LVwG-150202/12/DM/CJ LVwG-150281/8/DM/CJ

Linz, 16.07.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Doris Manzenreiter über die Beschwerde der 1. EM und des 2. Mag. CM, beide X, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Steyr vom 27.3.2014, GZ: Ad BauH -250/2012, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben, den

 

B E S C H L U S S

gefasst:

 

 

I. Den Beschwerden wird stattgegeben. Der Bescheid des Stadtsenates der Stadt Steyr vom 27.3.2014, GZ: Ad BauH -250/2012, wird aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG an den Stadtsenat der Stadt Steyr zurückverwiesen.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bauansuchen vom 8.11.2012 hat die X GmbH (im Folgenden: Bauwerberin, kurz: Bw) um die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines zweigeschossigen unterirdischen Parkdecks unter der X, beginnend von der X bis zur Ausfahrt im Bereich der X-Tankstelle auf den Grundstücken Nr. X, X und X, EZ X sowie auf den Grundstücken Nr. X, X und X, EZ X, alle KG Steyr, angesucht.

 

In der – von der Baubehörde erster Instanz genehmigten – Projektbeschreibung vom Oktober 2012 heißt es unter „1.1 Projekt“, das Parkdeck sei mit einem Abstand von mindestens ca. 2,00 m von den bestehenden Häusern distanziert angelegt. Die zur Häuserfront gewandte Seite im Osten werde mit einer aufgelösten, rückverankerten Bohrpfahlwand DN 90 cm hergestellt. Unter „4.1.1 Bauweise – Konstruktion“ wird ausgeführt: „Das gesamte Objekt ist in Stahlbetonbauweise mit Fertigteilen entsprechend den statischen Erfordernissen vorgesehen. Für die Sicherung der angrenzenden Gebäude wird eine aufgelöste Bohrpfahlwand mit einem Durchmesser von 90 cm und dazwischenliegender Spritzbetonwand ausgeführt. Um zusätzlich das Setzungsrisiko zu minimieren wird die Bohrpfahlwand noch zusätzlich verankert.

 

Aus dem ebenfalls genehmigten Systemschnitt vom 8.5.2013 ist „1 Anker / Pfahl lt. Statik“ ohne genauer Längenangabe ersichtlich.

 

Im genehmigten „Technische[n] Bericht zur Variante stützenfrei für die Stadtplatzgarage in Steyr“ der X GmbH vom 3.5.2013 wird unter „4.4 Pfahlwand“ Folgendes festgehalten: „Zur Sicherung der angrenzenden Gebäude ist eine aufgelöste Pfahlwand vorgesehen. Der Pfahlraster entspricht mit 1,75 m dem halben Stützraster. Um Verformungen der Pfahlwand, die zu Setzungen der Gebäude führen würden, möglichst hintan zu halten, ist eine Verankerung der der Pfähle erforderlich.

 

I.2. Die Erst-Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz: Erst-Bf) ist Alleineigentümerin der Grundstücke Nr. X und X, EZ X KG Steyr, welche direkt an die X angrenzen.

 

Der Zweit-Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: Zweit-Bf) ist Eigentümer des Grundstücks Nr. X, EZ X, KG Steyr, welches sich durch ein Gebäude getrennt von der Tiefgarageneinfahrt befindet.

 

I.3. Mit Kundmachung der Baubehörde erster Instanz vom 13.9.2013 wurde die mündliche Bauverhandlung für den 14.10.2013 anberaumt. Diese Kundmachung erfolgte mit dem „Bemerken, dass Beteiligte, wenn sie Einwendungen gegen den Gegenstand der Verhandlung nicht spätestens am Tag vor der Verhandlung bei der Behörde bekannt geben oder während der Verhandlung vorbringen, ihre Parteistellung verlieren.“ Diese Kundmachung wurde den Beschwerdeführern (im Folgenden: Bf) ordnungsgemäß zugestellt.

 

I.4. Dagegen erhoben die Bf jeweils mit Schriftsatz vom 9.10.2013 Einwendungen und brachten übereinstimmend im Wesentlichen vor, durch das geplante Projekt würden gesundheitsgefährdende oder belästigende Immissionen gemäß § 31 Abs 4 Oö. BauO 1994 auf ihre Liegenschaft einwirken. Darüber hinaus sei die Tiefgarage auch als Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie absolut unzulässig. Die Erst-Bf brachte darüber hinaus vor, das Projekt sei in der derzeitigen Form ebenfalls nicht genehmigungsfähig, da es zwingenden baurechtlichen Bestimmungen, insbesondere den Vorschriften des Oö. BauTG bezüglich mechanischer Festigkeit und Standsicherheit offensichtlich widerspreche. Gemäß den Plan- und übrigen Projektsunterlagen solle hangseitig eine aufgelöste Pfahlwand errichtet werden. Laut dem technischen Bericht der X GmbH als integraler Bestandteil der Projektsunterlagen diene diese Pfahlwand einerseits zur Sicherung der angrenzenden Gebäude, andererseits trage sie hangseitig sämtliche vertikalen Lasten des Parkdecks sowie der darüber liegenden Straßenebene. Aus diesem Bericht gehe ebenfalls hervor, dass, um Verformungen dieser Pfahlwand, die zu Setzungen der Gebäude führen würden, möglichst hintanzuhalten, zwingend eine Verankerung der Pfähle erforderlich sei. Selbst dann stelle die rückverankerte Bohrpfahlwand ausdrücklich bloß eine Minimierung des Risikos einer Setzung ihres Grundstückes und Gebäudes dar. Die Verankerung der Pfahlwand könne als Bauwerk auf fremden Grund grundsätzlich nicht als Auflage vorgeschrieben werden. Als betroffene Grundstückseigentümerin verweigere sie ihre Zustimmung dazu nochmals ausdrücklich. Sie verweigere grundsätzlich die Zustimmung zu jeglicher Inanspruchnahme ihres Grundstücks, egal ob zur Errichtung von Bauwerken auf oder unter ihrem Grundstück, oder anderweitig. Es werde in diesem Zusammenhang auch nochmals auf das geotechnische Gutachten der X GmbH hingewiesen, indem der Projektstandort als „Risikotyp B – Gefährdungstyp Gleitung“ ausgewiesen sei, was schlicht bedeute, dass das geogene Risiko einer Hangrutschung bestehe.

