LVwG-750012/4/SR/GA

Linz, 14.05.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des Herrn X, geboren am X, Staatsangehöriger von Vietnam, vertreten durch Rechtsanwalt X, X, X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 21. Oktober 2013, GZ: 1063587/FRB, mit dem über den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf 18 Monate befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum verhängt wurde,

 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs.1 VwGVG iVm §§ 52 f FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2012 wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.133 Abs.4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.              

 

1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 21. Oktober 2013, GZ: 1063587/FRB, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) gemäß § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der damals geltenden Fassung, eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum erlassen.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt Folgendes aus:

 

Aus der Aktenlage geht hervor, dass Sie am 20.02.2005 illegal nach Österreich einreisten. Am gleichen Tag stellten Sie beim Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck einen Asylantrag. Das Asylverfahren wurde am 05.05.2009 gem. §§ 7 und 8 AsylG negativ entschieden.

 

Mit Schreiben vom 26.04.2011 wurde Ihnen mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, gegen Sie eine Ausweisung zu erlassen und Sie Gelegenheit haben, dazu binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens schriftlich Stellung zu nehmen und Ihre Privat- und Familienverhältnisse darzulegen. Das Schreiben konnte Ihnen am 09.05.2011 persönlich zugestellt werden. Mit 20.05.2011 haben Sie sich in Wien, X angemeldet, weshalb der Fremdenakt mit dem offenen Verfahren zuständigkeitshalber am 23.05.2011 der damaligen Bundespolizeidirektion Wien übermittelt wurde. Mit Schreiben der BPD Wien vom 18.08.2011 wurde neuerlich ein Verfahren eingeleitet zu welchen Sie aufgefordert wurden eine Stellungnahme abzugeben. Den RSa-Brief haben Sie nicht behoben. Die BPD Wien, Polizeikommissariat Margareten hat mit Bericht vom 17.01.2012 mitgeteilt, dass erhoben werden konnte, dass Ihr damaliger Unterkunftgeber X angegeben hat, dass Sie zwar in Wien, X gemeldet waren, dort jedoch nie wohnhaft oder aufhältig gewesen wären. Am 30.07.2012 haben Sie sich wieder in X, X angemeldet.

Am 07.02.2013 erging von der Landespolizeidirektion Oberösterreich eine begründete Stellungnahme gem. § 44 b Abs. NAG, wonach fremdenpolizeiliche Maßnahmen im Sinne des Art. 8 EMRK zulässig sind.

Mit Schreiben vom 29.04.2013 wurde Ihnen mitgeteilt, dass nun beabsichtigt ist, gegen Sie eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und Sie Gelegenheit haben, dazu binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens schriftlich Stellung zu nehmen und Ihre Privat- und Familienverhältnisse darzulegen.

Der RSa-Brief wurde am 02.05.2013 am Postamt X hinterlegt, aber nicht behoben.

Am 19.06.2013, am 24.06.2013 und am 09.07.2013 langten von Ihrem nunmehrigen Rechtsvertreter Stellungnahmen ein, in welchen im Wesentlichen angegeben wurde, dass Sie seit 8 Jahren in Österreich leben würden und hier Ihren Lebensmittelpunkt hätten. Sie seien hier voll integriert. Sie seien im Jahr 2005 alleine, ohne Verwandte oder sonstige Bezugspersonen nach Österreich gelangt. Sie hätten trotz aller Schwierigkeiten die Schulbildung absolviert und positiv abgeschlossen, sie würden sohin über ausgezeichnete Deutschkenntnisse verfügen. In Vietnam hätten Sie keine Verwandte mehr. Sie hätten bisher, aufgrund des offenen bzw. abgeschlossenen Asylverfahrens leider keiner Arbeit nachgehen können. Sie hätten einen intensiven Kontakt zu Österreich aufgebaut. Ihr Lebensmittelpunkt würde Frau X, wohnhaft in X, X sein. Mit ihr würden Sie seit einem Jahr eine Lebensgemeinschaft haben. Sie würden gerne weiterhin in Österreich bleiben. Gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot würde sprechen, dass im Verfahren des Asylgerichtshofes festgestellt worden sei, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK ein höheres Interesse gelegen sei, als einer allfälligen Abschiebung. Sie würden außerdem über keine ausreichenden Dokumente verfügen. Lediglich die Verhängung einer bedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 6 Monaten, die auf einer Straftat, die im Jahr 2008 begangen wurde, basiert, würden nun offensichtlich fremdenrechtliche Maßnahmen für zulässig erklärt werden, wobei übersehen werden würde, dass eine derartige Verurteilung per se noch nicht einmal für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes ausreichen würde. Sie hätten in Österreich lediglich eine Verwandte und zwar Frau X, mit welcher Sie auch weiterhin entsprechenden Kontakt pflegen möchten. Als Beweis Ihrer Ausführung legten Sie Schulzeugnisse, Anregung einer Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen BIWAK Wohngemeinschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vom 03.07.2007 und einen Mietvertrag vor.

