LVwG-600017/9/Bi/CG

Linz, 23.05.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn X, X, vom 11. November 2013 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 22. Oktober 2013, VerkR96-3607-2013, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 12. Mai 2014 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung nach Wahrung des Parteiengehörs zu Recht  e r k a n n t:

 

 

I.

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern teilweise Folge gegeben, als das Straferkenntnis im Punkt 1) bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 60 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 30 Stunden herabgesetzt wird; der Verfahrens­kosten­beitrag reduziert sich auf 6 Euro.

Im Punkt 2) wird das Straferkenntnis bestätigt, allerdings gemäß § 45 Abs.1 Z4 VStG eine Ermahnung ausgesprochen.

 

 

II.

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

 

III.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.6 Z1 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen zweier Verwaltungsübertretung gemäß je §§ 46 Abs.4 lit.d iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von je 80 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 36 Stunden verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs.1 VStG Verfahrenskostenbeiträge von insgesamt 16 Euro auferlegt.

Ihm wurde laut Schuldspruch zur Last gelegt, er habe mit dem Sattelzugfahrzeug X und dem Sattelanhänger X den Pannenstreifen vorschrifts­widrig befahren

1) am 24. April 2013, 5.50 Uhr, auf der A1 Westautobahn im Gemeindegebiet Straß iA, bei km 247.600 in FR Wien, und

2) am 24. April 2013, 5.51 Uhr, auf der A1 Westautobahn im Gemeindegebiet Straß iA, bei km 247.900 in FR Wien.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der belangten Behörde ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes vorgelegt wurde. Dieses Rechtsmittel ist nunmehr als Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG anzusehen, über die gemäß Art.131 B-VG das Landes­verwaltungsgericht OÖ  zu entscheiden hat. Am 12. Mai 2014 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit der Meldungslegerin Frau RI X (Ml) durchgeführt. Der Beschwerde­führer (in Folge: Bf) war ebenso entschuldigt wie der Vertreter der belangten Behörde. Im Rahmen des mit dem Bf vereinbarten Parteiengehörs wurde dessen telefonische Stellungnahme vom 22. Mai 2014 berücksichtigt.

 

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, er sei wie jeden Morgen von Mondsee auf der A1 und mit der ganzen Ladung nach Laakirchen gefahren. Ein Lkw der Fa. X sei am Pannenstreifen angehalten worden, vor ihm sei ein Polizeifahrzeug gestanden. Er sei auf seiner rechten Seite daran vorbeigefahren und nach ein paar Minuten habe er von einem überholenden Polizeifahrzeug ein  Zeichen zum Nachfahren bekommen bis zur Ausfahrt St. Georgen. Am Parkplatz seien die Dokumente verlangt und er beschuldigt worden, zweimal auf dem Pannenstreifen gefahren zu sein. Er habe das abgestritten und der Beamte habe begonnen ihn zu provozieren, er habe sogar einen Alkotest machen müssen, der negativ verlaufen sei. Weil er so aufgebracht gewesen sei, habe er den Reisepass nicht finden können und von ihm sei zu Unrecht Strafe verlangt worden auch wegen der Vergehen am Pannenstreifen, sodass er sich geweigert habe, diese zu zahlen. Er habe den Führerschein seit 1983 und schon gerechtfertigte Strafen bezahlt, aber nicht in diesem Fall. Er verlange als Beweis eine Video- oder Fotoaufnahme, aufgrund derer geprüft werden könne, wer im Recht sei.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt, Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der die bisherigen Ausführungen beider Parteien berücksichtigt wurden und bei der die Ml unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 288 StGB zeugen­schaftlich einvernommen wurde. Nach Übermittlung der Verhandlungsschrift hat der Bf eine Stellungnahme abgegeben.

 

In rechtlicher Hinsicht hat das Landesverwaltungsgericht erwogen:

Gemäß § 46 Abs.4 lit.d StVO 1960 ist auf der Autobahn verboten, den Pannenstreifen zu befahren, ausgenommen mit Fahrzeugen des Straßendienstes oder des Pannendienstes, im Zuge des Beschleunigens zum Zweck des Wieder­ein­ordnens in den fließenden Verkehr und sofern sich nicht aus Straßenverkehrs­zeichen oder Bodenmarkierungen etwas anderes ergibt.