 

I.5. Bei der am 14.10.2013 stattfindenden mündlichen Bauverhandlung wurde festgestellt, dass für das Gebiet, in dem das angesuchte Projekt zur Ausführung gelangen soll, seit 23.1.2003 der  Flächenwidmungsplan Steyr – Nr. 2 – rechtswirksam sei, der für den Bereich der zur Bebauung vorgesehenen Liegenschaft die Widmung „Verkehrsfläche – fließender Verkehr (unterirdische Parkflächen)“ festlege. Darüber hinaus sei für diesen Teil des Steyrer Stadtgebietes der Teilbebauungsplan Nr. 1 vom 21.3.1930 mit der Zahl X rechtswirksam.

 

Das gegenständliche Bauvorhaben bedürfe einer Betriebsanlagengenehmigung nach der Gewerbeordnung.

 

Im Befund des bautechnischen Amtssachverständigen wird auszugsweise Folgendes festgehalten:

 

„Entsprechend den vorliegenden Einreichunterlagen des Planverfassers X GmbH & Co KG soll ein zweigeschossigen Parkdeck direkt unter der X, beginnend von der X bis zur Ausfahrt im Bereich der X-Tankstelle auf den Gfln. X, X und X, EZ X sowie Gfln. X, X und X, EZ X, KG Steyr, errichtet werden.

 

Für das gegenständliche Bauvorhaben liegt eine Projektbeschreibung v. Oktober 2012, ausgestellt v. X GmbH & Co KG, Steyr, X, und ein Kanalprojekt der X GmbH, vom 21.2.2013 dem Ansuchen bei. Weiters sind sowohl ein techn. Bericht v. Nov 2012 – Projekt-Nr. G12.079, ausgestellt v. X-GmbH, 6800 Feldkirch, eine statische Berechnung v. Nov 2012, ausgestellt v. X GmbH, 6800 Feldkirch dem Projekt „Ennssteg“ angeschlossen. Auch ein geotechnisches Gutachten der Geotechnik X, erstellt am 5.11.2012 sowie eine statische Notiz über die Baugrubensicherung ohne Anker beim Haus X, vom 16.9.2013 des Ziviltechnikerbüro X wurde dem Bauakt angeschlossen.

Laut Stellungnahmen der Fachabteilungen im Geschäftsbereich für Bauangelegenheiten wurden grundsätzlich keine Mängel beim Projekt festgestellt. In Ergänzung hiezu wird im Zusammenhang mit der Flächenwidmung auf die Ausführungen der FA Stadtplanung vom 27.11.2012 hingewiesen. Des Weiteren wird insbesondere auf die Lage des Bauplatzes im Hochwasserabflussgebiet (HQ-100) hingewiesen und angemerkt, dass diesbezüglich bereits Detailgespräche u.a. mit dem Amt der Oö. LReg (wasserwirtschaftliches Planungsorgan) stattgefunden haben.

 

Weiters wird auf die Lage des Grundstückes im geogenen Baugrundrisiko (Risikotyp A) gesondert hingewiesen. Diesbezüglich wird auf die Stellungnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen X verwiesen.

Das offene Parkdeck mit natürlicher Belüftung wird mit zwei Untergeschossen mit je 124 PKW-Stellplätzen ausgeführt. …

 

Zur Sicherung der angrenzenden Gebäude und der Baugrube ist eine aufgelöste Pfahlwand vorgesehen. Der Pfahlraster entspricht mit 1,75 m dem halben Stützraster. Um Verformungen der Pfahlwand, die zur Setzung der Gebäude führen könnten, möglichst hintanzuhalten, ist soweit es durchführbar ist bzw. die entsprechenden Zustimmungen vorliegen, eine Verankerung der Pfähle vorgesehen. Die vertikalen Lasten werden hangseitig über die Pfahlwand abgetragen. Als Auflager für die Träger der Parkebene wird die Nische zwischen den Pfählen ausbetoniert, die Träger der Straßenebene liegen direkt am Pfahlrost. …

 

Dem Akt ist weiters ein Schreiben an die X AG 4021 Linz, vom 16.9.2013, betreffend Baugrubensicherung, Bereich Haus X angeschlossen. Im Bereich der der Gfl. X bzw. Bfl. X, gibt es derzeit keine Grundeigentümerzustimmung für eine mögliche Rückverankerung der aufgelösten Pfahlwand. In dieser Unterlage gibt es einen Vorschlag für eine geänderte Bauweise (siehe Dokument von X GmbH vom 16.9.2013). Die tatsächliche genaue Ausführung ist in den geforderten statischen Berechnungen zu berücksichtigen.

 

Ein Bodengutachten und Aufschließungsbohrungen wurden durchgeführt und liegen dem Antragsteller vor. Aufgrund dieses Gutachtens sind hinsichtlich der Gründung keine Probleme zu erwarten. Die angegebenen Gründungswerte werden in die statische Berechnung eingearbeitet, welcher der Baubehörde auch auf Basis der Stellungnahme vom Geologen noch vor Baubeginn nachzureichen ist. Die Oberflächengestaltung der neuen X wird im Einvernehmen mit dem Magistrat Steyr durchgeführt. Bei der Herstellung des Objektes wird besonders auf den schonenden Umgang mit dem bestehenden Baumbestand geachtet. Die Fassadengestaltung erfolgt entsprechend dem durchgeführten Architekturwettbewerb mit einem offenen Gitternetz auf einer Stahlunterkonstruktion als Rankgerüst für eine Bepflanzung mit wildem Wein.

