LVwG-300346/17/KLi/PP/TK

Linz, 19.08.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Karin Lidauer über die Beschwerde vom 14.04.2014 des x, geb. x, vertreten durch
x gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 13.03.2014, GZ: SV96-74-2013-Sc wegen Übertretung des ASVG nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 50 VwGVG  wird der Beschwerde Folge gegeben, das ange-fochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II.       Der Beschwerdeführer hat weder einen  Kostenbeitrag zum Verfahren vor der belangten Behörde noch zum Verfahren vor dem Landesverwaltungs-gericht Oberösterreich zu leisten.

 

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis vom 13.03.2014, GZ: SV96-74-2013-SC wurde über den Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 111 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG eine Geldstrafe in Höhe von 730 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 110 Stunden verhängt; ferner wurde der Beschwerde­führer verpflichtet, einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in Höhe von 73 Euro zu leisten.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

„Sie haben als Dienstgeber nachstehende Person, bei welcher es sich um eine in der Krankenversicherung (Vollversicherte) pflichtversicherte Personen handelt – in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt, welches über der sog. „Geringfügigkeitsgrenze“ des § 5 Abs. 2 ASVG lag, bei der Baustelle „x“ in x, mit Hilfsarbeiten bei Pflasterungsarbeiten (Betonschaufeln) beschäftigt, obwohl diese nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Pflichtver­sicherung als vollversicherte Personen angemeldet wurde.

Sie wären als Dienstgeber verpflichtet gewesen, den Beschäftigten vor Arbeits­antritt anzumelden und wurde die Meldung nicht erstattet.

Name und Geburtsdatum des Beschäftigten:

x, geb. x, StA Serbien, Beschäftigung am 16.09.2013, von 10:00 – 14:00 Uhr und am 17.09.2013 von 10:00 – 12:00 Uhr (Kontrollzeit­punkt).

 

I.2. Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 14.04.2014, mit welcher beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis vom 13.03.2014 zu
SV96-74-2013-Sc aufzuheben und das gegen den Beschwerdeführer laufende Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen; in eventu das ange-fochtene Straferkenntnis aufzuheben und an die Erstbehörde zur Verfahrens-ergänzung zurückzuverweisen; eine mündliche Verhandlung wolle anberaumt werden.

 

Zusammengefasst bringt der Beschwerdeführer vor, er habe dem Zeugen x Kost und Logis gewährt, für welche der Zeuge x kein Entgelt zu leisten brauchte. Der Zeuge habe sich allerdings veranlasst gesehen, Hilfsdienste für den Beschwerdeführer gleichsam aus Dankbarkeit zu verrichten. Darüber hinaus bestehe ein freundschaftliches bzw. familiäres Verhältnis. Insofern könne nicht von einer Beschäftigung im Sinne eines Dienstverhältnisses ausgegangen werden.

 

 

 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Der Beschwerdeführer betreibt in x ein Gasthaus. Ebenso ist der Beschwerdeführer dort wohnhaft. Darüber hinaus verfügt der Beschwerdeführer auch über eine Wohnung in x. Diese Wohnung stellt der Beschwerdeführer Familienangehörigen zur Verfügung, wenn diese ihn besuchen.

 

II.2. Der Beschwerdeführer ist eng befreundet mit dem Zeugen x. Der Zeuge x ist mit der Schwester des Zeugen x verheiratet; beim Zeugen x handelt es sich also um den Schwager des x. Der Beschwerdeführer war Trauzeuge bei der Hochzeit des x. Über diese freundschaftlichen Beziehungen lernte der Beschwerdeführer auch den Zeugen x kennen. Der Beschwerdeführer besuchte gemeinsam mit x und dessen Ehegattin (Schwester des Zeugen x) auch deren Familie in Serbien. Er machte sich dort ein Bild von den äußerst tristen finanziellen Verhältnissen der Familie x.

