LVwG-150124/2/MK

Linz, 02.06.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Markus Kitzberger über die Beschwerde des Herrn x, vertreten durch Dr. x, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom 31.10.2013, AZ: Bau 131-0-2013/C957-GR/S, nachstehenden

 

B E S C H L U S S

 

gefasst:

I.         Gemäß § 28 Abs.3 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

 

 

II.       Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Vor der Darstellung des hier entscheidungsrelevanten Sachverhaltes ist Folgendes festzustellen:

 

Herrn x (in der Folge: Bf), wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom 28.06.2011, AZ: Pol 133-0-2011/Öm, die Bewilligung für die Haltung gefährlicher Schlangen auf der Grundlage der §§ 5, 6 und 7 Oö. Polizeistrafgesetz (Oö. PolStG) in seinem Wohnobjekt unter gleichzeitiger Vorschreibung von Auflagen erteilt. Diese Nebenbestimmungen definieren auf der Grundlage des materiellrechtlichen Interessenkataloges Tierschutz-, Tierpflege- und Sicherheitsanforderungen an die Haltung. Insbesondere ist die unverzügliche Meldeverpflichtung an die Polizeiinspektion oder Stadtgemeinde Schwanenstadt für den Fall des Entweichens von Giftschlangen angeordnet. Im Übrigen ist die Bewilligung nicht eingeschränkt.

 

I.2. Infolge eines Zeitungsberichtes vom 20.09.2013 gelangte die belangte Behörde davon in Kenntnis, dass der Bf von einer seiner Schlangen, einer MacMahon-Viper, gebissen wurde und – da weltweit kein Gegengift verfügbar war, in einen durchaus kritischen Gesundheitszustand geriet. Weitere Berichte thematisierten einige Tage später die generellen Fragen, ob derartige Tierhaltungen überhaupt in ein Privathaus „passen“ bzw. wie die Nachbarschaft auf solche Sachverhalte reagiert.

 

In einem ersten Schritt wurde von der belangten Behörde zeitnahe die Rechtsansicht des Oö. Gemeindebundes zur Widmungskonformität (vgl. § 22 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 – Oö. ROG 1994) der Haltung einer Vielzahl von Schlangen im Wohngebiet eingeholt.

Im Ergebnis wurde dazu mitgeteilt, dass Tiere dieser Art, sofern es sich um die Ausübung eines Hobbys handelt (und weshalb auch die Reduzierung der Anzahl wahrscheinlich notwendig sei), auch im Wohngebiet gehalten werden dürften. Sollte allerdings eine Tierzucht vorliegen, wäre dies im Wohngebiet unzulässig. Die Erhebung des diesbezüglichen Sachverhaltes unter Beiziehung eines Sachverständigen sei anzuraten. Gegebenenfalls könnte eine Tierzucht bescheidmäßig untersagt werden.

 

Eine daraufhin anberaumte baupolizeiliche Überprüfung wurde aufgrund der Mitteilung des Bf, dass er diese Überprüfung, die ihren Wesen entsprechend keine „baupolizeiliche“ sei, nicht dulden werde, in einen Ortsaugenschein zum Zweck der Darstellung des Sachverhaltes und der Erörterung der Rechtslage umgewandelt. Seitens des Bf wurde den Organen der belangten Behörde (und zwar sowohl aus dem Fachbereich Bauwesen als auch Sicherheitspolizei) allerdings der Zutritt zu seinem Wohnobjekt verweigert. Die Amtshandlung wurde abgebrochen.

 

Basierend auf der oben angeführte Rechtsauskunft sowie den Angaben des Bf in seiner Mitteilung, die anberaumte baupolizeiliche Überprüfung nicht dulden zu wollen, da die belangte Behörde für die Überprüfung der Haltung/Züchtung von Schlangen nicht zuständig sei, und einigen darüber hinaus auf die Züchtung von Schlangen bezugnehmenden Mitteilungen des Bf, wurde die bescheidmäßige Untersagung vorbereitet. Um den relevanten Sachverhalt zu erheben wurde eine baupolizeiliche Überprüfung anberaumt und nach neuerlicher Intervention des Bf wieder abgesagt.

