LVwG-300106/7/Py/JW

Linz, 23.05.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Drin. Andrea Panny über die Beschwerde (vorm. Berufung) der Frau x, vertreten durch Rechtsanwalt x, gegen die im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft
Wels-Land vom 10. Juni 2013, SV96-88-2012/La, wegen Verwaltungsübertretung  nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), verhängte Strafhöhe, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 4. April 2014

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG  wird der Beschwerde Folge gegeben und eine Gesamt-strafe von 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 33 Stunden) verhängt.

 

 

II.       Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keine Kosten zum Beschwerdeverfahren zu leisten. Der Kostenbeitrag zum Verfahren vor der belangten Behörde wird gemäß § 38 VwGVG in Verbindung mit § 64 Abs. 2 VStG auf 50 Euro herabgesetzt.

 

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom
10. Juni 2013, SV96-88-2012, wurden über die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 7b Abs. 9 in Verbindung mit § 7d Abs. 5 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG, BGBl. 549/1993 idgF, drei Geldstrafen in Höhe von je 600 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 36 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 180 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

„Sie haben als Verantwortliche(r) der Firma x, zu verantworten, dass nachfolgende Arbeitnehmer auf der Baustelle der Fa. x am 03.07.2012 gegen 13:03 Uhr beschäftigt wurden, ohne dass ein Nachweis über die Sozialversicherung der/des Arbeitnehmer/In oder eine Abschrift der Meldung gemäß den Abs.3 und 4 am Arbeits/Einsatz)ort im Inland bereitgehalten wurde, obwohl Arbeitsgeber im Sinne des Abs.1 oder in Abs.1 Z4 bezeichnete Beauftragte oder der Arbeitnehmer (Abs.3) eine Abschrift der Meldung gemäß den Abs.3 und 4 am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitzuhalten ist.

 

Name des Beschäftigten: x

Tatort: Gemeinde x, Kontrolltag: 03.07.2012, 13:03 Uhr

 

Name des Beschäftigten: x

Tatort: Gemeinde x, Kontrolltag: 03.07.2012, 13:03 Uhr

 

Name des Beschäftigten: x

Tatort: Gemeinde x, Kontrolltag: 03.07.2012, 13:03 Uhr“

 

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrens-ganges und der Rechtsgrundlagen zusammengefasst aus, dass aufgrund der Feststellungen des Finanzamtes Grieskirchen Wels davon ausgegangen wird, dass am Kontrolltag die drei Arbeitnehmer beschäftigt wurden, ohne dass die erforderlichen Unterlagen an der genannten Arbeitsstelle bereitgehalten wurden.

 

Zur verhängten Strafhöhe wird angeführt, dass der Strafrahmen für diese Verwaltungsübertretung von einer Geldstrafe von 500 Euro bis 5.000 Euro, im Wiederholungsfall von 1.000 Euro bis zu 10.000 Euro reicht und die verhängte Strafe ausreichend erscheint, um die Beschuldigte in Zukunft vor der Begehung ähnlicher Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung abzuhalten.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig von der Bf eingebrachte Berufung vom
4. Juli 2013, die mit Schreiben vom 4. September 2013 vom Rechtsvertreter der Bf zusammengefasst dahingehend ergänzt wurde, dass sie nie eine Aufforderung zur Rechtfertigung erhalten habe und mangels schlüssiger nachvollziehbarer Bescheidbegründung im konkreten Fall ein nichtiger Bescheid vorliegt. Inhaltlich wird vorgebracht, dass die Meldung von der Firma x getätigt wurde und diese die Daten zu spät, nämlich erst am 28. Juni 2012 bei ihrem Nachunternehmer, der Firma x, abgefragt hat. Diese hat Leistungen von der x ausführen lassen, der Auftrag datiert vom 27.06.2012. Die Anforderungen waren der x vorher nicht bekannt, die Zeit war auch zu knapp, was jedoch im Verantwortungsbereich von x und x liege.

 