 

Nach Darstellung der Rechtslage nahm die belangte Behörde folgende Beurteilung vor:

 

Nachdem Sie sich nun seit etwa 8 Jahren in Österreich aufhalten, mag die Rückkehrentscheidung einen nicht unerheblichen Eingriff in Ihr Privatleben bedeuten, der allerdings nicht nur dadurch zu relativieren ist, dass dieser Aufenthalt auf Rechtsgrundlage eines offensichtlich unbegründeten Asylantrages beruht, sondern dass Sie durch Ihren Aufenthalt in Österreich, bestätigt durch eine rechtskräftige Verurteilung, die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden.

 

Es wird angeführt, dass Sie - wie eingangs erwähnt, am 20.02.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Am 15.09.2005 wurde Ihnen bzw. an Vertreter der Jugendwohlfahrt X der erste abweisende Bescheid zugestellt, gegen diesen wurde am 23.09.2005 Berufung eingebracht. Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste Ihnen bewusst gewesen sein, dass es sich bei der Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG um eine mit der Dauer des Verfahrens befristete Berechtigung handelt. Sie hätten keine rechtliche Möglichkeit gehabt, sich in Österreich aufzuhalten, wenn Sie nicht einen Asylantrag gestellt hätten.

 

Sie halten sich seit 05.05.2009 insofern rechtswidrig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf, als Ihnen seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt wurde. Auch kommt Ihnen nach der Aktenlage kein Aufenthaltsrecht aufgrund einer anderen gesetzlichen Bestimmung zu bzw. wurde von Ihnen kein derartiges behauptet.

Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheint über Sie folgende Verurteilung auf:

 

LG f Strafsachen Wien 162 HV 11/201 OS vom 20.12.2010 rk 23.12.2010, § 84 Abs. 1 u 2/2 StGB, Datum der (letzten) Tat 27.07.2008, Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre, Jugendstraftat.

 

Eine bestehende Integration in Österreich, welche von Ihnen aufgrund Ihres langjährigen Aufenthaltes untermauert wird, kann jedoch in sozialer Hinsicht, aufgrund Ihrer in Österreich begangenen Straftat nicht bestätigt werden.

 

Aus Ihrem aktuellen Versicherungsdatenauszug geht hervor, dass Sie seit 04.07.2013 selbstversichert sind. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie also derzeit nicht nach. Es kann daher von keiner beruflichen oder sozialen Verfestigung, die eine „gelungene Integration" erkennen lassen würde, gesprochen werden.

Die berufliche Integration und somit die (regelmäßige) Erwerbstätigkeit und die damit verbundene Selbsterhaltungsfähigkeit ist jedoch ein wichtiger Aspekt für die Integration. Zudem wird die Integration als stark gemindert betrachtet, wenn Sie Unterstützungszahlungen in karitativen Institutionen in Anspruch nehmen. Anzuführen ist, dass Sie vom 20.02.2005 bis 28.07.2008 durch die Grundversorgung betreut werden. Ihrem Ansuchen auf Grundversorgung wurde im Juni 2013 abgelehnt.

 

Es kam außerdem kein Sachverhalt zum Vorschein, wonach Sie sich in besonderem Maße am sozialen Leben in Österreich beteiligt bzw. engagiert hätten, sodass Sie im Falle der Rückkehrentscheidung eine nicht mehr zu schließende Lücke hinterlassen würden und es wurden auch keine entsprechenden Bescheinigungsmittel beigebracht, durch welche ein besonderer Grad der Integration in Österreich belegt werden könnten. Es wurde zwar angegeben, dass Sie mit Frau X, X geboren, eine Lebensgemeinschaft führen, doch besteht kein gemeinsamer Wohnsitz. Außerdem ist diese Beziehung jedenfalls zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem Sie sich Ihrer prekären aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst gewesen sind.

 

Sie verbrachten Ihr Leben bis zum Alter von ca. 14 Jahren in Vietnam, wurden dort sozialisiert und sprechen die Landessprache. Es ist davon auszugehen, dass in Vietnam Bezugspersonen von Ihnen in Form eines Freundschafts- und Bekanntenkreises existieren, da nichts darauf hindeutet, dass Sie vor Ihrer Ausreise in totaler Isolation gelebt hätten. Es deutet jedenfalls nichts darauf hin, dass es im Falle einer Rückkehr nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft neu zu integrieren.