 

Unbestritten ist, dass der Bf am Mittwoch, dem 24. April 2013, gegen 5.50 Uhr den genannten Sattelzug auf der A1 im Gemeindegebiet Straß iA in Richtung Wien gelenkt hat. Gleichzeitig war auf der RFB Wien eine Polizeistreife mit der Ml unterwegs, der nach eigenen Angaben auffiel, dass der Sattelzug zweimal hintereinander ohne ersichtlichen Grund bei km 247.6 (anhand der Leitpflöcke geschätzt) ca 150 m und bei 247.9 ca 100 m mit etwa der Hälfte der Fahrzeug­breite den Pannenstreifen befuhr. Der Sattelzug mit Braunauer Kenn­zeichen wurde daher bei der Ausfahrt St. Georgen abgeleitet und in einer Bushaltestelle zur Kontrolle angehalten. Die Ml führte in der Verhandlung aus, damals habe nicht viel Verkehr geherrscht und es sei keine Gefahr entstanden. Die Anhaltung sei erfolgt, weil kein erkennbarer Anlass für den Lenker bestanden habe, zB nach rechts auszuweichen, allerdings um dieser Zeit der Lenker zB übermüdet oder auch alkoholisiert sein hätte können. Wenn der Bf für das Befahren des Pannenstreifens eine plausible Ausrede gehabt hätte, zB dass er nach etwas gegriffen habe, wäre es nicht schlimm gewesen, zumal sonst alles in Ordnung gewesen sei. Die vom Bf nach längerer Diskussion doch ausgehändigten Papiere seien in Ordnung gewesen und der (in solchen Fällen übliche) Alkoholvortest habe auch 0,0 mg/l AAG ergeben.

Der Bf sei, als er den Grund für die Anhaltung erfahren habe, „geradezu ausgeflippt“. Er habe den Beamten vorgehalten, er werde nur schikaniert, weil er Ausländer sei – was laut Ml nicht am Kennzeichen erkennbar sei. Er habe lautstark abgestritten, den Pannenstreifen befahren zu haben, weil er sei „ja nicht deppert“. Es habe sich dann herausgestellt, dass er als serbischer Staatsbürger auch keinen Reisepass mitgeführt habe, weshalb er auch angezeigt wurde. Sie habe bei der Anhaltung beabsichtigt, über den Lenker wegen der 1. Übertretung ein Organmandat in Höhe von 35 Euro zu verhängen und ihn wegen der 2. Übertretung zu ermahnen. Er habe aber erklärt, er habe kein Geld mit und würde auch nicht bezahlen, wenn er welches mithätte, das interessiere ihn alles nicht. Als sich die Diskussion dahin entwickelt habe, er werde sich beim Bundespräsidenten beschweren, weil es nicht verboten sei, ohne Geld und Reisepass herumzufahren, sei die Anzeige angekündigt und die Amtshandlung beendet worden.

 

Der Bf hat am 22. Mai 2014 am Telefon in Kenntnis der Zeugenaussage der Ml im Wesentlichen erklärt, er bleibe dabei, dass er den Pannenstreifen nicht befahren habe; man hätte ihm ja einen Zahlschein geben können, wenn er kein Geld mitgehabt habe, das sei ja nicht verboten.

 

Aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichtes besteht kein Zweifel am  Wahrheitsgehalt der Zeugenaussage der Ml, die glaubhaft geschildert hat, beim Aufschließen einen Braunauer Sattelzug auf der RFB Wien zweimal mit ca der halben Fahrzeugbreite auf schätzungsweise ca 150 bzw 100 m am Pannen­streifen beobachtet zu haben. Derartige Wahrnehmungen sind Organen der Straßen­aufsicht, die in der Beobachtung des Fahrverhaltens von Lenkern geschult und aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit, speziell bei der Autobahn­polizei, geübt sind, zweifellos zuzubilligen (vgl VwGH 28.9.1988, 88/02/0007; ua), wobei aus jedem Blickwinkel des nachkommenden Verkehrs bei der Breite eines Sattelzuges ein Befahren des Pannenstreifens schon vom auf dem rechten Fahrstreifen der Richtungsfahrbahn verbleibenden Platz her auffällig ist. Dass um 5.50 Uhr an einem normalen Arbeits-Wochentag noch wenig Verkehr auf der A1 war, ist ebenso nach­vollziehbar wie der Umstand, dass die Nationalität des Lenkers eines Sattelzuges mit österreichischem Kennzeichen von hinten nicht erkennbar ist. Das Argument des Bf, er sei nur angehalten worden, weil er Ausländer sei, geht daher jedenfalls ins Leere.

