LVwG-750089/6/BP/JW

Linz, 20.06.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des X, geb. X, X, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 12. November 2012, GZ: Sich40-44739, mit dem ein Antrag des Beschwerdeführers vom 21. Dezember 2011 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ gemäß § 41a Abs. 9 des Niderlassungs- und Aufenthaltsgesetzes abgewiesen wurde,  

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. § 41a Abs. 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF. BGBl. I Nr. 50/2012, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 12. November 2012,  GZ: Sich40-44739, wurde ein quotenfreier Erstantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) vom 21. Dezember 2011 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiss-Rot – Karte plus“ gemäß § 41a Abs.9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

 

In der Begründung geht die belangte Behörde zunächst von folgendem Sachverhalt aus:

 

Zur Beurteilung des § 41a Abs. 9 Z. 2 , ob Ihr Aufenthalt gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, wurde eine Stellungnahme der Sicherheitsdirektion Oberösterreich eingeholt welche wie folgt lautet:

 

(...)

Aufgrund der Durchsicht der vorliegenden Akte geht hervor, dass der Antragsteller am 27.05.2005 illegal nach Österreich eingereist ist. Das Asylverfahren wurde 05.12.2011 rechtskräftig negativ entschieden. Mit dieser Entscheidung wurde eine rechtskräftige Ausweisung erlassen.

 

Entsprechend den vorliegenden Unterlagen ist X seit Mai 2005 im Bundesgebiet aufhältig. Der Genannte wurde aufgrund seines Asylantrages durch die Behörde am 27.12.2006 erstinstanzlich negativ entschieden. Somit war ihm seit diesem Zeitpunkt der unsichere Aufenthalt im Bundesgebiet bekannt.

 

Die beigebrachten Unterstützungsschreiben diverser Privatpersonen zeugen im gewissen Maße von einer gelungenen sozialen Integration in Österreich, da sich in nächster Umgebung des Antragstellers Menschen für ihn einsetzen. Dieser Umstand relativiert sich jedoch auch dahingehend, dass er diese Kontakte in einem Zeitraum geschaffen hat, in dem sein Aufenthalt in Österreich nur an das Abwarten der Entscheidung über seinen Asylantrag geknüpft war.

 

Das Vorlegen der Unterschriftsliste nach rechtskräftiger Ausweisungsentscheidung setzt naturgemäß vorherige tiefgreifende soziale Kontakte zu den angeführten Personen voraus, welche das Maß an sozialer Integration in Österreich verstärken. Da derartige Kontakte jedoch nicht von einem Tag auf den anderen entstehen, sondern einen gewissen Zeitraum bedürfen, stellt dieser Umstand keinen maßgeblichen Sachverhalt im Sinne eines positiv zu bewertenden Integrationsmerkmales dar, zumal ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur bei nova producta als gegeben zu werten ist.

 

In Anbetracht der Tatsache, dass der Antragsteller während seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich noch nie einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen ist, erweckt das nunmehrige Vorlegen eines Dienstvorvertrages lediglich den Anschein nach Ausschöpfung aller ihm zustehenden Rechtsmittel, seinen Aufenthalt zu legalisieren. Dieser Umstand musste jedoch von ho. Seite relativiert werden, zumal der Antragsteller bereits während seines bisherigen Aufenthaltes keinerlei Ambitionen zur Erlangung beruflicher Integration gezeigt hat und erst nach rechtskräftig negativer Asylentscheidung (samt Ausweisungsentscheidung) bzw. (möglicher) bevorstehender Abschiebung Integrationsbemühungen zeigt.

In diesem Zusammenhang wird auf das VwGH-Erkenntnis vom 22.07.2011, Zahl: 2011/22/0138 hingewiesen.

 

Mit der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, Sich40-44739 vom 21.06.2012, wurde Ihnen dieser Sachverhalt zur Kenntnis gebracht. Mit Eingabe vom 10.07.2012 haben Sie dazu Stellung genommen.

