LVwG-750173/2/BP/JW

Linz, 01.08.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde der Frau X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwalt X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 13. März 2014,  GZ: Sich40-7809, mit dem ein Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung Angehöriger“ als unbegründet abgewiesen wurde,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 40/2014, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid vom 13. März 2014, GZ: Sich40-7809, wies die Bezirkshauptmannschaft Schärding (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung Angehöriger“ gem. § 47 Abs. 1 und Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, i d g F (im Folgenden: NAG) als unbegründet ab.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst Folgendes aus:

 

Sie besitzen nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, sind türkische Staatsangehörige und sind somit Fremde, gemäß § 2 Abs. 1 Z 1, NAG.

 

Sie haben am 03. 01. 2003 bis 26.11.2004 in X, X, erstmals einen Wohnsitz in Österreich angemeldet. Am 26.11. 2004 haben Sie den Wohnsitz in X wieder abgemeldet und sind in die Türkei zurück verzogen.

 

Sie haben in, X, in der Türkei, einen festen Wohnsitz und seit Dezember 2010 ein regelmäßiges Einkommen in Form einer Rentenzahlung.

 

Am 27.01.2011 stellten sie in der Österreichischen Botschaft, in Ankara, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung Angehöriger". Dieser Antrag wurde an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung weitergeleitet und ist dort, am 04. Februar 2011, eingetroffen.

 

In der Bezirkshauptmannschaft Schärding langte der Antrag, am 08. Februar 2011, ein. Im Anhang des Antrages befinden sich die Kopien diverser Urkunden und ein türkischer Pass, mit der Nr. x, gültig bis zum 23. November 2020, welchen Sie im Original, bei der Antragstellung in Ankara, vorgelegt hatten. Als beabsichtigten Wohnsitz in Österreich gaben Sie die Adresse X, X, an. Unter verfügbare Mittel zur Sicherung Ihres Lebensunterhaltes, machten Sie keine Angaben über Vermögen oder Einkommen. Als unterhaltspflichtige Person benannten Sie Ihren Sohn X, geb. X, Wohnhaft in X. Ihr Sohn sollte auch die nötige Haftungserklärung abgeben. Eine notariell beurkundete Haftungserklärung Ihres Sohnes X liegt dem Antrag ebenfalls bei. Des Weiteren liegen noch diverse Urkunden und Einkommensnachweise sowie Bankauszüge bei. Auf Grund der Kontoauszüge konnte festgestellt werden, dass zwei mal von Ihrem Sohn Geld an Sie, in die Türkei, überwiesen wurde (1 010,- und 350,- €). Ihr Sohn Herr X ist österreichischer Staatsbürger.

 

Bei einer polizeilichen Überprüfung der Wohnverhältnisse in der X, X, wurde festgestellt, dass die 87 m2 große Wohnung, bestehend aus Wohnzimmer, Küche mit Essplatz, einem Elternschlafzimmer, einem Kinderzimmer, Vorraum, Bad und WC von 5 Personen (Eltern und 3 Kinder, 9,13 und-15 Jahre) bewohnt wird. Gegenüber den Beamten wurde angegeben, dass für Ihre Unterbringung, als Schlafplatz, das Wohnzimmer vorgesehen sei.

 

Dieser Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung Angehöriger" wurde nach eingehender Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung, mit Bescheid vom 12. 05.2011, rechtskräftig abgewiesen.

 

Am 01.10.2013, stellten Sie in der österreichischen Botschaft in Ankara, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung Angehöriger". Dieser Antrag wurde via O.Ö. Landesregierung, an die hiesige Bezirksbehörde, zu weiteren Bearbeitung weitergeleitet. Bei den in Ankara vorgelegten Urkunden wurden wiederum Unterlagen über Wohnverhältnisse in der Wohnung Ihres Sohnes X, in X, die Einkommensverhältnisse Ihres Sohnes und diverse Urkunden mit beglaubigten Übersetzungen beigebracht. Sie legten auch eine für fünf Jahre gültige, beglaubigte Haftungserklärung, ihres Sohnes X, geb. X, unterzeichnet am 08.08.2013 vor.

 

Im Zuge der Bearbeitung des Antrages in der Bezirkshauptmannschaft Schärding wurde eine Überprüfung der Wohnverhältnisse, durch das Gemeindeamt Andorf und die Polizeiinspektion Andorf, durchgeführt.