Es wird nicht verkannt, dass Sie sich mittlerweile seit 8 Jahren in Österreich aufhalten, jedoch wurde - wie zuvor dargestellt - ein besonderes Maß an Integration nicht dargetan. Sie haben es auch nicht geschafft, seit dem Ende Ihres Asylverfahrens im Mai 2009 Ihren Aufenthalt in Österreich zu legalisieren.

 

Ihnen war außerdem bewusst, dass Sie ein Privatleben während dieses Zeitraumes geschaffen haben, indem Sie einen „unsicheren" Aufenthaltsstatus hatten. So durften Sie nicht von vornherein damit rechnen, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen.

 

Demzufolge musste sehr wohl bereits die am 18.05.2005 ergangene erstinstanzliche negative Entscheidung im Asylverfahren von Ihnen als eindeutiges „Indiz" bewertet werden, dass Ihr Aufenthalt in Österreich temporär begrenzt sein kann, wenngleich Sie damals auch erst etwa 14 Jahre alt waren, doch waren Sie vom Amt für Jugend und Familie vertreten und auch sicherlich dahingehend aufgeklärt und beraten worden.

 

Auch der Umstand, dass Sie die deutsche Sprache beherrschen, vermag Ihre persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich nicht maßgeblich zu verstärken.

 

Sie leben derzeit nicht mit Ihrer Lebensgefährtin, sondern, It. Mietvertrag mit Herrn X in einem Haushalt. In welcher Beziehung Sie mit Herrn X stehen, haben Sie der Behörde nicht mitgeteilt und ist daher der Behörde auch nicht bekannt.

Laut ZMR-Anfrage von heute haben Sie und Frau X verschiedene Meldeanschriften. Es besteht daher anscheinend kein gemeinsamer Wohnsitz.

Eine Lebensgemeinschaft definiert sich jedoch in Form einer Wohn-, Geschlechts- und Wirtschaftsgemeinschaft. Da in Ihrem Fall, wie bereits oben angeführt, von keinem gemeinsamen Wohnsitz ausgegangen werden kann und Sie eine entsprechende anderweitige intensive Abhängigkeit gegenseitig nicht bekannt gegeben haben, kann durch eine (allfällige) Ausweisung kein Eingriff in Ihr Familienleben erkannt werden.

Bei der Bewertung der Zulässigkeit des Eingriffs in familiäre und private Bindungen ist jedoch darauf zu achten, ob die vorhandene Bande während einer rechtmäßigen Niederlassung des Fremden begründet wurde oder nicht, und ob sich im Falle einer Unrechtmäßigkeit der Niederlassung der Fremde dieser „Unsicherheit" seines weiteren rechtlichen Schicksals bewusst sein musste.

Bereits die erstinstanzliche negative Entscheidung im Asylverfahren musste von Ihnen als eindeutiges „Indiz" betrachtet werden, dass Ihr weiterer Aufenthalt in Österreich gefährdet ist, weshalb Sie von dieser „Unsicherheit" Kenntnis hatten.

Bei der Bewertung der Zulässigkeit des Eingriffs in familiäre und private Bindungen ist jedoch darauf zu achten, ob die vorhandene Bande während einer rechtmäßigen Niederlassung des Fremden begründet wurde oder nicht, und ob sich im Falle einer Unrechtmäßigkeit der Niederlassung der Fremde dieser „Unsicherheit" seines weiteren rechtlichen Schicksals bewusst sein musste.

Die Beziehung zu Ihrer Lebensgefährtin entstand erst nach der Stellung Ihres Asylantrages. Ihnen und Ihrer Freundin musste bereits bei Beginn der Beziehung klar gewesen sein, dass Ihr gemeinsamer Verbleib in Österreich sehr unsicher ist.

Als einzige Verwandte in Österreich hätten Sie eine Tante, Frau X, X geb., welche in X, X wohnt. Diese würde Sie, wie Ihre Lebensgefährtin Frau X, finanziell unterstützen.

Es liegen somit, trotz der langen Aufenthaltsdauer und der mittlerweile erlangten Integration noch keine derart außergewöhnlichen Umstände vor, dass Ihnen ein direkt aus Art. 8 EMRK ableitbares Aufenthaltsrecht zugestanden werden müsste.

An dieser Beurteilung kann die von Ihnen ins Treffen geführte Beziehung zu Ihrer Lebensgefährtin - weil die Bindung während Ihres unsicheren Aufenthaltsstatus aufgebaut wurde - noch Ihre guten Deutschkenntnisse etwas zu ändern.