 

I.3. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom 08.07.2013, AZ: Bau 131-0-2013/C957-7b/S, wurde dem Bf die Haltung von Wildtieren (Giftschlangen und giftigen Echsen) im Haus x, auf Gst.Nr. x, gemäß §§ 50 Abs.2 und 4 Oö. BauO 1994 mit sofortiger Wirkung untersagt. Auf Grund der Gefahr für die Bewohner wurde die aufschiebende Wirkung einer gegen diesen Bescheid einlangenden Berufung gemäß § 64 Abs.2 AVG aberkannt. Begründend wurde – neben der Zitierung der bezogenen Rechtsvorschriften – im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

 

Das gegenständliche und als solches auch bewilligte Wohnobjekt sei Teil einer Wohnhaus-Reihenanlage, weise eine Wohnnutzfläche von 127,21 und einen Dachraum (Speicher) in der Größe von 72,59 m ² auf. Da in den Einreichunterlagen nur diese Raumkategorien aufscheinen würden, stünde die Haltung von giftigen Reptilien im Widerspruch zum Baubescheid. Das Haus würde vom Bf und dessen Frau sowie vier minderjährigen Kindern bewohnt.

Laut Bericht der PI Schwanenstadt sei der Bf am 16.09.2012 von einer MacMahon-Viper gebissen worden, weshalb erhebliche Gefahren für die Bewohner bestünden.

Aus den bei der belangten Behörde aufliegenden Unterlagen im Zusammenhang mit der verwaltungspolizeilichen Abhandlung der Haltung gefährlicher Tiere würde sich eine Anzahl von 58 Giftschlangen, aus dem Internet eine Bestand von 70 Tieren ergeben. Auf den dort einsehbaren Bildern würden die Folgen des obzitierten Schlangenbisses sowie Zuchtpaare, Gelege und Jungtiere dargestellt sein.

Andere als dem dauernden Wohnbedarf dienende Bauten und sonstige Anlagen dürften gemäß § 22 Abs.1 O. BauO 1994 im Wohngebiet nur errichtet werden, wenn sie wirtschaftlichen, sozialen kulturellen Bedürfnissen vorwiegend der Bewohner dienen und ihre ordnungsgemäße Benützung keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Bewohner mit sich bringen würden.

Der Verwaltungsgerichtshof würde in stRsp die Haltung von Tieren (z.B. Hunde) als für das Wohngebiet typisch beurteilen, nicht aber Nebengebäude zum Zweck einer gewerbs- oder vereinsmäßigen Hundezucht, da dies nicht den typischen Bedürfnissen der Wohnbevölkerung entspreche. Dies gelte analog auch für die Haltung einer Vielzahl giftiger Reptilien, die daher im Wohngebiet zu untersagen sei.

Die rechtkräftige Bewilligung auf der Grundlage des Oö. PolStG allein reiche für die Haltung der hier in Rede stehenden Tiere insbesondere dann nicht aus, wenn sonstige, für ein derartiges Vorhaben ebenfalls erforderliche Anforderungen (wie eben jene des Baurechts) nicht vorliegen würden.

 

I.4. Gegen diesen Bescheid brachte der Bf mit Schriftsatz vom 12.07.2013 innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Berufung ein und begründete diese zusammengefasst wie folgt:

 

Die im angefochtenen Bescheid untersagte Haltung der Tiere erfolge auf der Grundlage eines rechtskräftigen Bescheides, der sich mit den konkreten Umständen im Objekt des Bf und den damit zusammenhängenden Gegebenheit und Gefahren bzw. deren Beherrschung auseinandersetze. Diese Bewilligung sei uneingeschränkt erteilt worden.

Die nunmehrige behördliche Verfügung sei auf Grund der völlig divergierenden öffentlich-rechtlichen Interessenlage (insbesondere hinsichtlich Normadressat und –zweck) des baurechtlichen Regelungsregimes iwS ein absolut untaugliches Mittel, diese Bewilligung rückgängig zu machen. Die im bekämpften Bescheid zitierte Judikatur sei nicht einschlägig, die daraus abgeleitete Argumentation weder schlüssig noch nachvollziehbar, da die Errichtung zusätzlicher Bauten für Zwecke der Tierzucht nicht Gegenstand des Verfahrens sei. Die vorgenommene Beurteilung der typischen Bedürfnisse der Wohnbevölkerung gehe somit an der Sach- und Rechtslage vorbei.

