LVwG-750171/5/BP/JW

Linz, 04.08.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des Herrn S. K., geb. x, türkischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10. März 2014,  GZ: Sich40-27957-2010, mit dem ein Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung - Angehöriger“ abgewiesen wurde,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. § 47 Abs. 3 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 40/2014, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid vom 10. März 2014, GZ: Sich40-27957-2010, wies die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung - Angehöriger“ gem. §§ 11 Abs. 2 Z 1 iVm. Abs. 4 und Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG und § 47 Abs. 3 NAG ab.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst Folgendes aus:

 

Sie sind türk. Staatsbürger und haben am 12. September 2013 bei der österreichischen Botschaft in Ankara einen quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewil­ligung-Angehöriger" gestellt. Als Bezugsperson haben Sie Ihren Vater, K. H., geb. x, öster. StA., whft in V.,
x Straße Nr. x. in Ihrem Zuwanderungsantrag haben Sie Erwerbsabsicht bekundet.

 

Mit nachweislichem und schriftlichem Verbesserungsauftrag vom 31. Oktober 2013 sind Sie aufge­fordert worden, nachstehende Unterlagen bzw. Dokumente der hs. Niederlassungsbehörde binnen zwei Wochen nach Übernahme des angeführten Verbesserungsauftrages vorzulegen:

1.     Notariell beglaubigte Haftungserklärung von Ihrem Vater

2.     Haushaltsbestätigung von Ihrem Vater

3.     Die letzten drei Lohnzettel Ihrer Mutter

4.     Aktueller KSV-Auszug von Ihrer Mutter

5.     Einen verbindlichen Arbeitsvorvertrag von Ihnen

6.     Das positive Deutschprüfungszeugnis Niveau A 1, das von einem zertifizierten Institut ausgestellt worden ist

7.     Eine gültige Krankenversicherung von Ihnen, die alle Risiken abdeckt, in Österreich leistungspflichtig ist und mindestens ein Jahr Gültigkeit hat

8.     Nachweise von Unterhaltsleistungen Ihres Vaters an Ihnen

 

Die geforderten Unterlagen haben Sie am 05.12.2013, am 18.12.2013 sowie am 27.12.2013 (Einstellungszusage) vorgelegt.

 

Bei der Prüfung Ihres quotenfreien Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlas­sungsbewilligung - Angehöriger" wird nachstehendes festgestellt:

 

Sie sind türkischer Staatsbürger und sind am 14. September 2003 illegal, schlepperunterstützt und unter Bezahlung eines Schlepperfuhrlohnes in der Höhe von
€ 1.500,- ohne im Besitz eines nationalen Reisedokumentes zu sein, in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist.

 

In weiterer Folge haben Sie am 15. September 2003 beim zuständigen Bundesasylamt, Außenstelle Linz, ZI 03 28.149, einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz vom 13.09.2004, ZI 03 28.149, ist Ihr Asylantrag gemäß §§ 7 u 8 AsylG 1997 abgewiesen und gleichzeitig gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 sind Sie aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich in die Türkei ausgewiesen worden. Gegen diesen Bescheid haben Sie fristgerecht die Berufung erhoben.

 

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 22.02.2010, ZI E5 253.246-0/2008-11E, ist die Beschwerde gemäß §§ 7 u 8 AsylG 1997 abgewiesen und gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 ist die Ausweisung aus Österreich in die Türkei bestätigt worden.

 

Am 5. März 2010 haben Sie persönlich bei der hs. Niederlassungsbehörde einen quotenfreien Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für „beschränkt" gemäß § 44 Abs. 3 NAG 2005 (humanitärer Antrag) gestellt.

 

Mit rechtskräftigem Bescheid der hs. Niederlassungsbehörde vom 11.06.2010 ist Ihr quotenfreier Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für „beschränkt" gemäß § 44 Abs. 3 NAG 2005 als unzulässig zurückgewiesen worden, da keine maßgebliche Sachverhaltsänderung in Ihrem Fall eingetreten ist.

 

Mit Schriftsatz Ihrer damaligen Rechtsvertretung, Dr. R. S., x, xplatz x, L., vom 16.06.2010, eingelangt bei der hs. Niederlassungsbehörde am 18.06.2010 ist der hs. Niederlassungsbehörde mitgeteilt worden, dass mit Beschluss des Verfassungsge­richtshofs vom 16.04.2010, ZI U 522/10-2, Ihnen die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist. Am 3. November 2011 hat das Bundesasylamt Außenstelle Linz schriftlich der hs. Niederlas­sungsbehörde mitgeteilt, dass die Behandlung der Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof abgelehnt worden ist.

