LVwG-750188/6/BP/JW

Linz, 18.08.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des Herrn x,
geb. x, vertreten durch x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 20. Juni 2014,  GZ: Sich40-43355-2013, mit dem ein Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung Angehöriger“ abgewiesen wurde,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 40/2014, wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel nach dem NAG mit dem Zweck „Niederlassungsbewilligung Familienangehöriger“ für die Dauer von
12 Monaten erteilt.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid vom 20. Juni 2014, GZ: Sich40-43355-2013, wies die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung Angehöriger“ gem. § 11 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, (im Folgenden: NAG) als unbegründet ab.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst Folgendes aus:

 

Sie sind kosovarischer Staatsbürger und haben nach erfolgter illegalen Einreise in das Bundesgebiet der Republik Österreich beim Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, Zl 13 06.634, am 22.05.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

 

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle West, Z113 06.634, vom 10.06.2013 ist Ihr Antrag gemäß §§ 7 u 8 AsylG 2005 abgewiesen und gemäß § 10 AsylG 2005 sind Sie aus dem

 

 

 

Bundesgebiet der Republik Österreich in den Kosovo ausgewiesen worden. Gemäß § 38 AsylG 2005 ist Ihnen mit zitiertem Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt worden.

 

 

 

Gegen diesen Bescheid haben Sie fristgerecht die Beschwerde erhoben. Mit Beschluss des Asylgerichtshofs vom 08.07.2013, GZ B13 436.094-1/2013/2Z, ist Ihnen gemäß § 38 Abs. 2 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

 

 

 

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 19.09.2013, GZ B13 436.094-1/2013/5E, ist Ihre Beschwerde gemäß §§ 7 u 8 AsylG 2005 abgewiesen und gemäß § 10 AsylG 2005 ist Ihre Aus­weisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich in den Kosovo bestätigt worden. Im zitierten Erkenntnis sind Sie aufgefordert worden, dass Bundesgebiet der Republik Österreich binnen 14 Tage freiwillig zu verlassen.

 

 

 

Am 7. Oktober 2013 haben Sie persönlich bei der hs. Niederlassungsbehörde einen quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung" gemäß § 43 Abs. 3 NAG 2005 gestellt.

 

 

 

Die hs. Niederlassungsbehörde hat nun jenen Zeitraum zwischen dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19.09.2013 bis zur Antragsstellung bei der hs. Niederlassungsbehörde am 07.10.2013 zu prüfen, ob sich Ihr Sachverhalt maßgeblich geändert hat.

 

 

 

Mit nachweislichem Schreiben vom 21.10.2013 hat Ihnen die hs. Niederlassungsbehörde mitgeteilt, dass die hs. Niederlassungsbehörde beabsichtigt, Ihren quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung" gemäß § 43 Abs. 3 NAG 2005 zurückzuweisen, da sich Ihr Sachverhalt seit dem Zeitpunkt des Erkenntnisses des AsylGH nicht maßgeblich geändert hat. Mit zitiertem Schreiben sind Sie weiters aufgefordert worden binnen zwei Wochen nach Erhalt des angeführten Schreibens schriftlich zur beabsichtigten Zurückweisung Stellung zu nehmen.

 

 

 

Am 29. Oktober 2013 sind Sie von der hs. Fremdenpolizeibehörde in den Kosovo abgeschoben worden, da Sie nicht fristgerecht freiwillig ausgereist sind.

 

 

 

 

 

Ihre Stellungnahme ist am 11. November 2013 bei der hs. Niederlassungsbehörde eingelangt.

 

 

 

Mit rechtskräftigem Bescheid der hs. Niederlassungsbehörde vom 12. November 2013,
ZI Sich40-43355-2013, ist ihr quotenfreier Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbe­willigung" gemäß § 43 Abs. 3 NAG als unzulässig zurückgewiesen worden, da sie mit Schreiben vom 18.02.2014 mitgeteilt haben ihre Berufung/Beschwerde zurückzuziehen.

 

 

 

Am 22. April 2014 haben Sie bei der öster. Botschaft in Skopje einen quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" gestellt. Als Bezugsperson haben Sie ihre Ehegattin, x, angegeben. Aus ihrem Antrag ist weiters ersichtlich, dass Sie einen Arbeitsvor­vertrag mit dem Arbeitgeber x, etabliert in x, x, beigelegt haben.