 

Die Behörde hat hiezu erwogen:

 

(...)

In Anbetracht der Tatsache, dass der Antragsteller während seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich noch nie einer Beschäftigung nachgegangen, erweckt das nunmehrige Vorlegen eines Dienstvorvertrages lediglich den Anschein nach Ausschöpfung aller ihm zustehenden Rechtsmittel, seinen Aufenthalt zu legalisieren. Dieser Umstand musste jedoch von ho. Seite relativiert werden, zumal der Antragsteller bereits während seines bisherigen Aufenthaltes keinerlei Ambitionen zur Erlangung beruflicher Integration gezeigt hat und erst nachrechtskräftig negativer Asylentscheidung (samt Ausweisungsentscheidung) bzw. (möglicher) bevorstehender Abschiebung Integrationsbemühungen zeigt.

 

Sämtliche von Ihnen in Ihrer Stellungnahme vom 10.07.2012 ins Treffen geführten Gründe wurden bereits im Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.11.2011, ZI. D1 261962-3/2008/9E, berücksichtigt, der die eingebrachte Beschwerde abgewiesen hat.

 

Bei der Bewertung der Zulässigkeit des Eingriffs in familiäre und private Bindungen ist darauf zu achten, ob die vorhandene Familienbande während einer rechtmäßigen Niederlassung des Fremden begründet wurde oder nicht, und ob sich im Fall einer Unrechtmäßigkeit der Niederlassung der Fremde dieser „Unsicherheit" seines weiteren rechtlichen Schicksals bewusst sein musste. Angesichts der oben dargelegten Ausführungen, sowie unter Berücksichtigung der dargelegten Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), erweisen sich fremdenpolizeiliche Maßnahmen aus Sicht der zuständigen Sicherheitsdirektion im Sinne des Art. 8 EMRK als zulässig bzw. ist der Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 9 NAG abzuweisen.

 

Bereits die erstinstanzlich negative Entscheidung im Asylverfahren musste vom Antragsteller als eindeutiges Indiz betrachtet werden, dass sein weiterer Aufenthalt in Österreich gefährdet ist, weshalb er von dieser „Unsicherheit" Kenntnis hatte.

 

(...)

 

Ihre beigebrachten Unterstützungs- und Empfehlungsschreiben diverser Privatpersonen zeugen in gewissem Maße von einer gelungenen sozialen Integration in Österreich, da sich in Ihrer nächsten Umgebung Menschen für Sie einsetzen. Dieser Umstand relativiert sich jedoch auch dahingehend, dass Sie diese Kontakte in einem Zeitraum geschaffen haben, in dem Ihr Aufenthalt in Österreich nur an das Abwarten der Entscheidungen über Ihren Asylantrag geknüpft war.

 

Angesichts der oben dargelegten Ausführungen, sowie unter Berücksichtigung der dargelegten Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), erweisen sich fremdenpolizeiliche Maßnahmen aus ho. Sicht im Sinne des Art. 8 EMRK als zulässig.

 

Die Entscheidung über die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 41a Abs. 9 NAG hat unter Berücksichtigung der obigen Sachverhaltselemente zu erfolgen. Seit der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme konnten der ha. Behörde keine neuen Sachverhalte dargelegt werden. Eine Statusbeurteilung stellt zwar grundsätzlich eine Momentaufnahme dar, basiert aber auf einer qualifizierenden Bewertung des Integrationsprozesses und seiner derzeitigen Ausprägung.

 

Die Entscheidung der Behörde hat demnach anhand des Gesamtgrades der Integration des Fremden zu erfolgen und ist in diesem Fall negativ.

 

Somit kommt unter Betrachtung des gesamten Sachverhaltes die erkennende Behörde zum dem Schluss, dass der Antrag vom 21.12.2011 abzuweisen ist.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 22. November 2012, die nunmehr als Beschwerde anzusehen ist. In dieser wird zunächst folgender Antrag gestellt:

 

Die Berufungsbehörde möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und (mir) in Ansehung von Art. 8 EMRK den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte Plus“ erteilen.

