LVwG-400039/2/ER/HUE/SH

Linz, 18.06.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde des X, vertreten durch Rechtsanwälte Mag. Dr. X und Mag. Dr. X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom
16. April 2014, Zl VerkR96-5116-2013, wegen einer Übertretung des Bundestraßen-Mautgesetzes 2002

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern stattgegeben, als die Ersatzfreiheitsstrafe mit 17 Stunden festgesetzt wird. Ansonsten wird die Beschwerde abgewiesen und der bekämpfte Bescheid bestätigt.

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land  (im Folgenden: belangte Behörde) vom 16. April 2014, Zl VerkR96-5116-2013, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 1 BStMG, welche mit Strafverfügung vom 12. Februar 2013 eingeleitet wurde, eine Geldstrafe von 150 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von
34 Stunden verhängt, weil er als Lenker des Kfz mit dem behördlichen Kennzeichen X am 25. Oktober 2012, 12.51 Uhr, die A1 bei km 172.020 benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliege, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten sei. Es sei am Fahrzeug keine gültige Mautvignette angebracht gewesen.

 

Begründend führte die belangte Behörde dazu Folgendes aus:

"Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgende Sachverhalt fest:

Sie haben am 25.10.2012 um 12.51 Uhr das KFZ mit dem amtl. Kennzeichen X auf der A1 bei Strkm. 172.020 in der Gemeinde Ansfelden, Mautabschnitt, Richtungsfahrbahn: Staatsgrenze Walserberg gelenkt, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, da die Jahresvignette nicht ordnungsgemäß an der Windschutzscheibe des Fahrzeuges angebracht war.

Da der schriftlichen Aufforderung der X vom 07.12.2012 zur Zahlung der Ersatzmaut gem. § 19 Abs. 4 BStMG 2002 keine Folge geleistet wurde, erstattete die X nach Ablauf der Frist Anzeige.

Gegen die Strafverfügung der hs. Verwaltungsbehörde vom 12.02.2013 haben Sie durch Ihren rechtsfreundlichen Vertreter Einspruch erhoben und gleichzeitig Akteneinsicht beantragt.

Am 11.04.2013 wurde dazu von Ihrem rechtsfreundlichen Vertreter eine Stellungnahme abgegeben, in der Sie angeben die Vignette ordnungsgemäß geklebt zu haben und wurden dazu angefertigte Lichtbilder vorgelegt.

Die Stellungnahme der X vom 26.05.2013 bestätigt den Anzeigeninhalt und erweist sich die zur Last gelegte Übertretung als bewiesen.

 

 

Rechtliche Grundlage:

[…]

Wie der Behörde im Zuge einer Anzeige mitgeteilt wurde, benützten Sie das Kraftfahrzeug (Personenkraftwagen mit dem Kennzeichen X) am 25.10.2012 um 12.51 Uhr in der Gemeinde Ansfelden auf der A1 (Autobahn-Freiland), bei Strkm. 172.020, Richtung Staatsgrenze Walserberg.

Es handelt sich beim gegenständlichen Personenkraftwagen um ein mehrspuriges Kraftfahrzeug, dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt. Am Fahrzeug war die Vignette nicht ordnungsgemäß angebracht. Deshalb wurde die zeitabhängige Maut nicht entrichtet. Dies wurde von der X unter Zl. 770162012102512515458 angezeigt.

[…]

Sie hätten dafür sorgen müssen, dass eine gültige, von der Trägerfolie vollständig abgelöste der Fahrzeugkategorie entsprechende Vignette ordnungsgemäß angebracht ist.

Nach Angaben der X wurden Sie am 07.12.2012 schriftlich zur Zahlung der Ersatzmaut aufgefordert. Der Aufforderung wurde keine Folge geleistet.

Unbestritten ist, dass die Vignette am Fahrzeug nicht ordnungsgemäß angebracht war. Da die vorgeschriebene Maut weder durch ordnungsgemäße Anbringung einer der Fahrzeugkategorie entsprechenden gültigen Vignette vor der Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes, noch im Wege der Zahlung der Ersatzmaut erfolgte, haben Sie den objektiven Tatbestand zweifelsfrei verwirklicht.

[…]

Bezüglich Ihres Verschuldens haben Sie im Ermittlungsverfahren vorgebracht, dass Sie die Vignette an der Windschutzscheibe angebracht hätten. Als Nachweis dafür haben Sie dazu angefertigte Lichtbilder übermittelt.

Tatsache ist jedoch, dass an dem von Ihnen gelenkten Fahrzeug die Vignette nicht ordnungsgemäß angebracht war. Dies ist auf den Beweisfotos der X als auch auf den Lichtbildern, die von Ihnen eingebracht wurden, deutlich ersichtlich.