Darüber hinaus sei der Hinweis auf die Notwendigkeit der Einhaltung der bau- und raumordnungsrechtlichen Bestimmungen iS kumulativer Voraussetzungen offensichtlich unzutreffend, da sich seit Erteilung der verwaltungspolizeilichen Bewilligung weder die dort zu berücksichtigenden, noch die baurechtlichen Umstände und Voraussetzungen geändert hätten. Die verfahrenskausale Tierhaltung widerspreche somit auch nicht den widmungskategorischen Anforderungen, da die entsprechenden Gefahrenmomente als Gegenstand des Ermittlungsverfahrens nach dem Oö. PolStG explizit berücksichtigt worden wären und die Behörde das Verfahren positiv abgeschlossen habe. Die Verletzung des Bf selbst würde in der Beurteilung der Interessenslage gerade keinen Unterschied machen. Diesbezüglich würde die Einvernahme des Bf beantragt.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei vor dem Hintergrund der objektiven Sachlage in keiner Weise gerechtfertigt und stelle eine elementare Verletzung der rechtsstaatlichen und verfahrensrechtlichen Grundsätze dar. Auf Grund des seit Verfahrensbeginn verstrichenen Zeitraums, in dem „nichts geschehen“ sei, könne eine akute Gefährdung nicht angenommen werden. Die belangte Behörde habe sich auch in der Begründung nicht mit dieser Frage auseinander gesetzt.

Es würde daher die ersatzlose Behebung des bekämpften Bescheides beantragt.

 

I.5. Mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Schwanenstadt vom 16.09.2013, AZ: Bau 131-0-2013/C957-GR/S, dem ein Beschluss des Gemeinderates vom 31.10.2013 zu Grunde liegt, wurde die Berufung abgewiesen und, ergänzt durch die zusammenfassende Wiedergabe des Vorbringens in der Berufung, die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wiederholt.

 

Insbesondere sei es ausschließlich Gegenstand des Verfahrens, die Übereinstimmung der Nutzung des Gebäudes mit den gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere des Verwendungszwecks und damit der Flächenwidmung festzustellen. Andere gesetzliche Bestimmungen (wie die des Oö. PolStG) würden dabei keine Rolle spielen.

 

I.6. Auf Grund einer auf ‚facebook‘-Einträgen basierenden Mitteilung an die belangte Behörde, in denen der Bf beim Hantieren mit einer Schlange offenkundig in den Sanitärräumlichkeiten seines Wohnobjektes, und damit außerhalb der bescheidmäßig vorgeschriebenen sicheren Verwahrung dargestellt wird, wurde dieser am 15.11.2013 von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck einvernommen. Darüber hinaus sei im Internet eine der Schlangen des Bf beim Fressen einer anderen Schlange abgebildet.

Als Begründung für sein Handeln gab der Bf zu Protokoll, dass er diese eine Schlange aus dem Terrarium genommen habe, weil sie sich nicht richtig gehäutet habe. Zum zweiten Vorhalt sei festzuhalten, dass er Schlangen besitze, die sich ausschließlich von anderen Schlangen ernähren würden. Diese Schlangen würde er als Futtertiere ordnungsgemäß kaufen.

 

Von der Bezirksverwaltungsbehörde wurde von weiteren Schritten Abstand genommen.

 

I.7. Mit Schriftsatz vom 21.11.2013 brachte der Bf das Aufsichtsmittel der Vorstellung [nunmehr: Beschwerde] ein und begründete diese wie folgt:

 

Die Berufungsbehörde habe sich, da in Wahrheit kein Berufungsverfahren stattgefunden hätte, mit dem Vorbringen des Bf nicht auseinandergesetzt. Die Berufung gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei überhaupt stillschweigend übergangen worden.

Die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 50 Oö. BauO1994 und 22 Oö ROG 1994 würden nicht vorliegen, was die Behörde beharrlich ignoriert habe.