 

Mit Schreiben vom 11.11.2013 wurden Sie in Form eines Verbesserungsauftrages aufgefordert, binnen 3 Wochen, Kenntnisse der deutschen Sprache auf A-1 Niveau vorzulegen, oder mittels eines Gutachtens eines Vertrauensarztes, einer österreichischen Vertretungsbehörde, nachzuweisen, dass aufgrund Ihres Gesundheitszustandes dieser Nachweis nicht zugemutet werden kann.

 

Sie wurden auch aufgefordert nachzuweisen, dass Ihre Bezugspersonen Sie schon in Ihrem Herkunftsland der Türkei regelmäßig finanziell unterstützt haben, um dort Ihre Grundbedürfnisse abdecken zu können. Somit waren Sie auch aufgefordert darzulegen welche finanziellen Leistungen Sie in der Türkei beziehen.

 

Sie legten mit 18.09.2013 datiertes ärztliches Gutachten vor, in dem Ihr Gesundheitszustand beschrieben wird und Ihre Deutschkenntnisse mit „She also does not know how to read or write in deutsch, turkish nor any other language" beschrieben werden.

 

Diverse Belege von Überweisungen an X (2.500,--, 500,-- und 3.000,--€) legten Sie ebenfalls bei. Eine übersetzte Aufstellung der „Anstalt für soziale Sicherheit" bestätigt Ihnen einen Auszahlungsbetrag von 481.07 monatlich, wobei die Währung nicht ersichtlich ist (Info: 481,07 Türkische Lira sind ca. 154,-- €).

 

Ebenfalls legten Sie eine, mit 22.11.2013 datierte, eidesstattliche Erklärung von X, X und X vor, dass X seit mehreren Jahren Unterstützung und Unterhalt an Sie zahlt. Neben Überweisungen an Sie auf das Konto des Bruders X, da dieser über ein Bankkonto verfügt und ein Auto hat um zur Bank fahren zu können und das Geld abzuholen, wurden Ihnen auch Geld geschickt und bei Urlaubsreisen übergeben. Zum Beispiel im August 2013, 3.000,- €, und im Jahr 2012 bei Urlaubsreisen einmal 2.000,- und einmal 1.000,- Euro.

 

In Ihrer Stellungnahme, verfasst von Ihrem Anwaltsbüro „X" vom 29.11.2013, stellen Sie fest, dass dem Bericht des Vertrauensarztes zu entnehmen ist, dass Sie entsprechend ihres Alters orientiert sind jedoch aufgrund des hohen Alters und der gesundheitlichen Einschränkungen es Ihnen unzumutbar erscheint, eine A1-Deutschprüfung abzulegen. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen stellen Sie fest, dass eine Witwenrente von 481,07 türkischen Lira, umgerechnet ca. 170,-- Euro, und eine immer wiederkehrenden Geldaushilfe des Herrn X, zum Teil abgewickelt über den Bruder X, von durchschnittlich 250,-- €, also insgesamt 420,-- € für ein Leben in der Türkei durchaus ausreichend ist. Sie seien auf die Unterhaltszahlungen und Hilfe Ihres Sohnes angewiesen und ersuchen um positive Erledigung einer Aufenthaltsberechtigung „Angehörige".

 

Zu Ihrer Anfrage um Mitteilung des Verfahrensstandes am 10.01.2014 wurde Ihnen mitgeteilt, dass eine Anfrage zum Gutachten bezüglich physischen und psychischem Gesundheitszustand und die Möglichkeit zum erbringen eines Nachweises von Deutschkenntnissen, von der Botschaft in Ankara angefordert wurde.

 

Eine Anfrage mit dem Auftrag zur Vervollständigung des Gutachtens (Analphabetismus und hohes Alter sind kein Ausnahmetatbestand), erging an die Vertretungsbehörde in Ankara. In seiner Ergänzung des Gutachtens schreibt der Vertrauensarzt:

1.    There are No Physical restrictions (such as Vision, hearing, etc.) for reading or writing. However,

2.    There are mental and Psychological restrictions, related to her age, and also related to her having no education and no knowledge of reading nor writing. She cannot learn to read or write in Deutsch.