Aufgrund des vorliegenden Ermittlungsergebnisses erscheint es für die Behörde zweifelsfrei erwiesen, dass Sie im konkreten Fall die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung begangen haben und Ihnen die Tat in objektiver und – da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen ist.

Strafbemessung:

[…]

Strafmildernd war Ihre Unbescholtenheit im hs. Verwaltungsbezirk zu werten. Zudem wurde die Tatsache, dass Sie nachweislich eine Vignette gekauft haben, strafmildernd gewertet.

Aufgrund dieser Tatsachen und deren Wertung gelangt die Behörde zu der Auffassung, die Strafe auf das im Spruch angeführte Ausmaß herabzusetzen, zumal auch keine straferschwerenden Umstände bekannt waren.

Die gegen Sie verhängte Strafe erscheint als tat- und schuldangemessen und geeignet, Sie in Hinkunft von gleichartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

[…]"

 

I.2. Gegen diesen am 22. April 2014 zugestellten Bescheid richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Bf vom 19. Mai 2014, in welcher das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach angefochten, dessen Aufhebung und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Erteilung einer förmlichen Ermahnung, beantragt wird. Begründend wird vorgebracht, dass der Bf keine Kenntnis davon gehabt habe, dass sich ein Teil der "Beschichtung" beim Aufkleben durch seine Gattin abgelöst habe und auf der Trägerfolie verblieben sei. Ein Verschulden des Bf liege deshalb nicht vor. Aus der vorgelegten Trägerfolie sei ersichtlich, dass ein Umkleben der Vignette auf ein anderes Fahrzeug nicht stattgefunden habe, da auf der Trägerfolie Teile der Vignette haften geblieben seien. Der Bf habe keinesfalls damit gerechnet, dass das Ablösen von der Trägerfolie nicht vollständig funktioniere. Es sei auch der Gattin beim Aufkleben nicht aufgefallen. Dem Bf könne deshalb auch fahrlässiges Fehlverhalten nicht angelastet werden. Aufgrund der konkreten Umstände dieses Einzelfalls sei es zielführend, dem Bf anstelle einer Bestrafung eine förmliche Ermahnung zu erteilen.

 

I.3. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den mit Schreiben vom 22. Mai 2014 unter gleichzeitiger Vorlage der Beschwerde übermittelten Verfahrensakt.

 

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG abgesehen werden, zumal im angefochtenen Bescheid keine
500 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat.

 

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.

 

I.4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem   S a c h v e r h a l t   aus:

 

Der Bf hat am 25. Oktober 2012 um 12.51 Uhr auf dem mautpflichtigen Straßennetz, nämlich der A1 auf der Richtungsfahrbahn Staatsgrenze Walserberg bei Straßenkilometer 172.020 das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen X gelenkt, wobei am verfahrensgegenständlichen Fahrzeug die Mautvignette nicht ordnungsgemäß angebracht war.

 

Die (von der Gattin des Bf) angebrachte Mautvignette wies an den Längsseiten teilweise den Schriftzug „ungültig“ auf, der Aufdruck "B 12" war teilweise abgelöst und das auf der Vorderseite der Trägerfolie aufgedruckte "X" war auf der Vignette großteils abgebildet.

Die diesen Ablösungen und Beschädigungen entsprechenden Vignettenrückstände sind auf der Vorderseite der Trägerfolie der Vignette verblieben und dort ertast- und erfühlbar und spiegelverkehrt lesbar. Auch die Rückstände des auf der Vorderseite der Trägerfolie aufgedruckten „X“ sind entsprechend den auf der Vignette – spiegelverkehrt – anhaftenden Ablösungen auf der Vorderseite der Trägerfolie verblieben.

Die Beschädigungen der Vignette entsprechen den Rückständen auf der Vorderseite der Trägerfolie zur Gänze.

 

Die Beschädigungen der Vignette sind mit einem automatischen Überwachungssystem festgestellt worden. Der Zulassungsbesitzer wurde am 7. Dezember 2012 schriftlich zur Zahlung der Ersatzmaut aufgefordert. Dieser Aufforderung ist nicht entsprochen worden.

 

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den darin befindlichen Beweisfotos der X und wird vom Bf nicht bestritten. Vielmehr bestätigt der Bf die unter I.4. beschriebenen Beschädigungen durch die Vorlage eigener Fotoaufnahmen von Vignette und Trägerfolie. Die Trägerfolie wurde der belangten Behörde zusätzlich auch im Original übermittelt. Auf der Vorderseite dieser Trägerfolie sind die entsprechenden Vignettenrückstände eindeutig erkenn- und auch mit den Fingern ertastbar und spiegelverkehrt lesbar.