…“

 

I.6. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Steyr vom 28.10.2013, GZ BAU H-250/2012 We, wurde der Bw die Baubewilligung für die Errichtung eines zweigeschossigen Parkdecks direkt unter der X, beginnend von der X bis zur Ausfahrt im Bereich der X-Tankstelle auf den Grst Nr. X, X und X, EZ X sowie Grst Nr. X, X und X, EZ X, alle KG Steyr, entsprechend dem bei der kommissionellen Lokalverhandlung aufgelegenen und als solchen gekennzeichneten Bauplan des Planverfassers X GmbH & Co KG und Lageplan im Maßstab 1 : 1000, eingelangt beim Magistrat der Stadt Steyr am 8.11.2012 unter einer Reihe von Bedingungen und Auflagen erteilt. Zu den Einwendungen der Bf wurde in der Begründung Stellung genommen.

 

I.7. Dagegen erhoben die Bf jeweils mit Schriftsatz vom 6.11.2013 Berufung und brachten im Wesentlichen vor, die Feststellung einer vorliegenden Widmung/Zusatzfestlegung der gesamten vom Bau betroffenen Liegenschaft mit „Verkehrsfläche–Fließender Verkehr (Unterirdische Parkfläche)“ sei grundsätzlich falsch und nicht nachvollziehbar. Das geplante Bauvorhaben soll laut Einreichunterlagen auf den Grundstücken Nr. X, X und X, EZ X sowie X, X und X, EZ X, errichtet werden. Offenkundig müssten für die Zulässigkeit des geplanten Bauvorhabens all diese Grundstückflächen die Zusatzfestlegung „(Unterirdische Parkfläche)“ aufweisen. Allerdings liege eine Zusatzfestlegung „(Unterirdische Parkfläche)“ durch die symbolische Darstellung „P“ seit der entsprechenden Einzeländerung Nr. 57 (RO-R-307262/5-2012) des Flächenwidmungsplanes Nr. 2 nur auf den Grundstücken Nr. X, X, X und X vor. Nur hier könnte die Errichtung des Bauvorhabens zulässig sein, wobei selbst hier aus der Stellungnahme der FA Stadtplanung durch das Nichtankreuzen von Punkt b) hervorgehe, dass das Bauvorhaben zumindest gemäß Oö. Betriebstypenverordnung in den gegebenen Widmungen nicht zulässig sei. Die Grundstücke X und X würden überdies ausschließlich die Widmung „Verkehrsfläche-Fließender Verkehr“ ohne jeglichen Zusatz, Sonderwidmung, oder symbolische Darstellung aufweisen. Auf diesen Grundstücksflächen, die flächenmäßig den Großteil des Bauvorhabens ausmachen, sei die Errichtung einer solchen privaten Betriebsanlage, wie der geplanten Tiefgarage, nicht zulässig, weshalb das Bauansuchen jedenfalls abzuweisen gewesen wäre. Weiters übersehe die belangte Behörde, dass sich das geplante Gebäude auf eine Vielzahl anderer Grundstücke erstrecke, die in der Einreichung überhaupt nicht genannt seien. Es handle sich um alle Grundstücke, auf welche geplante Gebäudeteile (konkret die rückwärtigen Bohrpfahlverankerungen) reichen, also zumindest die Grundstücksnummern X, EZ X; .X, EZ X; .X und .X, EZ X; X, EZ X; und X, EZ X; ua. In diesem Zusammenhang weise die Erst-Bf abermals daraufhin, dass die Grundgrenzen in sämtlichen Einreichunterlagen falsch dargestellt seien. Die Erst-Bf bringt weiters vor, das geplante Bauvorhaben rage auf eine Liegenschaft in ihrem Eigentum. Daraus folge, dass sie nicht bloß Nachbarin des geplanten Bauvorhabens sei, sondern vielmehr Grundeigentümerin im Sinne des § 28 Abs 2 Z 2 Oö. BauO 1994. Gemäß dieser Bestimmung wäre dem Baubewilligungsantrag beim Neu-, Zu- und Umbau sowie beim Abbruch von Gebäuden die Zustimmung des Grundeigentümers oder der Miteigentümer, wenn der Bauwerber nicht Alleineigentümer ist, schon im Zeitpunkt des Einbringens anzuschließen gewesen. Sie hätte aber zu jedem Zeitpunkt ihre Zustimmung zum geplanten Bauvorhaben ausdrücklich und auch schriftlich gegenüber der Behörde verweigert. Dies sei im Genehmigungsbescheid schlicht ignoriert worden. Des Weiteren rügen die Bf noch die Unvollständigkeit der Planunterlagen sowie die Befangenheit der am Verfahren beteiligten Organe der Behörden der Stadt Steyr.

 

I.8. Im Schreiben der X GmbH & Co KG vom 13.12.2013 an den Magistrat der Stadt Steyr wurde bestätigt, „dass bei der Errichtung der Stadtplatzgarage X im Bereich des Geb. X, Eckhaus X keine Rückverankerung der Bohrpfahlwand auf Fremdgrund durchgeführt wird.“

 

I.9. Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt Steyr (im Folgenden: belangte Behörde) vom 30.1.2014, GZ BauH-250/2012, wurden die Berufungen der Bf als unbegründet abgewiesen. Im Spruchpunkt II. wurde der Bescheid des Magistrates der Stadt Steyr als Baubehörde I. Instanz vom 28.10.2013 insofern abgeändert, als die im Spruch unter Punkt I. angeführten Auflagen 1., 2. und 39. durch neue Auflagen ersetzt wurden. Zum Berufungsvorbringen der Bf wurde ausführlich Stellung genommen.