 

 

 

Bei der Prüfung Ihres quotenfreien Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienan­gehöriger" ist festgestellt worden, dass mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 19.09.2013, GZ B13 436.094-1/2013/5E, Ihr Asylantrag gemäß §§ 7 u 8 AsylG 2005 abgewiesen und gleichzeitig gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 die Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich in den Kosovo erlassen worden ist. Ihre Frist für die freiwillige Ausreise aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich haben Sie verstreichen lassen. Sie sind nach Ablauf dieser Frist nicht freiwillig aus Österreich in den Kosovo ausgereist.

 

 

 

Am 29. Oktober 2013 sind sie von der damaligen Fremdenpolizeibehörde am Luftweg in den Kosovo abgeschoben worden.

 

 

 

Gemäß § 75 Abs. 23 AsylG bleiben Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht. Diese Ausweisungen gelten als aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 1. oder 3. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I. 87/2012.

 

 

 

Dies bedeutet in Ihrem Fall, dass gegen Sie ein absoluter Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 NAG besteht. Somit kann ihnen ex lege kein Aufenthaltstitel gewährt werden. Dieser Umstand hindert auch die Erteilung Ihres beantragten Aufenthaltstitels durch § 11 Abs. 3 NAG. Bei Ihnen liegt ein absoluter Versagungsgrund vor.

 

 

 

Konkret bedeutet dies in Ihrem Fall, dass Sie erst nach Ablauf der 18 Monate ab Ihrer nachweis­lichen Ausreise aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich am 29.10.2013 ein Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet der Republik Österreich erteilt werden kann, wenn dafür die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

 

 

 

Mit nachweislichem Schreiben vom 6. Juni 2014 ist ihnen mitgeteilt worden, dass die hs. Nieder­lassungsbehörde beabsichtigt, ihren quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" abzuweisen. Mit zitiertem Schreiben sind sie aufgefordert worden binnen zwei Wochen nach Erhalt des angeführten Schreibens schriftlich zur beabsichtigten Abweisung ihres quotenfreien Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger" Stellung zu nehmen.

 

 

 

Ihre schriftliche Stellungnahme ist per Fax am 10.06.2014 bei der hs. Niederlassungsbehörde eingelangt.

 

 

 

Die Behörde hat hierzu erwogen:

 

 

 

(...)

 

 

 

Wie bereits umseitig angeführt, ist ihr Asylantrag negativ beschieden worden. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 19.09.2013, GZ B13 436.984-1/2013/5E, ist ihre Beschwerde gemäß §§ 7 u 8 AsylG abgewiesen und gemäß § 10 AsylG ist ihre Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich in den Kosovo bestätigt worden. Im zitiertem Erkenntnis sind sie aufgefordert worden, dass Bundesgebiet der Republik Österreich binnen 14 Tage freiwillig zu verlassen.

 

 

 

Dieser Aufforderung zur freiwilligen Ausreise haben sie nicht befolgt und sind von der hs. Fremdenpolizeibehörde am 29. Oktober 2013 in den Kosovo abgeschoben worden.

 

 

 

Gemäß § 75 Abs. 23 AsylG bleiben Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht. Diese Ausweisungen gelten als aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 1. oder 3. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. 1.87/2012.

 

 

 

Dies bedeutet in ihrem Fall, dass gegen sie ein absolutes Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 NAG (Rückkehrentscheidung) besteht. Ihnen kann vom Gesetz her kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Ihre asylrechtliche Ausweisung gelten aufgrund des BGBl. I. 87/2012 als aufenthaltsbe­endende Maßnahme nach dem 1. oder 3. Abschnitt des
8. Hauptstückes des FPG. Im achten Hauptstück sind die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen geregelt, insbesondere auch die Rück­kehrentscheidung. Somit sind sie im Besitz einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nach dem FPG.

 

 

 

Eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung stellt aber einen absoluten Versagungsgrund dar und kann auch nicht mit § 11 Abs. 3 NAG „geheilt" werden, da im § 11 Abs. 3 NAG ersichtlich ist, dass trotz Vorliegen eines Erteilungshindernisse gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 u 6 NAG ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann.

 

 

 

In Ihrem Fall bedeutet dies, dass sie erst nach Ablauf von 18 Monaten ab ihrer Abschiebung bzw. Ausreise wieder einen Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erteilt werden kann.

