LVwG-600317/2/MS/BD

Linz, 13.05.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Dr. Monika Süß über die Beschwerde von Herrn Mag. F W, vertreten durch X, Rechtsanwälte GmbH, X, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion vom 10. März 2014, AZ: S-28/14-4, wegen der Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 3 lit. a StVO

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das bekämpfte Straferkenntnis aufgehoben und das Straferkenntnis eingestellt.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion vom 10. März 2014, AZ: S-28/14-4, wurde über Herrn Mag. F W, X, eine Geldstrafe in der Höhe von 150 € sowie im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden und einem Kostenbeitrag in Höhe von 15 €, wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO verhängt, da der Beschwerdeführer das KFZ mit dem polizeilichen Kennzeichen X in der Zeit von 19.27 bis 19.55 Uhr in Linz, X, mittlere Einfahrtsspur der Tiefgarage vor der Garageneinfahrt zum Parken abgestellt hatte, sodass andere Verkehrsteilnehmer am Einfahren in die dortige Parkgarage gehindert waren.

 

Begründend führt die Behörde folgendes aus:

„Es steht unbestritten fest, dass Sie das Kfz, Kennzeichen: X am 14.12.2013 um 19:27 Uhr in der mittlere Einfahrtsspur der Tiefgarage des X in Linz, X, vor dem Einfahrtschranken abgestellt haben und das Fahrzeug verließen. Bis zum Zeitpunkt des Abschleppens um 19:55 Uhr verblieb das Fahrzeug in dieser Position.

 

In Ihren Einspruchsangaben rechtfertigen Sie sich unter anderem damit, dass die herangezogene Rechtsnorm des § 24 Abs. 3 lit. b StVO insofern nicht zur Anwendung kommen könne, weil sie das Parken vor Haus- und Grundstückseinfahrten regeln würde und das Fahrzeug dabei nie vor der Einfahrt abgestellt gewesen sei, sondern in der Einfahrt. Zudem hätte es sich nicht um ein Parken, sondern um ein Anhalten gehandelt.

Dazu wird erwogen, dass es bei teleologischer Auslegung der Verbotsnorm des § 24 Abs. 3 lit. b StVO nicht darauf ankommt, ob das Fahrzeug in oder vor der Einfahrt geparkt wurde, sondern darauf, ob durch das Parken die Einfahrt nicht mehr „benützbar“ war (vergleiche VwGH 88/02/00 12 28.9.1988, wo explizit auf die Benutzbarkeit einer Garage abgestellt wird). Es bedarf wohl keiner weiteren Ausführungen, dass durch das von Ihnen abgestellte Fahrzeug andere Fahrzeuglenker an der Benutzbarkeit des betreffenden Fahrstreifens in die Tiefgarage behindert wurden.

Selbst Ihre Argumentation, dass diese an der Einfahrt behinderten Fahrzeuglenker aufgrund des defekten Schrankens ohnehin nicht in die Garage einfahren hätten können, geht ins Leere, da es für das Vorliegen einer Übertretung nach § 24 Abs. 3 lit. b StVO 1960 unerheblich ist, ob durch das Parken vor der Hauseinfahrt tatsächlich eine Behinderung eingetreten ist (vergleiche dazu VwGH 2002/02/0308 vom 7.8.2003).

Ganz abgesehen davon kann es für ein funktionierendes Verkehrssystem, in dem jeder Straßenbenützer darauf vertrauen darf, dass andere Personen die für die Benützung der Straße maßgeblichen Rechtsvorschriften befolgen (vergleiche § 3 Abs. 1 StVO), nicht angehen, dass bei einem vorübergehenden defekten Schranken der Lenker des dem Schranken nächsten befindlichen Fahrzeuges dieses einfach in dem Glauben verlässt, dass der Defekt dauerhaft sein wird und daher die betreffende Einfahrt für die Dauer von dessen Abwesenheit von niemanden mehr genutzt werden kann.

Das von Ihnen so am 14.12.2013 um 19:27 Uhr abgestellte Fahrzeug wurde 19:55 Uhr nach der Bestimmung des § 89a Absatz 2a lit. c StVO abgeschleppt.

Gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 28 StVO ist Parken das Stehenlassen eines Fahrzeuges für eine längere als die in Z. 27 angeführten Zeitdauer, also länger als eine nicht durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Fahrtunterbrechung bis zu 10 Minuten oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit. Durch das Stehenlassen des Fahrzeuges für die Dauer von 28 Minuten ist der Tatbestand des Parkens eindeutig erfüllt und kann von einem (An-) halten keine Rede mehr sein.

 

Ihre Argumentation, dass Sie den Fahrzeugschlüssel und damit die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug nach dem Abstellen und Verlassen des Fahrzeuges einer Dame gegeben hätten, die dieses in die Garage verbringen hätte sollen, ändert nichts an der Tatsache, dass Sie als Lenker das Fahrzeug in der Garageneinfahrt zum Parken abstellten und für dieses Verhalten verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

 

Ihre Ausführungen, dass es andere Möglichkeit eines rechtmäßigen Alternativverhaltens - nämlich das abgestellte Fahrzeug verkehrt aus der Garageneinfahrt zurückzuschieben - insofern gemangelt hätte, weil sie erstens gegen eine Einbahn fahren hätten müssen und zweitens die Breite der Einbahn sowie der Kurvenradius die Gefahr einer Beschädigung der Felgen des Fahrzeugs nach sich gezogen hätte, kann die Behörde nicht folgen:

Das Zurückschieben entgegen der fortgesetzten Fahrtrichtung wäre in diesem Fall erstens nur für eine kurze Distanz notwendig und zweitens durch die defekte Schrankenanlage erzwungen gewesen. Insofern hätten Sie mit einer geringfügigen Überschreitung des § 7 Abs. 5 StVO (Befahren von Einbahnstraße entgegen der angezeigten Fahrtrichtung) unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit das Parken in der Garageneinfahrt verhindern können und wäre eine solche Übertretung wegen rechtfertigenden Notstands nicht strafbar gewesen. Da den weiteren drei Fahrzeuglenkern, die durch das von Ihnen abgestellte Fahrzeug daran gehindert wurden, die Garageneinfahrt zu benützen, das Reversieren aus der Garageneinfahrt auf die X offenbar möglich war, wäre dieses Fahrmanöver wohl auch Ihnen zumutbar gewesen, ohne dabei die Felgen ihres Fahrzeuges zu beschädigen, wie von Ihnen befürchtet wurde. An dieser Stelle bleibt vielmehr festzuhalten, dass Sie durch das Abstellen ihres Fahrzeuges in der Einfahrtspur zu Tiefgarage andere Fahrzeuglenker zum Reversieren auf die X und damit zu einem Fahrmanöver genötigt haben, dass Sie sich selbst aufgrund der Gefahr einer eventuellen Fahrzeugbeschädigung wegen der Fahrbahnbreite und des Kurvenverlaufes nicht zumuten wollten.

Als weitere naheliegende Möglichkeit eines rechtmäßigen Alternativverhaltens hätten Sie bis zur Behebung des defekten Schrankens im Fahrzeug verbleiben können, um es sodann aus dem Einfahrtsbereich zu entfernen. Der Umstand, dass Sie dann möglicherweise den Beginn der Vorstellung versäumt hätten, vermag Sie jedoch auch nicht zu exkulpieren, da es in der Risikosphäre eines jeden Verkehrsteilnehmers liegt, die Abfahrts- bzw. Ankunftszeiten so auszuwählen, dass für zeitverzögernde Eventualitäten - wie etwa eine Fahrzeugpanne oder den defekten Schrankenanlage - ein ausreichender Zeitpolster vorhanden ist.

 

Zu Ihrer Einspruchsangabe, dass sich auf den gegenständlichen Tatort der Geltungsbereich der StVO und damit die Befugnisse der Behörde und Organe der Straßenaufsicht nicht erstrecken würde, wird erwogen:

Der von Ihnen ins Treffen geführte Entscheidung des VwGH von 31.5.2012 (VwGH 2012/02/0038) liegt ein Sachverhalt zu Grunde, der sich bereits im Innenbereich - nämlich aus einer Verbindungsbrücke - eines Parkhauses zugetragen hatte. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte die Anwendbarkeit der StVO in einem Parkhaus deshalb, weil die Fläche eines solchen nicht dem Zweck der Raumüberwindung, sondern vielmehr dem Abstellen und Parken von Fahrzeugen dienen. Insofern wurde in casu zu dem Tatort die „Straßeneigenschaft“ im Sinne StVO abgesprochen und damit die Anwendbarkeit der StVO ausgeschlossen.

