LVwG-350037/2/GS/TK/JW

Linz, 15.05.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag.a Gabriele Saxinger über die Beschwerde des Herrn x, vertreten durch Frau x, vom 9. Februar 2014, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 29.1.2014, GZ. SH20-785, betreffend Vorschreibung eines Kostenbeitrages gemäß § 20 des Landesgesetzes betreffend die Chancengleichheit von Menschen mit Beeinträchtigungen (Oö. ChG),

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und festgestellt, dass Herr x für die Dauer der mit Bescheid vom 29.1.2014 gewährten Hauptleistung Wohnen in einem Wohnheim gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 Oö. ChG keinen Beitrag nach § 20 Oö. ChG ( in V.m. § 2 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung) zu leisten hat.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

 

I.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 29.1.2014, GZ. SH20-785, wurde Herrn x für die Dauer der mit Bescheid vom 29.1.2014 gewährten Hauptleistung Wohnen in einem Wohnheim gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 Oö. ChG folgender Beitrag vorgeschrieben: 80 % des Einkommens (des Unterhaltes). Das sind derzeit monatlich 720 Euro.

 

Als Begründung wurde ausgeführt, dass mit Bescheid vom 29.1.2014, SH20-785, Herrn x die Hauptleistung Wohnen in einem Wohnheim gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 Oö. ChG im Wohnhaus x gewährt worden wäre. Die vom Land Oberösterreich zu tragenden Kosten der gewährten Maßnahmen betragen derzeit rd. 161,35 Euro je Tag. Zu den Kosten der gewährten Leistung wären von Menschen mit Beeinträchtigungen das Einkommen sowie das bezogene Pflegegeld oder sonstige pflegebezogene Leistungen als Beitrag heranzuziehen. Herr x beziehe Einkommen aus Unterhalt. Der Betrag errechne sich daher wie folgt: 80 % des Einkommens (des Unterhalts).

 

I.2. In der von x, vertreten durch seine x, rechtzeitig eingebrachten Beschwerde vom 9.2.2014 wird begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass der angeführte Einbehalt von 80 % des Einkommens, in diesem Falle der Alimente des Vaters, in dieser Art und Weise bei keinem Gespräch angeführt und dargelegt worden wäre. Die Alimente würden für die Weiterentwicklung von x verwendet werden, um ihn auch außerhalb der schulischen und gesetzlich vorgeschriebenen Weiterbildung zu unterstützen und zu fördern. Die Berufung auf den § 12 und den damit verbundenen § 20 des Oö. ChG weise auch auf die wirtschaftliche Existenz und Entwicklungsmöglichkeit hin, die im Falle von x auch in seinem familiären Umfeld sehr wichtig sei. Daher sei auch dieses aufrecht zu erhalten und die damit verbundenen Kosten zu berücksichtigen. Bei einem Aufenthalt von Freitag bis Montag im elterlichen Hause, sowie während des kompletten Urlaubszeitraumes und der gesetzlichen Feiertage ergebe sich schon rein rechnerisch ein Zeitraum von ca. 190 Tagen und damit knappen 52 %, die x zuhause verbringe und somit auch entsprechende Kosten anfielen, bzw. in x nicht anfielen. Es werde daher keine Notwendigkeit gesehen, die vom Vater bezahlten Alimente in der Höhe von 80 % abzutreten.

 

I.3. Der Bezirkshauptmann von Freistadt hat die Beschwerde samt bezug-habendem Verwaltungsakt mit Schreiben vom 7.3.2014 dem O.ö. Landesver-waltungsgericht vorgelegt.

 

I.4. Das oö. LVwG hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG unterbleiben, zumal sich der entscheidungswesentliche Sachver-halt aus dem Verfahrensakt ergibt und zudem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt wurde.

 

I.5. Das Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:   

 

Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 29.1.2014, GZ. SH20-785, wurde Herrn x die Hauptleistung Wohnen in einem Wohnheim gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 Oö. ChG im Wohnhaus x gewährt.

 

Herr x erhält von seinem Vater Unterhalt in Form von Geldleistungen.

 

II. Beweiswürdigung:

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem Beschwerdevorbringen und ist in dieser Form unbestritten.

 

Die Frage, ob der Herrn x zukommende Unterhalt in Form von Geldleistungen für die Vorschreibung eines Kostenbeitrages gemäß § 20 Oö. ChG herangezogen werden darf, ist eine Rechtsfrage und somit im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu behandeln.

 

III. Rechtslage:

 

§ 20 Oö. ChG regelt unter der Überschrift „Beiträge und beitragspflichtige Personen“ Folgendes:

(1)        Der Mensch mit Beeinträchtigungen und seine Ehegattin oder sein Ehegatte oder seine Lebensgefährtin oder sein Lebensgefährte haben bei der Gewährung von Hauptleistungen nach § 8 Abs. 1 sowie von subsidiären Mindesteinkommen nach § 16 Abs. 1 nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen beizutragen, es sei denn, dies würde im Einzelfall die wirtschaftliche Existenz oder Entwicklungsmöglichkeit gefährden und zu besonderen Härten führen.