 

Begründend wird ua. wie folgt ausgeführt:

 

1.

Der angefochtene Bescheid ist inhaltlich rechtswidrig und rechtswidrig aufgrund Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Ich habe am 27.05.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Dieser Antrag wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.11.2011 abgewiesen und dabei auch eine Ausweisung erlassen.

Mit gegenständlichem Antrag habe ich um Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot - Karte plus" ersucht, da sich der Sachverhalt zu meinen Privat- und Familienlebens maßgeblich geändert hat. Diesbezüglich habe ich unter anderem vorgebracht:

 

o A2 Zertifikat

o 3 Dienstvorverträge

o Unterstützungserklärungen

 

Mangels gegenteiliger Ausführungen der Behördenund aufgrund der Tatsache, dass die Bezirkshauptmannschaft Linz Land den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus" abgewiesen und nicht zurückgewiesen hat, erkennt die Behörde meine Dienstvorverträge, A2 Prüfung und Unterstützungserklärungen offensichtlich als maßgeblich geänderten Sachverhalt an.

 

Soweit die Behörde den geänderten Sachverhalt nun in Zusammenschau mit meiner Gesamtintegration nach den Kriterien des Art. 8 EMRK beurteilt, behaftet sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und sei nachfolgend aufgezeigt:

2.

A)            in Bezug auf Deutschkenntnisse:

Ich konnte mir im Laufe der Jahre selbstständig die deutsche Sprache aneignen. Um diese zu verfestigen, absolvierte ich die A2 - Prüfung am X-Sprachinstitut und habe diese auch bestanden.

 

B)            in Bezug auf die Selbsterhaltungsfähigkeit:

Ich durfte, mangels Beschäftigungsbewilligung, nicht arbeiten, habe aber 3 verbindliche Zusagen, im Falle der Erteilung der Rot Weiss Rot Karte plus, bei X, X oder X, X, X oder X, X, X, arbeiten zu dürfen.

Demnach gäbe es die Möglichkeit mir einen adäquaten Lebensstandard mit einem selbstständigen, regelmäßigen Einkommen zu finanzieren.

 

C)            in Bezug auf das Privat- und Familienleben:

Ich bin seit 3 Jahren in einer Beziehung mit Frau X. Derzeit leben wir noch in getrennten Wohnungen, treffen uns aber täglich und wir überlegen auch in nahestehender Zeit zusammenzuziehen.

 

D)            in Bezug auf Teilnahme am sozialen Leben:

Ich orientiere mein Leben am Aufbau einer Existenz in Österreich. Zusätzlich bin ich in das soziale Leben meines Wohnorts und der Umgebung integriert was auch die persönlichen Unterstützungsschreiben meiner österreichischen Freunde und des Pfarrers der Russisch-Orthodoxen Kirchengemeinde zum Ausdruck bringen.

So beschreibt mein langjähriger Freund X in seiner Unterstützungserklärung: „X sucht ständig den Kontakt zu Österreicher und ist sehr an der Österreichischen Kultur und Politik interessiert."

 

E) in Bezug auf Bindung zum Herkunftsstaat:

Meine Eltern sind schon verstorben, somit habe ich keine Bindung mehr zu meinem Herkunftsstaat. Meine Kernfamilie (Freundin X und deren Tochter X) leben in Österreich.

 

F) in Bezug auf die Unbescholtenheit:

Ich bin unbescholten

 

3.

In Anbetracht dieses Sachverhaltes hätte die Behörde bei richtiger Beweiswürdigung eine vertiefte Integration erkennen und mir in weiterer Folge bei richtiger rechtlicher Beurteilung den beantragten Aufenthaltstitel erteilen müssen.