 

 

III. Gemäß § 10 Abs. 1 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG) unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette zu entrichten.

 

Punkt 7.1 der Mautordnung besagt u.a., dass auf jedem mautpflichtigen Kraftfahrzeug vor Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes eine gültige, der jeweiligen Fahrzeugkategorie entsprechende Vignette ordnungsgemäß (unter Verwendung des originären Vignettenklebers) anzubringen ist. Jede andere Art der Anbringung [z.B. durch (zusätzliche) Klebestreifen, andere Arten von Fixierungen oder ein Überkleben der Vignette mit einer zusätzlichen Schutzfolie] ist nicht gestattet, verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung und verwirklicht den Tatbestand der Mautprellerei.

 

Die Vignette für mehrspurige Fahrzeuge ist – nach vollständigem Ablösen von der Trägerfolie – unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar ist (z.B. kein Ankleben hinter einem dunklen Tönungsstreifen). Bei Nichtbeachtung der Anbringungsvorschriften (z.B. nicht vollständiges Ablösen von der Trägerfolie oder nicht vollständige Anbringung der Vignette) wird der Tatbestand der Mautprellerei verwirklicht. Das Ablösen und Umkleben einer bereits geklebten gültigen Vignette, jede andere als in der Mautordnung zugelassene Mehrfachverwendung der Vignette oder eine chemische oder auch technische Manipulation des originären Vignettenklebers derart, dass bei Ablösen der Vignette deren Selbstzerstörungseffekt verhindert wird, ist unzulässig und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung.

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis zu 3.000 Euro zu bestrafen.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 250 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 zu keiner Betretung, so ist die X ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs. 4).

Subjektive Rechte des Lenkers und des Zulassungsbesitzers auf mündliche oder schriftliche Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut bestehen nicht
(Abs. 6).

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1. Zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt war eine Jahresvignette auf der Windschutzscheibe des Kfz des Bf angebracht, welche – entgegen den Anbringungsvorschriften von Punkt 7.1 der Mautordnung – Beschädigungen aufgewiesen hat: So ist auf den X-Beweisfotos zur Tatzeit klar erkennbar, dass die Vignette an den Längsseiten teilweise den Schriftzug „ungültig“ aufweist, der Aufdruck "B 12" teilweise abgelöst und das auf der Trägerfolie aufgedruckte "X" großteils abgebildet war. Dies wird durch die vom Bf vorgelegten Fotoaufnahmen der gegenständlichen Vignette und Trägerfolie  zusätzlich belegt. Die Trägerfolie wurde zudem im Original vorgelegt. Auf dieser Trägerfolie sind die entsprechenden Vignettenrückstände eindeutig erkenn- und auch mit den Fingern ertastbar.

 

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass weite Teile des auf der Trägerfolie aufgedruckten "X" bestehend aus dem Satz "Abziehen und aufkleben" bzw. der englischsprachigen Übersetzung auf der aufgeklebten Vignette nicht nur spiegelverkehrt sondern überhaupt abgebildet sind (vgl das vom Bf vorgelegte Foto). Daraus ergibt sich zwingend, dass die Vignette zunächst – entsprechend den Anwendungsanweisungen auf der Rückseite der Vignette – aus der ersichtlichen Stanzung (Ausnehmung) von der Rückseite der Trägerfolie abgezogen und daraufhin nicht – wie vorgeschrieben – unmittelbar auf die Windschutzscheibe des Kfz, sondern zunächst auf die transparente Vorderseite der Trägerfolie mit der Klebefläche nach unten aufgeklebt wurde, wie auch die X in ihrer Stellungnahme vom 12. September 2013 festgestellt hat. Anders ist nicht nachvollziehbar, weshalb das auf der transparenten Vorderseite der Trägerfolie außen aufgedruckte (und mit den Fingern zusätzlich fühlbare) "X" mit der Klebefläche der Vignette überhaupt in Berührung kommen konnte, zumal dieses „X“ ausschließlich auf der Vorderseite der Vignette angebracht ist und bei ordnungsgemäßem Umgang mit der Klebefläche nicht in Berührung kommen kann. Zusätzlich bewiesen wird diese Handhabung dadurch, dass die zahlreichen Rückstände der Vignette auf der transparenten Vorderseite der Trägerfolie fühl- und sichtbar und wiederum spiegelverkehrt aufscheinen.

In weiterer Folge wurde offensichtlich die Vignette von der transparenten Vorderseite der Trägerfolie wieder abgezogen und anschließend auf die Windschutzscheibe des Kfz aufgeklebt, wobei die beschriebenen Vignettenrückstände auf der Vorderseite der Trägerfolie verblieben sind und sich Teile des auf der Vorderseite aufgedruckten „X“ auf die Vignette übertragen haben.