 

 

 

In ihrer schriftlichen Stellungnahme haben sie angeführt, Absatz 6 lautet: „Ausweisungen nach Abs. 1 bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht Betrachtet man die aktuelle Fassung des Asylgesetzes 2005 bis zur Fassung laut Bundesgesetzblatt 12013/144 so muss man feststellen, dass der§ 10 AsylG nur mehr drei Absätze umfasst, also die Absätze 4 bis 8 Asylgesetz nicht mehr vorhanden sind. Das heißt, dass die 18-monatige Dauer der Ausweisung nicht mehr dem Gesetz entspricht. Dem zu Folge wurde auch der §11 Abs 1 Z 3 NAG geändert. Liest man die aktuelle Fassung des NAG muss man feststellen, dass die Z 3 entfallen ist.

 

 

 

Die hs. Niederlassungsbehörde führt dazu an, dass mit dem Bundesgesetzblatt I 144/2013 dem § 75 AsylG der Abs. 23 angefügt ist. Dieser lautet wie folgt: Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vordem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, bleiben binnen 18 Monate ab einer Ausreise des Fremden aufrecht. Diese Ausweisungen gelten als aufenthaltsbe­endende Maßnahmen gemäß dem 1. oder 3. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012. Bereits aufgrund dieser Gesetzesbestim­mung kann ihrer Argumentation nicht gefolgt werden, da sie im Widerspruch zur gelten Rechtslage steht. Dies ist auch der Grund dafür, warum im § 11 Abs. 1 die Z 3 und im § 11 Abs. 3 ebenfalls die Z 3 entfallen ist. Eine asylrechtliche durchsetzbare Ausweisung ist eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG. Hinzu kommt noch, dass diese asylrechtliche Ausweisung - somit die Rückkehrentscheidung - 18 Monate nach Ausreise des Fremden aufrecht bleibt.

 

 

 

Bereits der VwGH hat mit Erkenntnis vom 14.03.2013, ZI 2012/22/08, festgestellt, dass der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Z 1 NAG allein auf eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG abstellt, nicht aber auf ein Einreiseverbot oder darauf, ob die Rückkehrentscheidung mit einem Einreiseverbot verbunden wurde.

 

 

 

Da es sich in ihrem Fall um einen absoluten Versagungsgrund handelt, ist eine Abwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG iSd Art. 8 MRK nicht vorzunehmen, vgl. Erkenntnis des VwGH vom 27.09.2010, ZI 2009/22/0038.

 

 

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachte Beschwerde der Bf vom 30. Juni 2014:

 

 

Ich bin kosovarischer Staatsbürger und stellte im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.6.2013 wurde der Antrag abgewiesen und gemäß § 10 AsylG 2005 wurde ich aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Dagegen habe ich fristgerecht die Beschwerde erhoben. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 8.7.2013 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt, hingegen mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19.9.2013 die Beschwerde abgewiesen. Eine mündliche Berufungsverhandlung bzw. eine Beschwerdeverhandlung fand nicht statt. Vom grünen Tisch aus entschied der Asylgerichtshof, dass nicht ersichtlich wäre, dass die für ein geschütztes Familienleben vorausgesetzte enge Beziehungsintensität bzw. ein Abhängigkeitsverhältnis bestünde. Die Ausweisung bilde keinen unzulässigen Eingriff in das Recht auf Schutz des Familienlebens.

 

Ich hätte nämlich am 13.7.2013 die österreichische Staatsbürgerin x geheiratet. Sie war in der x als Wachposten tätig. Die Ehegattin x brachte ein Kleinkind mit dem Namen x in die Ehe mit. Der leibliche Vater hatte das Bundesgebiet verlassen, sodass ich die Rolle des Vaters übernahm. Der kleine x war damals 21 Monate alt und widmete ich mich seiner Betreuung, während die Gattin ihrer Arbeit nachging.

 

Aufgrund dieses Umstandes stellte ich innerhalb der Frist zur freiwilligen Ausreise am 17.10.2013 einen quotenfreien Erstantrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 NAG. Auf die Frage, ob ein Fristverlängerungsantrag für die Ausreise zu stellen war, reagierte der zuständige Organwalter x nicht. Im Vertrauen darauf, dass die Behörde auf eine freiwillige und nicht auf eine zwangsweise Ausweisung setzen würde, bin ich nicht freiwillig ausgereist. Dies erwies sich als eine Fehleinschätzung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck und der dortigen Amtspraxis. Zum Abschiebe- und Festnahmevorgang verweise ich auf L-VG-780000/17 und das Erkenntnis vom 22.5.2014. Zusammengefasst wurde ich also am 29.10.2013 am Luftweg in den Kosovo abgeschoben.

 

 

 

Mit Bescheid der BH Vöcklabruck vom 12.11.2013 wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung" gemäß § 43 Abs, 3 NAG als unzulässig zurückgewiesen. Es hätte sich keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes seit dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes ergeben.