In der Verständigung zum Ergebnis der Beweisaufnahme, vom 17.02.2014, wurde Ihnen mitgeteilt, dass die Behörde wegen mangelnder Erfüllung der Ausnahmebedingungen, gemäß § 21a Abs. 4 NAG, beabsichtigt, Ihren Antrag abzuweisen.

 

In Ihrer Stellungnahme vom 04.03.2014 teilten Sie folgendes mit:

Es ist beabsichtigt den Antrag abzuweisen da sich der Vertrauensarzt in seinem Gutachten lediglich auf das Alter und den Analphabetismus der Antragstellerin beziehen würde. Dem ist entgegen zu halten, das der Vertrauensarzt sich nicht nur auf das Alter und den Analphabetismus bezieht, sondern dezidiert ausführt „There are mental and physological restrictions" das heißt es gibt geistige und psychische Einschränkungen, sodass die Voraussetzungen für das Absehen von der Vorlage eines A1-Zertifikates gegeben sind. Das diese bestehenden Einschränkungen auch auf das Alter bezogen sind, vermag nichts an deren Vorliegen zu ändern und auch nichts daran, dass die Voraussetzungen des § 21 a Abs. Ziffer 2 erfüllt sind. Aufgrund dieser geistigen und psychischen Einschränkung kann die Erbringung des Nachweises von Deutschkenntnissen eben nicht zugemutet werden.

Sie ersuchten um Berücksichtigung bei der Entscheidungsfindung.

 

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus den bei der Antragstellung vorgelegten bzw. nachgereichten Unterlagen, sowie Vertrauensärztlichen Gutachten und aus dem Akteninhalt.

 

Rechtliche Beurteilung:

Die Behörde ist bei ihrer Entscheidung von folgender rechtlichen Beurteilung ausgegangen:

 

(...)

 

In einem weiteren Schritt war zu prüfen, ob allenfalls § 11 Abs. 3 NAG die Erteilung des Aufenthaltstitels trotz Ermangelung der beschriebenen Erteilungsvoraussetzungen zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinne von Art. 8 EMRK gebietet.

Art. 8 EMRK enthält zwar kein Recht von Ausländern auf Entfaltung des Familienlebens in einem bestimmten Staat ihres Aufenthalts, dennoch kann sich gemäß Art 8 EMRK bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen eine Verpflichtung des Staates ergeben, die Einreise und Niederlassung von Angehörigen zu ermöglichen.

 

Sie haben am 01.10.2013 in der österreichischen Botschaft in Ankara einen Erstantrag auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung Angehöriger" gestellt.

 

Gemäß § 21a Abs. 4 NAG, ist der Nachweis über die Kenntnisse der Deutschen Sprache, auf einfachstem Niveau, nachweislich, anhand eines Sprachdiplomes, oder eines Kurszeugnisses, welches nicht älter als 1 Jahr sein darf, nachzuweisen. Gemäß §21a Abs. 4. Z 2 gilt dies nicht für Drittstaatsangehörige denen aufgrund Ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung die Erbringung des Nachweises nicht zugemutet werden kann, wobei dieses mittels eines Gutachtens eines Amtsarztes oder eines Vertrauensarztes einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde nachzuweisen ist.

 

Um noch mehr Klarheit in das am 18.09.2013 von Vertrauensarzt der österreichischen Botschaft in Ankara erstellte Gutachten zu bringen, wurde aufgrund einer Aufforderung der hiesigen Behörde ein zusätzliches Gutachten bezüglich Ihrer Fähigkeiten, aufgrund physischem und psychischem Gesundheitszustand, eine weitere Beurteilung des Vertrauensarztes erstellt. Laut Gutachtenergänzung sind bei Ihnen keine Physischen Einschränkungen bezüglich lesen und Schreiben gegeben. Die Psychischen Einschränkungen beziehen sich in einem normalen Verhältnis zu Ihrem Alter, und die Möglichkeit Deutsch zu lernen liegt nur daran, dass Sie noch kein Wissen haben die Türkische Sprache zu lesen oder zu schreiben.

 

Im am 17.02.2014 erstellte Schreiben zur Verständigung von der Beweisaufnahme wurde Ihnen mitgeteilt, dass sich der Vertrauensarzt in seinem Gutachten auf Ihr Alter und Ihren Analphabetismus bezieht und dies nicht für eine Ausnahme nach § 21a Abs. 4 NAG ausreichend ist.