 

Wenn der Bf aus welchen Gründen immer an Ort und Stelle ein Organmandat nicht akzeptiert hat, bleibt nur die Anzeige, wenn er die ihm vorgeworfene Übertretung selbst nachhaltig bestreitet. Dabei ist nicht gesagt, dass der Bf den Pannenstreifen vorsätzlich oder gar in böser Absicht befahren hätte, vielmehr ist anzunehmen, dass er aus vorübergehender Unachtsamkeit hinübergeraten ist; er war mit Sicherheit nicht alkoholisiert oder übermüdet. Er hat aber auch keinerlei Interesse gezeigt, sich mit der Ml im Hinblick auf das angebotene Organmandat  zu verständigen, und er hat insbesondere auch nicht konkret nach einem Zahlschein gefragt, weshalb der Ml kein Vorwurf zu machen ist, wenn sie ihm angesichts seines Verhaltens bei der Amtshandlung keines aufgedrängt hat.

Auf dieser Grundlage war davon auszugehen, dass der Bf beide ihm zur Last gelegten Tatbestände erfüllt und, da von einer Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG keine Rede sein kann, sein Verhalten jeweils als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.   

Der Bf weist bei der belangten Behörde aus den letzten fünf Jahren nicht getilgte rechtskräftige Vormerkungen auf, die nicht einschlägig sind, weshalb diesbe­züglich weder mildernde noch erschwerende Umstände zu berücksichtigen waren. Der Schätzung seiner finanziellen Verhältnisse durch die belangte Behörde (1.300 Euro netto monatlich, 2 Kinder, kein Vermögen) hat der Bf nichts entgegengesetzt.

Aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichts deutet insbesondere die Darlegung der Ml, sie hätte den Bf wegen der 2. Übertretung ermahnt, darauf hin, dass der Unrechtsgehalt der Übertretung von ihr als gering angesehen wurde, eben wegen des geringen Verkehrsaufkommens um diese Zeit, weil, wie sie selbst bestätigt, keinerlei Gefahr bestanden hat und wegen der eher kurzen Strecke auf den Pannenstreifen. Allerdings ist auch dem Bf nicht zu widersprechen, wenn er darauf verweist, er sei von Beruf Lkw-Fahrer und mache seine Arbeit ordentlich, er habe ohnehin wegen des vergessenen Reisepasses eine Strafe bezahlt.

Zu bedenken ist auch, dass sich der Bf durch das Befahren des Pannenstreifens keinen Vorteil (zB Vorbeifahren an einer stehenden Kolonne bis zur nächsten Ausfahrt uä) verschaffen konnte/wollte, sondern offenbar tatsächlich nur aus Unachtsamkeit hinübergeraten ist, wobei der Pannenstreifen völlig frei war, sodass die Übertretung keinerlei Folgen nach sich zog.   

Auf dieser Grundlage war die Herabsetzung der Strafe im Punkt 1) sowie (mit Rücksicht auf spezialpräventive Überlegungen) der Ausspruch einer Ermahnung im Punkt 2) gerade noch gerechtfertigt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG fallen für das Beschwerdeverfahren keine Kosten an.  

 

Zu III.:

Eine ordentliche Revision des Bf wegen Verletzung in Rechten (Art.133 Abs.6 Z1 B-VG) ist gemäß § 25a Abs.4 VwGG nicht zulässig, weil eine Verwaltungs­strafsache vorliegt, in der 1. eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde.

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Bissenberger