Auf den gegenständlichen Sachverhalt ist diese Entscheidung jedoch insofern nicht anzuwenden, weil Sie die angelastet Übertretung nicht schon im Innenbereich des Parkhauses verwirklichten, sondern unmittelbar vor dessen Einfahrtschranken, wo im Sinne angeführten Judikatur in jeden Fall noch eine Straße im Sinne StVO vorliegt, die dem Zwecke der Raumüberwindung dienlich ist.

 

Ganz abgesehen davon ist die 4. Kammer des UVS Oberösterreich von der angeführten Judikatur des VwGH in der Entscheidung VwSen-167768/9/Bi/Ka vom 8.7.2013 insofern abgegangen, dass Tiefgaragen sehr wohl im Anwendungsbereich der StVO fallen, weil sie von jedermann unter den gleichen Bedingungen, nämlich durch Lösen eines Tickets bei der Einfahrt, Bezahlung der Parkgebühr gegen Entwertung des Tickets und Einstecken des Tickets in den dafür vorgesehenen Automaten zum Öffnen des Ausfahrtsschrankens benutzt werden können. Selbst im Innenbereich einer Tiefgarage ist der Charakter einer Straße mit öffentlichem Recht deshalb nicht abzusprechen, weil der Schranken in diesem Fall nicht dem Vorbehalt des Ausschlusses eines bestimmten Personenkreises von der benützen Tiefgarage, sondern ausschließlich der Bezahlung der Parkgebühr dient.

 

Bei Zugrundelegung dieser beiden Überlegungen ist daher nicht nur der Fahrbahnbereich vor dem Einfahrtschranken, sondern sogar der Innenbereich von öffentlichen Tiefgaragen eine Straße mit öffentlichen Verkehr und damit Anwendungsbereich der StVO voll umfasst.

 

Was die subjektive Tatseite betrifft, ist anzuführen, dass gemäß § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist das Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Im gegenständlichen Fall liegt ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt vor und tritt somit eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Diese Glaubhaftmachung ist Ihnen in keiner Weise gelungen, sodass letztlich davon auszugehen war, dass sie die zur Last gelegte Übertretung sowohl in objektiver als auch in subjektiver Sicht zu vertreten haben.

 

Bei der Bemessung der Strafe wurde das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenige Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt.

Die verhängte Geldstrafe entspricht somit den Unrechts-und Schuldgehalt der Tat und erscheint der Behörde notwendig, Sie in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten.

Mit dem verhängten Strafbetrag wurden zwar etwas mehr als 20 % der zur Verfügung stehenden Strafrahmens von € 726 ausgeschöpft, obwohl ha keine einschlägigen verwaltungsstrafrechtlichen Vorbemerkungen gegen sie vorliegen.

Das gewählte Strafausmaße scheint erkennenden Behörde jedoch aus spezial-und generalpräventiven Aspekten angemessen und notwendig, da im Abstellen und Parken vor bzw. in einer Tiefgarageneinfahrt zwingend den betreffenden Verkehr zum Stillstand bringen bzw. ein Chaos verursachen muss.

Weiters wird bei der Strafbemessung davon ausgegangen, dass sie kein hierfür relevantes Vermögen besitzen, keine Gewicht fallenden Sorgepflichten haben und ein Einkommen von € 2500 monatlich beziehen.“

 

Gegen diese Straferkenntnis, welches durch Hinterlegung am 17. März 2014 zugestellt wurde, hat der Beschwerdeführer rechtzeitig durch seinen ausgewiesenen Vertreter Beschwerde erhoben und beantragt das angefochtene Straferkenntnis aufgrund der Aktenlage aufzuheben und in eventu eine öffentliche Verhandlung durchzuführen und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

Begründend wird Folgendes ausgeführt:

„1. Keine Anwendbarkeit der StVO:

Als Tatort wurde korrekt die „mittlere Einfahrt der Tiefgarage“ des X mit der Adresse des X  X, Linz“, festgestellt, nicht etwa X, die zur Tiefgarage führt.