Dass im vorliegenden Fall ein Produktionsfehler vorliegen könnte, hat die X in ihrer Stellungnahme vom 12. September 2013 glaubhaft widerlegt, indem sie anführte, dass in solchen Fällen – je nach Produktionscharge – mehrere tausend bis hunderttausend Vignetten betroffen wären. Es sei daher unmöglich, dass nur eine einzige Vignette einen Fabrikationsfehler aufweist, die restlichen der selben Produktionscharge aber nicht. Darüber hinaus fänden regelmäßige Überprüfungen der Produktion statt, es habe bislang keine Beanstandungen gegeben.

 

Die auf das verfahrensgegenständliche KFZ aufgebrachte Vignette war zweifelsfrei beschädigt und damit ungültig.

 

Der Bf hat somit das ihm vorgeworfene Delikt in objektiver Hinsicht verwirklicht.

 

Der schriftlichen Aufforderung vom 7. Dezember 2012 zur Zahlung der Ersatzmaut wurde nicht entsprochen.

 

IV.2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

§ 5 Abs. 1 S 2 VStG ordnet der Sache nach an, dass bei fahrlässigen Ungehor-samsdelikten der Verstoß gegen den entsprechenden verwaltungsstrafrechtlichen Rechtsbefehl grundsätzlich Fahrlässigkeit indiziert; der Täter muss diesfalls glaubhaft machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift „kein Verschulden trifft“ (Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 5 Rz 5).

 

Bei der Bestimmung des § 20 Abs. 1 BStMG handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG.

 

Zur Entkräftung der gesetzlichen Vermutung seines fahrlässigen Handelns hätte der Bf im Sinne der stRsp des Verwaltungsgerichtshofs initiativ alles darzulegen gehabt, was für seine Entlastung spricht.

Der Bf gab in seiner Beschwerde an, er habe sich darauf verlassen, dass seine Gattin die Vignette ordnungsgemäß anbringt. Auch dieser wären die Beschädigungen der Vignette beim Aufkleben auf die Windschutzscheibe nicht aufgefallen.

 

Damit ist dem Bf nicht gelungen, iSd § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Vielmehr geht daraus hervor, dass sich der Bf vor Befahren der Mautstrecke nicht vergewissert hat, dass am Fahrzeug eine gültige Vignette angebracht ist.

 

Es bleibt ohne weitere rechtliche Relevanz, durch welche Person bzw. durch welchen Vorgang die Rückstände der gegenständlichen Vignette auf die transparente Vorderseite der Trägerfolie gelangt sind, da ein Lenker eines PKW vor Befahren einer Mautstrecke das Vorhandensein einer gültigen Vignette überprüfen muss.

 

Da es der Bf verabsäumt hat, die Gültigkeit der aufgeklebten Vignette vor Befahren einer Mautstrecke zu überprüfen, ist von Fahrlässigkeit auszugehen.

 

Einen Rechtsirrtum iSd § 5 Abs. 2 VStG hat der Bf nicht geltend gemacht.

 

Da keine Entschuldigungsgründe vorliegen, ist dem Bf die Tat daher auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen.

 

IV.3. Die Anwendung der Bestimmung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG (Absehen von der Fortführung des Strafverfahrens/Erteilung einer Ermahnung) setzt voraus, dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Identität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Diese Voraussetzungen haben kumulativ vorzuliegen. Da jedoch die nicht ordnungsgemäße Entrichtung der zeitabhängigen Maut vor Benutzen einer Mautstrecke mit einer erheblichen Tatfolge gleichzusetzen ist, war eine Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ausgeschlossen.

 

IV.4. Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass im angefochtenen Straferkenntnis aufgrund der Unbescholtenheit des Bf und der Tatsache, dass eine Vignette gekauft wurde, vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 VStG (ao Milderungsrecht) ausgegangen und die gesetzliche Mindestgeldstrafe um die Hälfte unterschritten wurde. Bei Unterschreiten der Mindestgeldstrafe gem. § 20 VStG ist jedoch auch die Ersatzfreiheitsstrafe um dasselbe Ausmaß zu reduzieren.

 

V. Im Ergebnis war daher der Beschwerde insofern stattzugeben, als die Ersatzfreiheitsstrafe mit 17 Stunden festzusetzen war. Der bekämpfte Bescheid war ansonsten jedoch zu bestätigen, da dem Bf die Tat sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen und die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG ausgeschlossen war. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bf zusätzlich zu den vorgeschriebenen Verfahrenskosten (§ 64 VStG) der Erstbehörde gem. §52 Abs. 8 VwGVG kein weiterer Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht vorzuschreiben.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. R e i t t e r