 

Am 7. November 2011 haben Sie persönlich bei der hs. Niederlassungsbehörde einen quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG 2005 gestellt.

 

Am 15. November 2011 sind Sie von der hs. Fremdenpolizeibehörde, ZI Sich40-32557-2004, in die Türkei abgeschoben worden.

 

Mit rechtskräftigem Bescheid der hs. Niederlassungsbehörde vom 09.01.2012, ZI Sich40-27957-2010, ist Ihr quotenfreier Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus" gemäß §§ 11 Abs. 1 Z 3, 11 Abs. 2 Z 1 iVm. Abs. 4, 11 Abs. 2 Z 4 iVm. Abs. 5 NAG 2005 und gemäß § 19 Abs. 8 NAG 2005 abgewiesen worden.

 

Gegen Ihre Abschiebung haben Sie am 27.12.2011 durch Ihre rechtsfreundliche Vertretung beim UVS OÖ, ZI VwSen-420718/4/SR/Jo, eine Maßnahmenbeschwerde erhoben, die mit Erkenntnis des UVS OÖ rechtskräftig abgewiesen worden ist.

 

Wie bereits umseitig dargestellt, haben Sie am 12. September 2013 einen quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gestellt. Der besagte Antrag ist am 26. September 2013 bei der hs. Niederlassungsbehörde eingelangt.

 

Sie haben in Ihrem Antrag Erwerbsabsicht bekundet. Aus diesem Grund sind Sie mit umseitig zitiertem Verbesserungsauftrag aufgefordert worden, einen verbindlichen Arbeitsvorvertrag der hs. Niederlassungsbehörde vorzulegen. Am 27. Dezember 2013 haben Sie eine Einstellungszusage von der Fa. F. K., etabliert in  L., xstr. x, vorgelegt. Die Einstellungszu­sage ist mit 10.12.2013 datiert und von beiden Vertragspartnern unterfertigt worden.

 

Die diesbezügliche Überprüfung der Einstellungszusage hat ergeben, dass laut telefonischer Auskunft der OÖGKK am 24.01.2014 um 08:37 Uhr die Firma F. K. keine Mitarbeiter beschäftigt hat. Die Erhebungen der hs. Niederlassungsbehörde hat weiteres ergeben, dass bei F. K., geb. am x, vom BG Linz, Az 37 S 47/12h, am 27.03.2012 ein Schuldenregulierungsverfahren durchgeführt und der Zahlungsplan angenommen worden ist. Aus den angeführten Gründen ist die vorgelegte Einstellungszusage nicht tragbar, da diese Einstellungszusage als „Freundschaftsdienst" geleistet worden ist. Gerade in der Winterzeit ist es im Baugewerbe äußerst schwierig, eine Beschäftigung zu finden, da aufgrund der Witterungslage keine Bauarbeiten vorgenommen werden können. Dies wird auch durch die Auskunft der OÖGKK bestätigt, da der Arbeitgeber am 24.01.2014 keine Arbeitnehmer beschäftigt hat. Durch die bewusste Vorlage dieser Einstellungszusage haben Sie versucht, sich einen Aufenthaltstitel zu erschleichen. Dies deshalb, weil durch die Vorlage Ihrer Einstellzusage bzw. Ihres Arbeitsvorver­trages Sie in die Stillhalteabkommen des Assoziationsabkommen EWR/Türkei, Beschluss Nr. 1/80, fallen und somit Ihre Zuwanderung nach Österreich wesentlich erleichtert würde.

 

Aus dem angeführten Grund fallen Sie somit nicht in das Stillhalteabkommen des Assoziationsab­kommen EWR/Türkei, Beschluss Nr. 1/80

 

Ihr Vater, K. H., geb. x, öster. StA., ist für Sie und für Ihre Mutter, K. L., geb. x, zur Gänze unterhaltspflichtig. Ihr Vater hat auch für Sie eine notariell beglaubigte Haftungserklärung abgegeben. Ihr Vater ist Notstandsbezieher und erhält ein Tagessatz von € 22,77,-. Das entspricht einem monatlichen Einkommen in der Höhe von € 683,10. Die monatliche Miete beträgt nach Abzug des Wertes der freien Station
€ 335,94,-. Daraus resultiert ein monatlich verfügbares Nettoeinkommen in der Höhe von
€ 347,16,-.