Die Normen der StVO gelten für „Straßen mit öffentlichen Verkehr“ (§ 1 Abs. 1 StVO). Steht ein anderer Zweck als der der Raumüberwindung im Vordergrund und ist die Raumüberwindung lediglich Nebenzweck, dann kann eine Landfläche, die einem solchen „anderen Zweck“ dient, nicht als Straße im Sinne StVO qualifiziert werden. Auch wenn ein Parkhaus eine bestimmte Landfläche in Anspruch nimmt, ist unzweifelhaft, dass ein anderen Zweck, als jener der Raumüberwindung - nämlich der des Abstellen und Parkens von Fahrzeugen in diesem Gebäude - im Vordergrund steht (wörtlich VwGH 31. Mai 2012, 2012/02/0038).

Damit steht fest, dass die Verkehrsflächen innerhalb von Parkhäusern oder Tiefgaragen keine Straßen in Sinn der StVO sind. Das Erkenntnis des UVS OÖ von 8.7.2013, VwSen-167768/9/Bi/Ka, das dieses Kriterium nicht anerkennt, ist vor dem besonderen Hintergrund des dort zu Grunde liegenden Sachverhalts zu erklären (§§ 5 Abs. 1 in Verbindung mit 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960; Alkoholgehalt Atemluft von 1,25 mg/l). Sofern keine planwidrige Regelungslücke des § 1 Abs. 1 StVO nachgewiesen werden kann, kommt die Rechtsprechung des VwGH zur Anwendung: Allfällige Parkvergehen oder Ordnungswidrigkeiten im Parkhäusern und Tiefgaragen sind eben nicht mit den Mitteln der StVO, sondern im Privatrechtsweg zu verfolgen.

Selbst wenn man den überwiegenden Zweck der Raumüberwindung am Tatort „mittlere Einfahrt der Tiefgarage“ bejahen wollte, handelt es sich keinesfalls auch um eine Straße “mit öffentlichen Verkehr“. Dementsprechend wurden Straßen innerhalb eines Werksgeländes, Werkszufahrten oder auch der ausgewiesene Parkplatz eines Einkaufszentrums mit abgegrenzter Schrankenanlage als Straße ohne öffentlichen Verkehr beurteilt (Pürstl, StVO § 1 E 47 f, E 59 mwN, VwGH 9.5.2019 90,89/02/0218). Die beschrankte Tiefgarage des X spricht keinesfalls eine breitere Öffentlichkeit an als etwa der beschränkte Parkplatz eines Einkaufszentrums.

 

2. Keine Anwendbarkeit § 24 Abs. 3 lit. b StVO:

Verboten ist das Parken „vor Haus- und Grundstückseinfahrten“. Der festgestellte Tatort “mittlere Einfahrt wurde Tiefgarage“ liegt jedoch, wie bereits in der umfassenden Einspruchsbegründung ausgeführt wurde, nicht „vor“ einer solchen Einfahrt, sondern innerhalb des ausgedehnten Einfahrtsbereiches. Konkret ist das Fahrzeug des Beschwerdeführers innerhalb einer etwa 50 m langen Einfahrt ca. in der Mitte, in einem bereits vollumfänglich überdachten Bereich in der Tiefgarage gestanden. Ein Parken am festgestellten Tatort kann daher nicht unter die Verbotsnorm des § 24 Abs. 3 lit. b StVO zu subsumieren sein. Die Behörde vermeint, diese Verbotsnorm „teleologisch“ auslegen zu dürfen. Allerdings markiert der äußerste Sinn des Wortes „vor“ die Grenze der teleologischen Auslegung. Der Bereich „vor“ einer Tiefgarageneinfahrt endet jedenfalls dort, wo ein Fahrzeug die Einfahrtschwelle in vollem Umfang passiert hat. Wollte man das Gesetz auch auf den Innenbereich der Tiefgarage ausdehnen, wird damit keine teleologische Erweiterung vorgenommen, sondern eine unzulässige Analogie zulasten des Beschwerdeführers gezogen. Hierin ist der belangten Behörde eine denkunmögliche Rechtsanwendung vorzuwerfen, weil sie gegen das aus Artikel 7 EMRK erfließende Analogieverbot verstößt (VfSlg 16.773/2002).