Zudem bleibt es Ihnen unbenommen im Falle einer Abschiebung den Kontakt zu Ihrer Freundin und zu Ihrer Tante durch regelmäßige gegenseitige Besuche im Heimat- oder Aufenthaltsstaat aufrechtzuerhalten und in der Folge einen legen Aufenthalt in Österreich nach den allgemeinen niederlassungsrechtlichen Vorschriften zu erwirken.

Auch kann im Falle einer (allfälligen) Abschiebung Sie nichts davon abhalten, den Kontakt mittels Telefon und E-mail (wenn auch in geminderter Form) aufrechtzuerhalten.

Weitere familiäre Beziehungen zur Republik Österreich wurden von Ihnen keine behauptet bzw. waren aus der Aktenlage auch nicht ersichtlich.

 

Sie halten sich seit 05.05.2009 insofern rechtswidrig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf, als Ihnen seit diesem Zeitpunkt weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt wurde. Auch kommt Ihnen nach der Aktenlage kein Aufenthaltsrecht aufgrund einer anderen gesetzlichen Bestimmung zu bzw. wurde von Ihnen kein derartiges behauptet. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährdet die öffentliche Ordnung in hohem Maße. Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar.

 

Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu.

Wenn Fremde nach Abschluss des Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen, wird dadurch die öffentliche Ordnung (die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) schwerwiegend beeinträchtigt.

Es kann daher nicht hingenommen werden, dass Fremde ihren nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beharrlich fortsetzen und die Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen versuchen.

 

Zusammenfassend kann daher nur festgestellt werden, dass eine Rückkehrentscheidung nicht nur zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und somit im Lichte des § 61 Abs. 2 FPG 2005 zulässig scheint, sondern auch unter Beachtung der Bestimmungen des § 61 Abs. 3 FPG 2005 zulässig ist.

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob der rechtsfreundlich vertretene Bf mit E-Mail vom 12. November 2013 innerhalb offener Frist Beschwerde (vormals Berufung).  

 

Begründend führte der Rechtsvertreter Folgendes aus:

 

1.     Der Bescheid wird vollinhaltlich angefochten.

 

2.     Als Berufungsgründe werden inhaltliche Rechtswidrigkeit und Verfahrensmängel geltend gemacht.

 

3.     Die Behörde 1. Instanz verweist in deren Bescheid richtigerweise auf die bisherige Aufenthaltsdauer des Berufungswerbers, nämlich die Dauer von 8 Jahren. Im angefochtenen Bescheid wird weiters ausgeführt, dass sich der Berufungswerber seit 20.02.2005 in Österreich befindet. Wenngleich am 15.09.2005 erstinstanzlich der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, hatte doch der Berufungswerber am 23.09.2005 dagegen Berufung erhoben.

 

Führt die Behörde sohin aus, dass diesem spätestens zu diesem Zeitpunkt bewusst sein musste, dass es sich bei der Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz um eine mit der Dauer des Verfahrens befristete Berechtigung handelt, ist dem nicht zu folgen. Einerseits war der Berufungswerber zum Zeitpunkt der Entscheidung I. Instanz gerade einmal 15 Jahre, weswegen er die Tragweite einer diesbezüglichen Entscheidung noch nicht einmal inhaltlich erfassen konnte.

 

Andererseits sieht die österreichische Rechtsordnung zudem bekanntermaßen den Instanzenzug bis hin zur Anrufung des Verfassungs- und/oder Verwaltungsgerichtshofes vor. Es musste daher der Berufungswerber (unbeschadet der vorhergehenden Ausführungen betreffend sein Alter) bei Berufungserhebung nicht davon ausgehen, dass sein Aufenthaltstitel nur für die Dauer des Verfahrens befristet wäre. Er ist nach wie vor davon ausgegangen, dass er in II. Instanz oder vor einem der Höchstgerichte einen Aufenthaltstitel in Form einer positiven Erledigung des Asylantrages erhalten könnte.

 

4. Ist im Bescheid I. Instanz weiters ausgeführt, dass sich der Berufungswerber seit 05.05.2009 rechtswidrig im Bundesgebiet aufhält, wird einerseits übersehen, dass dem Berufungswerber der Bescheid selbst nicht zugestellt wurde, andererseits bleibt im Erkenntnis ungewürdigt, dass hier eine Verfahrensdauer vorgelegen ist, die im Sinne des § 61 Abs. 2 FPG iVm Art 8 EMRK jedenfalls geeignet ist, als berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne des § 61 Abs. 2 Ziffer 9 FPG betrachtet zu werden. Gerade der Umstand, dass es mehr als 4 Jahre gedauert hat, bis ein Erkenntnis über die Unzulässigkeit des Asylantrages gefällt wurde, spricht dafür, dass gerade in dieser prägenden Zeit des Lebens, zwischen dem 14. und 19. Lebensjahr des Berufungswerbers eine enorme Integration geschaffen wurde.