 

I.10. Mit Schriftsätzen jeweils vom 24.2.2014 erhoben die Bf schließlich Beschwerde an das Oö. Landesverwaltungsgericht und stellten den Antrag, das Oö. Landesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid des Stadtsenates der Stadt Steyr, GZ BauH-250/2012, vom 30.1.2014 dahingehend abändern, dass der Antrag der Stadtplatzgarage Steyr GmbH auf Erteilung der Baubewilligung abgewiesen werde, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und zur neuerlichen Entscheidung zurückverweisen. Die Erst-Bf stellte auch einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Die Erst-Bf brachte vor, in den Einreichplänen seien damals wie heute die Grundgrenzen ihres Grundstücks falsch dargestellt worden. Die Pläne würden dem Stand vor 2010 entsprechen. Nach einer erheblichen Projektänderung enthielte das Bauansuchen nun Grenzüberbauten auf eine Reihe von ursprünglichen Nachbargrundstücken, darunter ihre Liegenschaft EZ X, KG Steyr. Erstmals am 5.3.2013 hätte sie der Geschäftsführer der Antragstellerin per E-Mail um Zustimmung ersucht, unter ihrem Grundstück eine rückwärtige Bohrpfahlverankerung des geplanten Neubaus zu errichten, welcher aus  statischen Gründen notwendig sei. Seitdem habe sie durchgehend ihre Zustimmung dazu verweigert. Beim geplanten Neubau handle es sich jedoch um einen Neubau, weshalb gemäß § 28 Abs 2 Z 2 Oö. BauO 1994 für die Zulässigkeit die Zustimmung aller Grundeigentümer erforderlich sei. Sowohl Erst- wie auch Zweit-Bf brachten darüber hinaus übereinstimmend vor, das Bauvorhaben sei widmungswidrig. Auch Verfahrensfehler wurden moniert.

 

I.11. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28.2.2014 an die Parteien, darunter auch die Bf, wurde mitgeteilt, dass die Bf Beschwerden an das Oö. Landesverwaltungsgericht erhoben hätten. Die Erst-Bf bringe in ihrem Schriftsatz zum Ausdruck, dass die Grundgrenzen ihres Grundstücks Nr. X, nicht richtig ausgewiesen seien. Die Erst-Bf lege als Beweis dafür ausreichende Urkunden vor. Nach Prüfung der Unterlagen sei festzustellen, dass mit Beschluss des BG Steyr vom 22.2.2010 in der Einlage X, Grundbuch X, die lastenfreie Abschreibung des Trennstücks 1 mit der Fläche 13 aus dem Grundstück Nr. .X, nach Einlage X und in der Einlage X, Grundbuch X, die Zuschreibung des Trennstücks 1 aus Einlage X und Einbeziehung in das Grundstück X bewilligt worden sei. Die dem gegenständlichen Bauvorhaben zugrunde liegenden planlichen Darstellungen, und hier insbesondere der Lageplan und der Plan, welcher die Lage der Rückverankerung der Bohrpfähle wiedergebe, würden diese Grundgrenzänderung nicht berücksichtigen und sie würden somit einen falschen Grenzverlauf wiedergeben. Auf Grund dieser falschen planlichen Darstellung der Rückverankerung komme man zum – in der Sache falschen – Schluss, dass mit dem Baubewilligungsbescheid Rückverankerungen unzulässigerweise, weil ohne zivilrechtliche Zustimmung der Grundstückseigentümerin, unter dem Grundstück der Erst-Bf bewilligt worden seien. Die Bw habe in Kenntnis dieses Fehlers umgehend den Austausch des Lageplans und des Plans über die Lage der Rückverankerung der Behörde übermittelt. Diese Pläne würden als Austauschpläne in das Verfahren einbezogen werden, gemäß § 10 VwGVG den Parteien zur Kenntnis gebracht und ihnen die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen 14 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens zu äußern. Überdies erging an die Bw und die übrigen Parteien die Einladung, zum Antrag der Erst-Bf auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung kurzfristig Stellung zu nehmen und die davon berührten Interessen entsprechend darzulegen.

 

Im Schreiben der X GmbH & Co KG vom 11.3.2014 an die Erst-Bf wurde neuerlich bestätigt, dass bei der Errichtung der Stadtplatzgarage X im Bereich des Gebäudes .X, Gst Nr. X, Eckhaus X keine Rückverankerung der Bohrpfahlwand auf Fremdgrund durchgeführt werde.

 

In der Stellungnahme der Erst-Bf vom 7.3.2014 führte diese im Wesentlichen aus, die neuen Einreichpläne würden nicht nur die Berichtigung der Grundgrenzen enthalten, sondern unzweifelhaft auch eine Modifikation des bewilligten Bauvorhabens im Hinblick auf die Rückverankerung. Die Modifikation des dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden verfahrenseinleitenden Antrags sei im Rahmen des Beschwerdeverfahrens aber unzulässig. Weiters müsste die Modifikation nach der anzuwendenden Oö. BauO 1994 näher qualifiziert werden. Die behauptete Verletzung ihrer subjektiven Rechte ergebe sich aus der Würdigung der Behörde und daraus, dass ihre Zustimmung als Eigentümer zur Bauführung im Zeitpunkt des Einbringens des Ansuchens nicht vorgelegen habe und damit die Zustimmung des Grundeigentümers als Voraussetzung für die aufrechte Erledigung des Bauansuchens gefehlt habe. Sie weise nochmals auf den Prüfungsumfang gemäß § 27 VwGVG hin. Weiters würden die neuen „Austauschpläne“ wiederum Bauwerke auf ihrem Grundstück enthalten, da sich die weiterhin vorgesehenen Rückverankerungen auf Grund ihrer Länge mit ihrer diagonal dazu verlaufenden Grundgrenze schneiden würden. Unabhängig von den Absichten der Bauwerberin könne eine Verkürzung der Verankerungen überhaupt nur dann angenommen werden, wenn eine abschließende Statik deren Länge genau definiere, was unbestreitbar vor Bescheiderlassung nicht gesehen sei.