Würde man es aber entgegen dem bisherigen Vorbringen zugrundelegen, dass die „mittlere Einfahrt wurde Tiefgarage“ abstract unter § 24 Abs. 3 lit. b StVO fallen könnte, weil damit der unmittelbare Einfahrtsbereich der Tiefgarage gemeint sei, aber gegenständlich nicht den tatsächlichen Abstellplatz des Fahrzeugs entsprochen hat, so wäre der Tatort und damit der Spruch fehlerhaft oder unzureichend determiniert.

 

3. Keine Behinderung der Einfahrt in die Tiefgarage

Das für die rechtswidrige Anwendung der Verbotsnorm (§ 24 Abs. 3 lit. b StVO) und die Entfernung des Fahrzeuges (§ 89 Art StVO) geforderte Element der „Behinderung“ des Verkehrs liegt gegenständlich nicht ansatzweise vor. Die Behörde selbst führt zu diesem Tatbestandselement aus, es bedürfe „wohl keiner weiteren Ausführungen“, dass durch das Fahrzeug „andere Fahrzeuglenker an der Benützbarkeit des betreffenden Fahrstreifens im Tiefgarage behindert wurden“.

Dabei unterliegt die Behörde einer gravierenden Fehlbeurteilung:

Es kommt nicht darauf an, dass jeder Fahrstreifen benutzbar ist, sondern darauf, dass die Tiefgarage insgesamt zugänglich sein muss. Für die Annahme einer Behinderung genügt es nicht etwa, dass andere Fahrzeuge ausweichen müssen (Pürstl, StVO § 89a E 81, E 92). Gegenständlich war es den Fahrzeugen auf der anderen Spuren sogar leicht möglich, ungehindert in die Tiefgarage einzufahren (vergleiche auch VwGH 23. Februar 2001,96/02/0599 uva). Es bestand naturgemäß auch kein abstrakter Grund zur Besorgnis, dass das Fahrzeug des Beschwerdeführers die Zufahrt zur Tiefgarage behindern könnte (sogenannte „Besorgnisjudikatur“, VwGH 20. November 2013,2011/02/0263 mwN).

Vor allem aber steht fest, und wurde auch von der Behörde nicht bestritten, dass der Schranken vor dem Fahrzeug des Beschwerdeführers nicht nur geschlossen, sondern auch defekt war, sodass er nicht bestimmungsgemäß geöffnet werden konnte. Das war die anfängliche und auch im Zeitpunkt der Entfernung des Fahrzeugs ganz entscheidende Ursache der Unbenutzbarkeit des mittleren Fahrstreifens. Angesichts des defekten Schrankens konnte selbst mit der Entfernung des Fahrzeugs die Benutzbarkeit des Fahrstreifens nicht bewirkt werden. Obwohl der Beschwerdeführer umgehend die Unterstützung durch den Tiefgaragenbetreiber gesucht hat, war nicht einmal diese Unterstützung ausreichend, den Schranken zu öffnen.

Ein derartiges Hindernis ist auch entscheidungsrelevant (VwGH 12.10.2019 84,84/02/0044: Sandhaufen). Wenn die Behörde hingegen meint, der defekte Schranken sei irrelevant, so verkennt sie den eigentlichen Zweck des § 89a StVO, nämlich die ungestörte Benutzbarkeit der Straße sicherzustellen. Hielte man das Vorgehen der Behörde für rechtmäßig, so wäre es freilich auch rechtmäßig, bei Unbenutzbarkeit einer Straße, die durch ein natürliches Hindernis, zum Beispiel einen Murenabgang verursacht wurde, die davor abgestellten Fahrzeuge abschleppen zu lassen, anstatt zunächst einmal die Beseitigung des Hindernisses in Angriff zu nehmen. Befindet sich in abgestelltes Fahrzeug vor einem Schranken in einer Tiefgarage, so ist es lebenstypisch, einen Defekt des Schrankens anzunehmen. Es wäre die Aufgabe der Behörde gewesen, die Funktion des Schrankes zu prüfen, durch Befragen des Garagenbetreibers Ermittlungen anzustellen, wie lange der Schranken voraussichtlich noch defekt sein wird und wieder geöffnet werden kann, um ein vollständiges Bild der Hindernislage zu gewinnen.

