LVwG-300235/6/AL

Linz, 26.08.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Dr. Astrid Lukas über die Beschwerde des x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Freistadt vom 08.03.2012, Z SanRB96-19-2011,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Aus Anlass der Beschwerde wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs 1 VStG verfügt.

 

II.       Gemäß § 52 Abs 9 VwGVG und § 66 Abs 1 VStG hat der Beschwerdeführer weder einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht noch einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde zu leisten.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Freistadt vom 08.03.2012, Z SanRB96-19-2011, wurden über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) Geldstrafen in Höhe von 1. Euro 350,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 54 Stunden); 2. Euro 250,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 38 Stunden); 3. Euro 218,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 33 Stunden); 4. Euro 250,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 38 Stunden); 5. Euro 218,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 33 Stunden) wegen Verwaltungsübertretungen gem § 12 Abs 1 Z 1 KA-AZG verhängt (Verfahrenskosten: Euro 128,60; zu zahlender Gesamtbetrag: Euro 1414,60), weil er für folgende Übertretungen verantwortlich sei:

 

"Sie haben es als gemäß § 9 Absatz 2 VStG für die Einhaltung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes in der x am x bestellter verantwortlicher Beauftragter der x, zu verantworten, dass entgegen der Bestimmung des § 4 Absatz 4 Ziffer 4 Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, wonach bei verlängerten Diensten die Arbeitszeit in den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraumes 72 Stunden nicht überschreiten darf, die nachstehend angeführten Ärzte in den nachstehend angeführten Zeiträumen (Sonntag, 7:00 Uhr bis nachfolgenden Sonntag, 7:00 Uhr) im x, bei verlängerten Diensten über die Grenze von 72 Stunden gemäß § 4 Absatz 4 Ziffer 4 Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz hinaus beschäftigt wurden:

 

 

Name:

Woche

(Sonntag, 7:00 – Sonntag, 7:00)

Stunden

1. x

05.6.2011 bis 12.6.2011

87,50

 

04.9.2011 bis 11.9.2011

87,40

2. x

26.6.2011 bis 03.7.2011

85,50

3. x

24.7.2011 bis 31.7.2011

77,50

4. x

21.8.2011 bis 28.8.2011

84,00

5. x

28.8.2011 bis 04.9.2011

77,50

 

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

4 Absatz 4 Ziffer 4 Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG), Bundesgesetzblatt I Nr. 8/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 93/2010, in Verbindung mit § 12 Absatz 1 Ziffer 1 KA-AZG, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 9 Absatz 2 VStG 1991".

 

In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen – nach Wiedergabe des relevanten Sachverhalts und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen – aus, dass zum Tatbestand der Bestimmungen des § 12 Abs 1 Z 1 KA-AZG bzw § 5 Abs 1 VStG kein Merkmal gehöre, das auf den Eintritt eines Erfolges (Schaden oder Gefährdung) hinweise. Bei den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen handle es sich daher um Ungehorsamsdelikte. Das Gesetz nehme für eine Strafbarkeit Rechtswidrigkeit und Verschulden an.

Die Strafbemessung erfolge nach den Grundsätzen des § 19 VStG, wobei das Ausmaß der Übertretungen berücksichtigt worden sei. Die Bestimmungen des KA-AZG würden unter anderem der Sicherheit und Gesundheit der Dienstnehmer/innen dienen, weshalb der Unrechtsgehalt, selbst bei Fehlen nachteiliger Folgen, nicht als gering angesehen werden könne.

Mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit des Bf zu werten gewesen. Erschwerungsgründe seien keine vorgelegen.

Ein Schuldausschließungsgrund und sonstige Entlastungsgründe seien nicht gefunden worden.

Es seien daher von der Behörde in Anlehnung an die vom Arbeitsinspektorat Linz beantragten Strafhöhen entsprechende Strafhöhen festgelegt worden. Bei einer Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit von unter 80 Stunden sei die Mindeststrafe herangezogen worden, bei einer Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit von über 80 Stunden sei eine Strafe von Euro 250,-- verhängt worden und beim Arzt mit zwei Überschreitungen eine Strafe von Euro 350,--.

 

Nach Abwägung aller Umstände sowie Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse – die Behörde sei diesbezüglich von einem monatlichen Nettoeinkommen von Euro 3.500,-- sowie keinen Sorgepflichten ausgegangen – seien der Behörde die festgelegten Strafbeträge als angemessen und ausreichend erschienen, eine entsprechende Präventionswirkung spürbar zu machen.

 

I.2. Bei einer Betriebsüberprüfung am 03.10.2011 wurden von der Arbeitsinspektorin x die verfahrensgegenständlichen Arbeitszeitüberschreitungen festgestellt. Mit Schreiben vom 15.11.2011 übermittelte das Arbeitsinspektorat Linz, Pillweinstraße 23, 4021 Linz, die Strafanzeige gem § 9 des Arbeitszeitgesetzes 1993 an die Bezirkshauptmannschaft Freistadt.

 

Mit Schreiben vom 18.11.2011 wurde der Bf von der belangten Behörde zur Rechtfertigung hinsichtlich der ihm auch im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen aufgefordert.

 

Mit Schreiben vom 23.11.2011 kam der Bf dieser Aufforderung nach und rechtfertigte sich darin insbesondere wie folgt:

 

„[...] Für die Überschreitung der den Abteilungsvorständen zugeteilten Ärzten ist  der Leiter der Abteilung per se verantwortlich. Bei den einer Abteilung zugeordneten Turnusärzten und den Fachärzten bzw. Ausbildungsassistenten der entsprechenden Fachrichtung betrifft es den Abteilungsvorstand. [...] Als Ärztlicher Direktor betrifft mich die Überschreitung nur in jenen Fällen, in denen Ärzte keiner Abteilung zugeordnet sind bzw. waren.“

 

Mit Schreiben vom 22.12.2011 ersuchte die belangte Behörde den Bf um Auskunft, welche Vereinbarung mit x hinsichtlich der Turnusärzte, die sowohl im Dienste der Chirurgie als auch der Unfallchirurgie standen, getroffen wurde.

 

Mit Schreiben vom 28.12.2011 beantwortete der Bf dieses Ersuchen im Wesentlichen wie folgt: 

 

[...] Während der Regeldienstzeit (7:00 – 14:00 Uhr) sind Turnusärzte der chirurgischen Abteilung wie auch der unfallchirurgischen Abteilung zugeordnet.
Außerhalb der erwähnten Dienstzeit ist ein einziger Turnusarzt für die Aufgabenerfüllung der Chirurgie und Unfallchirurgie zuständig.
Es ist demnach im Verantwortungsbereich beider Abteilungsvorstände (Unfallchirurgie und Chirurgie) gelegen, über die Einhaltung der zugeordneten Ärzte Observation zu üben, da auch der diensthabende Turnusarzt beide Abteilungen mitversorgt. [...]“

 

Mit Straferkenntnis vom 08.03.2012 entschied die belangte Behörde in der oben dargestellten Weise.

 

I.3. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 26.03.2012.

 

Darin bringt der Bf im Wesentlichen vor, dass das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung und wegen Rechtswidrigkeit angefochten werde.

 

Zum Tatvorwurf im Einzelnen:

 

I.3.1. Dem bekämpften Straferkenntnis liege lediglich eine Anzeige durch das Arbeitsinspektorat vom 15.11.2011 wegen angeblicher Übertretungen des § 4 Abs 4 Z 4 KA-AZG im x bei 17 Ärzten zu Grunde. Die Ermittlungen der belangten Behörde hätten sich in der Folge auf die Bestellung als "verantwortliche Beauftragte" beschränkt. Der Bf sei aber weder einvernommen worden noch sei ihm die Möglichkeit einer Rechtfertigung bzw Stellungnahme zu den Tatvorwürfen eingeräumt worden.

 

I.3.2. Ungeachtet der objektiven Tatbestandsmäßigkeit setze eine Bestrafung des Beschuldigten auch die subjektive Vorwerfbarkeit der inkriminierten Handlung voraus, wozu die Erstbehörde auch Feststellungen hätte treffen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH treffe einen gem. § 9 VStG verantwortlichen Beauftragten kein Verschulden, wenn Maßnahmen getroffen worden seien, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten ließen. Ein solches vom VwGH gefordertes wirksames Kontrollsystem liege dann vor, wenn sichergestellt sei, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen/Weisungen zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangten und dort tatsächlich befolgt würden.

 

Bei Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens hätte die Behörde festgestellt, dass die x über ein taugliches internes Kontrollsystem (IKS) verfüge, das Arbeitszeitüberschreitungen von vorneherein verhindern solle. In den Krankenanstalten der x würden die Dienstpläne der Ärzte von den Abteilungsleitern (= Primarii) elektronisch erstellt und automatisch auf mögliche Konflikte mit dem KA-AZG geprüft. Die Prüfung erfolge auf der Planungsebene unter Berücksichtigung der tatsächlichen Arbeitszeiten. Die Dienstpläne (SOLL-Arbeitszeiten bzw geplante Arbeitszeiten) würden unter Berücksichtigung der bisherigen tatsächlichen IST-Arbeitszeiten jedes einzelnen Arztes EDV-mäßig bereits im Vorfeld im Hinblick auf die Übereinstimmung mit dem KA-AZG hinsichtlich Tagesarbeitszeit, Wochendurchschnitt, wöchentliche Arbeitszeit, Anzahl der verlängerten Dienste, Dauer der verlängerten Dienste, Zeiten sowie Vorgaben gemäß Mutterschutzgesetz überprüft und dokumentiert.