Diese wird dadurch verstärkt, als sich dieser in Österreich quasi alleine durchschlagen musste, und hier mangels Familienanschluss sehr enge Bindungen aufgebaut hat, die die Familie ersetzen. Er hat in der Zeit seines Aufenthaltes in Österreich ein richtiges „Österreich Gefühl" aufgebaut, sieht dieses Land als seine Heimat und hat viele Freunde und Bekannte in Österreich. Außerdem hat er die Schule ohne entsprechenden Elternbezug positiv absolviert und spricht ausgezeichnet Deutsch. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hatte die Behörde 1. Instanz sohin ebenfalls zum Ergebnis gelangen müssen, dass eine umfangreiche Integration des Berufungswerbers vorliegt.

 

5.    Wenngleich die Behörde in Verkennung der Rechtslage davon ausgeht, dass sie keine entsprechende Integration erblicken kann (es wird hier insbesondere auf kein ausgeprägtes Arbeitsleben verwiesen), wurde doch die entsprechende Integration bereits in der Stellungnahme vom 19. Juni 2013 deutlich dargestellt. Es dürfte der Behörde auch bekannt sein, dass der Berufungswerber in seinem derzeitigen Status keiner geregelten Arbeit nachgehen konnte, weswegen es auch nicht negativ, und zu seinen Lasten ausgelegt werden darf, dass dieser keine entsprechenden Beschäftigungszeiten nachweisen kann.

 

6.    Unter Bezugnahme auf Seite 8. dritter Absatz der angefochtenen Entscheidung hätte die Behörde erster Instanz zum Ergebnis gelangen müssen, dass die „gesonderten Umstände", von denen die Judikatur des EGMR zu Art. 8 EMRK spricht, beim Berufungswerber vorliegen (geringes Alter als nach Österreich kam; ohne Verwandtenbezug aufgewachsen etc.). Untermauert werden diese Umstände auch dadurch, als der Berufungswerber, wie bereits ausgeführt, in Vietnam keine Verwandten mehr hat. Die einzigen Verwandten in Vietnam waren die Großeltern, die im Jahr 2007 bzw. 2010 verstorben sind.

 

 

7.    Wie bereits oben ausgeführt erscheint der Hinweis im angefochtenen Bescheid, dass insbesondere unter Bezugnahme auf den Versicherungsdatenauszug die Behörde von keiner beruflichen und sozialen Verfestigung ausgeht, die eine „gelungene Integration" darstellen würden, fast als Hohn gegenüber dem Berufungswerber, dessen Beschäftigungsmöglichkeit ja gesetzlich massivst eingeschränkt war.

 

8.    Negativ wird offensichtlich auch gewertet, dass der Berufungswerber von 2005-2008 durch die Grundversorgung betreut wurde. Übersehen wird dabei jedoch, dass der Berufungswerber zum Zeitpunkt seiner Einreise gerade einmal 14 Jahre alt war. Es kann sohin auch dieses Argument nicht gegen die insgesamt eingetretene Integration sprechen. Es wäre diesem wohl aufgrund seines jugendlichen Alters gar nicht möglich gewesen, einer geregelten Arbeit nachzugehen, wenn dieser zum Zeitpunkt des Eintreffens in Österreich noch nicht einmal das gesetzliche Alter erreicht hatte, um einer geregelten unzulässigen Arbeit nachzugehen.

 

9.    Völlig lebensfremd auch die Feststellung, dass der Berufungswerber aufgrund des Umstandes, dass er bis zum Alter von 14 Jahren in Vietnam gelebt hat, dort sozialisiert wäre. Er verließ das Land als er gerade kein Kind mehr war. Einen Freundeskreis gibt es nicht und lebte dieser, als er noch in Vietnam war, bei den Großeltern, die beide verstorben sind. Er wäre daher nunmehr im Falle der Ausweisung mit entsprechender Isolation belegt.

 

10.  Die Ausführungen auf Seite 7, 3. Absatz hinsichtlich der Aufklärung durch das Amt für Jugend und Familie sind durch nichts bewiesen sondern drücken höchstens eine Vermutung der Behörde aus, die jedoch durch nichts erwiesen ist. Unbeschadet dessen gereicht eine entsprechende Aufklärung durch das Amt für Jugend und Familie nicht aus, dass nicht festgestellt werden kann, ob und wie der Berufungswerber diese damals verstanden hätte.

 

Auch die weitere im angefochtenen Erkenntnis getätigte Vermutung der Behörde, nämlich dass der Berufungswerber in Vietnam sozialisiert war und dort nicht in totale Isolation gelebt hätte, ist durch nichts belegt.