Hält man es für unvertretbar der Behörde derartige Ermittlungsmaßnahmen im Namen der Straßenpolizei aufzuerlegen, muss man es auch für unvertretbar halten, die Anwendbarkeit der StVO innerhalb einer Tiefgarage zu bejahen.

 

4. Unverhältnismäßigkeit des Behördenhandelns

Die Entfernung des Fahrzeugs gemäß § 89a StVO war mangels Behinderung anderer Fahrzeuge an der Einfahrt nicht nur nicht rechtmäßig, sondern überdies auch unverhältnismäßig. Der Garagenbetreiber hat das Fahrzeug übernommen. Davon war die Behörde auch in Kenntnis. Das gelindere, nahe liegende und auch zielführende Mittel zur Wiederherstellung der vollen Verkehrsfähigkeit des Fahrstreifens in der Tiefgarage wäre es gewesen, zunächst die Behebung des defekten Schranken zu veranlassen und danach den Garagenbetreiber aufzufordern, das vom Fahrzeughalter übernommene Fahrzeug einzupacken. Nicht verkannt wird, dass der Garagenbetreiber zum Einparken nur auf Basis vertragsrechtlicher Bindung verhalten werden konnte. Auch muss der Behörde ein breites Ermessen darin zugebilligt werden, welche Ordnungsmaßnahmen zu setzen sind. Dennoch hat die Behörde nicht einmal den Versuch unternommen, die Hindernislage auszuforschen oder in dieser besonderen Situation ein gelinderes Mittel zu wählen. Ein besonderer Zeitdruck bestand ohnehin nicht, zumal der Schranken in der mittleren Fahrspur defekt war und eine Zufahrt zur Garage über die andere Spur möglich war. Ebenso wird das Abschleppen einige Zeit in Anspruch genommen haben, die aber von der Behörde ohne jedes weitere Zutun zum Nachteil des Beschwerdeführers in Kauf genommen wurde.

 

5. Kein rechtmäßiges Alternativverhalten

Folgt man der Behörde, so ist auf den Tatort die StVO anzuwenden. Demnach wäre es aber verboten gewesen, rückwärts auszufahren, da die Garageneinfahrt - der Natur einer solchen Einfahrt entsprechend - für jedermann klar erkennbar als Einbahn ausgewiesen war. Entgegen der Rechtsauffassung der Behörde wäre es ungleich gravierender gewesen, wenn der Beschwerdeführer rückwärts gegen die Einbahn gefahren wäre. Damit wäre ohne Not eine neue Gefahrenquelle geschaffen worden. Der Umstand, dass andere Fahrzeuge deshalb nicht bestraft wurden, ist rechtlich unerheblich. Naheliegend war es vielmehr, auf die Behebung des defekten Schranken zu hoffen und nach einer halben Stunde, als das zeitlich nicht mehr möglich war, die Mitarbeiterin des Garagenunternehmens zu beauftragen das Fahrzeug nach Behebung des defekten Schranken in der Fahrtrichtung entsprechend einzupacken.

 

6. Kein schuldhaftes Verhalten

Da für das Verwaltungsstrafrecht das Schuldprinzip gilt, setzt eine Bestrafung des Täters schuldhaftes Verhalten voraus. Dabei wären jedenfalls die Umstände der Tat vor der Fällung eine Straferkenntnisses zu berücksichtigen gewesen. Die Behörde hat aber die Situation, die bereits im Einspruch erläutert wurde, nicht entsprechend für die Ermittlung der individuellen Schuld gewürdigt. Das betrifft insbesondere den blockierten Schranken, den Umstand, dass der Beschwerdeführer selbst sein Fahrzeug den Garagenunternehmen ausgefolgt hat, um nach einer allfälligen Behebung des defekten Schranken nicht selbst zu einer Behinderung für die nachkommenden Fahrzeuge zu werden und den Umstand, dass der Beschwerdeführer vor Verlassen seines Fahrzeuges den Garagenunternehmen ca. eine halbe Stunde Zeit eingeräumt hat, den defekten Schranken zu beheben.“

 

 

II.            Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den verfahrensgegenständlichen Akt der Landespolizeidirektion , aus dem sich der relevante Sachverhalt eindeutig ableiten ließ.