 

II.3. Der Zeuge x besuchte seine Schwester und deren Ehegatten x öfter in Österreich. Im Zuge dieser Besuche waren zum Teil auch andere Familienangehörige – nämlich die Eltern x (also die Schwiegereltern des x) und Kinder – anwesend. Der Zeuge x konnte nicht sämtliche Personen bei sich unterbringen, sodass er den Beschwerdeführer ersuchte, auch Angehörige bei sich aufzunehmen. Der Beschwerdeführer kam diesem Ersuchen unter anderem dadurch nach, dass er dem Zeugen x Unterkunft gewährte. Für diese Unterkunftsgewährung forderte der Beschwerdeführer kein Entgelt – weder von x noch von x.

 

II.4. Auch im September 2013 befand sich der Zeuge x auf Besuch bei x bzw. beim Beschwerdeführer. Vom 21.08.2013 bis 19.11.2013 war der Zeuge x in x, beim Beschwerdeführer gemeldet (Nebenwohnsitz). In der Zeit vom 18.12.2012 bis 04.03.2013 war der Zeuge x beim Zeugen x in x gemeldet (Nebenwohnsitz). In der Zeit der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich von 16.06.2014 bis 14.07.2014 war der Zeuge x ebenfalls beim Zeugen x gemeldet (Nebenwohnsitz).

 

II.5. Nachdem der Beschwerdeführer für die Unterkunftsgewährung (Kost und Logis) vom Zeugen x keine Bezahlung verlangte, versuchte sich dieser beim Beschwerdeführer erkenntlich zu zeigen. Auch der Zeuge x – welcher den Beschwerdeführer um Unterkunftsgewährung für den Zeugen x ersucht hatte – musste kein Entgelt dafür bezahlen. Vor dem Haus des Beschwerdeführers fanden im September 2013 Baustellentätigkeiten statt. Um sich für die Gewährung von Kost und Logis erkenntlich zu zeigen, beschloss der Zeuge x, bei diesen Baustellenarbeiten mitzuwirken.

 

Der Entschluss mitzuarbeiten stammte vom Zeugen x selbst, er wurde dazu nicht vom Beschwerdeführer aufgefordert. Auch verlangte der Beschwerdeführer nicht, dass ihm der Zeuge gleichsam als Gegenleistung für Kost und Logis auf dieser Baustelle helfen müsse. Darüber hinaus erteilte der Beschwerdeführer dem Zeugen auch keine Weisungen, welche Arbeiten er auszuführen habe bzw. wann und wie er diese durchzuführen hatte. Zum Zeitpunkt des Tatvorwurfes verfügte der Zeuge x über eine Arbeit in Serbien als Autolackierer.

 

 

III. Beweiswürdigung

 

III.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich einerseits aus dem vorliegenden Akt der belangten Behörde, GZ: SV96-73-2013-Sc. Ferner hat am 07.07.2014 vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung stattgefunden. In dieser Verhandlung erfolgte die Vernehmung der Zeugen x und x. Die Abwesenheit des Beschwerdeführers selbst war aufgrund einer schweren Erkrankung entschuldigt.

 

III.2. Sowohl die Zeugen x als auch x schilderten ihre verwandtschaftlichen Beziehungen übereinstimmend; auch das freundschaftliche Verhältnis zum Beschwerdeführer wurde nachvollziehbar und übereinstimmend – insofern auch glaubwürdig – dargelegt. Außerdem ergab sich aus der Aussage des x, dass über dessen Ersuchen der Beschwerdeführer dem Zeugen x Unterkunft gewährte. Im Zusammenhang damit schilderte auch die Zeugin x, dass es für ihre Familie üblich sei, Angehörigen oder Freunden bei Besuchen eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen; ebenso sei es für ihre Familie eine Selbstverständlichkeit, Besuchern Essen und Trinken anzubieten. Insgesamt stellten daher die Zeugenaussagen ein schlüssiges und glaubwürdiges Bild der Familienverhältnisse des Beschwerdeführers, der Familie x und der Familie x dar.