 

Die Behörde hat ihren Entscheidungen keine Vermutungen zu Grunde zu legen sondern einen festgestellten Sachverhalt. Jeglicher Verstoß dagegen verletzt den auch Ausländern in derartigen Fragen zustehenden Gleichheitsgrundsatz, zumal derartige Vermutungen, die sich in Entscheidungen spiegeln, willkürliches Handeln in den Raum stellen.

 

11.  Im Zusammenhang mit den Ausführungen zu bestehenden Lebensgemeinschaft wird vorgebracht, dass sich diese nicht über einen Meldezettel definiert, sondern über die tatsächliche Lebenssituation der Partner. Der Berufungswerber verschließt sich, worum es sich handelt, wenn die Behörde über „anderweitige intensive Abhängigkeit", ausführt, die es nach Ansicht der Behörde nachzuweisen gelte. Bereits in der Stellungnahme vom 19.06.2013 wurde ausgeführt, dass der Berufungswerber mit seiner Lebensgefährtin, Frau X, geboren am X gemeinsam an der Adresse X, X lebt. Hätte die Behörde dann Zweifel gehabt, hätte sie im Sinne der Bestimmung des § 37 AVG auch eine Einvernahme von Frau X durchfuhren können und müssen. Geht daher die Behörde davon aus, dass keine Lebensgemeinschaft besteht, ohne dass sie dahingehend weitere Nachforschungen angestellt hat, liegt ein gravierender Verfahrensfehler vor.

 

12.  Im Zusammenhang mit der Straftat, die im angefochtenen Erkenntnis aufscheint, wird darauf verwiesen, dass diese erkennbar noch vor der Entscheidung II. Instanz gesetzt wurde. Wenngleich der Berufungswerber hier nicht seine Tat bagatellisieren will und die Begehung derselben ausdrücklich bereut, sei doch auf das doch sehr junge Alter desselben bei Begehung verwiesen und auf den Umstand, dass seit dem keine strafbaren Handlungen gesetzt wurden. Eine Straftat im jungen Alter allein gereicht sicherlich nicht, um die soziale Integration zu negieren.

 

13.  Völlig unberücksichtigt blieb weiters, dass eine Ausreise des Berufungswerbers nicht möglich ist, da dieser über keinerlei ausreichende Dokumente verfügt um nach Vietnam oder in ein anderes Land abgeschoben zu werden.

 

14.  Der durch die Entscheidung der Behörde gesetzte Einschnitt in den wesentlichen Lebensbereich des Berufungswerbers würde jedenfalls schwerer wiegen, als dessen weiterer Verbleib in Österreich.

 

15.  Aus anwaltlicher Vorsicht werden zusätzlich Anträge auf aufschiebende Wirkung der Berufung, sowie auf Einräumung eines Durchsetzungsaufschubes im höchstzulässigen Ausmaß gestellt.

 

Antrag

 

    der UVS OÖ möge eine mündliche Verhandlung durchfuhren, und den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich zu AZ 1063587/FRB vom 22.10.2013 ersatzlos beheben,

 

in eventu;

 

    den angefochtenen Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich zu AZ 1063587/FRB vom 22.10.2013 wegen Verfahrensmängeln und/oder inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufheben und die Rechtssache zur Ergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverweisen,

 

    jedenfalls jedoch der Berufung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, sowie

 

    dem Berufungswerber für den Fall der Abweisung der Berufung einen Durchsetzungsaufschub im gesetzlichen Höchstmaß einzuräumen.

 

3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem vormals Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 13. November 2013 zur Entscheidung vor.

 

Mit Schreiben vom 15. November 2013 reichte die LPD die Originalberufung von RA X nach.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung zunächst von dem unter den Punkten I 1.und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus. Ergänzend waren folgende Feststellungen zu treffen:

Die Straftat, wegen der der Bf am 20. Dezember 2010 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden ist, hat der Bf am 27. Juli 2008 in Wien begangen.

 

Am 23. April 2009 hat der Asylgerichtshof im Beschwerdeverfahren den Spruchpunkt III (Ausweisung) des Bescheides des Bundesasylamtes vom 18. Mai 2005 (AI 05 02.355-BAI) aufgehoben und ausgesprochen, dass „zum Entscheidungszeitpunkt das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des Bf im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen überwiegt und die Ausweisung des Bf aus Österreich nach Vietnam unzulässig ist“.