 

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen. In der Straßenverkehrsordnung ist keine Entscheidung durch einen Senat vorgesehen.

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer stelle sein Fahrzeug mit dem Kennzeichen X am 14. Dezember 2013 am 19.27 Uhr vor der Garageneinfahrt auf der mittleren Einfahrspur der Tiefgarage in Linz, X, unmittelbar vor dem Einfahrschranken ab, da er aufgrund des defekten Schrankens, der sich nicht öffnete, nicht in das Parkhaus einfahren konnte. Das Fahrzeug verblieb dort bis 19.55 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Fahrzeug abgeschleppt.

 

 

III.           Gemäß § 24 Abs. 3 lit. b StVO ist das Parken außer in den im Abs. 1 angeführten Fällen noch verboten: vor Haus- und Grundstückseinfahrten.

 

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu € 726, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 2 Wochen, zu bestrafen wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2b, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

 

 

IV.          Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, dass er sein Fahrzeug in der mittleren Einfahrtspur der Tiefgarag unmittelbar vor dem Schranken infolge des defekten Schrankens abgestellt hat. Auf dieses Verhalten sei Bestimmung des § 24 Abs. 3 lit. b StVO nicht anwendbar weil Parkhäuser von Anwendungsbereich der StVO nicht mitumfasst sind.

 

Gemäß § 1 Abs. 1 StVO 1960 gilt dieses Bundesgesetz für Straßen mit öffentlichen Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benutzt werden können.

 

Nach § 2 Abs. 1 Ziffer 1 StVO 1960 gilt im Sinne dieses Bundesgesetzes als Straße eine für den Fußgänger-oder Fahrzeugverkehr bestimmten Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen diesen Verkehr dienenden baulichen Anlagen.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 31. Mai 2012, 2012/02/0038 unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 20. Mai 2003, 2003/02/0073 festgehalten hat, sind Straßen demnach Landflächen, die den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr dienen, also der räumlichen Fortbewegung von einen Ort zu einem anderen Ort durch Personen oder Fahrzeuge (aus den vielfältigsten Motiven), wobei als Zweck der Fortbewegung die Raumüberwindung im Vordergrund stehen muss. Steht ein anderer Zweck als der Raumüberwindung im Vordergrund und ist die Raumüberwindung lediglich Nebenzweck, dann kann eine Landfläche, die einem solchen „anderen Zweck“ dient, nicht als Straße im Sinn der Straßenverkehrsordnung qualifiziert werden.

 

Auch wenn ein Parkhaus eine bestimmte Landfläche in Anspruch nimmt, ist unzweifelhaft, dass ein anderer Zweck, als der der Raumüberwindung - nämlich der des Abstellens und Parkens von Fahrzeugen in diesem Gebäude - im Vordergrund steht. Im gegenständlichen Fall war das Fahrzeug auf der mittleren Einfahrtspur zur Tiefgarage unmittelbar vom dem Einfahrtsschranken abgestellt. Nur ein nicht funktionierender Schranken hinderte die Einfahrt ins Parkhaus. Die wie im gegenständlichen Fall überdachte, aus mehreren Spuren bestehende Einfahrt in ein Parkhaus/eine Tiefgarage, deren einziger Zweck darin besteht, die Einfahrt zu den Parkplätzen zu ermöglichen, damit das jeweilige Fahrzeug dort abgestellt bzw. geparkt werden kann, ist als Teil des Parkhauses/der Tiefgarage zu sehen und steht auch in diesem Teil des Parkhauses/der Tiefgarage nicht die Raumüberwindung, sondern der Zweck des Abstellens bzw. Parkens des Fahrzeuges im Vordergrund.

 

Unter Zugrundelegung der geltenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes war daher § 1 Abs. 1 StVO 1960 dieses Bundesgesetz nicht anwendbar und fehlte schon aus diesem Grund die rechtliche Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers.

 

 

V.           Da die angewandte Bestimmung nicht auf den ggst. Sachverhalt anzuwenden ist, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

VI.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Süß

Beachte:

Das angefochtene Erkenntnis wurde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

VwGH vom 15. April 2016, Zl.: Ra 2014/02/0058-5