 

III.3. Auch die Angaben des Zeugen x, er habe dem Beschwerdeführer kein Entgelt für Kost und Logis leisten müssen (nicht zuletzt deshalb, weil ja nicht er selbst, sondern der Zeuge x um Unterkunft gebeten hatte), ergab sich in der öffentlichen mündlichen Verhandlung widerspruchsfrei. Außerdem erklärte der Zeuge auch ohne Umschweife, aus eigenem Antrieb und freien Stücken auf der Baustelle geholfen zu haben. Auch der Umstand, dass ihm keine Weisungen erteilt wurden und er nicht bestimmte Tätigkeiten zu bestimmten Zeiten zu verrichten hatte, brachte die öffentliche mündliche Verhandlung hervor. Darüber hinaus befand sich der Zeuge x zum damaligen Zeitpunkt auch in einem Dienstverhältnis als Lackierer in seiner Heimat Serbien.

 

III.4. Dass der Zeuge x bei seinen Besuchen in Österreich – je nach Kapazität – entweder beim Beschwerdeführer oder beim Zeugen x Unterkunft erhielt, geht aus dem Zentralen Melderegister hervor und wurde auch von den vernommenen Zeugen ausgesagt. Die Kosten für die Anreise nach Österreich (Busfahrkarten) wurden jeweils vom Zeugen x selbst bezahlt. Im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte der Zeuge derartige Busfahrkarten vorlegen.

 

III.5. Im Zuge der Zeugenvernehmungen konnte der entscheidungsrelevante Sachverhalt in der Verhandlung am 07.07.2014 vollständig aufgeklärt werden. Eine zusätzliche Vernehmung des Beschwerdeführers selbst war insofern entbehrlich. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer (bzw. dessen rechts-freundlicher Vertreter) auf die Vernehmung des Beschwerdeführers verzichtet.

 

 

IV. Rechtslage

 

IV.1. Als Dienstnehmer gilt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen; unabhängig davon gelten Personen jedenfalls dann als Dienstnehmer, wenn sie entweder mit einem Dienstleistungscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz entlohnt werden, oder wenn sie nach § 47 Abs.1 iVm Abs.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lohnsteuerpflichtig  sind,  soweit  es sich nicht um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs.1 Z 4 lit. a oder b EStG oder um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs.1 Z 4 lit. c EStG, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, handelt.

 

IV.2. Gemäß § 33 Abs.1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. gilt Abs.1 für die nur in der Unfall- und Pensionsversicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten ist.

 

IV.3. Nach § 35 Abs.1 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs.1 Z 3 pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.

 

IV.4. Gemäß § 111 Abs.1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes 1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder 2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder 3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder 4. gehörig ausgewiesene Bedienstete oder Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt.

 

Gemäß § 111 Abs.2 leg.cit. ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs.1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar mit Geldstrafe von 730 Euro bis 2.180 Euro, im Wiederholungsfall von 2.180 Euro bis 5.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs.1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

IV.5. Gemäß § 539a Abs.1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend. Gemäß Abs.2 leg.cit. können durch den Missbrauch von Formen und durch Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden. Ferner ist gemäß Abs.3 leg.cit. ein Sachverhalt ist so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre. Nach Abs.4 leg.cit. sind Scheingeschäfte und andere Scheinhandlungen für die Feststellung eines Sachverhaltes nach diesem Bundesgesetz ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Beurteilung maßgebend. Gemäß Abs.5 leg.cit. gelten die Grundsätze, nach denen (1.) die wirtschaftliche Betrachtungsweise, (2.) Scheingeschäfte, Formmängel und Anfechtbarkeit sowie (3.) die Zurechnung nach den §§ 21 und 24 der Bundesabgabenordnung für Abgaben zu beurteilen sind, auch dann, wenn eine Pflichtversicherung und die sich daraus ergebenden Rechts und Pflichten nach diesem Bundesgesetz zu beurteilen sind.

 

 

V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

V.1. Typische Merkmale wirtschaftlicher Abhängigkeit (Unselbstständigkeit) sind:

1. die Verrichtung der Tätigkeit nicht in einem Betrieb oder einer Betriebsstätte des Verpflichteten, sondern in einem Betrieb des Unternehmers;

2. eine gewisse Regelmäßigkeit und längere Dauer der Tätigkeit;

3. die Verpflichtung zur persönlichen Erbringung der geschuldeten Leistung;

4. Beschränkungen der Entscheidungsfreiheit des Verpflichteten hinsichtlich der Verrichtung der Tätigkeit (Weisungsgebundenheit, „stille“ Autorität);

5. die Berichterstattungspflicht;

6. die Arbeit mit Arbeitsmitteln des Unternehmers;

7. das Ausüben der Tätigkeit für einen oder eine geringe Anzahl, nicht aber für eine unbegrenzte Anzahl ständig wechselnder Unternehmer;

8. die vertragliche Einschränkung der Tätigkeit des Verpflichteten in Bezug auf andere Personen (Unternehmerbindung, Konkurrenzverbot);

9. die Entgeltlichkeit und

10. die Frage, wem die Arbeitsleistung zugute kommt.

(VwGH 18.10.2000, 99/09/0011)

 

Bei der Beurteilung des konkret erhobenen Sachverhaltes geht es nicht darum, dass lückenlos alle rechtlichen und faktischen Merkmale festgestellt sind, sondern darum, die vorhandenen Merkmale zu gewichten und sodann das Gesamtbild daraufhin zu bewerten, ob wirtschaftliche Unselbständigkeit vorliegt oder nicht. Das totale Fehlen des einen oder anderen Merkmales muss dabei nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Die vorhandenen Merkmale werden in aller Regel unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Ihre Bewertung erfolgt nach einer Art „beweglichem System“, indem das unterschiedliche Gewicht beim einzelnen Tatbestandsmerkmale zueinander derart in eine Beziehung zu setzen ist, dass man berücksichtigt, dass eine Art von wechselseitiger Kompensation der einzelnen Gewichte vorgenommen wird. Das bedeutet nichts anderes, als dass das Fehlen wie auch eine schwache Ausprägung des einen oder anderen Merkmales des durch ein besonders stark ausgeprägtes Vorhandensein eines anderen oder mehrerer anderer Merkmale ausgeglichen bzw. überkompensiert werden kann (VwGH 22.02.2006, 2002/09/0187).

 

V.2. Im gegenständlichen Fall hat sich ergeben, dass der Zeuge x zwar vom Beschwerdeführer eine Unterkunft und Verköstigung zur Verfügung gestellt bekam, hiefür allerdings kein Entgelt bezahlen musste. Auch eine sonstige Gegenleistung – etwa im Sinn von Arbeiten auf einer Baustelle – wurden vom Beschwerdeführer nicht gefordert. Vielmehr fasste der Zeuge aus eigenem Antrieb, um sich erkenntlich zu zeigen, den Entschluss, auf der Baustelle des Beschwerdeführers mitzuhelfen. Darüber hinaus hatte der Beschwerdeführer dem Zeugen die Unterkunft auch nicht über dessen eigenes Ersuchen – sondern vielmehr über Ersuchen des Zeugen x – gewährt, sodass allenfalls von diesem ein Entgelt zu fordern gewesen wäre, was ebenfalls nicht der Fall war.

 

Darüber hinaus erteilte der Beschwerdeführer dem Zeugen auch keine Weisungen, wann bzw. welche Arbeiten bzw. ob dieser überhaupt Arbeiten zu verrichten hatte. Der Zeuge x verfügte im Zeitpunkt des Tatvorwurfes in seiner Heimat über eine Arbeit als Lackierer und war insofern auch nicht vom Beschwerdeführer wirtschaftlich abhängig.

 

V.3. Zusammengefasst ist daher zu beurteilen, ob ein Gefälligkeits- bzw. Freundschaftsdienst des Zeugen x vorlag.

 

Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste sind nach der Rechtsprechung des VwGH kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden aufgrund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungs-empfänger erbracht werden und die einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten (vgl. die zum Ausländerbeschäftigungsgesetz er-gangenen hg. Erkenntnisse vom 06.03.2008, Zl. 2007/09/0285, mwN, und vom 14.01.2010, Zl. 2009/09/0276, sowie auf Letzteres Bezug nehmend, das vom 19.01.2011, 2009/08/0062). Für die Abgrenzung zwischen einem Gefällig-keitsdienst und einer Beschäftigung ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei trifft die Partei – unabhängig von der grundsätz-lichen Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Erforschung des für die Entscheidung notwendigen Sachverhaltes und über die oben erwähnte Darlegungspflicht hinaus – eine entsprechende Mitwirkungspflicht, zumal es sich bei dem zur Beantwortung der Frage, ob ein Freundschafts- oder Gefälligkeits-dienst vorliegt, maßgeblichen Umständen und Motiven, um solche handelt, die zumeist der Privatsphäre der Partei zuzuordnen sind und der Behörde nicht ohne Weiteres zur Kenntnis gelangen. Es ist in diesen Fällen daher Sache der Partei, entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten (vgl. die zum Ausländerbeschäftigungsgesetz ergangenen hg. Erkenntnisse vom 18.05.2010, Zl. 2007/09/0374, und vom 12.07.2011, Zl. 2009/09/0101).
[VwGH 19.12.2012, 2012/08/0165; VwGH 12.07.2011, 2009/09/0101].

 

Im vorliegenden Fall konnten die Zeugen x und x die zwischen ihnen bestehenden verwandtschaftlichen bzw. freundschaftlichen Verhältnisse schildern. Außerdem hat z.B. der Zeuge x im Zuge seiner Vernehmung angegeben, dass ihn der Beschwerdeführer (sein Trauzeuge) unentgeltlich mit dem Auto nach Serbien gefahren habe, um dort Behördenwege mit seiner Ehegattin (der Schwester des Zeugen x) regulieren zu können. Auch andere Unterstützungsleistungen wurden vom Beschwerdeführer unentgeltlich erbracht. Insgesamt zeichneten alle Zeugen ein sehr großzügiges und selbstloses Bild vom Beschwerdeführer. Dass dieser den Zeugen x über Ersuchen des Zeugen x bei sich wohnen ließ, ist überdies durch eine Abfrage des Zentralen Melderegisters belegt. Dass sich der Zeuge x für diese großzügigen Zuwendungen des Beschwerdeführers erkenntlich zeigen wollte, ist ebenfalls nachvollziehbar. Insgesamt kann daher von einer Gefälligkeitsleistung des Zeugen x ausgegangen werden.

 

V.4. Auch der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass einem Vorbringen zu Gefälligkeitsleistungen entsprechend auf den Grund gegangen werden muss.

 

In der Entscheidung vom 21.09.1995, 95/09/0124, hatte der Beschwerdeführer nämlich im Ergebnis das Vorliegen einer bewilligungspflichtigen Beschäftigung damit bestritten, dass sowohl Kost und Logis als auch die von den Ausländern erbrachten Leistungen letztendlich auf deren verwandtschaftlicher Beziehung zu seiner Ehegattin beruht hätten. Kost und Logis seien ihnen nämlich als Verwandtenbesuch (Gäste) eingeräumt worden, die von ihnen geleisteten Arbeiten stellten einen Freundschafts- bzw. Verwandtschaftsdienst dar. Anlass ihres Besuches seien nicht die Arbeiten an seinem Wohnhaus gewesen, sondern die Verbesserung der Deutschkenntnisse und die Erkundung von Arbeitsmöglich-keiten in Österreich. Damit hat der Beschwerdeführer aber Tatsachen behauptet, die nicht von vornherein als rechtlich unerheblich angesehen werden können. Sollten sie nämlich zutreffen, ist nicht auszuschließen, dass die Tätigkeit der angetroffenen Ausländer bei verständiger Gesamtwürdigung aller im Beschwerdefall maßgeblichen Umstände nicht als Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG anzusehen ist. Erweist sich nämlich, dass die Ausländer wegen ihres Verwandtschaftsverhältnisses gleichsam aus Gefälligkeit aufgenommen wurden, kann daraus nicht mehr zwingend eine Beziehung zu den von ihnen ver-richteten Arbeiten gezogen werden (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 11.07.1990, 90/09/0062). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts-hofes ist auch nicht jede Tätigkeit schlechthin schon als Beschäftigung im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG anzusehen (im Beschwerdefall kommt die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis (lit.a) oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis (lit.b) in Betracht, wobei dafür nach ständiger Rechtsprechung die Tätigkeit in persönlicher bzw. wirtschaftlicher Abhängigkeit des Arbeitenden maßgebend ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11.07.1990, 90/09/0062, vom 17.01.1991, 90/09/0159, vom 26.11.1992, 92/09/0193 und vom 22.04.1993, 92/09/0384) [VwGH 21.09.1995, 95/09/0124].

 

In einer weiteren Entscheidung vom 11.07.1990, 90/09/0062, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof mit einem Vorbringen auseinanderzusetzen, wonach der Beschwerdeführer über Ersuchen des ihm bekannten Vaters eines angeblichen Dienstnehmers diesen bei sich aufgenommen hatte, ihm zwar kein Entgelt, jedoch freie Kost und Unterkunft gewährte, wofür der angebliche Dienstnehmer stundenweise im Stall und bei Heuarbeiten des Beschwerdeführers mithalf. Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid in Übereinstimmung mit den Akten des Verwaltungsverfahrens davon aus, dass der genannte Ausländer beim Beschwerdeführer freie Kost und freies Quartier gehabt hat. Sie zog weiters daraus den Schluss, dass der genannte Ausländer „dafür unentgeltlich stundenweise in der Landwirtschaft und im Gastbetrieb“ Arbeiten verrichtet habe. Abgesehen davon, dass damit noch nicht hinreichend die für das Vorbringen einer persönlichen bzw. wirtschaftlichen Abhängigkeit erforderliche Beweisführung erbracht bzw. Feststellungen darüber getroffen worden sind, entbehrt diese Schlussfolgerung auch des logisch zwingenden Zusammenhanges, insbesondere deshalb, weil der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat, dass er den genannten Ausländer gleichsam aus Gefällig-keit gegen dessen ihm bekannten Vater bei sich aufgenommen habe. Eine Aus-einandersetzung mit diesem Vorbringen ist dabei unterblieben, weil die belangte Behörde von der Rechtsauffassung ausgegangen ist, dass bereits die Duldung, das bedeutet im Ergebnis die Nichtunterbindung von Tätigkeiten eines Aus-länders in dem im Beschwerdefall gegebenen Rahmen (Landwirtschaft und gast-gewerblicher Betrieb), selbst wenn diese Tätigkeiten ohne jegliche Verpflichtung, lediglich gefälligkeitshalber erbracht worden sind, bereits eine Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes darstelle [VwGH 11.07.1990, 90/09/0062].

 

V.5. Nichts anderes kann für den hier vorliegenden Sachverhalt gelten. Auch hier hat der Zeuge x den Beschwerdeführer ersucht, den Zeugen x bei sich aufzunehmen. Ein Entgelt hiefür wurde nicht vereinbart, lediglich Kost und Logis wurden dem Zeugen x gewährt. Dieser zeigte sich aus eigenem Antrieb dafür erkenntlich und erbrachte die Tätigkeiten auf der Baustelle, ohne eine Verpflichtung und lediglich gefälligkeitshalber.

 

 

V.6. Zusammengefasst liegt gegenständlich insofern ein Freundschafts- bzw. Gefälligkeitsdienst vor, welcher nicht dem ASVG unterliegt. Insofern war der Beschwerde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Lidauer