Es sei mehrfach auf die aufrechte, rechtskräftige und uneingeschränkte Bewilligung zur Haltung von Giftschlangen und giftigen Echsen hingewiesen worden, die von der selben Behörde (Bürgermeister) nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens erteilt worden wäre. Diese Bewilligung könne nicht durch einen auf materiell unzutreffenden Normen beruhenden Bescheid rückgängig gemacht werden.

Bei der Errichtung des Wohnhauses des Bf seien die einschlägigen baurechtlichen Bestimmungen eingehalten worden. Die Haltung der Tiere sei ausdrücklich bewilligt, wobei sich seit damals die (von der Bewilligungsbehörde selbst zu berücksichtigenden) Umstände nicht geändert hätten. Die in der zitierten Judikatur des VwGH erkenntniskausale Errichtung zusätzlicher Bauten sei hier nicht gegeben, da die Tierhaltung im Wohnhaus selbst erfolgen würde.

Die raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen wären bereits bei der Erteilung der Haltebewilligung ausreichend abgewogen worden, zumindest sei dies vor dem Hintergrund des (amtswegig wahrzunehmenden) Prüfungsumfanges der Bewilligungsbehörde zu unterstellen. Ein Widerspruch liege daher nicht vor.

Was den typischen Bedürfnissen der Wohnbevölkerung diene, sei ausschließlich im Zuge eines Baubewilligungsverfahrens zu prüfen, nicht aber (nachträglich) bei der Beurteilung einer (zudem gesondert bewilligten) Nutzung eines ordnungsgemäß bewilligten Bauwerks.

Das faktische Außerkraftsetzen einer auf einschlägiger Rechtsgrundlage erteilten Bewilligung durch ein auf nicht einschlägiger Rechtsgrundlage erlassenes Verbot sei unzulässig.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer und die Untätigkeit der belangten Behörde angesichts einer mutmaßlichen Gefahrensituation sachlich nicht zu rechtfertigen.

 

Es würde daher neuerlich die ersatzlose Behebung des bekämpften Bescheides beantragt.

 

 

II. Das Landesverwaltungsgericht Oö. hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt. Auf dessen Grundlage konnten weitere Ermittlungsschritte – insbesondere die Durchführung einer mündlichen Verhandlung – unterbleiben, da keine weitere Klärung des Sachverhaltes zu erwarten war. Es waren ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen.

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt, der im Übrigen auch nicht bestritten wurde, steht fest.

 

 

III. Für die Beurteilung der hier relevanten Rechtsfragen sind insbesondere nachstehende Bestimmungen zu berücksichtigen:

 

 

 

 

III.1 In der Sache:

 

Gemäß § 22 Abs.1 Oö. ROG 1994 sind als Wohngebiete solche Flächen vorzusehen, die für Wohngebäude bestimmt sind, die einem dauernden Wohnbedarf dienen; andere Bauten und sonstige Anlagen dürfen in Wohngebieten nur errichtet werden, wenn sie wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen vorwiegend der Bewohner dienen und ihre ordnungsgemäße Benützung keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Bewohner mit sich bringt; […]

 

§ 50 Abs.1 O. BauO 1994 bestimmt, dass bauliche Anlagen nur entsprechend den für sie geltenden baurechtlichen Vorschriften benützt werden dürfen. Insbesondere dürfen bauliche Anlagen nur so benützt werden, dass die Sicherheit, die Festigkeit, der Brandschutz, die Wärmedämmung und der Wärmeschutz, die Schalldämmung und der Schallschutz der baulichen Anlage und die Erfordernisse der Gesundheit, der Hygiene, des Unfallschutzes und der Bauphysik nicht beeinträchtigt werden und ein nach Art und Zweck der Anlage unnötiger Energieverbrauch sowie schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden und dass Gefahren für das Leben, die körperliche Sicherheit von Menschen, im Besonderen für die Benützer der Bauwerke und der Nachbarschaft und Beschädigungen fremder Sachwerte verhindert werden.

Gemäß Abs.2 dürfen darüber hinaus bauliche Anlagen, für die eine Baubewilligung erteilt wurde, nur entsprechend dieser Bewilligung sowie entsprechend den Auflagen und Bedingungen dieser Bewilligung benützt werden.