 

Gemäß den Richtsätzen des § 293 ASVG beträgt dieser für ein Ehepaar monatlich netto
€ 1.286,06,- und für eine erwachsene Person monatlich netto € 857,73,-. Das monatliche Mindest­einkommen Ihres Vaters müsste € 2.143,76,- betragen. Dies ist jedoch nicht der Fall und es entsteht ein monatlicher Differenzbetrag in der Höhe von € 1.896,60,-.

 

Somit steht fest, dass die von Ihrem Vater notariell beglaubigte Haftungserklärung nicht tragfähig ist. Ihr Vater ist nicht in der Lage für Ihren Unterhalt zur Gänze aufzukommen. Aus diesem Grund besteht die begründete Gefahr, dass Ihr Aufenthalt hier im Bundesgebiet der Republik Österreich zu einer finanziellen Belastung einer öffentlichen Gebietskörperschaft führen wird.

 

(...)

 

Mit nachweislichem Schreiben vom 24. Jänner 2014 ist Ihnen schriftlich und nachweislich mitge­teilt worden, dass die hs. Niederlassungsbehörde beabsichtigt, Ihren quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" abzuweisen. Mit zitiertem Schreiben sind Sie weiteres aufgefordert worden binnen zwei Wochen nach Erhalt des angeführten Schreibens schriftlich zur beabsichtigten Abweisung Stellung zu nehmen.

 

Ihre schriftliche Stellungnahme ist am 10. März 2014 bei der hs. Niederlassungsbehörde eingelangt.

 

Die Behörde hat hierzu erwogen:

 

(...)

 

Faktum ist, dass Sie sich bei Ihrer Erstantragsstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Nieder­lassungsbewilligung-Angehöriger" auf Ihren Vater, K. H., geb. x, öster. StA., whft in V., x Straße Nr. x, berufen haben . Sie haben Ihren Vater als Bezugsperson angeführt. Faktum ist auch, dass Sie in Ihrer Erstantragsstellung Erwerbs­absicht bekundet haben. (...)

 

Die von Ihnen am 27. Dezember 2013 vorgelegte Einstellzusage weist wesentliche Mängel im Sinne des § 936 ABGB auf. Es ist nicht ersichtlich, bei welcher Gebietskrankenkasse Sie versichert werden, es ist Ihre Arbeitszeit, Ihr Urlaubsanspruch und die Dauer der geplanten Beschäftigung nicht ersichtlich. Es fehlt auch der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

 

Ihre Einstellzusage ist von der hs. Niederlassungsbehörde überprüft worden. Laut telefonischer Auskunft der OÖGKK am 24.01.12014 um 08:37 Uhr hat die Firma F. K. keine Mit­arbeiter beschäftigt. Die Erhebungen der hs. Niederlassungsbehörde hat weiteres ergeben, dass bei F. K., geb. x, vom BG Linz, Az 37 S 47/12h, am 27.03.2012 ein Schuldenregulierungsverfahren durchgeführt und der Zahlungsplan angenommen worden ist. Aus den angeführten Gründen ist die vorgelegte Einstellzusage nicht tragbar, da diese Einstellzusage als „Freundschaftsdienst" geleistet worden ist. Durch die bewusste Vorlage dieser Einstellzusage haben Sie versucht, sich einen Aufenthaltstitel zu erschleichen. Dies deshalb, weil durch die Vorlage Ihrer Einstellzusage bzw. Ihres Arbeitsvorvertrages Sie in das Stillhalteabkommen des Assoziationsabkommen EWR/Türkei, Beschluss Nr. 1/80 fallen und somit Ihre Zuwanderung nach Österreich wesentlich erleichtert würde.

 

Da Sie nun über keine verbindliche Einstellzusage verfügen, fallen Sie nicht in das Stillhalteabkom­men des Assoziationsabkommen EWR/Türkei, Beschluss Nr. 1/80. Der Europäische Gerichtshof hat bereits mit Urteil vom 24.09.2013, ZI C-221/11, folgendes festgestellt: Der Begriff "freier Dienstleistungsverkehr" in Art. 41 Abs. 1 des am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichneten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls ist dahin auszulegen, dass er nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasst, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.