Zur gegenteiligen Annahme konnte die Behörde nur deshalb gelangen, da sie jede meiner Integrationselemente als in seinem Gewicht gemindert wertete, da die diesen zugrundeliegende Integrationsschritte zu Zeitpunkten gesetzt wurden, als ich mich meines unsicheren Aufenthalts bewusst sein hätte müssen.

Richtigerweise und in gebotener Anwendung von § 61 Abs 2 Z 9 FPG, wonach in der Abwägung auch die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, berücksichtigt werden muss und nach Rechtsansicht des VfGH das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liegt, hätte die Behörde nicht zum angefochtenen Ergebnis gelangen können.

 

3. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den mit Schreiben vom 22. Jänner 2014 vom Bundesministerium für Inneres vorgelegten Verwaltungsakt. Zusätzlich wurde am 18. Juni 2014 eine öffentliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durchgeführt.

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Bf hält sich seit 27. Mai 2005 in Österreich auf, wo er zunächst Asyl begehrt hatte. Dieses Verfahren wurde aber am 4. Dezember 2011 rechtskräftig negativ abgeschlossen und der Bf gleichgehend aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

 

Am 21. Dezember 2011 stellte der Bf persönlich bei der in Rede stehenden Niederlassungsbehörde einen quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG.

 

Der Bf hat in Österreich zwar eine Freundin, mit der er aber nicht in Lebensgemeinschaft bzw. im selben Haushalt zusammenlebt. Die Tochter der Freundin ist X Jahre alt. Der Bf hat keinerlei Verwandte hier in Österreich wie auch keine Sorgepflichten zu erfüllen.

 

Im Bundesgebiet ging er bislang keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, sondern lebt von sozialen Unterstützungen (aktuell in Höhe von 320 Euro).

 

Der Bf verfügt über einen Bekanntenkreis, der primär im Umfeld der russisch-orthodoxen Kirche in X gründet.

 

In sprachlicher Hinsicht absolvierte der Bf das Deutschdiplom auf Stufe A2 am X Sprachinstitut, in Wien am 16. November 2011 (54 von 64 Punkten).

 

Seit seiner Kindheit lebte der Bf mit seinen schon verstorbenen Eltern in Moskau, wo er nicht nur für 10 Jahre die Schule, sondern anschließend daran auch eine technische Hochschule für Radio- und Elektronik-Ingenieurwesen absolvierte. In der Folge arbeitete er ua. bei einer Bank und war auch selbständiger Geschäftsmann. In seiner Heimat Abchasien leben keinerlei Verwandte.

 

Der Bf verfügt aktuell über keine Staatsangehörigkeit, zumal Russland bestätigte, dass er nicht russischer Staatsbürger sei.

 

In Österreich liegen keine strafgerichtlichen Verurteilungen betreffend den Bf vor.

 

II.

 

Aus der Verhandlung ergab sich der festgestellte Sachverhalt

 

 

III.

 

1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B VG erkennen ab 1. Jänner 2014 die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

 

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.

 

Gemäß § 81 Abs. 26 NAG sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei der Bundesministerin für Inneres anhängigen Berufungsverfahren nach dem NAG ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.

 

1.2. Es ist sohin im vorliegenden Fall das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012 anzuwenden.

2. Gemäß § 41a Abs. 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012, ist, im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen, von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ zu erteilen, wenn

1. kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1, 2 oder 4 vorliegt,

2. dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

3. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausübt.

3.1. Aus der Formulierung des § 41a Abs. 9 NAG wird deutlich, dass die dort genannten Kriterien kumulativ vorliegen müssen, um die Rechtsfolge herbeizuführen.

 

Im vorliegenden Fall gibt es nun keine Anhaltspunkte im Sachverhalt, die auf ein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1, 2, oder 4 NAG schließen lassen würden. Auch Z. 3 leg. cit wird durch den Bf erfüllt, der im Jahr 2011 die A2-Prüfung absolvierte.