3. Mit Schreiben vom 11. Juli 2013 legte die belangte Behörde dem Unabhängigen  Verwaltungssenat die Berufung zur Entscheidung vor. Mit
1. Jänner 2014 trat das Landesverwaltungsgericht an die Stelle des Unabhängigen Verwaltungssenates. Das Landesverwaltungsgericht entscheidet gemäß § 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) durch einen Einzelrichter. Die Berufung gilt gemäß § 3 Abs. 1 letzter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) als Beschwerde im Sinn des Artikel 130 Abs. 1 Z 1b-VG. Die Zuständigkeit der erkennenden Richterin ergibt sich aus § 3 Abs. 7 VwGbk-ÜG.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Ver-handlung am 4. April 2014. An dieser nahm die Rechtsvertreterin der Bf sowie ein Vertreter der Finanzpolizei Team 46 für das Finanzamt Grieskirchen Wels als am Verfahren beteiligte Organpartei teil. Die Einvernahme des ebenfalls geladenen Zeugen x konnte aufgrund der Einschränkung der Beschwerde in der Verhandlung auf die verhängte Strafhöhe entfallen.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7b Abs.5 AVRAG haben Arbeitgeber im Sinn des Abs.1 oder in Abs.1 Z 4 bezeichnete Beauftragte oder der Arbeitnehmer (Abs.3), sofern für den entsandten Arbeitnehmer in Österreich keine Sozialversicherungspflicht besteht, Unterlagen über die Anmeldung des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument E101 nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, Sozialversicherungsdokument A1 nach der Verordnung (EG) Nr. 883/04) sowie eine Abschrift der Meldung gemäß den Abs.3 und 4 am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitzuhalten. Sofern für die Beschäftigung der entsandten Arbeitnehmer im Sitzstaat des Arbeitsgebers eine behördliche Genehmigung erforderlich ist, ist auch die Genehmigung bereitzuhalten.

 

Gemäß § 7b Abs.9 AVRAG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5.000 Euro, im Wiederholungsfall von 1.000 Euro bis 10.000 Euro zu bestrafen, wer als Arbeitgeber oder als in Abs.1 Z 4 bezeichneter Beauftragter

1.    die Meldung nach Abs.3 nicht rechtzeitig erstattet oder

2.    die erforderlichen Unterlagen entgegen Abs.5 nicht bereithält.

 

 

5.2. Im gegenständlichen Straferkenntnis wurden über die Bf drei Geldstrafen in Höhe von je 600 Euro, insgesamt somit Geldstrafen von 1.800 Euro (Ersatzfrei-heitsstrafen je 36 Stunden) wegen Verwaltungsübertretung nach § 7b Abs.9 iVm § 7b Abs.5 AVRAG verhängt.

 

Zu dieser Strafbestimmung ist auszuführen, dass der Gesetzgeber hier – zum Unterschied von der offensichtlich an § 28 Abs. 1 AuslBG orientierten Straf-bestimmung des § 7i Abs. 3 AVRAG, welche gestaffelte Strafsätze nach der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer/innen vorsieht, davon ausgegangen ist, dass fehlende Sozialversicherungsdokumente – auch in Ansehung mehrerer betroffener Arbeitnehmer/innen – nur eine Verwaltungsübertretung darstellen. Diese Auslegung steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 1 AZG und § 26 Abs. 1 KJBG, wo der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (VwGH) vom 9. März 1995, Zl. 93/18/0114, u.a.) die Auffassung vertritt, dass das Fehlen von Aufzeichnungen hinsichtlich mehrerer Arbeitnehmer nur eine Übertretung darstellt. Es ist somit nicht je Arbeitnehmer eine gesonderte Strafe zu verhängen, sondern stellt der Umstand, dass die Sozialversicherungsdokumente bei der Kontrolle nicht vorgezeigt werden konnten, eine einzige Verwaltungsübertretung dar, die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer/innen ist jedoch im Rahmen der Strafbemessung zu berücksichtigen.

 

Die von der belangten Behörde verhängte Strafhöhe von 1.800 Euro erscheint bei der gegenständlich vorliegenden erstmaligen Übertretung der einschlägigen Bestimmungen des AVRAG jedenfalls überhöht. Als mildernd kommt der Bf zudem die lange Dauer des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens zugute. Festzuhalten ist allerdings, dass hinsichtlich des Herrn x das Sozialversicherungsdokument nach wie vor nicht vorgelegt wurde. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes erscheint es im Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung von der Rechtsvertreterin bekanntgegebenen Einkommens- und Familienverhältnisse der Bf gerechtfertigt, über diese die nunmehr ausgesprochene Mindeststrafe zu verhängen. Dies erscheint ausreichend, um der Bf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens eindringlich vor Augen zu führen und sie künftig zu einem gesetzeskonformen Verhalten anzuleiten. Ein Vorgehen nach § 20 VStG war jedoch nicht in Betracht zu ziehen, da ein Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe nicht festgestellt werden kann. Ebenso liegen die für eine Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG erforderlichen Voraussetzungen nicht vor, da das tatbildmäßige Verhalten der Bf nicht erheblich hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückblieb.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

II. Der Kostenausspruch ist in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

 

III. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da eine höchstgerichtliche Judikatur bislang nicht ergangen ist und im gegenständlichen Verfahren die grundsätzliche Frage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu klären war, ob hinsichtlich der gegenständlichen Strafnorm gestaffelte Strafsätze nach der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer/innen zu verhängen sind, oder auch in Ansehung mehrerer betroffener Arbeitnehmer/innen nur eine Verwaltungsübertretung vorliegt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Andrea Panny