitierten Verfassungsnorm auch im Zusammenhang mit den Säumnisbeschwerdeverfahren nach dem § 5 Abs 2 VwGbk-ÜG gesehen hat und daher keine über den verfassungsrechtlichen Rahmen hinausgehende Zuständigkeit schaffen wollte (arg.: § 5 Abs 2 VwGbk-ÜG sieht nur eine Abtretung an das „zuständige“ Verwaltungsgericht vor). Demnach kann der § 5 Abs 2 VwGbk-ÜG nicht auf sämtliche beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, sondern nur auf solche Säumnisfälle angewendet werden, in denen das B-VG einen Übergang auf die Verwaltungsgerichte vorgesehen hat. Alles andere wäre verfassungswidrig.

 

Damit im Einklang steht, dass nach der Übergangsbestimmung des § 79 Abs 11 letzter Absatz VwGG (idF BGBl I Nr. 122/2013) in den am 31. Dezember 2013 anhängigen Beschwerdeverfahren (auch Säumnisbeschwerdeverfahren!) die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind, soweit das VwGbk-ÜG nichts anderes bestimmt. Wie oben bereits dargelegt, ist dies gemäß § 5 Abs 2 iVm § 9 Abs 1 VwGbk-ÜG bei verfassungskonformer Auslegung nicht der Fall.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher in Säumnisbeschwerdeverfahren, die nicht an ein zuständiges Verwaltungsgericht abgetreten werden können, die bis 31. Dezember 2013 geltenden Verfahrensbestimmungen einschließlich der Regeln über den Aufwandersatz weiterhin anzuwenden. Demgegenüber könnte das Oö. Landesverwaltungsgericht mangels einer gesetzlichen Ermächtigung die bisherigen Verfahrensbestimmungen des VwGG nicht anwenden, sondern nur die abweichenden Bestimmungen des VwGVG heranziehen, die auch keinen Aufwandersatz in Säumnisfällen vorsehen.

 

Für das Oö. Landesverwaltungsgericht ergibt sich aus der dargelegten Rechtslage vor dem Hintergrund des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art 83 Abs 2 B-VG, dass das gegenständliche Beschwerdeverfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, in dem die Oö. Landesregierung überdies den Bescheid bereits nachgeholt hat (vgl Schreiben vom 8.01.2014 mit Urkundenvorlage), nur vom Verwaltungsgerichtshof nach den bisherigen Verfahrensbestimmungen des VwGG abgeschlossen werden kann. Die übermittelten Akten des Säumnisbeschwerdeverfahrens waren daher dem Verwaltungsgerichtshof zurückzustellen.

 

Gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 Abs 1 1. HS AVG hat das Landesverwaltungsgericht seine Unzuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Dies hatte in Beschlussform zu erfolgen, zumal gemäß § 31 Abs 1 VwGVG Entscheidungen und Anordnungen mit Beschluss zu erfolgen haben, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

 

 

IV. Zulässigkeit der ordentlichen Revision: 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, zumal zu der zu lösenden Rechtsfrage bisher eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar jüngst mit Erkenntnis vom 29. Jänner 2014, Zl. 2012/03/0026, im Fall einer aufgelösten erst- und letztinstanzlichen Regulierungsbehörde (Schienen-Control Kommission), einen Zuständigkeitsübergang auf das Bundesverwaltungsgericht nach Art 151 Abs 51 Z 8 B-VG bzw den Eintritt des Bundesverwaltungsgerichts anstelle der Schienen-Control Kommission im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nach Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG verneint, weil diese Übergangsvorschriften nicht zu einer Erweiterung der Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte führen sollten und insoweit einschränkend auszulegen seien. Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs spricht wohl auch für die in diesem Beschluss vertretene Rechtsansicht, erscheint aber nicht unmittelbar einschlägig, weil kein Aussage im Zusammenhang mit § 5 VwGbk-ÜG getroffen wurde.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. W e i ß