LVwG-700050/2/Gf/Rt

Linz, 20.06.2014

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des B, vertreten durch RA Mag. S, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 28. April 2014, Zl. Pol96-2013, wegen einer Übertretung des Oberösterreichischen Polizeistrafgesetzes

 

 

z u   R e c h t   e r k a n n t:

 

 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG i.V.m. § 38 VwGVG und i.V.m. § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG dahin stattgegeben, dass von der Verhängung einer Geldstrafe abgesehen und stattdessen bloß eine Ermahnung erteilt wird; im Übrigen wird diese hingegen als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerdeführer hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde (§ 66 Abs. 1 VStG analog) noch ein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwal-tungsgericht des Landes Oberösterreich (§ 52 Abs. 9 VwGVG) zu leisten.

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.

 

 

 

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 28. April 2014, Zl. Pol96-2013, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 60 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) verhängt, weil er am 13. Oktober 2013 auf einem offen einsehbaren Parkplatz in L uriniert habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 1 Abs. 1 und 2 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr. 36/1979 in der hier maßgeblichen Fassung LGBl.Nr. 4/2013 (im Folgenden: OöPolStG), begangen, weshalb er nach § 10 Abs. 1 lit. a OöPolStG zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die ihm angelastete Tat auf Grund entsprechender Feststellungen der einschreitenden Exekutivorgane als zweifelsfrei erwiesen anzusehen sei. Insbesondere treffe es nicht zu, dass es sich beim verfahrensgegenständlichen Ort bloß um einen abgelegenen Parkplatz gehandelt habe; vielmehr sei der Rechtsmittelwerber jedenfalls für sämtliche passierende Verkehrsteilnehmer schon von weitem wahrnehmbar gewesen.

 

Im Zuge der Strafbemessung sei seine bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien.

 

2. Gegen dieses ihm am 7. Mai 2014 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 3. Juni 2014 – und damit rechtzeitig – per e-mail eingebrachte Beschwerde.

 

Darin wird neuerlich darauf hingewiesen, dass der Rechtsmittelwerber die Tat an einem Sonntagnachmittag auf einem völlig verwaisten Firmengelände begangen und der Parkplatz zum Tatzeitpunkt von keiner anderen Person benutzt worden sei. Außerdem habe er sich zwischen seinem PKW, dessen Türe geöffnet gewesen sei, und einem Baum befunden, sodass das Verrichten der Notdurft von der vorbeiführenden Straße aus nur bei Zuhilfenahme optischer Geräte hätte wahrgenommen werden können; im Übrigen hätten auch die einschreitenden Beamten nicht angegeben, dass sie den Beschwerdeführer konkret beim Urinieren, sondern lediglich eine auf dem Parkplatz stehende Person, bei der sie einen entsprechenden Vorgang vermuteten, hätten beobachten können. Schließlich habe die belangte Behörde auch die Notsituation, in der sich der ortsunkundige Beschwerdeführer damals befunden habe, gänzlich außer Acht gelassen.

 

Daher wird begehrt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu, von der Verhängung einer Strafe abzusehen und stattdessen eine Ermahnung zu erteilen.

 

 

II.

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Zl. Pol96-2013; da sich bereits daraus der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, dieser im Übrigen allseits unbestritten ist und von den Verfahrensparteien auch ein entsprechender Antrag nicht gestellt wurde, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

III.

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:

 

1. Nach § 1 Abs. 1 OöPolStG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür gemäß § 10 Abs. 1 PolStG mit einer Geldstrafe bis zu  360 Euro zu bestrafen, der den öffentlichen Anstand verletzt.

 

Als Anstandsverletzung in diesem Sinne ist nach § 1 Abs. 2 OöPolStG jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

2. Im gegenständlichen Fall wird auch vom Beschwerdeführer selbst gar nicht in Abrede gestellt, dass er auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz uriniert hat.

 

Davon ausgehend kommt es aber entgegen seiner Auffassung nicht darauf an, ob dieses Verhalten tatsächlich von anderen Personen wahrgenommen wurde, sondern nur darauf, ob es von solchen hätte wahrgenommen werden können; Letzteres trifft aber angesichts dessen, dass der verfahrensgegenständliche Parkplatz grundsätzlich für jedermann zugänglich und einsehbar war, zweifelsfrei zu (vgl. z.B. auch VwGH vom 15. September 2011, Zl. 2009/09/0154).

 

Dass dieses Verhalten ein solches war, das – insbesondere unter dem Aspekt, dass eine entsprechende Wahrnehmung auch durch (minderjährige) weibliche Personen hätte erfolgen können – einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet, bedarf keines weiteren Nachweises (vgl. in diesem Sinne schon VwGH vom 30. April 1992, Zl. 90/10/0039).

 

Der Rechtsmittelwerber hat sohin tatbestandsmäßig und auch schuldhaft – nämlich zumindest fahrlässig – gehandelt: Denn der Umstand, dass er sich zum Vorfallszeitpunkt in einer unausweichlichen und zudem nicht von ihm selbst verschuldeten Notlage i.S.d. § 6 VStG befunden hätte, wurde von ihm nämlich während des gesamten Verfahrens allenfalls bloß behauptet, nicht jedoch auch anhand tauglicher Nachweise (wie z.B. solcher über das Vorliegen einer entsprechender physischer oder psychischer Beeinträchtigungen [Inkontinenz o.Ä.]) konkret belegt, sodass dieses Vorbringen insgesamt besehen als unglaubwürdig zu qualifizieren ist.