 

I.12. Mit dem nun angefochtenen Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) der belangten Behörde vom 27.3.2014, GZ Ad BauH - 250/2012, wurde dem Antrag der Erst-Bf vom 24.2.2014 auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde vom 24.2.2014 gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Steyr als Baubehörde zweiter Instanz vom 30.1.2014 (BauH -­ 250/2012) nicht Folge gegeben und die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt (§ 56 Abs 2 Oö. BauO 1994. Abs 2 Oö. BauO 1994; Spruchpunkt I.). Im Spruchpunkt II. wurden die Beschwerden der Bf gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Steyr als Baubehörde zweiter Instanz vom 30.1.2014, soweit subjektive Rechte berührt werden, als unbegründet abgewiesen und, soweit in den Beschwerden bloß objektive Rechte ins Treffen geführt werden, als unzulässig zurückgewiesen. Im Spruchpunkt III. wurde festgehalten, dass als Lagepläne des Einreichplanes die Pläne vom 26.2.2014 gelten. Die Entscheidung wurde umfangreich begründet.

 

I.13. Dagegen erstatteten die Bf jeweils mit Schriftsatz vom 9.4.2014 rechtzeitig einen Vorlageantrag gemäß § 15 Abs 1 VwGVG. Die Erst-Bf erhob gleichzeitig Beschwerde gegen die abweisende Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Nach umfangreichen Ausführungen ersuchten die Bf das Oö. Landesverwaltungsgericht, ihrer Beschwerde gemäß zu entscheiden und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Antrag auf Erteilung der Baubewilligung abgewiesen werde bzw den Bescheid aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Im Rahmen der Beschwerde stellte die Erst-Bf den Antrag, das Oö. Landesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid des Stadtsenates der Stadt Steyr vom 27.3.2014 dahingehend abändern, dass ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben werde; in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und zur neuerlichen Entscheidung zurückverweisen.

 

I.14. Die belangte Behörde hat entsprechend § 15 Abs 2 VwGVG dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 15.4.2014 die Vorlageanträge der Bf und die Beschwerde der Erst-Bf unter Anschluss des Verwaltungsaktes vorgelegt und mit Schreiben vom 23.4.2014 den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitgeteilt.

 

I.15. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich teilte den Parteien mit Schreiben vom 6.5.2014 die Einbringung von Vorlageanträgen und einer Beschwerde mit und räumte – auch unter Hinweis auf § 24 Abs 3 VwGVG betreffend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung – eine Frist zur Abgabe einer Äußerung ein.

 

Die belangte Behörde verwies dazu auf den im Begleitschreiben an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vom 15.4.2014 enthaltenen Vorlagebericht. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde ausdrücklich nicht beantragt.

 

Die Bw erstattete durch ihre rechtsfreundliche Vertretung mit Schriftsatz vom 26.5.2014 eine Äußerung und stellte den Antrag auf Abweisung der Beschwerden der Bf jeweils vom 24.4.2014 sowie der Beschwerde der Erst-Bf betreffend die aufschiebende Wirkung vom 9.4.2014. Auch die Bw stellte ausdrücklich keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

 

 

II.          Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt. Der unter Punkt I. dargestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

 

 

III.1. Gemäß § 28 Abs 2 Z 1 und 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Artikel 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 dieser Bestimmung kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

 

III.2. Die hier maßgebliche Bestimmung der Oö. BauO 1994, LGBl Nr. 66/1994, in der gemäß Abs 2 des Artikel II der Oö. Bauordnungs-Novelle 2013, LGBl Nr. 34/2013, anzuwendenden Fassung des Landesgesetzes LGBl Nr. 36/2008 lautet auszugsweise:

 

„§ 31
Einwendungen der Nachbarn

 

(1) Nachbarn sind

2. bei allen anderen Bauvorhaben sowie für die Nachbarrechte im Sinn des Abs. 5: die Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen der Grundstücke, die vom zu bebauenden Grundstück höchstens 50 Meter entfernt sind.

 

Die Stellung als Nachbar besteht jedoch jeweils nur unter der Voraussetzung, dass diese Eigentümer oder Eigentümerinnen und Miteigentümer oder Miteigentümerinnen durch das Bauvorhaben voraussichtlich in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden können. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind Grundeigentümern oder Grundeigentümerinnen gleichgestellt.

(3) Nachbarn können gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich-rechtliche Einwendungen) begründet sind.

 

(4) Öffentlich-rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechts oder eines Flächenwidmungsplans oder Bebauungsplans stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Dazu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen. Ein Schutz gegen Immissionen besteht jedoch insoweit nicht, als die Nachbargrundstücke oder die darauf allenfalls errichteten Bauten nicht für einen längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind und die Errichtung solcher Bauten auf Grund faktischer oder rechtlicher Umstände auch in Hinkunft nicht zu erwarten ist. Als längerer Aufenthalt gilt dabei jedenfalls nicht ein wenn auch mehrmaliger oder öfterer, jeweils aber nur kurzzeitiger vorübergehender Aufenthalt von Menschen. Überdies kann der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen nicht dazu führen, daß die Baubewilligung für ein Bauvorhaben, das nach der für das Baugrundstück geltenden Flächenwidmung zulässig ist, grundsätzlich versagt wird.

(6) Bei baulichen Anlagen, die auch einer gewerbebehördlichen Genehmigung bedürfen, sind Einwendungen der Nachbarn, mit denen der Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen geltend gemacht wird, nur zu berücksichtigen, soweit sie die Frage der Zulässigkeit der Betriebstype in der gegebenen Widmungskategorie betreffen.