 

(2)        Als Beitrag gemäß Abs. 1 können insbesondere herangezogen werden:

 

1.   das Einkommen sowie das verwertbare Vermögen des Menschen mit Beeinträchtigungen nach Abs. 3 und 5;

2.   die Verfolgung von Ansprüchen gegen Dritte, bei deren Erfüllung die Leistung nach diesem Landesgesetz nicht oder nicht in diesem Ausmaß erforderlich wäre, sofern die Rechtsverfolgung nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar ist;

 

(3)        Hat der Mensch mit Beeinträchtigungen Vermögen, dessen Verwertung vorerst nicht möglich oder nicht zumutbar ist, kann bereits anlässlich der Leistungsgewährung der Ersatzanspruch sichergestellt werden.

 

(4)        ...

 

(5)        Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Vorschriften über die Beiträge nach Abs. 2 Z 1 und 3 zu erlassen. Dieser Verordnung hat insbesondere zu regeln:

 

1.        welches Einkommen von Menschen mit Beeinträchtigungen in welcher Höhe zu berücksichtigen ist;

2.        in welchem Ausmaß das Vermögen von Menschen mit Beeinträchtigungen zu berücksichtigen ist;

Bei der Erlassung der Verordnung ist auf die Ziele dieses Landesgesetzes Bedacht zu nehmen. In dieser Verordnung können weiters nähere Bestimmungen über die Gefährdung der Existenz und Entwicklungs-möglichkeiten sowie besondere Härten erlassen werden.

 

Mit der Oö. ChG – Beitrags- und Richtsatzverordnung kam die oö. Landesregierung der Ermächtigung des § 20 Abs. 5 Oö. ChG 2008 nach und erließ Bestimmungen zu den Beiträgen zu den Leistungen nach dem Oö. ChG 2008. § 1 dieser Verordnung regelt unter der Überschrift „Allgemeines, Beiträge zu den Leistungen“ Folgendes:

 

(1)        Der Mensch mit Beeinträchtigungen hat bei der Gewährung von Haupt-leistungen nach § 8 Abs. 1 Oö. ChG mit seinem Einkommen und verwertbarem Vermögen zu den Leistungen beizutragen.

 

(3)        Solange verwertbares Vermögen vorhanden ist, ist daraus – vorbehaltlich der in den folgenden Bestimmungen festgelegten Freibetragsgrenzen – der Beitrag zu leisten, höchstens jedoch bis zu den tatsächlich entstanden Kosten.

 

(4)        Solange Einkommen vorhanden ist, ist daraus – vorbehaltlich der in den folgenden Bestimmungen festgelegten Freibetragsgrenzen – der Beitrag zu leisten, höchstens jedoch bis zu den tatsächlich entstandenen Kosten.

 

(5)        Beträgt das monatliche Einkommen des Menschen mit Beeinträchtigungen, dem eine Hauptleistung nach § 9, 10, 11, 12 Abs. 2 Z 1, 13 oder 14 Oö. ChG gewährt wurde, mehr als 1.000 Euro, so ist der diesen Betrag übersteigende Differenzbetrag als laufender monatlicher Beitrag aus dem Einkommen zu entrichten (höchstens jedoch bis zu den tatsächlich entstandenen Kosten). Lebt der Mensch mit Beeinträchtigung in einer privaten Wohnform, erhöht sich dieser Betrag auf 1.500 Euro.

 

(6)        Wenn kein oder kein kostendeckender Beitrag gemäß Abs. 1 bis 5 möglich ist, sind die Beiträge nach den §§ 5 ff zu leisten.

 

§ 2 der genannten Verordnung regelt unter der Überschrift „Einkommen nach
§ 20 Abs. 5 Z 1 und Z 3 Oö. ChG, Freibeträge“ wie folgt:

 

(1)        Einkommen ist die Summe aller Einkünfte in Geld oder Geldeswert.

 

(2)        Zum Einkommen zählen jedenfalls, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, folgende Einkünfte:

...

     4. Alle steuerfrei belassenen, regelmäßigen Einkünfte zur Deckung des Unterhalts, die aufgrund eines Rechtsanspruchs oder tatsächlich gewährt werden. Ausgenommen sind Leistungen aus dem Grund einer Behinderung, pflegegeldbezogene Geldleistungen, und soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, die Familienbeihilfe und Unterhaltsleistungen für Kinder, ...

 

(4)        Das Einkommen ist nachzuweisen

...

     6.Für allfällige Einkünfte aus Unterhaltsansprüchen durch entsprechende Unterlagen (wie z.B. Unterhaltsklage, Scheidungsurteil). Zur Prüfung des Einkommens können weitere Nachweise oder Erklärungen beigebracht und verlangt werden.

 

(5)   Vom ermittelten Einkommen sind gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen in Abzug zu bringen.

