LVwG-750162/2/BP/JW

Linz, 16.06.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde der Frau X, vertreten durch RA X, X, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 24. Februar 2014, GZ: Sich40-48836, mit dem ein Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ zurückgewiesen wurde,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 68/2013 und § 13 Abs. 3 AVG, wird der Beschwerde insoweit stattgegeben, als der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben wird.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid vom 24. Februar 2014, GZ: Sich40-48836, wies die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gem. § 13 Abs. 3 AVG, § 19 Abs. 2 und 3 iVm §§ 6 bis 9 NAG-DV und § 47 Abs. 2 zurück.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst Folgendes aus:

Sie haben am 04.04.2013 bei der österreichischen Botschaft in Sarajewo quotenfreie Erstanträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" für sich und Ihre mj. Kinder X, geb. X sowie X, geb. X, eingebracht. Der Antrag für X wurde am 27.01.2014 zufolge schriftlicher Mitteilung Ihrer Rechtsvertretung X, zurückgezogen.

 

Nachdem den Anträgen zwingend beizubringende Unterlagen fehlten, wurde gemäß § 13 Abs. 3 AVG mit nachweislichem Schreiben vom 02.01.2014 von der Behörde ein mit 10.02.2014 befristeter Verbesserungsauftrag erteilt mit dem Hinweis, dass falls diesem Verbesserungsauftrag nicht fristgerecht und vollständig entsprochen wird, der Antrag zurück- bzw. abzuweisen ist.

 

Folgende Unterlagen wurden angefordert:

     Haushaltsrechnung (monatlicher Ein- und Ausgaben berechnet vom monatlichen Jahresdurchschnitt) Ihres Gatten X, geb. X, die durch Belege nachweisbar dokumentiert ist.

     Jahresbilanz 2013 der Fa. X, X, aus der ersichtlich ist, welche Geldbeträge an die Gesellschafter bzw. Ihren Ehemann ausbezahlt und versteuert wurden.

     aktueller Auszug aus dem Kreditschutzverband 1870 inkl. Auflistung offener Rückstände und deren monatliche Tilgungsrate.

 

Ihre Rechtsvertretung hat daraufhin am 27.01.2014 eine Aufstellung über monatliche Zahlungen und Einnahmen sowie eine Auskunft des Kreditschutzverbandes vorgelegt. Jedoch konnten diese Zahlen nicht durch Belege nachweisbar dokumentiert werden. Eine Jahresbilanz 2013 wurde ebenfalls nicht vorgelegt. Am 10.02.2014 hat Ihre Rechtsvertretung weitere Unterlagen (u.a. eine Vermögensübersicht, eine vorläufige Bilanz 2013 sowie eine Einnahmen-Ausgabenrechnung für 2013) nachgereicht.

 

Die Einkommensverhältnisse konnten aus diesen Unterlagen jedoch nicht schlüssig festgestellt werden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Anträge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 NAG zurückzuweisen.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Berufung der Bf vom
27. März 2014:

 

Begründet wird die gegenständliche Beschwerde wie folgt:

Die Entscheidung wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes insoweit angefochten, als un­sere quotenfreien Erstanträge vom 4.4.2013 auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels „Familien­angehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 NAG gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen wurden.

 

Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung damit, dass wir der Aufforderung vom 2.1.2014 zur Vorlage von Unterlagen bis 10.2.2014 nicht fristgemäß und vollständig nachge­kommen seien. Im Konkreten wurde von uns verlangt, eine Haushaltsrechnung von Herrn X (Gatte bzw. Vater), die Jahresbilanz 2013 der Fa. X, X und eine Selbstauskunft des Herrn X vom X 1870 inkl. Auflistung offener Rückstände und deren monatliche Tilgungsraten vorzu­legen.

 

Von unseren ausgewiesenen Vertretern seien zwar sodann eine Haushaltsrechnung sowie eine Selbstauskunft des X vorgelegt worden. Da jedoch der Haushaltsrechnung keine Be­lege angeschlossen waren und auch die Bilanz für 2013 nicht vorgelegt worden sei, seien die Einkünfte des Herrn X nicht schlüssig feststellbar gewesen, weshalb die Anträge zurückzuweisen gewesen wären.

 

Wir haben der belangten Behörde im Laufe des anhängigen Verfahrens unter anderem nach­stehende Unterlagen das Einkommen des Herrn X betreffend zur Verfügung ge­stellt:

 

Lohnzettel der X für April bis August 2013 Mietvertrag über einen Teil der Liegenschaft betreffend ESt-Bescheid 2009

Saldenliste der X zum 30.9.2013 Zahlungsvereinbarung mit der SVA der gewerbl. Wirtschaft

KSV-Selbstauskunft

Haushaltsrechnung

Vermögensübersicht der X zum 31.12.13

Privatentnahmen aus der X zum 31.12.13

Vorläufige Einnahmen-Ausgaben-Rechnung der X zum 31.12.13

 

Vorläufige Bilanz der X zum 31.12.13 Vorläufige Gewinn-und-Verlust-Rechnung der X zum 31.12.13

 

Diese Unterlagen wurden der Behörde stets umgehend nach Aufforderung übermittelt. Gleich­zeitig wurde der Behörde mitgeteilt, dass die Erstellung der Bilanz 2013 im Februar 2014 noch nicht erfolgt und auch noch nicht möglich ist.

 

Dazu kommt, dass die belangte Behörde bereits mit Schreiben vom 23.9.2013 bekannt gege­ben hat, welches Einkommen für Herrn X nachgewiesen werden muss, damit un­ser Antrag positiv erledigt werden kann. In diesem Schreiben wurde diesbezüglich von einem monatlichen Einkommen von € 3.147,96 ausgegangen, wobei hierbei bereits die Kosten für das Wohnen und die beiden Unterhaltspflichten des Herrn X für seine beiden Kin­der aus einer Vorehe berücksichtigt worden waren.

 

Der Verbesserungsauftrag vom 2.1.2014 hätte daher bereits nicht mehr ergehen dürfen, da der Behörde bereits zu diesem Zeitpunkt sämtliche für eine Sachentscheidung notwendigen Informationen vorlagen. Dennoch sind wird diesem Verbesserungsauftrag im Rahmen des Möglichen nachgekommen und haben auch noch weitere Unterlagen geliefert.

 

Keinesfalls hätte die belangte Behörde auf Grundlage der von uns zur Verfügung gestellten Unterlagen unseren Antrag zurückweisen dürfen. Vielmehr hätte die belangte Behörde inhalt­lich entscheiden und unserem Antrag Folge geben müssen.

 

Es werden daher gestellt nachstehende

Anträge:

 

Es wolle der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abgeändert werden, dass __

In eventu wolle der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Erledi­gung und Entscheidung an die Unterinstanz zurückverwiesen werden.

Jedenfalls aber möge gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung anberaumt werden.

 

 

3. Das Oö Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den mit Schreiben vom 21. Jänner 2014 vom Bundesministerium für Inneres vorgelegten Verwaltungsakt. Aus dem Verwaltungsakt ließ sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt widerspruchsfrei feststellen.

 

Die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von dem unter den Punkten I. 1. und I. 2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.

 

 

II.

 

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt, weshalb eine detaillierte Beweiswürdigung unterbleiben konnte.

 

 

III.

 

1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B VG erkennen ab 1. Jänner 2014 die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

1.2. Gemäß § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 68/2013, ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

 

2.1. Nach dem unbestrittenen Sachverhalt stellte die Bf am 4. April 2013 ua. einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ im Sinne des § 47 Abs. 2 NAG und brachte – auch in der Folge – verschiedene Dokumente bei, um ihren Antrag zu stützen. Mit Verbesserungsauftrag vom 2. Jänner 2014 trug die belangte Behörde der Bf schließlich – unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 13 ABs. 3 AVG - auf folgende Unterlagen bis 10. Februar 2014 vorzulegen:

 

• Haushaltsrechnung (monatlicher Ein- und Ausgaben berechnet vom monatlichen Jahresdurchschnitt) ihres Gatten X, geb. X, die durch Belege nachweisbar dokumentiert ist.

• Jahresbilanz 2013 der Fa. X, X, aus der ersichtlich ist, welche Geldbeträge an die Gesellschafter bzw. Ihren Ehemann ausbezahlt und versteuert wurden.

• aktueller Auszug aus dem Kreditschutzverband 1870 inkl. Auflistung offener Rückstände und deren monatliche Tilgungsrate.

 

Mit E-Mail vom 10. Februar übermittelte der Rechtsvertreter der Bf lediglich eine vorläufige Bilanz des Unternehmens des Ehegatten der Bf; dies unter dem Hinweis, dass die abschließende Bilanz für das Jahr 2013 noch nicht erstellt worden sei und daher noch nicht vorliege. In der vorgelegten vorläufigen Bilanz sind jedoch Gewinn- und Verlust, Privatentnahmen, Umsätze udgl. angeführt.

 

2.2. Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird.

Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

 

2.3. Es ist unbestritten, dass in einem Verfahren betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zusammenführenden im Sinne des 1. Teiles des NAG beurteilt werden müssen. Dazu sind fraglos aktuelle und dokumentierte Nachweise vorzulegen. Grundsätzlich spricht sohin nichts gegen die Vorgangsweise der Behörde, die im Verbesserungsauftrag vom 2. Jänner 2014 enthaltenen Unterlagen anzufordern.

 

Grundsätzlich kam aber der Bf diesem Verbesserungsauftrag – nach seinen Möglichkeiten – nach. Es entspricht durchaus der gängigen Praxis, dass Unternehmen ihre Bilanz zu einem anderen Zeitpunkt erstellen, als zum
1. Jänner eines jeden Jahres. Die vorläufige Bilanz, die der Vertreter der Bf am 10. Februar (rechtzeitig) einbrachte, enthält durchaus detaillierte Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens des Ehegatten der Bf. Ob diese wirtschaftlichen Verhältnisse den Anforderungen des 1. Teiles des NAG genügen, wäre Aufgabe im in Rede stehenden Administrativverfahren gewesen. Im Sinne des Rechtsgrundsatzes „ultra posse nemo obligatur“ hätten die rechtzeitig vorgelegten Unterlagen als dem Verbesserungsauftrag genügend erkannt werden müssen.  

 

3. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben war. Das Verfahren tritt somit in den Stand vor Erlassung des angefochtenen Bescheides.

 

Nachdem Inhalt dieses Beschwerdeverfahrens die Frage der Zurückweisung war, ist es dem Landesverwaltungsgericht nicht möglich eine Entscheidung über den ursprünglichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 47 Abs. 2 NAG zu treffen. Diese Entscheidung kommt der Behörde zu.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (zur Vertretungsbefugnis von Wirtschaftstreuhändern und Steuerberatern vgl. VwGH vom 16.3.2011, 2008/08/0040 und VwGH vom 26.6.2012, 2010/09/0181). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Bernhard Pree