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

Die Erst-Bf kritisiert in ihrem Vorlageantrag vom 9.4.2014 zunächst, die belangte Behörde hätte ihren Prüfungs- und Entscheidungsspielraum gemäß § 27 VwGVG mehrfach überschritten. Sie hätte in ihrer Beschwerde aufgrund der Verletzung ihrer subjektiven Rechte begehrt, dass der Bescheid vom 30.1.2014 ausschließlich dahingehend abgeändert werde, dass der Antrag der Bw auf Erteilung der Baubewilligung abgewiesen werde. Dies ermächtige die Behörde aber keinesfalls zu einer Abänderung des Bescheides in jede Richtung. Insofern hätte es der belangten Behörde wegen ihres beschränkten Prüfungsumfangs jedenfalls an der materiellen Kompetenz zur Erlassung des Spruchpunktes III. der Beschwerdevorentscheidung gemangelt. Es könnte weder ihre Beschwerdebegründung noch ihr Begehren so ausgelegt werden, dass aus ihnen eine Kompetenz zu einer Genehmigung neuer Einreichpläne im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung abgeleitet werden könne.

 

IV.1. Auf dieses Vorbringen braucht insofern nicht näher eingegangen zu werden, da die Erst-Bf weiters Folgendes vorbringt und damit einen wesentlichen Mangel des behördlichen Verfahrens aufzeigt:

 

Um festzustellen, ob die im Einreichplan vom 26.2.2014 weiterhin beantragten Bohrpfahlverankerungen auf das Grundstück der Erst-Bf ragen und sie weiterhin in denselben Rechten verletzt sei wie vorher, wäre nach Ansicht der Erst-Bf jedenfalls eine abschließende statische Bemessung des Bauvorhabens (im Sinne der Auflagepunkte 1. und 2. des Bescheides) zwingend, da das Gericht ansonsten nicht sinnvoll über die Beschwerde absprechen könne. Sie verweise auf das diesbezügliche Vorbringen ihrer Stellungnahme vom 7.3.2014, welches die Behörde in keiner Weise gewürdigt habe. Die Abbildung auf Seite 10 ihres Vorlageantrages zeige die Bauwerke auf ihrer Liegenschaft gemäß den Plänen vom 26.2.2014. Die hellroten Linien seien dabei keine Schraffur, sondern die tatsächliche Lage der Verankerungen auf ihrem Grundstück, ausgehend von den Bohrpfählen. … Es sei überdies nicht maßgeblich, ob das Bauvorhaben auch ohne die Verankerung beantragt hätte werden können, oder ob die Beantragung der Verankerung nur aus Kostengründen erfolgt sei. Maßgeblich sei nur, wie das Bauvorhaben tatsächlich beantragt und genehmigt worden sei. … Weiters vermeine die Behörde, die Rückverankerung diene nur temporär der Absicherung des Bauvorhabens. Dies könne den Projektunterlagen an keiner Stelle entnommen werden, ganz im Gegenteil. Laut Punkt 4.4 des von der Bauwerberin vorgelegten technischen Berichts der X GmbH, bei der Behörde eingelangt am 9.9.2013, sei diese Rückverankerung sogar erforderlich, um Verformungen des Bauvorhabens, welche auch zur Setzung der (Nachbar-)Gebäude führen würden, hintan zu halten. Dies sei nicht auf die Errichtung beschränkt. … Schließlich verweist die Erst-Bf noch auf den Systemschnitt vom 8.5.2013. Daraus ergebe sich eindeutig die Tiefe und vertikale Ausrichtung der Verankerungen. Die Verankerung beginne am Bohrpfahl auf etwa 297 m Seehöhe und werde von dort in einem Winkel von 15,0 ° abfallend errichtet. … (siehe das Vorbringen der Erst-Bf ab Seite 10 ihres Vorlageantrages).

 

IV.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich beim Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren, bei welchem die Zulässigkeit auf Grund der eingereichten Pläne zu beurteilen ist; Gegenstand des Verfahrens ist das in den Einreichplänen und sonstigen Unterlagen dargestellte Projekt, für das der in den Einreichplänen und den Baubeschreibungen zum Ausdruck gebrachte Bauwille des Bauwerbers entscheidend ist (vgl etwa VwGH 8.4.2014, 2011/05/0079 mit Hinweis auf VwGH 15.11.2011, 2008/05/0051, mwH).

 

Insofern kann den Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung ihres angefochtenen Bescheides vom 27.3.2014 nicht gefolgt werden, wenn sie vermeint, „[d]er schematische Lageplan der Rückverankerung dient zur groben Illustration des Bereichs, in dem Rückverankerungs-Anker nach Maßgabe der zivilrechtlichen Vereinbarungen gesetzt werden, ohne die einzelnen Ankerpositionen exakt auszuweisen. Durch diese planlich falsche Darstellung der Grundgrenzen konnte der falsche Eindruck entstehen, dass die unterirdischen Bohrpfähle auch unter dem Grundstück der Beschwerdeführerin bzw. Antragstellerin bewilligt wurden. Aus dem im Verwaltungsakt dokumentierten erstinstanzlichen Verfahren und er schriftlichen Bestätigung der Bauwerberin ist jedoch zweifelsfrei ersichtlich, dass diese unterirdischen Bohrpfahlrückverankerungen nur unterhalb jener Grundstücke  angebracht werden, wo mit den Eigentümern dieser Grundstücke eine entsprechende zivilrechtliche Vereinbarung erzielt werden konnte. Da Frau EM ihre Zustimmung dazu verweigerte, wird im Bereich ihres Grundstücks eine derartige unterirdische Bohrpfahlverankerung nicht durchgeführt. Die Nichtbeanspruchung des Grundstücks der Beschwerdeführerin bzw. Antragstellerin wird mit dem nunmehr eingereichten Austauschplänen klar und richtig wiedergegeben.“

 

Die belangte Behörde begründet weiters, „[d]en Einreichunterlagen, und hier insbesonders den planlichen Darstellungen über die Lage der Bohrpfahlrückverankerung wie auch dem Plan über den Projektschnitt (jeweils vom 26.2.2014) aber auch dem Systemschnitt (8.5.2013) ist keine exakte Lage, Tiefe und Ausrichtung von Bohrpfahlrückverankerungen zu entnehmen.

 

Diese Bohrpfahlrückverankerungen waren für die Baubehörden und insbesondere für die Baubehörde zweiter Instanz auch deswegen nicht von projektrelevanter Bedeutung, da die Rückverankerung kein untrennbarer, wesentlicher Bestandteil des Projekts ist, sondern lediglich eine technische Variante der statischen Baurealisierung. Sie dient temporär zur Absicherung der Standfestigkeit der Bohrpfähle solange keine Decken zur Aussteifung vorhanden sind. Sie ist technisch vergleichbar mit einer Schalung und Rüstung, die nach Erhärtung des Betons nicht mehr benötigt wird, wenngleich die Anker vorerst im Boden verbleiben. … Dass die Bohrpfahlrückverankerungen keinen wesentlichen Gebäudebestandteil darstellen, ergibt sich aus den zivilrechtlichen Vereinbarungen zwischen der Bauwerberin und den Eigentümern derjenigen Grundstücke, unter denen Bohrpfahlrückverankerungen gesetzt werden sollen. All diese Verträge beinhalten eine Textpassage, aus der hervorgeht, dass die Bohrpfahlverankerung nach Fertigstellung der Garage entfernt werden können. Diese Bohrpfahlrückverankerungen sind somit lediglich eine temporäre, baustatische Bauerrichtungsmaßnahme zur Übernahme des Erddrucks bis zur Errichtung der Geschoßdecken.“

 

Diese Schlussfolgerung der belangten Behörde, wonach es sich bei den Rückverankerungen nur um eine temporäre Bauerrichtungsmaßnahme handle, ergibt sich jedoch – wie von der Erst-Bf richtig aufgezeigt – aus den genehmigten Projektunterlagen gerade nicht:

 

Es ist zwar richtig, dass weder den Plänen noch den sonstigen Einreichunterlagen entnommen werden kann, wie viele Rückverankerungen gesetzt werden sollen und vor allem, welche Länge diese aufweisen sollen. Die diesbezüglich nicht hinreichend konkretisierten genehmigten Pläne (hier insbesondere der „Lageplan Rückverankerung“ vom 26.2.2014) lassen jedoch gerade die Möglichkeit offen, auch im Bereich des Grundstücks der Erst-Bf – und zwar dort, wo das Grundstück nach Süd-Ost abschwenkt (siehe die Darstellung im Vorlageantrag der Erst-Bf auf Seite 10) – Rückverankerungen zu setzen.

 

Ob die Rückverankerungen temporär – gleichsam als Baugrubensicherung - gesetzt werden sollen oder ob diese auf Dauer bestehen sollen, weil sie einen funktionellen (insbesondere statischen) Zusammenhang mit dem Bauwerk aufweisen, ergibt sich – entgegen den Ausführungen der belangten Behörde – aus den genehmigten Einreichunterlagen ebenfalls nicht. Wie bereits erläutert, lässt dies einerseits der Einreichplan offen, aber auch der genehmigte „Technische Bericht zur Variante stützenfrei für die Stadtplatzgarage in Steyr“ der X vom 3.5.2013 führt unter Punkt „4.4 Pfahlwand“ aus: „Zur Sicherung der angrenzenden Gebäude ist eine aufgelöste Pfahlwand vorgesehen. Der Pfahlraster entspricht mit 1,75 m dem halben Stützraster. Um Verformungen der Pfahlwand, die zu Setzungen der Gebäude führen würden, möglichst hintan zu halten, ist eine Verankerung der der Pfähle erforderlich.“

 

Aus dieser Formulierung ergibt sich in keinster Weise, dass es sich bei den Verankerungen der Pfähle um eine temporäre Baumaßnahme handeln soll.

 

Angemerkt sei, dass der im Verwaltungsakt befindlichen zivilrechtlichen Vereinbarung mit der X Oberösterreich vom 20. bzw 22.8.2013 in diesem Zusammenhang kein Erklärungswert zukommt. Ebenso wenig der „Bestätigung“ der X GmbH & CoKG vom 11.3.2014, die ohnedies nur bestätigt, „im Bereich des Gebäudes .X, Gst. X, Eckhaus X“ keine Rückverankerungen der Bohrpfahlwand durchzuführen. Dass keine Rückverankerungen auf dem übrigen Grundstück gesetzt werden sollen, wird damit nicht bestätigt.

 

IV.3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht nun davon aus, dass es für das baubehördliche Projektgenehmigungsverfahren einen gewichtigen Unterschied darstellt, ob es sich bei den Rückverankerungen der Bohrpfahlwand um eine temporäre Baumaßnahme, ähnlich einer Baugrubensicherung, handelt, oder ob diese auf Grund ihres funktionellen Zusammenhangs mit dem Bauwerk auf Dauer bestehen bleiben sollen:

 

IV.3.1. Handelt es sich um eine temporäre Baumaßnahme, die nach Baufertigstellung wieder entfernt wird bzw. werden kann, weil sie keine Funktion mehr für das Bauwerk selbst hat, ist die Inanspruchnahme der Nachbargrundstücke auf dem Zivilrechtsweg zu klären. Allenfalls könnte nach § 15 Oö. BauO 1994 vorgegangen werden.

 

IV.3.2. Sind die Rückverankerungen der Bohrpfahlwand jedoch (insbesondere aus statischen Gründen) auf Dauer erforderlich und stehen diese daher in einem funktionellen Zusammenhang mit dem Bauwerk, sind diese nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts als Einheit mit dem übrigen Bauwerk zu betrachten.

 

Dies zieht baurechtliche Folgen nach sich:

 

IV.3.2.1. So werden damit etwa jene Nachbargrundstücke, auf welchen die Rückverankerungen gesetzt werden sollen, zu Grundstücken gemäß § 28 Abs 1 Z 2 Oö. BauO 1994, auf denen das Bauvorhaben ausgeführt werden soll. Dies hätte zur Folge, dass die Grundeigentümerzustimmungen gemäß § 28 Abs 2 Z 2 leg cit vorliegen müssten. Ergibt sich im Verfahren, daß die liquid erforderliche, als Beleg dem Ansuchen anzuschließende Zustimmung des Grundeigentümers bzw. der Grundeigentümer zur Bauführung im Zeitpunkt des Einbringens des Ansuchens nicht vorgelegen hat oder später weggefallen ist, wird die Zustimmung des Grundeigentümers bzw. der Grundeigentümer zu einer Voraussetzung für die aufrechte Erledigung des Bauansuchens (Hinweis VwGH 11.10.1994, 94/05/0229) und ist das Ansuchen daher - allenfalls schon im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens (§ 30 BauO 1994) – abzuweisen (vgl VwGH 30.11.1999, 97/05/0262).

 

Da sich aus den von der belangten Behörde genehmigten Projektunterlagen nicht konkret ergibt, welche Länge die Rückverankerungen aufweisen sollen, ist nicht auszuschließen, dass bei entsprechender Länge der Rückverankerungen auch das Grundstück der Erst-Bf betroffen wäre (siehe den „Lageplan Rückverankerung“ vom 26.2.2014, wo der gekennzeichnete Bereich „Rückverankerung der Bohrpfahlwand lt. Vereinbarung mit den Grundeigentümern“ auch auf das Grundstück der Erst-Bf Nr. X hineinragt). Da diese von Beginn des Verwaltungsverfahrens an ihre Grundeigentümerzustimmung zum geplanten Bauvorhaben gemäß § 28 Abs 2 Z 2 Oö. BauO 1994 verweigerte, müsste die Baubehörde – sollten die Rückverankerungen eine entsprechende Länge aufweisen und in das Grundstück der Erst-Bf hineinragen - das beantragte Bauansuchen gemäß § 30 Abs 6 leg cit abweisen.

 

IV.3.2.2. Wären die Rückverankerungen als Teil des einheitlichen Bauvorhabens projektiert und wären die Grundstücke, auf denen sich die Rückverankerungen befinden, somit zu bebauende Grundstücke gemäß § 28 Abs 1 Z 2 leg cit, müssten in weiterer Folge auch Fragen der Zulässigkeit des beantragten Bauvorhabens in den gegebenen Flächenwidmungen dieser Grundstücke geprüft werden.

 

IV.3.2.3. Aber auch der Kreis der Nachbarn würde sich gemäß § 31 Abs 1 Z 2 Oö. BauO 1994 verändern.

 

IV.4. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass mangels konkreter Einreichunterlagen der Gegenstand des Verfahrens und damit der Bauwille des Bw in einem entscheidenden Punkt nicht bekannt ist. Die Bf haben auf die nicht hinreichende Darstellung der Anker in den Einreichunterlagen bzw. die fehlende Darstellung bzw. Manifestierung des Bauwillens des Bw schon während des gesamten behördlichen Verfahrens hingewiesen. Die belangte Behörde hat es jedoch verabsäumt, die Projektunterlagen diesbezüglich konkretisieren zu lassen. Das derzeit vorliegende Projekt kann somit nicht - weder von der belangten Behörde noch vom Landesverwaltungsgericht - abschließend beurteilt werden. Das Projekt bedarf daher nach der diesbezüglichen Konkretisierung einer neuerlichen baurechtlichen Beurteilung. Auf die sich daraus möglicherweise ergebenden baurechtlichen Folgen (siehe Punkt IV.3.2.1. bis IV. 3.2.3) wird ausdrücklich hingewiesen. Diese – iSd der jüngst ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe VwGH 26.6.2014, 2014/03/0063) – gravierende Ermittlungslücke der belangten Behörde lässt jedoch den iSd § 28 Abs 2 Z 1 VwGVG zu beurteilenden Sachverhalt der gegenständlichen Beschwerdeangelegenheit gänzlich offen (siehe Punkt IV.3.).

 

Im Hinblick auf die Vorgeschichte des gegenständlichen Falles und die Nähe zur Sache wird die Verwaltungsbehörde die erforderlichen Ermittlungsschritte und damit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts im Sinne des Gesetzes zumindest mit der gleichen Raschheit und mit nicht höheren Kosten als das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bewerkstelligen können. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich entscheidet daher gemäß § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG nicht in der Sache selbst, sondern macht von der in § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

IV.5. Aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs der Beschwerde des Zweit-Bf mit jener der Erst-Bf und auf Grund des offenen weiteren Verfahrensganges wurde diese mit der gegenständlichen Entscheidung miterledigt.

 

IV.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

IV.7. Durch die Entscheidung in der Sache selbst erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über die Beschwerde der Erst-Bf gegen die abweisende Entscheidung der belangten Behörde betreffend den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

 

 

V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil – soweit ersichtlich - eine solche Rechtsprechung fehlt. So konnte keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erblickt werden, in der er sich ausdrücklich zum Thema der Setzung von (unterirdischen, auf Dauer bestehenden) Ankern im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben und der sich daraus ergebenden Frage der Einheitlichkeit des Bauvorhabens und die sich daraus weiters ergebenden rechtlichen Folgen (siehe oben unter IV.3.2 bis IV.3.3.) beschäftigt. In der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.3.1997, 96/05/0278, etwa war (lediglich) die Setzung temporärer Anker zur Baugrubensicherung verfahrensgegenständlich.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Doris Manzenreiter

 

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