 

Seine Strafbarkeit ist daher gegeben.

 

3. Allerdings ist im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen, dass das durch § 1 OöPolStG geschützte Rechtsgut – nämlich der öffentliche Anstand – durch die hier vorliegende Tat bloß in geringer Intensität beeinträchtigt wurde, da die Übertretung de facto (von den beiden einschreitenden Beamten abgesehen) von Dritten nicht wahrgenommen wurde, und das Verschulden des Rechtsmittelwerbers – indem er zumindest Vorkehrungen für einen provisorischen Sichtschutz getroffen hat (Öffnen der Fahrertüre sowie Positionierung zwischen dem abgestellten Fahrzeug und einem Baum) – bloß geringfügig war.

 

Davon ausgehend findet es das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich als in gleicher Weise tat- und schuldangemessen, unter den konkreten Umständen des gegenständlichen Falles von der Verhängung einer Geldstrafe abzusehen und stattdessen bloß eine Ermahnung zu erteilen.

 

4. Insoweit war daher der vorliegenden Beschwerde gemäß § 50 VwGVG i.V.m. § 38 VwGVG und i.V.m. § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen als unbegründet abzuweisen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Rechtsmittelwerber weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde (§ 66 Abs. 1 VStG) noch ein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich (§ 52 Abs. 9 VwGVG) vorzuschreiben.

 

 

IV.

 

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsge-richtshof unzulässig, weil im Zuge des vorliegenden Verfahrens keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. z.B. VwGH vom 26. Februar 2014, Zl. Ro 2014/04/0022).

 

Weder weicht nämlich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer diesbezüglichen höchstgerichtlichen Rechtsprechung; zudem ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.  

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall eine ordentliche Revision ausgeschlossen ist, steht den Verfahrensparteien die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 

 

LVwG-700050/2/Gf/Rt vom 20. Juni 2014

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz

 

OöPolStG §1

OöPolStG §10

VwGVG §50

VwGVG §38

VStG §6

VStG §45

 

* Im gegenständlichen Fall wird auch vom Beschwerdeführer selbst gar nicht in Abrede gestellt, dass er auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz uriniert hat. Davon ausgehend kommt es aber entgegen seiner Auffassung nicht darauf an, ob dieses Verhalten tatsächlich von anderen Personen wahrgenommen wurde, sondern nur darauf, ob es von solchen hätte wahrgenommen werden können; Letzteres trifft aber angesichts dessen, dass der verfahrensgegenständliche Parkplatz grundsätzlich für jedermann zugänglich und einsehbar war, zweifelsfrei zu (vgl. z.B. auch VwGH vom 15. September 2011, Zl. 2009/09/0154). Dass dieses Verhalten ein solches war, das – insbesondere unter dem Aspekt, dass eine entsprechende Wahrnehmung auch durch (minderjährige) weibliche Personen hätte erfolgen können – einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten bildet, bedarf keines weiteren Nachweises (vgl. in diesem Sinne schon VwGH vom 30. April 1992, Zl. 90/10/0039). Der Rechtsmittelwerber hat sohin tatbestandsmäßig und auch schuldhaft – nämlich zumindest fahrlässig – gehandelt: Denn der Umstand, dass er sich zum Vorfallszeitpunkt in einer unausweichlichen und zudem nicht von ihm selbst verschuldeten Notlage i.S.d. § 6 VStG befunden hätte, wurde von ihm nämlich während des gesamten Verfahrens allenfalls bloß behauptet, nicht jedoch auch anhand tauglicher Nachweise (wie z.B. solcher über das Vorliegen einer entsprechender physischer oder psychischer Beeinträchtigungen [Inkontinenz o.Ä.]) konkret belegt, sodass dieses Vorbringen insgesamt besehen als unglaubwürdig zu qualifizieren ist.

 

* Allerdings ist im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen, dass das durch § 1 OöPolStG geschützte Rechtsgut – nämlich der öffentliche Anstand – durch die hier vorliegende Tat bloß in geringer Intensität beeinträchtigt wurde, da die Übertretung de facto (von den beiden einschreitenden Beamten abgesehen) von Dritten nicht wahrgenommen wurde, und das Verschulden des Rechtsmittelwerbers – indem er zumindest Vorkehrungen für einen provisorischen Sichtschutz getroffen hat (Öffnen der Fahrertüre sowie Positionierung zwischen dem abgestellten Fahrzeug und einem Baum) – bloß geringfügig war. Davon ausgehend findet es das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich als in gleicher Weise tat- und schuldangemessen, unter den konkreten Umständen des gegenständlichen Falles von der Verhängung einer Geldstrafe abzusehen und stattdessen bloß eine Ermahnung zu erteilen.

 

Schlagworte:

 

Anstandsverletzung: bloße Möglichkeit des Wahrnehmens des Urinierens an einem öffentlichen Ort ausreichend; Parkplatz – öffentlich einsehbar und zugänglich; geringe Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes (öffentlicher Anstand); Minderung durch provisorische Vorkehrungen gegen eine öffentliche Wahrnehmbarkeit