 

Am 24.3.2014 stellte ich einen Antrag bei der österreichischen Botschaft Skopje auf Erteilung eines Visums der Kategorie C. Dies war offenbar der falsche Weg auf Familienzusammenführung, sodass ich am 22.4.2014 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" stellte. Mit Schreiben vom 6.6.2014 teilte mir die Behörde mit, dass nach § 10 Abs. 6 AsylG 2005 eine Ausweisung 18 Monate ab einer Ausreise aufrecht bleiben würde. Am 6. Juni 2014 existierte kein § 10 Abs. 6 AsylG mehr, allerdings wurde am 31.7.2013 ein § 75 Abs. 23 in das Asylgesetz "hineingeflickt". Nachdem eine Stellungnahme abgegeben wurde, änderte die belangte Behörde die rechtliche Grundlage und stützte sich auf § 75 Abs. 23 AsylG.

 

Demnach wäre mir eine Einreise erst ab 29.4.2015 möglich. Die belangte Behörde verwies auf die derzeit geltenden § 11 Abs. 1 Z 1 und § 11 Abs. 3 NAG.

 

 

 

Mein Stiefsohn x war bereits längere Zeit bei mir im Kosovo, wo ich ihn betreute. Meine Gattin x kämpft vehement für meine Rückkehr. Ihr ist es nicht möglich, ständig bei mir im Kosovo zu leben.

 

 

 

(...)

 

 

 

Die belangte Behörde ist der Auffassung, dass die Einreisesperre nach § 75 Abs. 23 AsylG absolut wirkt, also eine Abwägung im Sinne des Art. 8 EMRK nicht vorzunehmen ist. Verwiesen wird auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes mit der Zahl 2009/22/0038, dass den Versagungsgrund der Aufenthaltsehe betrifft. Betrachtet man die alte Rechtslage des § 11 NAG, so findet man die 18-monatige Einreisesperre im § 11 Abs. 1 Z 3.

 

 

 

3.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den mit Schreiben vom 9. Juli 2014 von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vorgelegten Verwaltungsakt. Aus dem Verwaltungsakt ließ sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt widerspruchsfrei feststellen.

 

 

3.2. Mit E-Mail vom 9. August 2014 wurde vom Bf eine Einstellungszusage betreffend den Bf übermittelt. Darin führt er aus, dass er konkret 1.338 Euro brutto, ca. 1.107,86 Euro netto für seine Tätigkeit als Vollbeschäftigter im Rahmen des Gastro--Kollektivvertrag verdienen werde. In einem Telefonat mit dem potentiellen Arbeitgeber des Bf bestätigt dieser nochmals diese Zusage.

 

 

Mit Schreiben vom 12. August 2014 übermittelte der Rechtsvertreter des Bf verschiedene Urkunden, ua. einen Dienstvertrag der Ehegattin ab 5. August 2014. Für ein Beschäftigungsausmaß von 20 Stunden erhält die Gattin des Bf (nach telefonischer Rückfrage) als Sicherheitskraft im Wachdienst ca. 708 Euro monatlich zuzüglich Zulagen für Nachtstunden, die variabel anzusetzen sind.

 

 

3.3. Von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 VwGVG abgesehen werden, zumal der relevante Sachverhalt geklärt und nur eine Rechtsfrage zu erörtern war. Überdies besteht auch kein darauf gerichteter Parteienantrag.

 

 

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.

 

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von dem unter den Punkten I. 1. und I.3.2.  dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.

 

 

 

II.

 

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt.

 

 

III.

 

1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B VG erkennen ab 1. Jänner 2014 die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

1.2. Gemäß § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 40/2014, ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

2.1. Nach dem unbestrittenen Sachverhalt stellte der Bf im April 2014 in der österreichischen Botschaft im Kosovo, einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung Angehöriger". Zunächst ist anzuführen, dass er mit einer österreichischen Staatsangehörigen verehelicht ist, die als zusammenführende im Sinn des § 47 Abs. 2 NAG gelten kann. Zur Erlangung des Aufenthaltstitels ist es aber weiters erforderlich, dass die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG erfüllt werden. Die belangte Behörde sah aber gerade in diesem Punkt einen absoluten Versagungsgrund für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 NAG.

 

2.2. Gemäß § 11 Abs. 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1.         gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen wurde oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2.         gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3.         (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

4.         eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption

(§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5.         eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6.         er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

 

Gemäß § 75 Abs. 23 AsylG bleiben Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, binnen
18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht. Diese Ausweisungen gelten als aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 1. oder 3. Abschnitt des
8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I. 87/2012.