 

In Ihrem Schreiben von 04.03.2014 beziehen Sie sich ebenfalls auf das Gutachten und dessen Ergänzung wobei Sie die Erfüllung der Voraussetzungen des § 21 a Abs. Ziffer 2 als gegeben erachten.

 

Unter Zugrundelegung des Sachverhaltes und der Tatsache, dass durch die Versagung des Aufenthaltstitels Ihre bisherige persönliche Situation unberührt bleibt, beziehungsweise sich nicht wesentlich verändert, halten wir die Abweisung des Antrages im Hinblick auf die Bestimmung des § 11 Abs. 2 Z 6 NAG für zulässig. Ihr relativ hohes Alter alleine ist kein Grund, das Lesen und Schreiben einer Sprache zu erlernen, sofern die dazu benötigten gesundheitlichen Voraussetzungen vorhanden sind. Es währe Ihnen aus physischer und Psychischer Sicht möglich das Lesen und Schreiben der türkischen Sprache zu erlernen und somit auch das A-1 Niveau, der deutschen Sprache.

Im konkreten Fall überwiegen die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Wohles Österreichs und eines geordneten Fremdenwesens Ihre privaten Interessen.

 

Da die Voraussetzung zur Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 2 Z 6 NAG nicht gegeben sind, musste auf das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen, insbesondere auf die besonderen Voraussetzungen des § 47 NAG nicht noch näher eingegangen werden.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Beschwerde der Bf vom 15. April 2014:

 

Zunächst werden darin die Beschwerdeanträge wie folgt formuliert:

 

Anträge,

das Landesverwaltungsgericht möge:

 

a)           eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen und durchführen;

b)           den hier angefochtenen Bescheid der BH-Schärding vom 13.03.2014, GZ: Sich40-7809, zugestellt am 17.03.2014, dahingehend abändern, dass meinem Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels - Niederlassungsbewilligung - Angehöriger stattgegeben wird; in eventu

 

c) den hier angefochtenen Bescheid der Erstbehörde beheben und dieser die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftragen

 

Meine Beschwerde begründe ich wie folgt:

Mein Antrag wird abgewiesen, da ich Deutschkenntnisse auf dem Niveau AI nicht vorlegen konnte. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass das Gutachten des Vertrauensarztes dezidiert ausführt, das geistige und psychische Einschränkungen in meinem Fall vorliegen und mir daher die Vorlage eines Al-Zertifakts nicht zugemutet werden kann. Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch das Attest des privaten Krankenhauses X, das ich Ihnen samt beglaubigter Übersetzung beilegen darf. Nicht nur aufgrund meines Alters, sondern auch aufgrund der bei mir vorliegenden Leiden, ist mir ein Lernen der deutschen Sprache nicht möglich und auch nicht zumutbar.

Die Voraussetzungen des § 21a Abs. 4 Z 2 sind daher erfüllt und hätte daher der beantragte Aufenthaltstitel erteilt werden müssen. Fakt ist, dass mir eben nicht nur aufgrund meines Alters, sowie meines Analphabetismus, die Vorlage eines A1-Zertifaktes nicht zugemutet werden kann, sondern eben auch aufgrund meiner gesundheitlichen und psychologischen Einschränkungen, wie dies eben auch bereits das Gutachten des Vertrauensarztes zum Ausdruck gebracht hat.

 

Der Beschwerde ist ein Attest des privaten Krankenhauses X (Kardiologie Poliklinik) mit deutscher Übersetzung beigeschlossen, aus dem sich nachstehender „Befund“ bzw. nachstehendes „Gutachten“ ablesen lässt:

 

„Die beobachtete Patientin, bei der essentielle (primär) Hypertonie, atherosklerotische Herzkrankheit, Hyperlipidämie diagnostiziert wurde, ist laut den klinischen Befunden zum Besuch von oft stattfindenden oder lang andauernden Kursen oder Schulen zum Lernen von Sprachen nicht geeignet.“

 

3.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den mit Schreiben vom 7. Mai 2014 von der Bezirkshauptmannschaft Schärding vorgelegten Verwaltungsakt. Aus dem Verwaltungsakt ließ sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt widerspruchsfrei feststellen.

 

3.2. Mit E-Mail vom 31. Juli 2014 verzichtete die rechtsfreundliche Vertretung der Bf auf die – ursprünglich – beantragte Durchführung einer öffentlichen Verhandlung. Eine Solche wurde daher auch nicht anberaumt, zumal der Sachverhalt widerspruchsfrei feststeht, bzw. eine Würdigung des vorgelegten Attests vorzunehmen war. . .

 

3.3. Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von dem unter dem Punkt I. 1. und dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.

 

Insbesondere ist aber festzuhalten, dass bei der Bf keinerlei besondere psychische Belastung ausgewiesen ist, sie jedoch physisch an Bluthochdruck, atherisklerotischer Herzerkrankung und Fettstoffwechselstörung (erhöhter Cholesterinspiegel) leidet.

 

 

II.

 

Der Sachverhalt ergibt sich zunächst aus dem Akt. Betreffend das vorgelegte private medizinische Gutachten ist anzuführen, dass die von der Kardiologieklinik festgestellten Erkrankungen und Störungen durchaus glaubhaft, wenn auch ohne entsprechende Befundnachweise, angegeben werden. Festzuhalten ist aber auch, dass dieses – sich in einem einzigen Satz erschöpfende – Attest wenig geeignet ist, um die Befähigung zum Erlernen von Sprachen (bezogen auf physische und psychische Konstellation der Bf) zu bejahen oder verneinen.

 

 

III.

 

1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B VG erkennen ab 1. Jänner 2014 die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

1.2. Gemäß § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 40/2014, ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

 

 

 

 

2.1. Nach dem unbestrittenen Sachverhalt stellte die Bf am 01.10.2013 in der österreichischen Botschaft in Ankara, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung Angehöriger". Zunächst ist anzuführen, dass sie Mutter eines mittlerweile österreichischen Staatsbürgers ist, der als Zusammenführender im Sinn des § 47 Abs. 2 gelten kann. Zur Erlangung des Aufenthaltstitels ist es aber weiters erforderlich, dass die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG erfüllt werden. Neben vielen anderen Voraussetzungen ist – der belangten Behörde folgend - im konkreten Fall relevant zunächst auf die Bestimmung des § 21a NAG einzugehen. 

 

2.2.1. Gemäß § 21a Abs. 1 NAG haben Drittstaatsangehörige mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms oder Kurszeugnisses einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom oder das Kurszeugnis darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

 

2.2.2. Es ist nun unbestritten, dass die Bf, die einen Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z. 6 beantragt hatte, die in § 21a Abs. 1 NAG geforderten Sprachkenntnisse vorzuweisen hat. Allerdings ist hier auch auf § 21a Abs. 4 NAG Bedacht zu nehmen.

 

2.3.1. Gemäß § 21a Abs. 4 NAG gilt Abs. 1 leg. cit. nicht, für Drittstaatsangehörige,

1.   die zum Zeitpunkt der Antragstellung unmündig sind,

2.   denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung des Nachweises nicht zugemutet werden kann; dies hat der Drittstaatsangehörige durch ein amtsärztliches Gutachten oder ein Gutachten eines Vertrauensarztes einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde nachzuweisen, oder

3.   die Familienangehörige von Inhabern eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 41 Abs. 1, 42 oder 45 Abs. 1, letztere sofern der Zusammenführende ursprünglich einen Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“ innehatte, sind.

 

2.3.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass Z. 1 dieser Bestimmung nicht einschlägig ist. Fraglich ist aber, ob sich die Bf auf Z. 2 stützen kann. Es ist also zu prüfen, ob der Bf aufgrund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung des Nachweises zugemutet werden kann oder nicht.

 

Die Physis der Bf ist durch – im Grunde altersbedingte – Herzkreislauferkrankungen bzw. –störungen zwar beeinträchtigt, aber Bluthochdruck und ein erhöhter Cholesterinspiegel wie auch die diagnostizierte atherosklerotische Herzerkrankung erreichen keinesfalls das Maß an physischer Beeinträchtigung, die den Besuch eines Deutschgrundkurses, der eben nicht einen lang andauernden Kurs- oder Schulbesuch darstellt, wie in dem privaten Attest ausgeschlossen, jedenfalls als zumutbar erachten lässt. 

 

Eine psychische Erkrankung wurde weder in dem Gutachten des Vertrauensarztes noch im privaten Attest diagnostiziert.

 

Unbestritten ist aber, dass der Bf – aufgrund ihres Analphabetismus – vor allem das Erlernen der deutschen Sprache in schriftlicher Hinsicht erschwert sein wird. Der Vertrauensarzt hat in seiner Gutachtensergänzung vom Jänner 2014 abschließend festgestellt, dass die Bf die deutsche Sprache in Wort und Schrift nicht erlernen kann. Der belangten Behörde folgend, ist aber anzumerken, dass der Gesetzgeber einen derartigen Umstand nicht zum Ausnahmefall erklärt hat, der von der Voraussetzung absehen lassen würde, da hier explizit nur von Umständen des Gesundheitszustandes ausgegangen wird. Die – mit grundsätzlichem Analphabetismus verbundenen – Schwierigkeiten eine Fremdsprache auch schriftlich zu erlernen, werden in § 21a Abs. 4 NAG nicht genannt. Eine Erweiterung der Ausnahmetatbestände ist jedenfalls unzulässig, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass die Bf weiterhin der Verpflichtung des § 21a Abs. 1 NAG unterliegt. 

 

Zu prüfen bleibt, ob sich die Bf auf eine Ausnahme aufgrund einer Interessensabwägung des Privat- und Familienlebens im Sinne des § 11 Abs. 3 NAG stützen kann.

 

3.1. Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

 

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im

Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

3.2. Auch, wenn § 11 Abs. 2 Z. 6 NAG von Verlängerunsanträgen spricht, was im vorliegenden Fall nicht zutrifft, so ist Art. 8 EMRK jedenfalls zu prüfen und hiezu die in § 11 Abs. 3 NAG genannten Kriterien bei der Abwägung zu beachten.  

 

3.3. Im Fall der Bf ist ihr Privat- und Familienleben aufgrund der Tatsache, dass die Familie ihres Sohnes in Österreich lebt, bei der Beurteilung grundsätzlich relevant. Sie selbst aber lebte in den letzten Jahren durchgängig in der Türkei und kann nur auf einen 1 Jahrzehnt zurückliegenden mittelfristigen Aufenthalt in Österreich verweisen, der allerdings legal war.  

 

Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens scheint jedenfalls nicht besonders hoch anzusetzen zu sein, zumal die Bf bei Gewährung des Titels zwar zu ihrem Sohn nach Österreich ziehen könnte, im Gegenzug dazu aber ihre Heimat, in der ebenfalls ein Sohn lebt, zu dem enger Kontakt besteht, da er für sie z.B. zur Bank fährt, aufgeben müsste.

 

An relevanten Integrationsmomenten in Österreich können weder wirtschaftliche noch soziale Aspekte erkannt werden. Hier ist das Fehlen jeglicher Sprachkenntnisse besonders anzuführen. Auf der anderen Seite aber, ist die Bf in der Türkei sowohl sprachlich als auch sozial voll integriert und lebt dort auch offenkundig im weiteren Familienverband.

 

Sie ist sowohl strafgerichtlich als auch verwaltungsstrafrechtlich unbescholten, wobei dieser Umstand nicht von besonderer Relevanz in der Abwägung ist.  

 

Das Privat- und Familienleben findet seinen Ursprung in der Elternschaft und ist daher nicht erst während unsicherem Aufenthaltstatus entstanden. Verzögerungen von Seiten der Behörden können nicht erkannt werden.

 

3.3. Abschließend ist also festzuhalten, dass eine Abwägung des Privat- und Familienlebens kein Überwiegen der persönlichen Interessen der Bf am Absehen von der Voraussetzung des § 21a Abs. 1 NAG hervorgebracht hat. 

 

Da die Bf aber jene Voraussetzung nicht erfüllt, liegt auch § 47 Abs. 2 NAG nicht vor, zumal es eben an einer Voraussetzung des 1. Teiles mangelt. Wie auch schon die belangte Behörde verzichtet das Oö. Landesverwaltungsgericht auf die Erörterung weiterer Kriterien, da dies zu keinem anderen Ergebnis mehr führen könnte.

 

4. Es war somit im Ergebnis die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 



 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Bernhard Pree