 

Über Ersuchen hat die Sicherheitsdirektion Oberösterreich am 15. April 2011 gemäß § 44b Abs. 2 NAG eine begründete Stellungnahme abgegeben. Abstellend auf die Verurteilung des Bf, die nach der Entscheidung des Asylgerichtshofes erfolgte, kam die ersuchte Behörde zum Ergebnis, dass dadurch eine relevante Minderung der Integration eingetreten ist und somit fremdenpolizeiliche Maßnahmen zulässig seien.

 

Am 7. Februar 2013 hat die Landespolizeidirektion Oberösterreich neuerlich eine begründete Stellungnahme gemäß § 44b Abs. 2 NAG abgegeben und im Wesentlichen die Verurteilung aus dem Jahr 2010 ausschlaggebend für die Zulässigkeit von fremdenpolizeilichen Maßnahmen angesehen.

 

Mit Schreiben vom 29. Oktober 2013 hat die Landespolizeidirektion Oberösterreich die Botschaft der Sozialistischen Republik Vietnam um Ausstellung eines Heimreisezertifikates ersucht.

 

Bis dato ist für den Bf kein Heimreisezertifikat ausgestellt worden. So hat auch eine Anfrage am 26. März 2014 ergeben, dass die vietnamesische Botschaft auf die bisherigen Anfragen nicht regiert hat.

 

II.             

 

Der festgestellte Sachverhalt ist unbestritten. Das Vorbringen des Bf ist glaubhaft.

 

III.            

 

1.1. Gemäß § 125 Abs. 21 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 68/2013, läuft, sofern eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz, gegen die eine Berufung zulässig ist, vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen worden ist, die Berufungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2013 noch und wurde gegen diese Entscheidung nicht bereits bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 Berufung erhoben, so kann gegen diese vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 15. Jänner 2014 Beschwerde beim jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht erhoben werden. Das Landesverwaltungsgericht hat in diesen Fällen dieses Bundesgesetz in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden. Eine gegen eine solche Entscheidung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 erhobene Berufung gilt als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG.

 

Gemäß Abs. 22 leg. cit. sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei einem Unabhängigen Verwaltungssenat der Länder anhängigen Berufungsverfahren und Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach diesem Bundesgesetz ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.

 

Es ist sohin gemäß § 125 Abs. 22 FPG zur Beurteilung des vorliegenden Falles das Fremdenpolizeigesetz in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012 heranzuziehen. 

 

1.2. Gemäß § 52 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012, ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

 

2.1. Im vorliegenden Fall steht zunächst auch vom Bf völlig unbestritten fest, dass er über keinen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet verfügt. Es sind die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 FPG somit grundsätzlich gegeben.

 

Anzumerken ist an dieser Stelle jedoch, dass im Hinblick auf die Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 23. April 2009 die Ausweisung des Bf und somit eine zwangsbewerte Abschiebung bis zur allfälligen Erlassung einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung unzulässig ist. Eine freiwillige Ausreise war dem Bf mangels eines entsprechenden Reisedokumentes nicht möglich. Wie das vorliegende Verfahren zeigt, hat die Vertretungsbehörde des Bf nicht einmal auf behördliche Ersuchen (Ausstellung eines Heimreisezertifikates) reagiert.

2.2. Bei der Beurteilung der Rückkehrentscheidung bzw. des Einreiseverbotes ist auf Art. 8 EMRK sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.2. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um den unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu beenden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen.

 

3.3. Im Fall des Bf ist von der fremdenpolizeilichen Maßnahme das Privatleben betroffen.

 

Der Bf ist als unbegleiteter Jugendlicher ins Bundesgebiet eingereist und hält sich seit Februar 2005 in Österreich auf. Bedingt durch die lange Dauer des Asylverfahrens verfügte der Bf bis Mai 2009 über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach dem AsylG. Unter Bedachtnahme auf Art. 8 EMRK kam der Asylgerichtshof zum Ergebnis, dass die Ausweisung des Bf nach Vietnam (auf Dauer) unzulässig ist.

 

Der Bf hat Antragstellungen nach dem NAG vorgenommen. Diese sind noch unerledigt. Daher verfügt der Bf seit der Entscheidung des Asylgerichtshofes – trotz der Unzulässigkeit der Ausweisung – über keinen Aufenthaltstitel.

 

Mangels eines Aufenthaltsrechtes konnte der Bf im Bundesgebiet keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Die Pflichtschule wurde vom Bf im Juli 2008 (Hauptschule mit Externistenprüfung) erfolgreich abgeschlossen. Der Bf verfügt über ausreichende Deutschkenntnisse.

 

Eine Selbsterhaltungsfähigkeit ist derzeit nicht gegeben. Der Bf hat eine Lebensgefährtin und wird von dieser augenscheinlich mit dem Lebensnotwendigen versorgt. In Österreich hat der Bf keine Verwandten (mehr), jene im Herkunftsstaat sind verstorben.

 

In sozialer Hinsicht trat der Bf positiv in Erscheinung. So war er geschätztes Mitglied des Fußballvereins „X“. Die vorliegenden Unterstützungs- und Empfehlungsschreiben verschiedener Privatpersonen weisen auf eine gelungene soziale Integration hin (siehe auch LPD Oö vom 7. Februar 2013).

 

Trotz der deutlichen Integration des Bf, die unter widrigen Umständen zustande gekommen ist, hat die Landespolizeidirektion Oberösterreich am 7. Februar 2013 eine begründete Stellungnahme gemäß § 44b Abs. 2 NAG abgegeben und – schwerpunktmäßig auf die bedingte Verurteilung am 23. Dezember 2010 durch das LG für Strafsachen Wien abstellend - fremdenpolizeiliche Maßnahmen für zulässig erklärt.

 

Diese Beurteilung kann bei näherer Betrachtung nunmehr nicht aufrechterhalten werden. Die belangte Behörde hat zutreffend festgestellt, dass die Tathandlung des Bf auf eine nicht unerhebliche kriminelle Energie zurückzuführen ist. Sie hat sich dabei aber sowohl in den abgegebenen Stellungnahmen als auch im angefochtenen Bescheid verstärkt auf das strafwürdige Verhalten des Bf bezogen. Zusätzlich wurde der lange unrechtmäßige Aufenthalt als integrationsmindernder Umstand angesehen. In diesem Zusammenhang ist jedoch nicht unerheblich, dass der Bf die einzige Straftat im Juli 2008 gesetzt hat. Bereits das erkennende Gericht hat lediglich eine bedingte Freiheitsstrafe als ausreichend angesehen und den bisherigen Lebenswandel mildernd gewertet. Mittlerweile hat sich der Bf beinahe sechs Jahre wohl verhalten.

 

Der nicht rechtmäßige Aufenthalt seit Mai 2009 ist dem Bf nur bedingt anzulasten. Wie bereits dargestellt, hat der Asylgerichtshof im Mai 2009 eine Ausweisung des Bf als unzulässig angesehen. Nach Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen (Integration, Art. 8 Abs. 2 EMRK) ist der Asylgerichtshof zu dieser Entscheidung gelangt. Obwohl der Bf die Legalisierung seines Aufenthaltes versucht hat, ist in den NAG-Verfahren bis dato keine Entscheidung ergangen.

 

Auch wenn die belangte Behörde auf die öffentlichen Interessen verweist (geordnetes Fremdenwesen), kann entgegen ihrer Ansicht ein Überwiegen zum nunmehrigen Zeitpunkt nicht erkannt werden. Die belangte Behörde argumentiert damit, dass sich der Bf bereits seit Mai 2009 nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte und im Dezember 2010 rechtskräftig verurteilt worden ist. Wäre das öffentliche Interesse tatsächlich derart massiv betroffen, dann ist unverständlich, dass die belangte Behörde erst knapp drei Jahre nach der Verurteilung, fünf Jahre nach der Tat und vier Jahre nach Verlust des Aufenthaltsrechtes (AsylG) den angefochtenen Bescheid erlässt.

 

Bei Betrachtung des gesamten Zeitraumes zeigt sich, dass die bereits 2009 festgestellte und nachhaltige Integration des Bf zwar durch seine Straffälligkeit vermindert wurde, jedoch in den fünf Jahren nach der Tat, in denen sich der Bf wohlverhalten und weiter sozial integriert hat, wiederum eine deutliche Verfestigung erfuhr.

 

Von den in Art. 8 Abs. 2 EMRK enthaltenen Eingriffsvorbehalten kommen, wie der vorangegangenen Beurteilung zu entnehmen ist, im gegenständlichen Fall keine zum Tragen.

 

Zusammenfassend ist vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Eingriffs in den geschützten Bereich des Privat- und Familienlebens des Bf festzuhalten, dass sich eine Eingriffsunzulässigkeit ergibt.

 

Aus diesem Grund war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

4. Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Im Hinblick auf § 61 Abs. 3 zweiter Satz FPG ist abschließend festzuhalten, dass es aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich keine Hinweise dahingehend gibt, wonach die drohende Verletzung des Privatlebens des Bf auf Umständen beruhen würde, die ihrem Wesen nach bloß vorübergehend sind.

 

Eine Rückkehrentscheidung gegen den Bf ist daher auf Dauer unzulässig.

 

5. Nachdem der Bf über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt, konnte gemäß § 59 Abs. 1 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides verzichtet werden.

 

IV.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Christian Stierschneider