LVwG-350072/3/GS/TO/PP

Linz, 29.07.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Mag.a Gabriele Saxinger über die Beschwerde des Herrn X,
X, vom 18. Juni 2014, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 11. Juni 2014, GZ: SO10-6734, betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs gemäß Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der in Beschwerde gezogene Bescheid wird bestätigt.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 11. Juni 2014,
GZ: SO10-6734, wurde dem Antrag des Herrn X, X, vom 16. April 2014 betreffend die Zuerkennung von Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs gemäß Oö. BMSG in Anwendung der Bestimmungen der §§ 4 ff iVm 27 und 31 OÖ. BMSG keine Folge gegeben.

 

Begründend wurde festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung in einer stationären Einrichtung zur Entwöhnungsbehandlung in X, aufgehalten habe und an dieser Adresse mit Nebenwohnsitz gemeldet sei. Bedarfsorientierte Mindestsicherung könne gemäß § 4 Oö. BMSG jedoch nur Personen geleistet werden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Oberösterreich haben und die Voraussetzungen des § 19 oder des
§ 19a Meldegesetz erfüllen. Da der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit 27.03.2014 nicht im Land Oberösterreich habe, sei der Antrag auf Zuerkennung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung mangels Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen abzuweisen gewesen.

 

I.2. In der dagegen von Herrn X rechtzeitig eingebrachten Beschwerde vom 18. Juni 2014 hält der Beschwerdeführer fest, dass er seit 27.3.2014 im Bezirk X mit Nebenwohnsitz gemeldet sei und somit einen Antrag auf Mindestsicherung bei der dortigen Bezirkshauptmannschaft eingereicht habe. Der Antrag wurde abgelehnt, da der Beschwerdeführer keinen Hauptwohnsitz in X habe. Sein Hauptwohnsitz befinde sich noch immer in
X, daher sei die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems zuständig. Den gewöhnlichen Aufenthalt habe er auch weiterhin in Oberösterreich und er werde auch seine Ausgänge bei seiner Großmutter in X – hier sei er auch gemeldet – verbringen.  Er bitte um Überprüfung seiner Situation, da eine Krankenversicherung für ihn dringend notwendig sei, da er ärztliche Behandlung benötige, sowie Taschengeld für seine Ausgänge und diverse Einkäufe.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems hat die Beschwerde samt bezughabendem Verwaltungsakt mit Schreiben vom 8. Juli 2014 dem
Oö. Landesverwaltungsgericht (LVwG) vorgelegt.

 

Das LVwG entscheidet gemäß § 2 VwGVG durch seine nach der Geschäfts­verteilung zuständige Einzelrichterin.

 

I.4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Aktenein­sichtnahme.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 4 VwGVG unterbleiben, zumal sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus dem Verfahrensakt ergibt, nicht bestritten wird, die Durch­führung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt wurde und die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

 

I.5. Das Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Herr X ist österreichsicher Staatsbürger, ledig und hat seit 4.11.2013 (laut Auskunft des zentralen Melderegisters) seinen Hauptwohnsitz bei seiner Großmutter in X, angemeldet.

Der Beschwerdeführer (Bf) unterzieht sich aufgrund eines Beschlusses des Landesgerichtes Steyr vom 5.7.2013, 10Hv 4/13f-81, einer stationären Ent­wöhnungsbehandlung im Verein zur Rehabilitation und Integration suchtkranker Personen in X (X). Der Bf hielt sich zum Zeitpunkt der Antragstellung bis laufend in dieser stationären Einrichtung in Niederösterreich auf. In dieser stationären Einrichtung „X“ des „X“ in X ist Herr X seit 27.03.2014 mit Nebenwohnsitz gemeldet.

Laut einer telefonischen  Auskunft des „X“ finden Ausgänge des Bf  zu Besuchszwecken im 2-Wochen-Intervall an Wochenenden statt.