Um das korrekte Handling mit dem Dienstplansystem und das notwendige rechtliche Know-How der Verantwortlichen sicherzustellen, würden laufend von der x Schulungen und Fragestunden für die Abteilungsleiter bzw die ärztlichen Direktoren durchgeführt sowie würden ausführliche schriftliche Informationen bzw Präsentationen zu den Themen des Arbeitszeitgesetzes erfolgen. Die Schulungsunterlagen würden in Papierform sofort und im Internet permanent zur Verfügung gestellt. Die verantwortlichen Beauftragten würden zudem laufend Dienstanweisungen zur Einhaltung des KA-AZG erteilen.

 

Das speziell für die x entwickelte Kontrollsystem IKS sei unter objektiven Gesichtspunkten ein taugliches Kontrollsystem, welches die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften speziell unter Berücksichtigung der Bestimmungen des KA-AZG effizient sicherstelle. Die besonderen Bestimmungen des KA-AZG würden in mehrfacher Hinsicht sowohl vertikal als auch horizontal (vorbeugend und kontrollierend) berücksichtigt. Mit Ausnahme der Dienstplangestalter (= Abteilungsleiter = verantwortliche Beauftragte) der x könnten keine Mitarbeiter eigenmächtige Dienstplangestaltungen vornehmen.

Das Kontrollsystem warne den Anwender eigenständig, wenn auf Basis der tatsächlichen Arbeitszeiten (IST-Arbeitszeiten) iVm dem jeweils aktuellen Dienstplan Verstöße gegen das KA-AZG durch Umplanungen und/oder Arbeitszeitverlängerungen/Betriebsvereinbarungen gemäß § 8 KA-AZG auftreten würden. Dennoch unvermeidbare Überschreitungen infolge unvorhersehbarer besonderer Umstände (medizinische Notfälle etc.) würden im Rahmen des IKS dokumentiert. Das IKS sei daher jedenfalls als taugliches Kontrollsystem im Sinne der strengen Rechtsprechung des VwGH zu qualifizieren.

 

Dem gesetzlichen Auftrag entsprechend, räume die x der medizinischen Versorgung ihrer Patienten oberste Priorität ein. Die medizinische Betreuung der Patienten dürfe nicht unterbrochen werden, und es müsse eine erforderliche sofortige Betreuung rund um die Uhr gewährleistet sein. Dem trage auch das KA-AZG voll Rechnung, dessen (Arbeitszeit-)Beschränkungen in außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Fällen ("medizinische Notfällen") keine Anwendung fänden. Die oben ausgeführte Dokumentationspflicht im IKS bei etwaigen medizinisch notwendigen Arbeitszeitüberschreitungen gelte daher insbesondere auch bei Vorliegen der Voraussetzungen einer medizinischen Notlage und Unumgänglichkeit der Arbeitszeitüberschreitung durch organisatorische Umstrukturierungen.

 

I.3.3. Im x seien im Sinne einer optimalen medizinischen Versorgung der Patienten 17,5 Turnusarzt-Planstellen vorgesehen (3 sogenannte Turnusärzte-Diensträder à 6 Turnusärzte). Auf Grund des angespannten Arbeitsmarktes würden mittels Dauerausschreibung laufend Turnusärzte gesucht und eingestellt. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (ab Mai 2011) seien trotz Dauerausschreibung einzelne Turnusarzt-Planstellen vakant gewesen (durch nicht vorhersehbare kurzfristige Abgänge), was durch entsprechende Umplanungen bei den Dienstplänen kompensiert werden habe können. Zusätzlich seien ausgebildete Fachärzte für Turnusarzt-Dienste eingeplant und eingesetzt worden, um im gewöhnlichen Betriebsablauf die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung im Rahmen der KA-AZG-Vorgaben zu gewährleisten.

 

Im Bereich der Abteilung für Innere Medizin sei der Sommer 2011 zusätzlich zur Haupturlaubszeit auch geprägt gewesen vom Abgang mehrerer Turnusärzte.
Der Bf habe als Abteilungsleiter und verantwortlicher Beauftragter der Abteilung Unfallchirurgie alles Mögliche unternommen, um den Dienstplan kurzfristig arbeitszeit- und arbeitnehmerschutzkonform umzugestalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Patienten und den Betrieb der Station aufrechterhalten zu können. Parallel dazu habe die ärztliche Leitung des x erfolglos Gespräche mit dem Betriebsrat im Hinblick auf eine vom KA-AZG abweichende Arbeitszeit geführt, die am Widerstand des Betriebsrats gescheitert sei.

 

Aufgrund dieser besonderen Umstände außerhalb der Sphäre des Bf könne diesem keinesfalls ein relevantes Verschulden angelastet werden, so dass die für eine Bestrafung des Bf notwendige subjektive Vorwerfbarkeit nicht vorliege. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der VwGH in ständiger Rechtsprechung betone, dass auch ein an sich taugliches Kontrollsystem in Einzelfällen versagen könne und dass selbst das gänzliche Fehlen eines an sich tauglichen Kontrollsystems nicht zu einer Strafbarkeit des Beschuldigten führen könne, wenn ein solches Kontrollsystem im konkreten Einzelfall jedenfalls versagt hätte. Trotz vorausschauender Dienst-/Personalplanung und IKS hätten die KA-AZG-Überschreitungen auf Grund der genannten Umstände bei Aufrechterhaltung des gesetzlichen Versorgungsauftrages nicht verhindert werden können.

 

Da eine Strafbarkeit iSd VStG neben dem objektiven Tatbestand auch ein subjektiv vorwerfbares Verhalten des Bf voraussetze, scheide eine Bestrafung des Bf mangels subjektiver Vorwerfbarkeit aus. Eine Erfolgshaftung sei dem Verwaltungsrecht fremd (VwGH 25.02.1999, 91/04/0273 ua). Ein für eine Bestrafung zwingend schuldhaftes Verhalten könne dem Bf nicht angelastet werden.

 

I.3.4. Selbst wenn die Berufungsbehörde zu dem Ergebnis kommen sollte, dass subjektive Tatbestandsmäßigkeit anzunehmen sei, was ausdrücklich bestritten werde, wäre ein allfälliges Verschulden als geringfügig anzusehen. Da auch die Folgen einer allenfalls inkriminierten Übertretung im Verhältnis zur ansonsten gegebenen medizinischen Unterversorgung unbedeutend seien, würden jedenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG vorliegen. Nach dieser Bestimmung hätte der Beschuldigte bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf ein Absehen von der Strafe bzw von weiterer Verfolgung.

 

I.3.5. Vorsorglich werde für den Fall einer Bestrafung angeführt, dass sich die Behörde bei der Strafbemessung am gesetzlichen Strafrahmen und an den Strafmilderungs-/Erschwerungsgründen auf Grundlage der persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu orientieren habe. Zudem sei dem Bf die Unerlässlichkeit der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen bewusst und seien die oben dargelegten äußerst schwierigen Umstände, welche im x vorgeherrscht hätten, jedenfalls mildernd zu berücksichtigen. Es bedürfe daher aus general- und spezialpräventiven Erwägungen keiner hohen Strafe, um den Bf hinkünftig von der Begehung gleichartiger Delikte abzuhalten.

 

Aus diesen Gründen stellt der Bf den Antrag, der Berufung möge Folge gegeben werden und

-      das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt;

-      in eventu das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufgehoben und eine bescheidmäßige Ermahnung gem § 21 VStG ausgesprochen;

-      in eventu das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abgeändert, dass die verhängte Geldstrafe unter Anwendung des nach unten geänderten Strafrahmens gem. § 20 VStG reduziert werde.

 

I.4. Mit Schreiben vom 02.04.2012 wurde die Berufung des Bf dem Arbeitsinspektorat Linz zwecks Stellungnahme übermittelt.

In seiner Stellungnahme vom 18.04.2012 führt das Arbeitsinspektorat Linz im Wesentlichen aus, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, im Betrieb einschließlich der auswärtigen Arbeitsstellen ein solches Kontroll- und Überwachungssystem aufzubauen und solche zumutbaren Maßnahmen zu treffen, welche die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften mit gutem Grund erwarten lassen würden. Dieses Kontrollsystem müsse insbesondere unabhängig von Dauer und Ort der Tätigkeit funktionieren.

Das dargestellte Kontrollsystem der x (IKS) sei, wie der mangelnde Erfolg zeige, nicht tauglich – bzw werde nicht tauglich verwendet –, die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften in Bezug auf die Arbeitszeit mit gutem Grund erwarten zu lassen. Es werde nämlich in vielen Fällen so verwendet, dass die bei der Planung erstellte Soll-Arbeitszeit bereits die absoluten Grenzen der gesetzlichen (inklusive der durch Betriebsvereinbarung zu ermöglichenden) zulässigen Höchstarbeitszeit erreicht, sodass jeder Eintritt eines durchaus nicht ungewöhnlichen Falles wie der Urlaub oder Krankenstand eines Kollegen bereits zum Versagen des Systems führe.

 

Stichprobenartige Kontrollen und die Erteilung von Weisungen oder die Ausübung einer "Oberaufsicht" würden jedenfalls nicht ausreichen, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften in allen vorhersehbaren Fällen sicherzustellen. Weiters könne auch die Schaffung eines aus mehreren Instanzen (Führungsebenen) bestehenden Kontrollsystems, wobei der jeweils übergeordnete den unmittelbar untergeordneten Verantwortungsträger auf die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften kontrolliere oder der Umstand, dass die Arbeit so eingeteilt oder vorbereitet worden sei, dass diese im Rahmen der Gesetze ausführbar gewesen wäre, noch nicht als Entlastungsbeweis für den Arbeitgeber iSd § 5 Abs 2 VStG angesehen werden.

 

Der Widerstand des Betriebsrates, einer weiteren, über die bisherige Betriebsvereinbarung hinausreichenden Arbeitszeitausweitung zuzustimmen, könne jedenfalls keine Entlastung des Arbeitgebers bewirken. Das Kontrollsystem müsse innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen wirksam sein.

 

Um von einem "wirksamen Kontrollsystem" sprechen zu können, müsse der Arbeitgeber glaubhaft machen, dass er die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so gestalte und solche disziplinären Maßnahmen angedroht und durchgeführt habe, dass für die Arbeitnehmer kein Anreiz zur Verletzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften gegeben wäre.

Darüber hinaus habe der Arbeitgeber unabhängig von den vorgeschalteten Kontrollinstanzen als oberste Kontrollebene stets selbst die erteilten Weisungen auf ihre Befolgung zu überwachen.

Nur wenn der Arbeitgeber glaubhaft mache, dass ein Verstoß gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften durch einen Arbeitnehmer trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im einzelnen darzulegenden Systems (entsprechendes Kontrollsystem und Gestaltung der erforderlichen Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden) ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt sei, könne ihm der Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden.

Derartige Maßnahmen habe der Bf weder behauptet noch glaubhaft gemacht, sodass keine Maßnahmen nachgewiesen worden seien, die unter den voraussehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erwarten ließen. Dieser Sorgfaltsmangel sei dem Bf anzulasten.

 

I.5. Gemäß § 51c VStG in der damaligen Fassung entschied der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied mit Entscheidung vom 15. April 2013, VwSen-240888/11/Lg, gab der Berufung statt, hob das angefochtene Straferkenntnis in allen Spruchpunkten auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein.

 

Begründend wurde in dieser Entscheidung wörtlich Folgendes ausgeführt:

"… Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch eine juristische Person der zu deren Vertretung nach außen Berufene verantwortlich, es sei denn, dass ein verantwortlicher Beauftragter bestellt wurde. Nach § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG können zu derartigen verantwortlichen Beauftragten – allerdings nur für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens – auch Personen, die nicht zur Außenvertretung dieser juristischen Person berufen sind, bestellt werden.

Aus § 9 Abs. 3 und 4 VStG ergibt sich, dass der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, 'klar abzugrenzen' ist. Erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor. Das Tatbestandsmerkmal des klar abzugrenzenden Bereiches im § 9 Abs. 4 VStG muss schon beim Nachweis der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten vorgelegen haben und darf nicht erst während des anhängigen Strafverfahrens – etwa durch Klarstellung im Rahmen des Beweisverfahrens – entscheidend ergänzt werden. Die Zustimmung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 4 VStG muss erkennen lassen, für welche juristische Person sie erfolgte (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1309 f mit Judikaturnachweisen).

 

Die wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gem. § 9 Abs. 2 VStG bewirkt für nach der Bestellung gesetzte Delikte einen Übergang der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit (vgl. VwGH 25.10.1994, 94/07/0027). Im vorliegenden Fall liegt der Zeitpunkt der Bestellung des Bw als verantwortlichen Beauftragten jedenfalls deutlich vor der von der belangten Behörde im Spruch konkretisierten Tatzeit. Es ist daher gemäß § 9 Abs. 1 VStG die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des nach außen vertretungsbefugten Organs der juristischen Person für die inkriminierte Verwaltungsübertretung auf den Bw als ordentlich bestellten verantwortlichen Beauftragten übergegangen.

 

Die handschriftliche Ergänzung auf der Bestellungsurkunde von x schränkt, wie der rechtsfreundliche Vertreter des Bw und von x in der Stellungnahme vom 23.01.2012 selbst ausführt, seine Bestellung als verantwortlichen Beauftragten für die Belange des KA-AZG, insbesondere für die Überschreitung des KA-AZG hinsichtlich der an der Abteilung x tätigen Turnusärzte, nicht ein.

 

… Zum Tatbestand der oben zitierten Strafbestimmung gehört kein Merkmal, das auf den Eintritt eines Erfolges (Schaden oder Gefährdung) hinweist. Bei den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen handelt es sich daher um Ungehorsamsdelikte. Das Gesetz nimmt für eine Strafbarkeit Rechtswidrigkeit und Verschulden an.

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebots dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Insgesamt dürfen die Anforderungen an die gebotene Sorgfaltspflicht aber nicht überspannt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher auch klargestellt, dass nicht die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern erst die Verletzung von Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den Umständen vernünftigerweise auferlegen darf, das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit ausmacht (vgl insb. VwSlg 9710 A/1978).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (VwGH 4.7.2002, 2000/11/0123; 29.01.2004, 2003/11/0289 u.a.) hat der Arbeitgeber hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften ein dem konkreten Betrieb entsprechendes wirksames Kontrollsystem einzurichten und darüber hinaus alle sonstigen im konkreten Betrieb möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, die Einhaltung der Arbeitszeit zu gewährleisten. Wie der VwGH ausdrücklich festgestellt hat, besteht keine Grundlage, diese Rechtsprechung in Ansehung der Bestimmungen des KA-AZG nicht anzuwenden (VwGH 14.12.2010, 2007/11/0223); die höchstgerichtliche Rechtsprechung zum wirksamen Kontrollsystem ist somit auf das KA-AZG übertragbar.

Im vorliegenden Fall ist nicht näher auf das Kontrollsystem einzugehen, da die Arbeitszeitüberschreitungen vom Berufungswerber gerade deshalb in Kauf genommen wurden, um den gesetzlichen Versorgungsauftrag zu erfüllen.

 

… Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

 

Wie die Gesetzesmaterialien ausführen, enthält das VStG keine Begriffsbestimmung des Notstandes, '[d]enn der Inhalt dieser Begriffe ist im Verwaltungsstrafrecht kein anderer als auf anderen Rechtsgebieten und darf daher als bekannt vorausgesetzt werden' (VfAB 360 BlgNR 2. GP).

Im vorliegenden Fall ist aufgrund der kumulativen, besonderen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob eine rechtfertigende Pflichtenkollision die Strafbarkeit des Berufungswerbers iSd § 6 VStG ausschließt. Der im Strafrecht als selbständig anerkannte, wenngleich ungeschriebene Rechtfertigungsgrund der rechtfertigenden Pflichtenkollision (vgl. Lewisch in Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 [Stand Juli 2003] § 3 Rz 125 f) ist somit kraft § 6 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren zu berücksichtigen (vgl. Wessely in N. Raschauer/Wessely [Hrsg], Kommentar VStG [2010] Anm 4 zu § 6 VStG).

 

Grundsätzlich kann der Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision nur einem solchen Täter zugute kommen, dem zwei einander ausschließende, in der Rechtsordnung objektivierbare Pflichten dergestalt obliegen, dass die Erfüllung der einen Rechtspflicht zwangsläufig zur Verletzung der anderen führen muss; nur bei Erfüllung der ein höherwertiges oder zumindest gleichwertiges Rechtsgut betreffenden Pflicht tritt in Ansehung der verletzten - jedenfalls nicht überwiegenden - Pflicht Rechtfertigung ein (OGH 13 Os5/90, 13.06.1990 = JBl 1990, 807 [Bertel], zu § 3 StGB). Wer eine zurücktretende Pflicht verletzt, ist somit gerechtfertigt, obwohl sein Verhalten einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt.

Sämtliche Rechtfertigungsgründe bestehen aus zwei Elementen, einer Rechtfertigungssituation und einer Rechtfertigungshandlung (vgl. Wessely in N. Raschauer/Wessely [Hrsg], Kommentar VStG, Anm 1 zu § 6 VStG), auf welche beide in der Folge näher einzugehen ist.

 

… Die Situation einer rechtfertigenden Pflichtenkollision bedarf zweier miteinander inkompatibler (Handlungs- und/oder Unterlassungs-)Pflichten. Gegenständlich treffen zwei Handlungspflichten aufeinander: die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung mit jener zur Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen (KA-AZG).

 

In den Angelegenheiten der Heil- und Pflegeanstalten obliegt nach Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG dem Bund die Gesetzgebung über die Grundsätze, den Ländern die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung. Das Grundsatzgesetz des Bundes ist das Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG), BGBl Nr. 1/1957 idgF. Die vom Land OÖ erlassenen Ausführungsbestimmungen enthält das Oö. Krankenanstaltengesetz 1997 - Oö. KAG 1997, LGBl Nr. 132/1997 idF LGBl Nr. 70/2012.

Das x ist eine Allgemeine Krankenanstalt iSd § 2 Abs. 1 Oö. KAG 1997 sowie eine Standardkrankenanstalt iSd § 3 Abs. 1 Z 1 Oö. KAG 1997 iVm Anlage 3 zur Verordnung, mit der der Krankenanstaltenplan und Großgeräteplan für Oberösterreich (Regionaler Strukturplan Gesundheit Oö. – Oö. Krankenanstalten und Großgeräteplan 2008 – RSG Oö. – Oö. KAP/GGP 2008) erlassen wird, LGBl Nr. 123/2008 idF LGBl Nr. 73/2009.

Als Standardkrankenhaus der Basisversorgung muss das x gem. § 3 Abs. 6 lit. c Oö. KAG 1997 insbesondere eine permanente Erstversorgung von Akutfällen samt Beurteilung des weiteren Behandlungsbedarfs und Weiterleitung zur Folgebehandlung in die dafür zuständige Versorgungsstruktur gewährleisten (vgl. zum Umfang der Versorgungspflicht auch die Grundsatzbestimmung des § 2a Abs. 4 Z 1 KAKuG, BGBl Nr. 1/1957 idgF).

 

Eine Verpflichtung zur Sicherstellung öffentlicher Krankenanstaltspflege ergibt sich ferner aus § 18 KAKuG. Bei der Notwendigkeit, einen bedarfsdeckenden Anstaltsbetrieb zu gewährleisten, handelt es sich um eine Rechtspflicht des Landes (als Anstaltsträger): § 18 Abs 1 KAKuG verpflichtet die Bundesländer, unter Bedachtnahme auf den Landes-Krankenanstaltenplan Krankenanstaltspflege für anstaltsbedürftige Personen (§ 22 Abs 3 KAKuG) im eigenen Land sicherzustellen. Die Bundesländer haben für eine räumlich geschlossene, flächendeckende Organisation der Krankenanstalten Sorge zu tragen (vgl. Mayer, Die Bereitstellung von Krankenanstalten, in Schrammel [Hrsg], Rechtsfragen der ärztlichen Behandlung [1992] 57 [58]; Mayer, in Rebhahn [Hrsg], Beiträge zum Kärntner Landesrecht [1995] 228 [234]); diese muss quantitativ und qualitativ ausreichend sein (vgl. Schneider, Rechtliche Rahmenbedingungen für die Ausgliederung von Krankenanstalten, RdM 2003/66 passim).

Gemäß § 78 Abs. 1 Oö. KAG 1997 sind die Rechtsträger öffentlicher Krankenanstalten verpflichtet, den Betrieb der Krankenanstalt ohne Unterbrechung aufrechtzuerhalten (darüberhinaus gewährleistet das Land Oberösterreich gemäß § 9a Oö. KAG 1997 im Rahmen der Sicherstellung öffentlicher Krankenanstaltenpflege eine qualitativ hochwertige, nachhaltige und dezentrale Standort- und Versorgungssicherheit). Gemäß § 96 Abs. 2 Z 8 KA-AZG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen, wer den Verpflichtungen nach § 78 Oö. KAG 1997 nicht nachkommt.

Daraus folgt, dass der Berufungswerber im Falle der – zeitweisen – Aussetzung der medizinischen Versorgung zur Verhinderung von Arbeitszeitüberschreitungen im Tatzeitraum eine Verwaltungsübertretung nach § 96 Abs. 2 Z 8 KA-AZG begangen hätte. Wie in der mündlichen Verhandlung hervorgekommen ist, war ein rechtmäßiges Alternativverhalten des Berufungswerbers – im Sinne einer gänzlichen Vermeidung von Arbeitszeitüberschreitungen – nicht möglich (vgl. zur Berücksichtigung einer allfälligen Unzumutbarkeit rechtmäßigen Alternativverhaltens im Verwaltungsstrafrecht VwGH 6.6.1966, 1137/65, 10.6.1980, 3463/78 sowie VwSlg. 9710/A)

 

Bei einer Kollision von Handlungspflichten (Verhinderung von Arbeitszeitüberschreitungen – Aufrechterhaltung des gesetzlichen Versorgungsauftrages) genießt die stärkere Pflicht den Vorrang. Es ist jener Pflicht zu entsprechen, die den Schutz des höherwertigen Rechtsgutes bzw. des wichtigeren öffentlichen Interesses verfolgt (vgl. Akyürek/Ennöckl/Raschauer u.a., Casebook Verwaltungsverfahrensrecht2 [2008] 133; vgl. auch Lewisch in Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 [Stand Juli 2003] § 3 Rz 142].

Wie der VwGH zur Rechtslage vor Inkrafttreten des KA-AZG festgestellt hat, besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse an der Sicherung ausreichender Krankenanstaltspflege; bei einer Kollision der Rechtspflicht zum bedarfsdeckenden Betrieb von Krankenanstalten mit der Verpflichtung zur Einhaltung von Arbeitszeitvorschriften ist, ohne dass dies angesichts der Wichtigkeit der notwendigen Anstaltspflege für die betroffenen Anstaltspatienten näher begründet werden müsste, die erstere Pflicht als höherrangig anzusehen (VwGH 06.08.1996, 95/11/0322; 20.01.1998, 96/11/0260; vgl. ferner UVS Wien 16.02.2010, 06/59/6331/2009, der eine grundsätzliche Pflichtenkollision auch im Rahmen des KA-AZG bejaht, nur gegenüber einer Medizinischen Universität ausschließt).

Es macht dabei keinen Unterschied, ob der die Pflichtenkollision auslösende Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal seine Ursache in einer unerwarteten Steigerung der Nachfrage nach Anstaltsleistungen hat oder ob es sich um einen chronischen Personalmangel handelt; allerdings darf ein solcher Mangel nicht von den verantwortlichen Organen verschuldet sein (VwGH 06.08.1996, 95/11/0322). Insbesondere aus der mündlichen Verhandlung hat sich ergeben, dass der für die Arbeitszeitüberschreitung kausale, unvorhersehbare und nur aufgrund einer Kumulation einzelner, widriger Umstände entstandene Mangel an (Turnus-)Ärzten jedenfalls nicht im Ingerenzbereich des Bw lag. Im Übrigen ist diesbezüglich auch auf die Personalausstattungszusage der GESPAG im Rahmen der Bestellung des Bw zum verantwortlichen Beauftragten hinzuweisen (siehe das oben … zitierte, undatierte Schreiben 'Beauftragung gem. § 9 VStG').

 

Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls war die Entscheidung des Berufungswerbers zur Verletzung der Arbeitszeitbestimmungen zur Sicherung der medizinischen Versorgung alternativlos. Aus diesem Grund rechtfertigt in Anbetracht der besonderen Sachverhaltskonstellation die Wahrung des höherwertigen öffentlichen Interesses an einer ununterbrochenen medizinischen Versorgung ('rund um die Uhr') die verfahrensgegenständliche Verletzung des KA-AZG.

 

Ein Eingehen auf das weitere Berufungsvorbringen erübrigt sich damit."

 

 

I.6. Gegen dieses Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates erhob sodann der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Der Verwaltungsgerichtshof gab dieser Beschwerde Folge und hob den Bescheid des Oö. Verwaltungssenates wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf (VwGH vom 27.1.2014, 2013/11/0124-9).

 

In dieser Entscheidung führt der Verwaltungsgerichtshof wörtlich wie folgt aus:

 

„Zunächst ist drauf hinzuweisen, dass gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013, soweit – wie vorliegend – durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden sind.

 

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in den maßgeblichen Punkten sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht jenem Beschwerdefall, der dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2013/11/0123, zugrunde lag. Aus den Entscheidungsgründen des zitierten Erkenntnisses, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ist auch der vorliegend angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet.

 

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.“

 

In der verwiesenen Entscheidung vom 27.1.2014, 2013/11/0123, führt der Verwaltungsgerichtshof wörtlich wie folgt aus:

 

"Die belangte Behörde begründet die Aufhebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses im Kern damit, dass dem Mitbeteiligten [=Bf] der Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision zu Gute komme, weil ihm kraft Gesetzes die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung in der von ihm geleiteten Abteilung des genannten LKH obliege und er zu deren Aufrechterhaltung 'zwangsläufig' ('alternativlos') die Überschreitung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen des KA-AZG habe in Kauf nehmen müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit Übertretungen des KA-AZG zum Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision im Erkenntnis vom 17. Juni 2013, Zl. 2010/11/0079, (unter Bezugnahme auf das im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis Zl. 95/11/0322) wie folgt ausgeführt:

'Der Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision kann nur jenem Täter zugutekommen, dem zwei einander ausschließende, in der Rechtsordnung objektivierbare Pflichten dergestalt obliegen, dass die Erfüllung der einen Rechtspflicht zwangsläufig zur Verletzung der anderen führen muss; nur bei Erfüllung der ein höherwertiges oder zumindest gleichwertiges Rechtsgut betreffenden Pflicht tritt in Ansehung der verletzten - jedenfalls nicht überwiegenden - Pflicht Rechtfertigung ein (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 13. Juni 1990, 13 Os 5/90, mwN).

Wenn auch im Fall der Kollision der Rechtspflicht zum bedarfsdeckenden Betrieb von Krankenanstalten mit der Verpflichtung zur Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften die erstgenannte Pflicht als höherrangig anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. August 1996, Zl. 95/11/0322), setzt der in Rede stehende Rechtfertigungsgrund doch zum einen den Nachweis voraus, dass der gebotene Betrieb ohne die aufgetretenen Arbeitszeitüberschreitungen nicht aufrechterhalten werden könnte, diese dadurch also 'zwangsläufig' verursacht wurden; zum anderen kann der Rechtfertigungsgrund nur dem Täter zugutekommen, der selbst Adressat beider Verpflichtungen ist.'

 

Die belangte Behörde geht davon aus, den Mitbeteiligten [=Bf] träfen zwei miteinander nicht vereinbare gesetzliche Handlungspflichten, nämlich einerseits die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung iSd Oö. KAG 1997 und andererseits zur Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen des KA-AZG.

 

Richtig ist, dass der Mitbeteiligte als Abteilungsleiter (im Rahmen seiner Bestellung zum verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG) für die Einhaltung der Bestimmungen des KA-AZG in der von ihm geleiteten Abteilung des LKH verantwortlich ist. Hingegen trifft die gesetzliche Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung durch den unterbrechungslosen Betrieb der Krankenanstalt gemäß § 78 Abs. 1 iVm § 96 Abs. 2 Z. 8 Oö. KAG 1997 den 'Rechtsträger öffentlicher Krankenanstalten'.

 

Rechtsträger des gegenständlichen LKH ist unstrittig die im Spruch des Straferkenntnisses genannte x. Gegenständlich bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mitbeteiligte zum verantwortlichen Organ (§ 9 Abs. 2 VStG) des genannten Rechtsträgers auch betreffend die Einhaltung der Bestimmungen des Oö. KAG 1997 bestellt worden wäre. Schon weil der Mitbeteiligte somit nicht Adressat der von der belangten Behörde genannten Betriebspflicht des § 78 Abs. 1 (iVm § 96 Abs. 2 Z 8) Oö. KAG 1997 war, kann ihm nach der zitierten Judikatur der Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision nicht zu Gute kommen. Insoweit hat die belangte Behörde die Rechtslage unzutreffend beurteilt.

 

Abgesehen davon durfte die belangte Behörde ohne weitere Ermittlungen gegenständlich auch nicht davon ausgehen, dass die nach der zitierten Judikatur erforderliche weitere Voraussetzung des genannten Rechtfertigungsgrundes, nämlich die 'zwangsläufige' Verursachung der Arbeitszeitüberschreitungen, erfüllt sei: Wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt wurde, hat das Arbeitsinspektorat im Verwaltungsverfahren nämlich vorgebracht, dass zu den gegenständlichen Tatzeitpunkten trotz bereits bestehender ärztlicher Personalknappheit auf Grund von Krankenständen und unvorhergesehenen Abgängen bei Turnusärzten dennoch Urlaube (anderer Ärzte dieser Abteilung) genehmigt worden seien. Mit dieser Frage hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt, sondern lediglich das -  nicht weiter präzisierte - Vorbringen des Mitbeteiligten wiedergegeben, dass im Falle des Verbotes der Urlaubskonsumation das 'Arbeitszeitrecht aus anderer Perspektive übertreten worden wäre' (Bescheid S. 17). Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht gefolgt werden, wenn sie meint, die Arbeitszeitüberschreitungen seien 'zwangsläufig' bzw. 'alternativlos' gewesen.

Schließlich hätte sich die belangte Behörde auch mit dem verschuldensbezogenen Argument des Arbeitsinspektorats auseinander setzen müssen, der Mitbeteiligte hätte als Abteilungsleiter die Möglichkeit gehabt, durch seinen eigenen Einsatz den personellen Fehlbedarf zu kompensieren, weil er (als leitender Dienstnehmer gemäß § 1 Abs. 3 KA-AZG) den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht unterliege. Soweit die belangte Behörde dazu (Bescheid S. 18) lediglich entgegnet, das Arbeitsinspektorat habe nicht dargetan, inwieweit dadurch sämtliche oder konkrete Arbeitszeitüberschreitungen zu verhindern gewesen wären, so übersieht sie, dass es gemäß § 5 Abs. 1 VStG Aufgabe des Beschuldigten (hier also des Mitbeteiligten) ist, sein fehlendes Verschulden glaubhaft zu machen.

Der angefochtene Bescheid war daher nach dem Gesagten wegen der vom Verwaltungsgerichtshof vorrangig wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben."

 

II.1. Gemäß Art 151 Abs 51 Z 9 B-VG ist die Zuständigkeit zur Weiterführung des gegenständlichen Verfahrens auf das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich übergegangen.

Gemäß § 2 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in der verfahrensgegenständlichen Sache durch eine Einzelrichterin zu entscheiden.

 

Vor dem Hintergrund des zwischenzeitlichen Ablebens des ursprünglich zuständigen Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates ist die nunmehr nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidung über das anhängige Rechtsmittel berufen.

 

Gemäß § 44 Abs 2 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen.

 

II.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie durch weitere Ermittlungen bei der Direktion Personal – Abteilung Personal des Amtes der Oö. Landesregierung.

 

II.2.1. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass auch im neuen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich von einer Bindungswirkung der Verwaltungsgerichte an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes iSd § 63 Abs 1 VwGG auszugehen ist. Wenn auch § 63 Abs 1 VwGG eine Bindungswirkung ausdrücklich nur für den Fall normiert, dass der "Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat", scheint eine entsprechende Bindungswirkung auch für den vorliegenden Fall, bei dem keine Revision sondern noch eine VwGH-Beschwerde der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde lag, schon aus Sachlichkeitsüberlegungen dennoch geboten.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Verwaltungsbehörden – und nunmehr auch die Verwaltungsgerichte – bei der Erlassung ihrer Ersatzentscheidung somit an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden; eine Ausnahme bildet dabei der Fall einer Änderung der Sach- oder Rechtslage.

 

II.2.2. Im vorliegenden Verfahren war für die nunmehr zuständige Richterin von entscheidungswesentlicher Bedeutung, ob die in Bezug auf Überschreitung der zulässigen Wochenarbeitszeit von 72 Stunden angeführten Personen während der näher konkretisierten Zeiträume tatsächlich in einem Dienstnehmerverhältnis zum Krankenhaus x standen.

 

Mit Schreiben vom 15.4.2014 ersuchte das Oö. Landesverwaltungsgericht die Direktion Personal – Abteilung Personal des Amtes der Oö. Landesregierung um Mitteilung, ob die näher genannten Personen in den in Rede stehenden Zeiträumen Oö. Landesbedienstete waren und als Dienstnehmer im Landeskrankenhaus x beschäftigt waren.

 

Mit Schreiben vom 22.4.2014 teilte die Direktion Personal – Abteilung Personal des Amtes der Oö. Landesregierung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich daraufhin Folgendes mit:

 

„Zu Ihrer Anfrage vom 15. April 2014 können wir Ihnen bestätigen, dass die angeführten Personen während der genannten Zeiträume Landesbedienstete waren und als solche beim Landeskrankenhaus x im ärztlichen Dienst verwendet wurden.

 

Generell sind nach den §§ 1 und 3 Oö. Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz, LGBI. Nr. 81/2001 in der geltenden Fassung alle zugewiesenen aber auch sämtliche neu aufgenommenen Bediensteten Landesbedienstete nach dem Oö. Landesbeamtengesetz und insbesondere nach dem Oö. Landesvertragsbedienstetengesetz. Das Land Oberösterreich ist nach § 2 leg. cit. auch explizit Dienstgeber der Bediensteten der x.

 

Aufgrund dieser besonderen Konstellation bleibt auch die Dienstbehörde die Landesregierung und übt diese auch die Diensthoheit über die bestehenden aber auch neu aufgenommenen Bediensteten aus.

 

Es handelt sich daher ausschließlich um Landesbedienstete, die dem LKH x zugewiesen sind.“

 

 

 

Für die erkennende Richterin steht somit fest, dass sämtliche der genannten Personen während der in Rede stehenden Zeiträume Landesbedienstete des Landes Oberösterreich waren und nach dem Oö. Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz zur dauernden Dienstleistung der x zugewiesen waren.

 

Diese weiterführenden Ermittlungen und die daraus in weiterer Folge resultierende Beurteilung durch die erkennende Richterin des Oö. Landesverwaltungsgerichtes war im Rahmen der sich aus dem oben zitierten Verwaltungsgerichtshoferkenntnis ergebenden Bindungswirkung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch zulässig, da sich der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis – schon mangels entsprechender Sachverhaltsausführungen in der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates – nur mit der Frage des Rechtfertigungsgrundes der den Bf treffenden Pflichtenkollision auseinandergesetzt hatte. "Die Bindungswirkung eines stattgebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes erstreckt sich … nur auf jene Fragen, zu denen sich der Verwaltungsgerichtshof geäußert hat…." Unter Annahme einer Bindungswirkung auch des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich ist es diesem daher unter Zugrundelegung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht verwehrt, "den Fall von einem anderen Gesichtspunkt aus, auch wenn dies zusätzlich geschieht, unter Heranziehung anderer wesentlicher Sachverhaltselemente zu beurteilen" und die Ersatzentscheidung "auf weitere, zwar im Zeitpunkt der Erlassung des aufgehobenen Vorbescheides schon vorhandene, seinerzeit aber noch nicht verwertete Gründe zu stützen". Das Oö. Landesverwaltungsgericht konnte daher im fortgesetzten Verfahren auch Gesichtspunkte verwerten, die im ursprünglichen Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat – ausgehend von dessen unzutreffenden Auffassung, wonach dem Bf der Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision zugute käme – außer Betracht gelassen wurden. (Vgl mwN aus der Rechtsprechung jüngst VwGH 5.3.2014, 2010/05/0163.)

 

 

II.3.      Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht sohin von folgendem Sachverhalt aus:

 

II.3.1. Wie bereits unter Punkt II.2. festgehalten, waren sämtliche der genannten Personen während der in Rede stehenden Zeiträume Landesbedienstete des Landes Oberösterreich und nach dem Oö. Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz zur dauernden Dienstleistung der x zugewiesen.

 

II.3.2. Wie sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und der Mitteilung der Direktion Personal – Abteilung Personal des Amtes der Oö. Landesregierung vom 22.4.2014 weiters unzweifelhaft ergibt, war der Bf zum Tatzeitpunkt als zugewiesener Landesbediensteter Primar (Abteilungsleiter) der Abteilung für Innere Medizin am x.

 

Mit undatiertem Schreiben "Beauftragung gem. § 9 VStG" schlossen die x durch ihre damaligen Vorstände x und x sowie der Bf eine Vereinbarung mit folgendem Inhalt:

 

"Sehr geehrter Herr x!

 

In Ihrer Funktion als Ärztlicher Direktor am x werden Sie auch mit der Einhaltung der Bestimmungen des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (KA-AZG) für folgende Bereiche/Mitarbeiter beauftragt:

-      alle Ärzte der Abteilung für Innere Medizin,

-      alle NAW-Ärzte am x, soweit diese nicht einzelnen Abteilungen als Turnusärzte bzw. Fachärzte zugeordnet sind,

-      die nicht einzelnen Abteilungen zugeordneten Turnusärzte.

 

Die x schafft die für die Einhaltung des KA-AZG notwendigen organisatorischen Voraussetzungen und stellt eine ausreichende Personalausstattung sicher.

 

Als verantwortlicher Beauftragter gem. § 9 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) sind Sie damit für die Einhaltung sämtlicher im KA-AZG normierten Arbeitszeit-Schutzbestimmungen verantwortlich und im Falle von Verletzungen auch strafbar.“

 

Diese beabsichtigte Bestellung des Bf zum verantwortlichen Beauftragten insbesondere für die Abteilung Innere Medizin des x erfolgte im Jahr 2009 und wurde dem Arbeitsinspektorat Linz gemeldet, wo die Meldung am 24.08.2009 einlangte.

 

II.3.3. Wie sich schließlich nicht zuletzt aus dem vorliegenden Verfahrensakt und den Ausführungen des Bf in seinen Schriftsätzen ergibt, wurde die maximale Arbeitszeit von 72 Stunden von den im erstbehördlichen Spruch näher genannten Personen während der konkret dargestellten Zeiträume objektiv betrachtet unzweifelhaft überschritten. Die objektive Verletzung der Arbeitszeitregelungen (§ 4 Abs 4 KA-AZG) wurde im Übrigen auch vom Bf selbst ausdrücklich außer Streit gestellt.

 

 

III. Die hier maßgebliche Rechtslage des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes, BGBl I 1997/8 idF BGBl I 2010/93 (KA-AZG), lautet auszugsweise wie folgt:

 

"Geltungsbereich

 

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Beschäftigung von Dienstnehmer/innen, die in

1. Allgemeinen Krankenanstalten,

2. Sonderkrankenanstalten,

als Angehörige von Gesundheitsberufen tätig sind oder deren Tätigkeit sonst zur Aufrechterhaltung des Betriebes ununterbrochen erforderlich ist.

…"

 

"Verlängerter Dienst

 

§ 4. (1) Werden Dienstnehmer/innen während der Arbeitszeit nicht durchgehend in Anspruch genommen, können durch Betriebsvereinbarung längere Arbeitszeiten zugelassen werden, wenn dies aus wichtigen organisatorischen Gründen unbedingt notwendig ist (verlängerte Dienste). Eine Verlängerung ist nur insoweit zulässig, als die zu erwartende Inanspruchnahme innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden pro Woche nicht überschreitet.

 

(2) In Krankenanstalten, deren Rechtsträger eine Gebietskörperschaft ist und in denen eine Personalvertretung eingerichtet ist, können verlängerte Dienste unter den Voraussetzungen des Abs. 1 im Einvernehmen mit der Personalvertretung zugelassen werden.

 

(3) Wurden in einer Krankenanstalt, deren Rechtsträger eine Gebietskörperschaft ist und in denen ein Betriebsrat eingerichtet ist, verlängerte Dienste gemäß Abs. 1 für Dienstnehmer/innen zugelassen, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis stehen, sind verlängerte Dienste im selben Ausmaß auch für Dienstnehmer/innen zulässig, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen.

 

(4) Bei verlängerten Diensten darf

1.

 die Arbeitszeit der

a) Ärzte/Ärztinnen,

32 Stunden, bei einem verlängerten Dienst, der am Vormittag eines Samstages oder eines Tages vor einem Feiertag beginnt, 49 Stunden,

3. die Wochenarbeitszeit innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen im Durchschnitt 60 Stunden und

4. die Arbeitszeit in den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraumes 72 Stunden

nicht überschreiten.

…"

 

"Strafbestimmungen

 

§ 12. (1) Dienstgeber/innen, die

1. Dienstnehmer/innen über die Grenzen gemäß §§ 3 oder 4 hinaus beschäftigen,

sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 218 Euro bis 2 180 Euro, im Wiederholungsfall von 360 Euro bis 3 600 Euro zu bestrafen.

(2) Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Zuwiderhandlung von Organen einer Gebietskörperschaft begangen wurde. Besteht bei einer Bezirksverwaltungsbehörde der Verdacht einer Zuwiderhandlung durch ein solches Organ, so hat sie, wenn es sich um ein Organ des Bundes oder eines Landes handelt, eine Anzeige an das oberste Organ, dem das der Zuwiderhandlung verdächtigte Organ untersteht (Art. 20 Abs. 1 erster Satz des B-VG), in allen anderen Fällen aber eine Anzeige an die Aufsichtsbehörde zu erstatten."

 

Das Oö. Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz, LGBl 2001/81 idF LGBl 2005/49 lautet auszugsweise wie folgt:

 

"§ 1

Zuweisung

 

(1) Landesbedienstete, die am Tag vor dem Inkrafttreten dieses Landesgesetzes in einer Landeskrankenanstalt beschäftigt waren, werden unter Wahrung ihrer Rechte und Pflichten mit Inkrafttreten dieses Landesgesetzes als Landesbedienstete mit ihrem derzeitigen Dienstort x oder, für den Fall, dass eine oder mehrere Tochtergesellschaften bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens errichtet wurden, derjenigen Tochtergesellschaft, in welche die Landeskrankenanstalt organisatorisch eingegliedert wurde, zur dauernden Dienstleistung zugewiesen.

 

(2) Sonstige Landesbedienstete können innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten dieses Landesgesetzes ohne ihre Zustimmung unter Wahrung ihrer Rechte und Pflichten als Landesbedienstete der x oder allfälligen Tochtergesellschaften zur dauernden Dienstleistung zugewiesen werden. Zuständig dafür ist die nach den jeweiligen dienstrechtlichen Vorschriften für die Versetzung zuständige Behörde bzw. das nach den jeweiligen dienstrechtlichen Vorschriften für die Versetzung zuständige Organ. Eine Zuweisung ist nur zulässig, soweit durch die Ausgliederung der Landeskrankenanstalten die Aufgaben der jeweiligen Landesbediensteten gänzlich oder in einem überwiegenden Ausmaß weggefallen sind und dies im Interesse der x oder allfälligen Tochtergesellschaften liegt.

 

(3) Landesbedienstete, die

1. der x zugewiesen wurden, können ohne ihre Zustimmung einer allfälligen Tochtergesellschaft,

2. einer Tochtergesellschaft zugewiesen wurden, können ohne ihre Zustimmung der x oder einer allfälligen anderen Tochtergesellschaft

zugewiesen werden, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse gemäß § 92 Abs. 2 Oö. LBG bzw. ein dienstliches Interesse gemäß § 10 Abs. 2 erster Satz Oö. LVBG daran besteht.

(5) Soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, sind Landesbedienstete im Sinn des 1. Teils dieses Landesgesetzes Beamte (§ 1 Oö. LBG) und Vertragsbedienstete (§ 2 Oö. LVBG) des Landes Oberösterreich.

 

 (6) Tochtergesellschaften im Sinn dieses Landesgesetzes sind Beteiligungsunternehmen im Sinn des § 244 HGB, wobei die Beteiligungen insgesamt drei Fünftel des Nennkapitals dieser Gesellschaft erreichen müssen."

 

"§ 2

Dienstbehörde; Vertretung des Dienstgebers

 

(1) Die Diensthoheit über die der x und allfälligen Tochtergesellschaften nach § 1 Abs. 1 und 2 zugewiesenen und gemäß §§ 3 und 4 neu aufgenommenen Landesbediensteten steht der Oö. Landesregierung zu. Die mit den Aufgaben der Dienstbehörde oder des Dienstgebers betrauten Organe sind an die Weisungen der Oö. Landesregierung gebunden.

 

(2) Das für Personalangelegenheiten zuständige Vorstandsmitglied der x ist Dienstbehörde erster Instanz für alle der x und allfälligen Tochtergesellschaften zugewiesenen Landesbeamten. Über Berufungen gegen Bescheide der Dienstbehörde erster Instanz entscheidet die Oö. Landesregierung. Die Zuständigkeit der Dienstbehörde erster Instanz umfasst alle Personalangelegenheiten, die der Oö. Landesregierung als Dienstbehörde obliegen, mit Ausnahme der

- Aufnahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis,

- Erlassung von Verordnungen auf Grund der Dienstrechtsgesetze sowie

- Dienstzuteilungen und Versetzungen, die über § 1 Abs. 3 hinausgehen.

 

(3) Das für Personalangelegenheiten zuständige Vorstandsmitglied der x ist mit der Vertretung des Landes Oberösterreich als Dienstgeber gegenüber allen der x und allfälligen Tochtergesellschaften zugewiesenen und gemäß §§ 3 und 4 neu aufgenommenen Landesbediensteten, die nicht Landesbeamte sind, betraut.

 

(4) Das für Personalangelegenheiten zuständige Vorstandsmitglied der x kann andere Organe, die mit der Führung von Personalangelegenheiten betraut sind, ermächtigen, in seinem Namen die ihm übertragenen Aufgaben der Dienstbehörde oder des Dienstgebers wahrzunehmen.

 

(5) Die im Sinn des Abs. 4 ermächtigten Organe sind in der Amtlichen Linzer Zeitung kundzumachen sowie in den Geschäftsräumen der Oö. Gesundheits- und Spitals-AG und allfälliger Tochtergesellschaften an allgemein einsichtiger Stelle bekanntzumachen.

 

(6) In Bezug auf die nach diesem Landesgesetz zugewiesenen Landesbeamten ist

 

1. abweichend vom § 119 Abs. 3 erster Satz Oö. LBG die x Geschäftsstelle der Disziplinarbehörden;

2. abweichend vom § 104 Abs. 13 erster Satz Oö. LBG die x Geschäftsstelle der Beurteilungskommission."

 

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

IV.1. Wie bereits weiter oben dargelegt, liegt die objektive Verletzung der Arbeitszeitregelungen nach § 4 Abs 4 KA-AZG durch die spruchmäßig genannten Personen in den in Rede stehenden Zeiträumen vor.

 

In § 12 Abs 1 Z 1 KA-AZG ist vorgesehen, dass Dienstgeber, die Dienstnehmer über die Grenzen u.a. des § 4 hinaus beschäftigen, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit näher konkretisierten Geldstrafen zu bestrafen sind. Diese Strafnorm des Abs 1 ist allerdings gem Abs 2 leg cit dann nicht anzuwenden, wenn die Zuwiderhandlung von Organen einer Gebietskörperschaft begangen wurde. Besteht bei einer Bezirksverwaltungsbehörde der Verdacht einer Zuwiderhandlung durch ein solches Organ, so hat sie, wenn es sich um ein Organ des Bundes oder eines Landes handelt, eine Anzeige an das oberste Organ, dem das der Zuwiderhandlung verdächtigte Organ untersteht (Art 20 Abs 1 erster Satz B-VG) zu erstatten.

 

§ 12 Abs 2 KA-AZG ist der korrespondierenden Regelung in § 28 Arbeitszeitgesetz – AZG nachgebildet. So enthielt § 28 AZG in seiner Stammfassung BGBl 1969/461 bereits folgenden Absatz 2 (vgl den inhaltlich gleichen aktuell geltenden § 28 Abs 12 AZG idF BGBl I 2013/71):

Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Zuwiderhandlung von Organen einer Gebietskörperschaft begangen wurde. Besteht bei einer Bezirksverwaltungsbehörde der Verdacht einer Zuwiderhandlung durch ein solches Organ, so hat sie, wenn es sich um ein Organ des Bundes oder eines Landes handelt, eine Anzeige an das oberste Organ, dem das der Zuwiderhandlung verdächtige Organ untersteht (Art. 20 Abs. 1 erster Satz des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929), in allen anderen Fällen aber eine Anzeige an die Aufsichtsbehörde zu erstatten.

 

Diesbezügliche Erläuterungen finden sich in den einschlägigen parlamentarischen Materialien (Volksbegehren 1327 BlgNR 21. GP sowie AB 1463 BlgNR 21. GP) freilich nicht.

 

Wie sowohl § 12 Abs 2 KA-AZG als auch die vergleichbare Ausnahmeregelung des § 28 AZG zeigen, begnügt sich das Gesetz hier „mit der disziplinären Verantwortlichkeit“ (vgl Schrank, AZG-Kommentar I [2008], Rz 5 zu § 28). „Verstöße können damit nur im Rahmen von Disziplinarverfahren sanktioniert werden“ (mwN Pfeil in Grillberger [Hrsg], AZG-Kommentar³ [2011], Rz 7 zu § 28).

 

In diesem Zusammenhang konstatierte der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 12.997/1992, dass diese Reduzierung der Verantwortlichkeit auf die dienstrechtliche Ebene keineswegs gegen das verfassungsrechtliche Sachlichkeitsgebot verstoße:

Es macht die Strafbestimmung des § 28 Abs 1 ArbeitszeitG nicht unsachlich, wenn das Gesetz in Abs 2 davon ausgeht, daß das Zuwiderhandeln von Organen einer Gebietskörperschaft mit Mitteln des Dienstrechts zureichend geahndet werden kann, und es entbehrt nicht jeglicher Grundlage im Tatsächlichen, wenn der Bund als Dienstrechtsgesetzgeber annimmt, daß der Gefahr einer Überbeanspruchung von Beamten und Vertragsbediensteten in zeitlicher Hinsicht auch ohne Geltung des ArbeitszeitG durch die im öffentlichen Dienst gegebenen rechtlichen Verhältnisse und tatsächlichen Einflußmöglichkeiten im zureichenden Maße begegnet werden kann.“ (Siehe zu dieser Entscheidung auch Scherff, Arbeitszeitgesetz – AZG / Arbeitsruhegesetz – ARG [1994] 53).

 

Gleiches muss naturgemäß auch für die korrespondierende Regelung des § 12 Abs 2 KA-AZG gelten.

 

Ganz in diesem Sinne vertrat auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 17.6.2013, 2010/11/0079, betreffend die Medizinische Universität Wien (MUW) die Auffassung, dass hinsichtlich der Universität als ursprünglich teilrechtsfähiger Einrichtung des Bundes iSd § 2 Abs 1 UOG 1993 eine „Strafbarkeit des ‚Dienstgebers‘ nicht in Betracht“ gekommen sei. In diesem Falle sei die Gebietskörperschaft Bund als Dienstgeber anzusehen und damit eine Strafbarkeit nach § 12 Abs 2 KA-AZG ausgeschlossen. (Anmerkung: Dies hat sich laut VwGH erst mit § 4 UG 2002 [Universitäten als eigenständige, vollrechtsfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts] geändert.)

 

Im gegenständlichen Verfahren ist daher in weiterer Folge zu prüfen, ob die Zuwiderhandlungen gegen das KA-AZG in Form der vorliegenden Arbeitszeitüberschreitungen von einem Organ einer Gebietskörperschaft begangen wurden, da eine verwaltungsstrafrechtliche Sanktionierung für diesen Fall von vornherein ausgeschlossen wäre.

 

IV.2.1. Im Jahr 2001 erfolgte eine grundlegende Neuordnung des Oö. Spitalwesens, die unter anderem die Ausgliederung der Oö. Landeskrankenanstalten unter der Leitung einer Aktiengesellschaft vorsah. Dies führte zur Gründung der x. Diese Aktiengesellschaft steht im 100%igen Eigentum des Landes Oberösterreich und ist Betreiber der oberösterreichischen Landeskrankenhäuser, darunter auch des Landeskrankenhauses x. Die x und deren zugeordnete Landeskrankenanstalten sollten personalmäßig mit Landesbediensteten ausgestattet werden, weshalb mit LGBl 2001/81 das Oö. Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz erlassen wurde. Dieses Landesgesetz regelt die Zuweisung von Landesbediensteten zur x. (Vgl AB 1115/2001 Blg OöLT.)

 

Gem § 2 Oö. Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz kommt die Diensthoheit über die Bediensteten der x der Oö. Landesregierung zu. Diese ist Dienstbehörde.

 

Wie auch seitens der Direktion Personal – Abteilung Personal des Amtes der Oö. Landesregierung in ihrem Schreiben vom 22.4.2014 ausdrücklich festgehalten, ist das Land Oberösterreich damit Dienstgeber sämtlicher Bediensteten der x. Weiters wurde in diesem Schreiben bestätigt, dass die im gegenständlichen Straferkenntnis näher angeführten DienstnehmerInnen, die über die Grenze von 72 Stunden hinaus beschäftigt worden sind, in den vorgeworfenen Zeiträumen Landesbedienstete waren.

 

Gem § 2 Oö. Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz sind die mit den Aufgaben des Dienstgebers betrauten Organe – das sind das für Personalangelegenheiten zuständige Vorstandsmitglied der x sowie andere von diesem ermächtigte Organe, die mit der Führung von Personalangelegenheiten betraut sind – an die Weisungen der Oö. Landesregierung gebunden. Es besteht damit eine Weisungsbindung der betrauten Organe gegenüber dem obersten Organ des Landes iSd Art 20 Abs 1 B-VG. Die Regelung der Arbeitszeiten ist dabei als Bestandteil des Arbeitnehmerschutzes Aufgabe des Dienstgebers, gehört dieser Bereich nach verfassungsgerichtlicher Auffassung doch jedenfalls zum Bereich des Dienstrechts (Kucsko-Stadlmayer in Korinek/Holoubek, B-VG-Kommentar, Rz 18 und 20 zu Art 21 B-VG mN aus der Rspr).

 

Nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich ist der Organbegriff des KA-AZG ebenso wie der verfassungsrechtliche Organbegriff des Art 20 Abs 1 B‑VG „in einem weiten, alle Menschen und Einrichtungen, die zum betreffenden obersten Organ in einem Über/Unterordnungsverhältnis stehen, umfassenden Sinn zu verstehen“ (Raschauer in Korinek/Holoubek, B-VG-Kommentar, Rz 35 zu Art 20/1 B-VG). Dabei kann dahinstehen, ob die Vollziehung des Arbeitszeitrechts der hoheitlichen oder der nichthoheitlichen Verwaltung zuzuordnen ist; denn einerseits umfasst schon Art 20 B-VG beide Bereiche der Verwaltung (Raschauer in Korinek/Holoubek, B-VG-Kommentar, Rz 60 ff zu Art 20/1 B-VG), andererseits sind die einfachgesetzlichen Bestimmungen des § 12 KA-AZG und des § 2 Oö. Landesbediensteten-Zuweisungsgesetzes vom Verwaltungsbegriff losgelöst und stellen allein auf den naturgemäß weiten Begriff des Organs ab (vgl in diesem Zusammenhang auch Kucsko-Stadlmayer in Korinek/Holoubek, B-VG-Kommentar, Rz 33 zu Art 21 B-VG, dergemäß „Diensthoheit“ freilich auch in den Rechtsformen der Privatwirtschaftsverwaltung ausgeübt wird; die Diensthoheit über die x – dh sowohl in hoheitlicher als auch in privatwirtschaftlicher Rechtsform – steht gem § 2 Oö. Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz der Oö. Landesregierung zu, an deren Weisungen die betrauten Organe gebunden sind). Es ist daher davon auszugehen, dass auch der Bf als Primar, ärztlicher Leiter und Abteilungsleiter der Abteilung für Innere Medizin am LKH x, dem sämtliche Ärzte seiner Abteilung nachgeordnet sind und der sohin auch mit der Leitung dieser Abteilung betraut ist, ein Organ des Landes ist. Schon aus diesem Grund ist daher im vorliegenden Fall die Strafbestimmung des § 12 Abs 1 KA-AZG gem der Ausnahmeregelung des Abs 2 leg cit nicht anzuwenden.

 

IV.2.2. Selbst wenn aber der Bf entgegen der hier vertretenen Auffassung nicht als Organ des Landes iSd § 12 Abs 2 KA-AZG zu qualifizieren sein sollte, ergibt eine Zusammenschau von § 12 Abs 2 KA-AZG und § 2 Oö. Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz mit § 9 VStG, dass eine Strafbarkeit des Bf auch mangels einer wirksamen Bestellung als verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs 2 VStG ausgeschlossen ist:

 

Wie unter Punkt II.3.2. dargelegt, wurde im Jahr 2009 zwischen den damaligen Vorständen der x und dem Bf eine „Beauftragung gem. § 9 VStG“ vereinbart, wonach einerseits die x die für die Einhaltung des KA-AZG notwendigen organisatorischen Voraussetzungen schaffen und eine ausreichende Personalausstattung sicherstellen sollte, andererseits der Bf als verantwortlicher Beauftragter gem § 9 VStG damit für die Einhaltung sämtlicher im KA-AZG normierten Arbeitszeit-Schutzbestimmungen verantwortlich und im Falle von Verletzungen strafbar sein sollte.

 

Der Vorstand der x vertritt den Dienstgeber Land iSd § 2 Oö. Landesbediensteten-Zuweisungsgesetz und ist als mit den Aufgaben des Landes-Dienstgebers betrautes Organ an die Weisungen der Oö. Landesregierung gebunden. Damit ist der Vorstand der x als Organ der Gebietskörperschaft Land nach § 12 Abs 2 KA-AZG zu qualifizieren. Es greift somit die Ausnahmebestimmung des § 12 Abs 2 KA-AZG; der Vorstand der x kann daher wegen Zuwiderhandelns gegen § 12 Abs 1 KA-AZG strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Vor diesem Hintergrund war die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs 2 VStG unter Berücksichtigung dieses erst im Folgeverfahren neu hervorgekommenen Gesichtspunktes der Qualifikation des Vorstandes der x als Organ des Landes – im Einklang mit der Bindungswirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu bereits eingehend weiter oben unter Punkt II.2.1. und II.2.2.) – einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen.

 

§ 9 Abs 2 VStG sieht zwar grundsätzlich vor, dass die zur Vertretung nach außen Berufenen durch Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten die strafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften auf diesen übertragen können. Dies kann aber freilich naturgemäß nur in dem Umfang erfolgen, in dem den zur Vertretung nach außen Berufenen selbst eine strafrechtliche Verantwortlichkeit obliegt. Im Ergebnis bedeutet das für den gegenständlichen Fall, dass der Vorstand der x als zur Vertretung nach außen Berufener iSd § 9 Abs 1 VStG seine strafrechtliche Verantwortlichkeit auf den Bf als bestellten verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs 2 VStG nur insoweit übertragen kann, als ihn gegebenenfalls selbst eine strafrechtliche Verantwortlichkeit träfe. Da der Vorstand der x nach § 12 Abs 2 KA-AZG aber wegen Zuwiderhandelns gegen Abs 1 leg cit nicht strafbar ist, kann auch dem Bf durch Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs 2 VStG keine diesbezügliche strafrechtliche Verantwortlichkeit übertragen werden.

 

Auch aus diesem Grund war der Bf im vorliegenden Fall nicht strafbar.

 

IV.2.3. Ergänzend ist festzuhalten, dass die Wirksamkeit der Bestellung des Bf als verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs 2 VStG auch mangels klar definierten Umfangs des Verantwortlichkeitsbereiches des Bf zweifelhaft scheint. So ist gem § 9 Abs 4 VStG der dem verantwortlichen Beauftragten unterliegende Verantwortungsbereich klar abzugrenzen. Nach stRspr des Verwaltungsgerichtshofes liegt für den Fall, dass eine solche klare Abgrenzung nicht erfolgt, keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor. Die Verwaltungsstrafbehörden sollen einerseits nicht in die Lage versetzt werden, diesbezüglich nähere Ermittlungen anstellen zu müssen, andererseits sollen sie auch der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen ist. Das Tatbestandsmerkmal des klar abzugrenzenden Verantwortungsbereiches muss schon beim Nachweis der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten vorgelegen haben und darf nicht erst während des anhängigen Strafverfahrens – durch Klarstellung im Rahmen des Beweisverfahrens – entscheidend ergänzt werden. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes soll kurzum vermieden werden, dass Zweifel am Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches entstehen. Bestellung und damit übereinstimmende Zustimmung sind aufgrund der Wichtigkeit der Übernahme der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortbarkeit so zu erklären, dass kein Zweifel an ihrem Inhalt besteht. (Vgl mN aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, Anm 106 f sowie Anm 96 zu § 9 VStG.) 

 

Auch im Lichte dieser restriktiven Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Bestellung verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs 2 VStG dürfte die vorliegende „Beauftragung gem. § 9 VStG“ des Bf durch die x daher unwirksam sein. So scheint die genannte Vereinbarung ihrem klaren Wortlaut zufolge nur so zu verstehen zu sein, dass eine Übertragung der strafrechtlichen Verantwortung des Bf allein unter der Voraussetzung gegeben sein soll, dass die x „die für die Einhaltung des KA-AZG notwendigen organisatorischen Voraussetzungen [schafft] und … eine ausreichende Personalausstattung sicher[stellt]“. Erst „damit“ soll der Bf im Falle von Verletzungen der im KA-AZG normierten Arbeitszeit-Schutzbestimmungen strafbar sein. Mit anderen Worten: Nur für den Fall, dass die x die entsprechend notwendigen organisatorischen und personellen Voraussetzungen schafft, soll die strafrechtliche Verantwortung auf den Bf übergehen. Dass die Beurteilung der – von vornherein schwierigen – Frage, ob durch die x tatsächlich die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen geschaffen und eine ausreichende Personalausstattung sichergestellt sind, aber nur durch weitwendige Ermittlungen und unter Anwendung entsprechender Interpretationsmethoden möglich ist und im Übrigen kaum eindeutig zu beantworten sein wird, steht für die erkennende Richterin des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich außer Zweifel.

 

Zwar dürfte das Oö. Landesverwaltungsgericht dies im Lichte der Bindungswirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu bereits eingehend unter Punkt II.2.1. und II.2.2.) wohl durchaus als neu zu verwertendes Sachverhaltselement von diesem neuen Gesichtspunkt aus beurteilen. Allerdings kann hier dahinstehen, ob die auch damit verbundene Unwirksamkeit der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs 2 VStG ebenfalls zur Straffreiheit des Bf im gegenständlichen Verfahren führte, da die Strafbarkeit des Bf wegen der gegen ihn gerichteten arbeitszeitrechtlichen Vorwürfe schon aus den zuvor dargelegten Gründen jedenfalls ausgeschlossen ist.

 

V. Im Ergebnis war aus all diesen Gründen das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 VStG iVm § 38 VwGVG einzustellen.

 

VI. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bf gem § 52 Abs 9 VwGVG kein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht vorzuschreiben.

 

VII. Der Vollständigkeit halber ist abschließend auf die in § 12 Abs 2 letzter Satz KA-AZG normierte Anzeigepflicht der Bezirksverwaltungsbehörden hinzuweisen.

 

VIII.     Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa zur Bindungswirkung mwN aus der Rspr jüngst VwGH vom 5.3.2014, 2010/05/0163; zur Ausnahmebestimmung des § 12 Abs 2 KA-AZG VwGH vom 17.6.2013, 2010/11/0079). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Dr. Astrid Lukas

Beachte:

Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH vom 16. Dezember 2014, Zl.: Ra 2014/11/0096-3