 

In § 11 Abs. 2 Z 1 der genannten Verordnung wird unter der Überschrift „Beitrag zum Wohnen gemäß § 12 Oö. ChG“ geregelt:

Wird einem Menschen mit Beeinträchtigungen die Maßnahme des Wohnens in einem Wohnheim oder die Maßnahme Kurzzeitwohnens gewährt, errechnet sich der Beitrag wie folgt: Einkommen des Menschen mit Beeinträchtigungen gemäß § 2, wobei hievon 20 % sowie die Sonderzahlungen (13. Und 14. Monatsbezug) unberücksichtigt bleiben, sowie ...

 

IV.Rechtliche Erwägungen:

 

Die Oö. ChG – Beitrags- und Richtsatzverordnung enthält – entsprechend § 20 Abs. 1 Oö. ChG – den Grundsatz, dass bei der Gewährung von Hauptleistungen Beiträge aus dem Einkommen und verwertbarem Vermögen zu leisten sind (§ 1 Abs. 1 leg.cit.).

§ 2 Abs. 2 Oö. ChG-Beitrags- und Richtsatzverordnung bestimmt, welche Einkünfte zum Einkommen zu zählen sind. Dabei normiert Z 4 leg.cit., dass alle steuerfrei belassenen, regelmäßigen Einkünfte zur Deckung des Unterhalts, die aufgrund eines Rechtsanspruches oder tatsächlich gewährt werden, als Einkommen gelten. Dezidiert ausgenommen sind jedoch u.a., soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, die Familienbeihilfe und Unterhaltsleistungen für Kinder.

 

Im Folgenden verweist § 11 leg.cit hinsichtlich der Beiträge zu der Hauptleistung „Wohnen“ auf den Einkommensbegriff gemäß § 2. Hinsichtlich der Ausnahme der Unterhaltsleistungen für Kinder vom Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 2
Oö. ChG wurde somit in der Verordnung keine anderslautenden Bestimmungen getroffen. Die Ausnahme der Unterhaltsleistungen für Kinder vom Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 2 Oö. ChG-VO gilt somit generell hinsichtlich einer Bestimmung der Beiträge zur Hauptleistung „Wohnen“.

 

Dass es sich beim Begriff „Unterhaltsleistungen für Kinder“ um die gesetzlichen Unterhaltsleistungen handelt, die das jeweilige Kind erhält, geht aus dem gesetzlichen Regelungszusammenhang hervor. Die vom Einkommensbegriff ausgenommenen „Unterhaltsleistungen für Kinder“ sind nämlich im § 2 der genannten Verordnung unter der Überschrift „Einkommen nach § 20 Abs. 5 Z 1 und Z 3 Oö. ChG, Freibeträge“ geregelt.

Abs. 2 leg.cit. zählt danach prinzipiell die Einkünfte des Menschen mit Beeinträchtigungen auf, die zum Einkommen zu zählen sind. Folglich können unter der Ausnahme „Unterhaltsleistungen für Kinder“ von den Einkünften nur die dem Kind überwiesenen und ihm zustehenden Alimentationszahlungen gemeint sein.

Im Gegensatz wird diesbezüglich auf § 2 Abs. 5 der genannten Verordnung verwiesen, der ausdrücklich von den „gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen“ spricht, die vom ermittelten Einkommen in Abzug zu bringen sind. Hier wird sprachlich ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass es sich um den Unterhaltsbetrag handelt, der von Menschen mit Beeinträchtigungen an jemand anderen (den Unterhaltsberechtigten) zu leisten ist.

 

Solange Herr x daher Anspruch auf einen Unterhalt von seinem Vater hat oder ihm ein solcher tatsächlich gewährt wird, darf diese Unterhaltsleistung aufgrund der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 2 Z 4 Oö. ChG Beitrags- und Richt-satzverordnung nicht als Einkommen des Menschen mit Beeinträchtigungen bei der Gewährung von Hauptleistungen nach § 8 Abs. 1 Oö. ChG berücksichtigt werden.

Hinsichtlich der Dauer der Unterhaltsleistungen wird bemerkt, dass diese an kein bestimmtes Alter des Kindes gebunden sind. Eltern müssen bis zur Selbst-erhaltungsfähigkeit des Kindes Unterhalt leisten.

 

Da auch die Berechnungsformel des § 11 Oö. ChG-Beitrags- und Richt-satzverordnung auf das Einkommen gemäß § 2 leg.cit. abstellt, wurde der Beitrag zum Wohnen gemäß § 12 Oö. ChG dem Beschwerdeführer zu Unrecht vorgeschrieben.

 

V. Ergebnis:

 

Der Beschwerde musste Folge gegeben werden, da „Unterhaltsleistungen für Kinder“ vom Einkommensbegriff im Sinne des § 2 Abs. 2 Oö. ChG – Beitrags- und Richtsatzverordnung explizit ausgenommen sind und hinsichtlich der Hauptleistung „Wohnen“ in § 11 leg.cit. keine anderslautende Bestimmung getroffen wurde und § 11 leg.cit bei der Berechnung eines Beitrages zu dieser Hauptleistung auch vom Einkommensbegriff gemäß § 2 leg.cit ausgeht.

 

 

VI. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine solche Rechtsprechung  des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Gabriele Saxinger

Beachte:

Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH vom 26. April 2017, Zl.: Ra 2015/10/0052-3