 

2.3. Nach Auffassung der belangten Behörde besteht gegen den Bf eine durchsetzbar erlassene Rückkehrentscheidung im Sinn des 52 FPG iVm. § 11 Abs. 1 Z. 1 NAG. Dabei stützt sie sich auf § 75 Abs. 23 AsylG.

 

Wie aus dem Wortlaut der oben zitierten Bestimmung aber klar hervorgeht, bezieht sich diese Übergangsbestimmung auf Sachverhalte, bei denen eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG „in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden.“ Die Kundmachung des BGBl. I Nr. 87/2012 erfolgte am 16. August 2012. Demnach sind vom Wortlaut des § 75 Abs. 23 AsylG Ausweisungen erfasst, die vor dem 17. August 2012 durchsetzbar erlassen wurden.

 

Im hier zu beurteilenden Fall wurde aber die asylrechtliche Ausweisung mit
19. September 2013 ausgesprochen. Die in § 75 Abs. 23 AsylG normierte Rechtsfolge gilt nicht für den hier zu beurteilenden Fall. Daraus folgt aber, dass
§ 11 Abs. 1 Z. 1 NAG – nämlich eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung – und damit auch der absolute Versagungsgrund nicht gegeben ist. Weiters ist festzuhalten, dass auch die Z. 2 bis 6 des § 11 Abs. 1 NAG nicht einschlägig scheinen.

 

Es ist sohin in der rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes fortzufahren.

 

3.1. Gemäß § 11 Abs. 2 NAG           dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1.         der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.         der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.         der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.         der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.         durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6.         der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

 

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG      kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im

Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.         die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2.         das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3.         die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4.         der Grad der Integration;

5.         die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6.         die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7.         Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8.         die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9.         die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

 

Gemäß § 11 Abs. 4 NAG widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1.         sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2.         der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen

Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende

Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht

ausgeschlossen werden können.

 

Gemäß § 11 Abs. 5 NAG führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung oder Patenschaftserklärung (Abs. 2 Z 15 oder 18), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

 

3.2. Aus dem Akt ergibt sich, dass der Bf entsprechende Deutschkenntnisse und eine Wohnung in ausreichender Größe bei seiner Ehegattin nachweisen kann. Bedenken hinsichtlich § 11 Abs. 2 Z. 1 iVm. Abs. 4 NAG sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

Glaubhaft wurde auch vermittelt, dass der Bf – umgehend nach Einreise ins Bundesgebiet eine Arbeitstätigkeit im Rahmen des Gastgewerbes seines Bruders aufnehmen wird können. Auch der in Aussicht gestellte Arbeitslohn ist glaubhaft angegeben worden. Darüber hinaus wäre diesfalls ein ausreichender Krankenversicherungsschutz gegeben.

 

Laut den Richtsätzen gemäß § 293 ASVG zur Berechnung des Lebensunterhalts für das Jahr 2014 errechnet sich ein Betrag für eine Familie mit einem Kind von 1.692,43 Euro. Nachdem aktuell davon auszugehen ist, dass durch die beiden Einkommen der Ehegatten dieser Wert jedenfalls überstiegen wird (Bf: rund 1.107 Euro, seine Gattin zumindest 708 Euro), ist auch von keiner Belastung des Sozialsystems auszugehen.

Im Übrigen ist der Bf für den Stiefsohn nicht sorgepflichtig.

 

Ohne näher darauf einzugehen, ist abschließend festzuhalten, dass die Intensität des Privat- und Familienlebens im Fall des Bf – trotz kurzer Dauer der Ehe – ungewöhnlich hoch anzusehen ist. Dies wird alleine schon aus dem Umstand deutlich, dass das Kind der Ehegattin des Bf für einige Zeit alleine (ohne die Mutter) beim Bf im Kosovo aufhältig war und der Kontakt durch häufige Besuche der Ehegattin und des Stiefsohnes im Kosovo gepflegt wird.

3.3. Nachdem aber die Voraussetzungen des 1. Teiles gegeben sind, steht der Erteilung des Aufenthaltstitels im Sinne des § 47 Abs. 2 NAG nichts mehr entgegen.

 

4. Es war somit im Ergebnis der Beschwerde stattzugeben, der angefochtene Bescheid zu beheben und dem Bf der beantragte Titel zu erteilen.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

Bernhard Pree

Beachte:

Die Revision wurde als unbegründet abgewiesen.

VwGH vom 30. Juli 2015, Zl. Ra 2014/22/0131-6