Entsprechend Abs.3 hat die Baubehörde, wenn sie Kenntnis erlangt, dass eine bauliche Anlage nicht entsprechend Abs.1 benützt wird, dem Eigentümer der baulichen Anlage mit Bescheid eine den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Benützung oder die Behebung der festgestellten Mängel innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen.

Erlangt nach Abs.4 die Baubehörde Kenntnis, dass eine bauliche Anlage nicht entsprechend Abs.2 benützt wird, hat sie dem Eigentümer mit Bescheid die dem Abs.2 widersprechende Benützung zu untersagen. […]

Abs. 5 bestimmt schließlich, dass in Verfahren nach Abs.3 und 4 § 47 Abs.3 und § 48 Abs.3 und 6 sinngemäß gelten. Vorschriften über die Benützung von baulichen Anlagen in anderen Landesgesetzen werden durch Abs.1 bis 4 nicht berührt.

 

III.2. Verfahren vor dem Verwaltungsgericht:

 

Gemäß § 24 Abs.4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I. 33/2013, kann das Verwaltungsgericht, sofern durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrages von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art.6 Abs.1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

 

Nach § 28 Abs.1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

IV.1.1. Entsprechend der Systematik der baurechtlichen Normen iwS ist eingangs festzuhalten, dass die Haltung von (auch gefährlichen) Tieren, abgesehen von der Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere, gerade im Wohngebiet nicht grundsätzlich untersagt ist.

 

Die Zulässigkeit bestimmter Maßnahmen und/oder Tätigkeiten orientiert sich auf der Grundlage der im Baurecht geschützten Interessen zum einen an der bautechnischen, d.h. substanzielle Sicherheit einer Anlage (die im gegenständlichen Fall aber keine Rolle spielt und daher in weiterer Folge unberücksichtigt bleiben kann), und zum anderen – und zwar nicht nur im Zusammenhang mit Einräumung individuelle Nachbarrechte (subjektiver Interessensschutz) – an den zu erwartenden Immissionen. Dieser objektive Interessensschutz ist zentral in den oben wiedergegebenen Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes bzw. der Bauordnung verankert.

 

IV.1.2. Betrachtet man vor dem Hintergrund des hier zu beurteilenden Interessenskonfliktes den materiellen Gehalt der raumordnungsrechtlichen Bestimmung des § 22 Abs.1 Oö. ROG 1994, wird schnell klar, dass daraus eine Lösung nicht abgeleitet werden kann.

 

Das in Rede stehende Bauwerk ist ein in üblicher bzw. widmungstypischer Art und Weise errichtetes Wohnhaus, noch dazu aufgrund der Reihenhausverbauung in stereotyper Mehrfachausführung. Ein „anderer Bau“ wurde für die Unterbringung der Schlangen nicht errichtet.

 

Sollte es sich – was im Übrigen im Hinblick auf die vergleichbare Sachlage bei Aquarien in Wohnobjekten durchaus bezweifelt werden kann – bei der Aufstellung von Terrarien um eine „sonstige [bauliche] Anlage“ handeln, spricht prima facie nichts dagegen, dass – zählt man die konkrete Ausgestaltung des unmittelbaren persönlichen Umfeldes eines Menschen nach dessen Präferenzen und Neigungen iSv „Wohnkultur“ zu den kulturellen, wenn nicht gar zu des sozialen Bedürfnissen – die damit verbundene Tierhaltung der Befriedigung eben dieses Bedürfnisses tatsächlich dient. Niemand würde, um ein anderes vergleichbares Beispiel vor Augen zu führen, der Haltung von Hunden durch alleinstehende Personen in einer dafür errichteten Hundehütte ein diesem Umstand (auch) zu Grunde liegendes soziales Bedürfnis absprechen.

 

IV.1.3. Obwohl es für den hier zu beurteilenden Anlassfall keine im Detail einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gibt, ist aus den generell zu diesem Themenkreis ergangenen Erkenntnissen – wie dies von der belangten Behörde im Ermittlungsverfahren auch festgehalten wurde – auch das Element der für das Wohngebiet „typischen“ Tierhaltung abzuleiten.