 

Betreffend das Vorliegen der 2. Alternative verweist das Gesetz auf § 11 Abs. 3 NAG.

 

3.2. Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im

Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

3.3. Grundsätzlich ist anzumerken, dass der Bf in Österreich über keinerlei Familienleben verfügt, zumal hier keine Angehörigen aufhältig sind und er lediglich eine Freundin hier hat, mit der aber keine Lebensgemeinschaft bzw. kein gemeinsamer Haushalt besteht. Es ist also lediglich das Privatleben für die Interessensabwägung relevant.

 

3.4.1. Der Bf befindet sich schon seit 9 Jahren im Bundesgebiet; allerdings wird dieser Umstand doch gemildert dadurch, dass ihm schon seit der erstinstanzlichen asylrechtlichen Entscheidung bewusst sein musste, dass die Erlangung eines Aufenthaltsrechtes in Österreich nicht ohne weiteres zu erwarten sein würde. Nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ist der Aufenthalt nun in den letzten Jahren als illegal anzusehen. 

 

3.4.2. Ein tatsächliches Familienleben ist im Verfahren nicht hervorgekommen; ebenso liegen keine Umstände vor, die eine besondere Schutzwürdigkeit des Privatlebens des Bf begründen würden.

 

3.4.3. Der Bf war während seines Aufenthalts im Bundesgebiet nie sozialversicherungspflichtig beschäftigt und unternahm auch keine nachhaltigen Versuche eine Beschäftigung zu erlangen. Die im Zuge dieses Verfahrens zunächst beigebrachten Vorverträge, wurden vom Bf in der Verhandlung nicht mehr thematisiert. Er lebt aktuell von Sozialhilfe und kann so nicht als selbsterhaltungsfähig eingestuft werden. Von einer beruflichen Integration ist sohin keinesfalls auszugehen.

 

Der Bf absolvierte zwar die Deutschprüfung auf Niveau A2 und verfügt über einen relativ großen Bekanntenkreis im Umfeld der russisch-orthodoxen Kirche in X, weist aber ansonsten – gemessen an der langen Aufenthaltsdauer - kaum Elemente sozialer Integration auf, weshalb eine solche auch nicht als überdurchschnittlich anzunehmen ist.

 

3.4.4. Der Bf kam erst im Alter von rund X Jahren nach Österreich, lebte davor über Jahrzehnte in Moskau, wo er nicht nur eine gehobene Schul- und Hochschulausbildung absolvierte, sondern auch beruflich tätig war. Ansich ist er in diesem Umfeld auch sozial und kulturell voll integriert und eine Rückkehr wäre ihm absolut zumutbar. Nachdem der Bf aber gebürtiger Abchase ist und Angehörige der ehemaligen UdSSR nicht zwingend als russische Staatsangehörige anerkannt werden, liegt hier eine erhebliche Schwierigkeit vor, die Staatsangehörigkeit und somit die Rückführung des Bf zu klären. Allerdings muss auch angemerkt werden, dass dieser Umstand per se nicht bewirken kann, dass dem Bf ein humanitärer Aufenthalt gewährt werden muss.

 

3.4.5. Der Bf ist strafgerichtlich unbescholten, auch liegen keine besonderen verwaltungsrechtlichen Übertretungen vor. Sein Privatleben entstand und entwickelte sich jedenfalls während unsicherem Aufenthaltsstatus. Die jeweiligen Verfahren weisen zwar durchaus Elemente auf, die von unnötigen Verzögerungen ausgehen lassen könnten; allerdings sind diese Verzögerungen nicht einseitig den Behörden anzulasten.

 

3.5. Zusammengefasst ist also zu konstatieren, dass eine Interessensabwägung keinesfalls ein Überwiegen des Privat- und Familienlebens des Bf im Sinne des Art. 8 EMRK gegenüber den Interessen des Staates hervorgebracht hat. § 41a Abs. 9 Z. 2 NAG ist daher nicht erfüllt.

 

4. Es war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree