LVwG-550158/12/Kü/AK

Linz, 15.07.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Thomas Kühberger über die Beschwerde der x, x, x, vertreten durch Rechtsanwälte x, x, x, vom 15. November 2013 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 12. November 2013,
GZ: UR01-12-15-2013/Je, betreffend abfallrechtlichen Behandlungsauftrag gemäß § 73 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 nach Durchführung einer öffent­lichen mündlichen Verhandlung am 23. April 2014

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom
12. November 2013, GZ: UR01-12-15-2013/Je, wurde der x (im Folgenden: Bf) gemäß § 73 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) aufgetragen, die auf dem Grundstück Nr. x, KG x, x, x, abgelagerten Abbruchbaurestmassen bis spätestens 30. November 2013 einem zur Sammlung oder Behandlung derartiger Abfälle Befugten zu übergeben. Festgeschrieben wurde zudem, dass die entsprechenden Entsorgungsnachweise der Behörde unter Angabe der Aktenzahl bis spätestens 1. Dezember 2013 unaufgefordert zu übermitteln sind.

 

Begründend wurde nach Darstellung der Rechtsgrundlagen festgehalten, dass aufgrund des Gutachtens des Amtssachverständigen für Abfallchemie vom
25. September 2013, welches in sich schlüssig und nachvollziehbar sei, die im Spruchteil genannten Gegenstände als Abfall im Sinne der obigen Gesetzesstellen festzustellen gewesen seien und es nicht zulässig sei, die angegebenen Abbruchbaurestmassen auf dem Grund­stück des Herrn x zu lagern, da hierfür keine Bewilligung zur Lagerung vorliege bzw. diese keine genehmigte Deponie darstelle. Auch stelle das bachnahe gelegene Grundstück des Herrn x keinen geeigneten Ort für die Sammlung, Lagerung oder Behandlung von Abfällen dar.

 

2.         Dagegen richtet sich die rechtzeitig von der Bf eingebrachte Berufung vom 15. November 2013, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Begründend wurde festgehalten, dass die Bf mit dem Antransport der minera­lischen Abbruchbaurestmassen zur weiteren Verwertung im Zuge von bewilligten Baumaßnahmen von Herrn x beauftragt worden sei. Da die Bf somit ausschließlich als Transporteur fungiert habe, müsste sich die Aufforderung der Behörde an den Veranlasser der Lagerung richten.

 

3.         Die belangte Behörde hat die Berufung mit Schreiben vom
12. Februar 2014 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entschei­dungsfindung vorgelegt.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 letzter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) gilt die rechtzeitige Berufung als Beschwerde iSd Art. 130 Abs. 1
Z 1 B-VG. Das Landesverwaltungsgericht entscheidet gemäß § 2 Verwaltungs­gerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) durch einen Einzelrichter. Die Zuständigkeit des erkennenden Richters ergibt sich aus § 3 Abs. 7 VwGbk-ÜG.

 

4.         Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhand­lung am 23. April 2014, an welcher die Vertreter der Bf teilgenommen haben sowie Herr x als Zeuge einvernommen wurde.

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

Herr x, x, x, ist grundbücherlicher Eigentümer des Grundstückes Nr. x, KG x. Herr x plant, für seinen landwirtschaftlichen Betrieb auf diesem Grundstück eine Kompostierungsanlage zu errichten. Er hat dazu bei der zuständigen Behörde ein Projekt eingereicht, welches bereits genehmigt worden ist.

 

Das genannte Grundstück weist eine leichte Hangneigung auf. Im Projekt ist des­halb vorgesehen, das Niveau des Grundstückes um 1,5 bis 2 m zu erhöhen. Außerdem ist beabsichtigt, eine Abgrenzung zum nahegelegenen Gamsbach in Form eines Erdwalles herzustellen, um den Austritt von Oberflächenwässern von der Kompostierungsanlage in den Gamsbach zu verhindern.

 

In den Projektsunterlagen für die Kompostierungsanlage bzw. in den Verhand­lungen mit der Behörde wurde nicht festgelegt, mit welchen Materialien die Anschüttung des Grundstückes Nr. x, KG x, vorgenommen werden soll. Im Zuge des Genehmigungsverfahrens für die Kompostierungs­anlage hat Herr x der Behörde gegenüber nicht geäußert, dass als Material für die Anschüttung Baurestmassen herangezogen werden sollen.

 

Nachdem Herr x Preisangebote eingeholt hat, musste er feststellen, dass eine Anschüttung des Geländes mit Schottermaterialien sehr hohe Kosten verur­sachen würde. Aufgrund dieser hohen Kosten, beabsichtigt Herr x eine Anschüttung des Grundstückes mit Betonbruchmaterialien bzw. Baurestmassen durchzuführen. Aufgrund dieses Vorhabens hat Herr x mit dem Geschäftsführer der Bf Kontakt aufgenommen und sich erkundigt, ob es grund­sätzlich möglich sei, das Gelände mit Baurestmassen aufzufüllen und welche Kosten dieses Vorhaben verursachen würde.

 

Aufgrund der Anfrage von Herrn x hat die Bf am 2. Mai 2013 eine Kosten­schätzung für das Bauvorhaben „Kompostierungsanlage, teilweise abhumusieren, teilweise Aushubarbeiten und bauseitiges Schüttmaterial brechen“ erstellt. In dieser Kostenschätzung werden die Gerätepreise für das Abhumusieren und den Geländeaushub dargestellt bzw. werden die Kosten für das Brechen von ca. 3.000 m³ bauseitigem Schüttmaterial und der Einbau des Materials angeboten. Am Ende dieser Kostenschätzung ist Folgendes festgehalten:

„Der Antransport von Schutt wird von der Firma x finanziert. Die Genehmi­gungen und Schuttzertifizierung ist bauseits zu erledigen.“

 

Herr x wurde vom Geschäftsführer der Bf vor Beginn der Arbeiten davon informiert, dass nach dem Aufbereiten die Baurestmassen zu analysieren sind, um festzustellen, ob die Materialien auch zur Anschüttung des Geländes verwen­det werden können.

 

In der Folge hat Herr x der Bf den Auftrag zur Anlieferung von Bau­rest­­massen auf sein Grundstück erteilt. Die Bf transportierte sodann von diversen Baustellen Baurestmassen zum Grundstück des Herrn x, wobei dieser selbst den Lagerort auf seinem Grundstück festlegte. Die Materialanlieferungen erfolgten in der Zeit von Juli bis September 2013.

 

4.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den übereinstimmenden Aussagen des Geschäftsführers der Bf sowie des einvernommenen Zeugen in der mündlichen Verhandlung. Die Feststellungen hinsichtlich der von der Bf Herrn x gegenüber angebotenen Leistungen ergibt sich aus dem Angebot vom
2. Mai 2013. Insofern steht dieser Sachverhalt unbestritten fest.

 

 

II.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

1.         § 73 Abs. 1 AWG 2002 lautet:

Wenn

1.   Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2.   die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.

 

Gemäß § 15 Abs. 3 AWG 2002 dürfen Abfälle außerhalb von

1.   hierfür genehmigten Anlagen oder

2.   für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hierfür genehmigten Deponien erfolgen.

 

2.         Aus § 15 Abs. 1 und 3 AWG 2002 ergibt sich, dass als Verpflichteter eines Behandlungsauftrages nach § 73 AWG 2002 jedenfalls derjenige anzusehen ist, der eine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 zu verantworten hat sowie derjenige, der Abfälle entgegen dem § 15 Abs. 3 AWG 2002 sammelt, lagert oder behandelt. § 73 AWG 2002 hat den Ver­ursacher eines gesetzwidrigen Zustandes im Auge (vgl. VwGH vom 21.11.2012,
Zl. 2009/07/0118).

 

Unbestritten ist, dass es sich bei den auf Grundstück Nr. x, KG x, gelagerten Abbruchbaurestmassen um Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG 2002 handelt. Die Abfalleigenschaft wurde zudem von keinem der Beteiligten in Frage gestellt. Die grundlegende Voraussetzung für die Erlassung eines Behandlungsantrages nach § 73 Abs. 1 AWG 2002, und zwar, dass es sich bei den in Rede stehenden Materialien um Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 1 AWG 2002 handelt (vgl. VwGH vom 24.05.2012, Zl. 2009/07/0123), ist demnach erfüllt.

 

Die Bf bestreitet ihre Stellung als Verpflichteter im Sinne des § 73 Abs. 1
AWG 2002 und begründet dies damit, dass sie gegenständlich ausschließlich als Transporteur der Abbruchbaurestmassen fungiert hat und diese über Auftrag von Herrn x zur weiteren Verwertung auf dessen Grundstück verbracht hat.

 

Als Ergebnis des abgeführten Ermittlungsverfahrens ist festzustellen, dass die Bf nicht aus eigenem Antrieb einen Entsorgungsweg für die bei ihren Abbrucharbeiten anfallenden Baurestmassen gewählt hat, sondern Herr x den Kontakt zur Bf gesucht hat und konkret Betonabbruchmaterialien zur Anschüttung seines Grundstückes angefragt hat. Die Betonabbruchmate­rialien bzw. Baurestmassen sollten Herrn x zur Erhöhung des Niveaus des Grundstückes, auf welchem er die Errichtung einer Kompostierungsanlage beab­sichtigt, dienen. Da die Aufschüttung mit herkömmlichen Schottermaterialien nach Verständnis von Herrn x zu hohe Kosten verursachen würde, beabsichtigte dieser als Alternative, Abbruchbaurestmassen dafür zu verwenden. Eindeutiger Beleg für das Vorhaben von Herrn x, Baurestmassen zu verwenden, ist das Angebot der Bf vom 2. Mai 2013, welches Herrn x gegenüber abgegeben wurde. Daraus ist ersichtlich, dass die Bf die Aufbereitung von ca. 3.000 m³ Abbruchmaterial ange­boten hat und nicht etwa einen Betrag über die Entsorgung von Abbruchmaterialien in Rechnung gestellt oder gegenverrechnet hat. Bei Anlieferung der Abbruch­mate­rialien im Zeitraum Juli bis September 2013 hat Herr x bestimmt, in welcher Weise die Lagerung auf seinem Grundstück zu erfolgen hat.

 

Die gesamten Umstände des vorliegenden Falles, wie das beabsichtigte Bauvor­ha­ben von Herrn x, die Notwendigkeit der Erhöhung des Niveaus des Grundstückes, die konkrete Anfrage nach Baurestmassen durch Herrn x bei der Bf, der Inhalt des Angebotes der Bf und die Festlegung des Lagerortes der Baurestmassen durch Herrn x führen insgesamt zum Schluss, dass bei der gegebenen Sachlage nicht die Bf als Verpflichteter im Sinne des
§ 73 Abs. 1 AWG 2002 anzusehen ist. Die Bf ist nicht Auftraggeber der Lagerung der Abbruchbaurestmassen auf dem gegenständlichen Grundstück und damit auch für diese entgegen § 15 Abs. 3 AWG 2002 erfolgte Lagerung nicht verantwortlich.

Insgesamt war daher der Beschwerde der Bf Folge zu geben und der Bescheid der belangten Behörde zu beheben.

 

 

III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­ver­wal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsan­walt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Thomas Kühberger

Beachte:

Das Erkenntnis wurde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

VwGH vom 26. März 2015, Zl.: Ra 2014/07/0067-6