Datiert mit 16. April 2014 stellte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshaupt­mannschaft Kirchdorf den gegenständlichen Antrag auf Zuerkennung bedarfs­orientierter Mindestsicherung nach dem Oö. Mindestsicherungsgesetz.

 

 

II. Beweiswürdigung:

 

Diese Sachverhaltsdarstellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, der die vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Dokumente sowie behördliche Erhebungen beinhaltet und sind in dieser Form unstrittig.

Die vom Bf angeführten Ausgänge, die er in Oberösterreich bei seiner Groß­mutter absolvieren möchte, finden laut Auskunft der stationären Einrichtung „X“  im 2-Wochen-Intervall an Wochenenden statt.

 

 

III. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat darüber rechtlich erwogen:

 

Aufgabe bedarfsorientierter Mindestsicherung ist gemäß § 1 Abs. 1 des Landes­gesetzes, mit dem das Gesetz über die bedarfsorientierte Mindestsicherung in Oberösterreich erlassen wird (Oö. Mindestsicherungsgesetz - Oö. BMSG),
LGBl. 74/2011 idgF, die Ermöglichung und Sicherstellung eines menschwürdigen Lebens sowie die damit verbundene Einbeziehung in die Gesellschaft für jene, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

 

Gemäß § 1 Abs. 2 Oö. BMSG soll(en) durch bedarfsorientierte Mindestsicherung

1.   soziale Notlagen verhindert werden (präventive Hilfe),

2.   Personen befähigt werden, soziale Notlagen aus eigener Kraft abzuwenden und dauerhaft zu überwinden (Hilfe zur Selbsthilfe),

3.   die notwendigen Bedürfnisse von Personen, die sich in sozialen Notlagen befinden, gedeckt werden (Hilfe zur Bedarfsdeckung),

4.   eine nachhaltige soziale Stabilisierung angestrebt werden.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Oö. BMSG ist bei der Leistung bedarfsorientierter Mindest-sicherung auf die besonderen Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen. Dazu gehören insbesondere Eigenart und Ursache der drohenden, bestehenden oder noch nicht dauerhaft überwundenen sozialen Notlage, weiters der körper­liche, geistige und psychische Zustand der hilfebedürftigen Person sowie deren Fähigkeiten, Beeinträchtigungen und das Ausmaß ihrer sozialen Integration.

 

Gemäß § 4 Abs. 1 Oö. BMSG kann bedarfsorientierte Mindestsicherung, sofern dieses Landesgesetz nicht anderes bestimmt, nur Personen geleistet werden, die

1.   ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Oberösterreich haben und die Voraus­setzung des § 19 oder des § 19 a Meldegesetz, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, erfüllen und

2.

a)   österreichische Staatsbürgerinnen oder –bürger oder deren Familienan­gehörige,

b)   Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte,

c)   EU-/EWR-Bürgerinnen oder –bürger, Schweizer Staatsangehörige oder deren Familienangehörige, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

d)   Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG“ oder „Dauerauf­enthalt-Familienangehörige“ oder mit einem Niederlassungsnachweis oder einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung,

e)   Personen mit einem sonstigen dauernden Aufenthaltsrecht im Inland, soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

sind.

 

Gemäß § 5 Oö. BMSG ist die Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinne des § 4

1.   von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist und

2.   bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§7).

 

Eine soziale Notlage gemäß § 6 Abs. 1 Oö. BMSG liegt bei Personen vor,

1.   die ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf oder

2.   den Lebensunterhalt und Wohnbedarf von unterhaltberechtigten Angehörigen, die mit ihnen in Haushaltsgemeinschaften leben,

nicht decken oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können.

 

§ 19 Meldegesetz sieht vor:

(1) Die Meldebehörde hat auf Grund der im Melderegister enthaltenen Melde­daten auf Antrag zu bestätigen, dass, seit wann und wo der Antragsteller oder ein Mensch, für den die Meldepflicht trifft, angemeldet ist (Meldebestätigung)

(2) Auf begründeten Antrag hat sich eine Meldebestätigung auf frühere Anmeldungen einschließlich der zugehörigen Abmeldungen innerhalb einer Orts­gemeinde zu beziehen. Meldebestätigungen auf Grund der im zentralen Melde­register enthaltenen Daten beziehen sich stets auf alle aufrechten Anmeldungen im Bundesgebiet oder die letzte Abmeldung; die dafür zu entrichtenden Verwaltungsabgaben sind in der gemäß § 16a Abs. 8 zu erlassenden Verordnung festzusetzen.

 

Den Erläuterungen zu den Bestimmungen des § 4 Oö. BMSG (vgl. AB 434/2011 BlgLT XXVIII.GP) ist zu entnehmen, dass die persönlichen Voraussetzungen für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung im Wesentlichen jenen nach § 6 Abs. 1 Z 1 sowie Abs. 2 und 3 OÖ. Sozialhilfegesetz 1998 entsprechen. Allerdings wird zur Erleichterung des Vollzuges eine nähere Umschreibung des rechtmäßigen Aufenthalts vorgenommen. Die konkreten Antragserfordernisse bestimmen sich nach § 28 OÖ. BMSG und den darin zitierten melderechtlichen Vorschriften.

Mit dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts (vgl. VwGH 16.6.1992, 92/11/0031) im Abs. 1 Z 1 ist nicht bloß ein vorübergehender Aufenthalt gemeint. Aus Aufenthaltsort wird sohin der Ort anzusehen sein, wo sich jemand die meiste Zeit aufhält. Die Absicht, sich dauernd an diesem Ort niederzulassen, ist nicht erforderlich. Ein bloß kurzfristiger Aufenthalt an einem Ort ohne die Absicht, dort Wohnung zu nehmen oder längere Zeit zu bleiben, wie z.B. ein Aufenthalt während einer Reise oder zu Besuchszwecken, reicht zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts im Regelfall nicht aus.

 

Der gewöhnliche Aufenthalt ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes einerseits vom vorübergehenden Aufenthalt und andererseits vom ordentlichen Wohnsitz abzugrenzen. Unter dem gewöhnlichen Aufenthalt ist jener Ort zu verstehen, in dem in der bestimmten und erkennbaren Absicht Aufenthalt genommen wird, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen. Für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthaltes ist eine gewisse Dauer erforderlich und, dass dort auch tatsächlich der Mittelpunkt des Lebens liegt. Als gewöhnlicher Aufenthaltsort ist nur der Ort anzusehen, wo sich jemand die meiste Zeit aufhält.

 

Auf Grund der Tatsache, dass der Bf seit 23.3.2014 in der stationären Ein­richtung „X“ in Niederösterreich untergebracht ist, liegt sein Lebens­mittelpunkt seit diesem Zeitpunkt bis laufend in Niederösterreich. Die vom Bf eingewendeten „Ausgänge“ (d.h. zu Besuchszwecken an Wochenenden), die in
2-Wochen-Intervallen stattfinden und die er für Besuche bei seiner Großmutter in Oberösterreich nutzen möchte,  begründen mangels der geforderten Dauer keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Oberösterreich.

Bezeichnend dafür, dass sich der Lebensmittelpunkt des Bf nunmehr in Nieder­österreich befindet, ist die vom Bf auf seiner Beschwerde angegebene nieder­österreichische Adresse.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer die persönlichen Voraussetzungen des § 4 Oö. BMSG nicht erfüllt hat, da der gewöhnliche Aufenthalt des Bf derzeit nicht in Oberösterreich ist. Die belangte Behörde hat daher zu Recht seinen Antrag abgewiesen. In diesem Sinne war auch die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und der Bescheid der belangten Behörde zu bestätigen.

 

Der Beschwerdeführer wird aber darauf hingewiesen, dass eine neuerliche Antragstellung möglich ist, sofern sich seine Lebensumstände ändern.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag.a Gabriele Saxinger

Beachte:

Das Erkenntnis wurde aufgehoben.

VfGH vom 11. März 2015, Zl.: E 1264/2014-10