 

Dazu ist festzuhalten, dass es sich bei der Haltung von Reptilien (anders als nach der Judikatur bei Schweinen, Hühnern oder Pferden zu landwirtschaftlichen oder sportlichen Zwecken) allenfalls um eine ungewöhnliche oder ausgefallene (was raumordnungsrechtlich aber ohne Belang ist), jedenfalls aber um keine von Haus aus untypische Form der Tierhaltung handelt. Eine im Ergebnis anders lautende Rechtsauskunft der Abteilung Raumordnung vom 30.04.2013 beschränkt sich auf die – unbestrittene – Gefährlichkeit von Giftschlangen und ist daher – trotz eines beiläufigen Hinweises auf eine größere Anzahl von Tieren –  in der Sache unschlüssig. Eine Beschränkung auf „klassische“ Haustiere wie (u.U. auch gefährliche) Hunde oder Katzen bzw. generell eine Definition des „Typischen“ über Art, Anzahl, Wesen und Gefährlichkeit der Tiere oder Häufigkeit des Vorkommens ist der Judikatur nämlich gerade nicht zu entnehmen und würde das „Aus“ für jeden exotischen Tierbesitz schlechthin darstellen, der im Gegenteil typischer Weise zu Hause, also im Bereich des für Wohnzwecke gewidmeten Baulandes, erfolgt. Vielmehr werden in der Judikatur Begrifflichkeiten wie der „Typus des Wohngebietes“ bzw. die „Störung des Charakters des Wohngebietes“ für beachtlich erklärt. Es geht also primär um das äußere Erscheinungsbild und des dadurch suggerierten Verwendungszweck eines bestimmten Areals bzw. der sich dort befindenden bauliche Anlage. Worin diese Störwirkung bei der Aufstellung von Terrarien innerhalb eines diesbezüglich sonst absolut unauffälligen Gebäude liegen soll, kann nicht nachvollzogen werde.

 

Von Bedeutung ist darüber hinaus, dass der VwGH bei der Herausarbeitung dieses Tatbestandselementes auch von immissionsrelevanten Umständen (z.B. Geruch durch Mistlagerung, Lärm, etc.) als tragende Argumente ausgegangen ist. In dieser Hinsicht ist die Haltung von Schlangen aber zweifelsfrei nicht emissionsgeneigter als andere zulässige Arten der Tierhaltung. Überlegungen dieser Art waren auch nie ins Treffen geführt worden (vgl. dazu grundsätzlich, VwGH vom 25.09.2007, 2003/06/0074 betreffend die Errichtung von 3 Pferdeeinstellboxen samt Mistlagerstätte).

 

Der Aspekt der Tierzucht, der tatsächlich einen relevanten Unterschied in der raumordnungsrechtlichen Beurteilung machen könnte, wurde nie vorgebracht und liegt nach dem Stand des Ermittlungsverfahrens auch nicht vor.

IV.1.4. Geht man also davon aus, dass die Haltung von Tieren in Terrarien im Wohngebiet dem Grunde nach zulässig ist, so ist auf der Grundlage des Raumordnungsgesetzes die Vermeidung von Gefahren (neben erheblichen Nachteilen oder Belästigungen) bei ordnungsgemäßer Benützung Voraussetzung. Und in diesem Gefährdungsmoment liegt auch – wohl verstärkt durch den medial kolportierten Zwischenfall – der inhaltliche Kern der Begründung der bekämpften Entscheidung.

 

Auch wenn nach dem Wortlaut dieser Bestimmung der Tierhalter selbst als „Bewohner“ Teil des umfassten Personenkreises ist, so kann doch alleine aus diesem (bislang auch einmaligen) Zwischenfall kein kategorisches Szenario konstruiert werden, welches – sozusagen als vorhersehbare, nicht beherrschbare Gefahr im Zusammenhang mit der Errichtung einer „sonstigen Anlage“ – die Qualifikation der Reptilienhaltung als nicht widmungskonform rechtfertigen würde. Wäre diese der Fall, hätten Hundebisse – unabhängig davon, ob (von in Hundehütten gehaltenen) Vertretern gemeinhin als gefährlich eingestufter Rassen verursacht – weitreichende (und vom Gesetzgeber auch mit Sicherheit nicht beabsichtigte) Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Tierhaltung im Wohngebiet.

 

Diesen Bereich zusammenfassend ist – nicht nur vor dem Hintergrund der erkennbar konstruierten und daher inhomogenen bisher erörterten Argumentationsansätze – davon auszugehen, dass das Raumordnungsrecht keine taugliche Grundlage für die grundsätzliche Untersagung der Haltung von Giftschlangen im Wohngebiet darstellt. Auf den Aspekt der Gefährlichkeit an sich wird in der Folge noch einzugehen sein.

 

IV.2.1. Die im engeren Sinne baurechtliche Beurteilung auf Basis der Bestimmungen der Bauordnung über die Benützung von baulichen Anlagen hat die Verhinderung von Gefahren für das Leben, die körperliche Sicherheit von Menschen, im Besonderen für die Benützer der Bauwerke und die Nachbarschaft zu umfassen.

 

In diesem Zusammenhang, der auf dieser gesetzlichen Grundlage keinen widmungsrechtlichen Bezug aufweist, kommt nun der vom Bf wiederholt vorgebrachten rechtskräftigen Bewilligung zu Haltung gefährlicher Tiere  auf der Grundlage des Oö. Polizeistrafgesetzes (die eine mögliche Art der Benützung baulicher Anlagen darstellt) Bedeutung zu.

 

Die Verhinderung  von Gefahren für die Benützer der Bauwerke und die Nachbarschaft ist nach § 50 Abs.1 Oö. BauO 1994 von der Behörde im Rahmen des objektiven Interessensschutzes, und zwar grundsätzlich selbständig, zu prüfen. Dies kann allerdings dann entfallen, wenn diese Beurteilung – wie hier in einem gesonderten Verfahren – umfassend, d.h. in dem den Interessensschutz des anzuwendenden Materiengesetzes gewährleistenden Umfang, bereits vorliegt.

 

IV.2.2. Die Ausführungen der belangten Behörde, dass das Vorliegen dieser einschlägigen Bewilligung für die Beurteilung der Gefährlichkeit nach der Bauordnung ohne Bedeutung sei, weil alle erforderlichen Bewilligungen und/oder Nichtuntersagungen für die Zulässigkeit eines bestimmten Vorhabens erforderlich wären (also auch die Voraussetzungen des Baurechts), verkennt das damit angesprochene „Kumulationsprinzip“, welches sich primär auf unterschiedliche Schutzzwecke von Materiengesetzen und daher nebeneinander bestehende Regelungsregime bezieht, und ignoriert die Bindungswirkung der polizeirechtlichen Bewilligung im (hier vorliegenden) Fall eines identischen Legal(teil)interesses. Der Aspekt der Behördenidentität in beiden Ordnungszusammenhängen sei nur am Rande erwähnt.

 

Es ist unstrittig (auch) Ziel der §§ 5 ff Oö. PolStG, Gefahren im Zusammenhang mit der Haltung gefährlicher Tiere hintanzuhalten, und zwar für jedermann, also auch für den Halter selbst, seine Familie und sonstige „Benutzer“ des Bauwerks und eben auch für die Nachbarschaft (vgl. § 6 Abs.4 leg.cit.).

 

Darüber hinaus beinhaltet das Oö. Polizeistrafgesetz in eben dieser Bestimmung alle gesetzestechnischen Instrumentarien zur Gewährleistung des definierten Normziels, und damit mittelbar auch des objektiven Interessensschutzes nach der Bauordnung. Dabei ist festzuhalten, dass es sich bei den Bestimmungen der Oö. BauO 1994 (was die Beurteilung einer tatbestandsmäßigen Gefährdung betrifft) aber um keine „lex specialis“ zum Oö. PolStG handelt (sondern wenn, dann umgekehrt) und der bekämpfte Untersagungsbescheid (weil auf anderer Rechtsgrundlage basierend) in Bezug auf die Halterbewilligung keine „lex posterior“ darstellt. Ein Fall der „materiellen Derogation“, also die inhaltliche Überlagerung einer Norm durch eine speziellere oder später erlassene, liegt somit in der Erlassung des bekämpften Untersagungsbescheides nicht vor.

 

Es ist deshalb auf dieser systematischen Grundlage und basierend auf den aktuellen Sachverhaltselementen erforderlich, zuerst die rechtskräftige  Halterbewilligung dem Grunde nach zu überprüfen und mit den Mitteln des § 6 Abs.4 Oö. PolStG gegebenenfalls anzupassen oder zurückzunehmen, um (dann mittels gesonderten Behördenaktes allerdings materiell entbehrlich) die ordnungsgemäße Benützung eines Bauwerks auch baurechtlich sicherstellen zu können.

 

Ist dies nach Durchführung des entsprechenden Ermittlungsverfahrens hingegen nicht erforderlich oder möglich, weil gemäß § 6 Abs.4 Oö. PolStG „keine Gefährdung des Lebens, der Gesundheit und der Sicherheit von Menschen, keine Belästigung von Menschen und keine Gefährdung des Eigentums dritter Personen zu besorgen ist sowie die sachgemäße Verwahrung unter Berücksichtigung des Tierschutzes gewährleistet ist“, können nach § 50 Abs.1 Oö. BauO 1994 auch keine „Gefahren für das Leben, die körperliche Sicherheit von Menschen, im Besonderen für die Benützer der Bauwerke und die Nachbarschaft und Beschädigungen fremder Sachwerte“, die eine Einschränkung oder Untersagung der Benützung des Wohnobjektes des Bf für die Haltung von Giftschlangen rechtfertigen würden, angenommen werden.

 

IV.2.3. Abschließend sei festgehalten, dass sich die bekämpfte Entscheidung mit § 50 Abs.4 Oö. Bau0 1994 nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf eine unzutreffende Rechtsgrundlage stützt, da die Baubewilligung für das Wohnobjekt des Bf keine – also auch keine nicht eingehaltenen – Nebenbestimmungen für die hier vorgehaltene Art der Benützung enthält und es sich – da die Haltung von Giftschlangen keine Änderung des Verwendungszwecks in Form der Verursachung zusätzlicher schädlicher Umwelteinwirkungen iSd Legaldefinition des § 2 Z22 Oö. Bautechnikgesetz 2013 (Oö. BauTG 2013) darstellt – um keinen Anwendungsfall des § 24 Abs.1 Z3 leg.cit. handelt.

 

IV.3. Um die rechtlichen Voraussetzungen für ein baubehördliches Einschreiten in der von der belangten Behörde intendierten Art und Weise zu ermöglichen, sind wesentliche Ermittlungsschritte im Zusammenhang mit der Feststellung der tatsächlichen Gefährlichkeit der hier zu beurteilenden Tierhaltung erforderlich. Diese könnten vom Verwaltungsgericht zwar eigenständig durchgeführt werden, der Umsetzung eines allfälligen Ergebnisses würde aber nach wie vor die Bindung an die rechtskräftige Halterbewilligung nach dem Oö. PolStG entgegenstehen, deren Anpassung oder Beseitigung dem Verwaltungsgericht aber nicht zukommt.

 

Da der erste Schritt für die Erreichung des offenkundig angestrebten Zwecks dieses baurechtlichen Verfahrens von der belangten Behörde selbst, allerdings auf Basis einer anderen Rechtsgrundlage, zu erfolgen hat und sich eine zweckduplizierende baurechtliche Behandlung dann allenfalls erübrigen könnte, kann in der selbständigen (bloßen) Beurteilung der Gefährlichkeit der Schlangenhaltung in der hier vorliegenden Form kein verfahrensökonomischer Effekt gesehen werden.

 

 

V. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Haltung von Giftschlangen aus raumordnungsrechtlichen Überlegungen auch in der hier vorliegenden Form nicht kategoriech unzulässig ist. Darüber hinaus ist, basierend auf einer verbindlichen hoheitlichen Verfügung, auch eine baurechtlich begründete unzulässige Benützung eines Gebäudes infolge besonderer Gefahrenmomente nicht anzunehmen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss  besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Markus Kitzberger