In Ihrer schriftlichen Stellungnahme, eingelangt am 10. März 2014, haben Sie schriftlich angeführt, in diesem Fall versichern Sie ohne die Unterstützung Ihres Vaters auf eigenen Beinen zu stehen und selbst für sich zu sorgen, indem Sie in kürzester Zeit eine Arbeitsstelle finden werden. In der Zeit, in der Sie nach einer Arbeit suchen, werden Sie von ihren Brüdern in Österreich und in Deutschland sowohl finanziell als auch mental unterstützt.

 

Auch aus Ihrer Stellungnahme ist ersichtlich, dass Sie hier in Österreich erst eine Arbeitsstelle suchen wollen. Dies bedeutet, dass die vorgelegte Einstellzusage tatsächlich für Sie nicht bindend ist. Im Gegenteil, Sie wollen auch diese Arbeitsstelle nicht annehmen. Ihr Verhalten zeigt somit, dass Sie die Einstellzusage nur vorgelegt haben, um leichter nach Österreich zuwandern zu können. Sie haben sich auf die Stillhalteklauseln des Assoziationsabkommen EWR/Türkei berufen, obwohl Sie die Absicht nicht gehabt haben, diese Arbeitsstelle anzunehmen.

 

In Verfahren zu Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 47 Abs. 2 und 3 NAG hat die hs. Niederlassungsbehörde infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom
15. November 2011 in der Rechtsache C-256/11, M. DE. u.a., zu berücksichtigen, ob eine öster. Ankerperson eines drittstaatsangehörigen Antragsstellers bei Nichtgewährung des von diesem begehrten Aufenthaltstitels de facto gezwungen wäre, Österreich und das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen.

Ein entsprechendes Vorbringen ist von Ihnen bis dato nicht erfolgt.

 

In seiner aktuellen Entscheidung in der Rechtsache D. (C-256/11) hebt der EuGH mehrfach hervor, dass der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt ist, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein. Art. 20 AEUV stehe nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass den Unionsbürgern (hier der öster. Ankerperson) der tatsächliche Genuss des Kernbestandes der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird (vgl. Rz 62 der genannten EuGH Entscheidung).

 

Mit der Entscheidung in der Rechtssache D. präzisierte der EuGH seine bisherige Rechtsprechung (insbesondere in der Rs. Z., C-34/09) und folgerte, dass sich das Kriterium der Verwehrung des Kernbestandes der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, auf Sachverhalte bezieht, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Unionsbürger de facto gezwungen sieht, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaates, dem er angehört, zu verlassen, sondern das Gebiet der Union als Ganzes" (vgl. Rz 66 der genannten EuGH Entscheidung D.).

Ein Aufenthaltsrecht darf dieser Entscheidung zu Folge einem drittstaatszugehörigen Familienangehörigen eines Österreichers nicht verwehrt werden, wenn die österreichische Ankerperson im Falle der Verweigerung des begehrten Aufenthaltstitels nach § 47 Abs. 2 oder 3 NAG für den drittstaatszugehörigen Antragssteller des facto gezwungen wäre, sowohl Österreich als auch das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. In einem derartigen Fall würde die Nichtgewährung des Aufenthaltsrechts bedeuten, dass die Unionsbürgerschaft der öster. Ankerperson ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde.

 

Als Anhaltspunkte für die maßgebliche Frage, unter welchen tatsächlichen Gegebenheiten ein Antragsteller de facto gezwungen ist, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen, erläutert der EuGH, dass die bloße Tatsache, dass es für einen Staatsbürger eines Mitglied-Staates aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Gebiet der Europäischen Union wünschenswert erscheinen könnte, dass sich Drittstaats-angehörige mit ihm zusammen im Gebiet der Europäischen Union aufhalten können, für sich genommen nicht die Annahme rechtfertigt, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen, wenn kein Aufenthaltsrecht gewährt würde (vgl. EuGH Rechtssache D., C-256/11, Rz 68 bzw. VwGH vom 19. Jänner 2012, ZI 2011/22/0313 sowie VwGH vom 19. Jänner 2012, ZI 2011/22/0312).

 

Mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Z., C-34/09, ist jedenfalls in jenen Fällen der Kernbestand der Unionsbürgerrechte beeinträchtigt, in denen ein minderjähriger Unionsbürger aus dem Gebiet der Europäischen Union ausreisen müsste, um seinen beiden drittstaatsangehörigen Elternteilen (weil diesen kein Aufenthaltsrecht gewährt wurde) zu folgen.

 

Auf Grundlage der bisherigen Judikatur des EuGH ist daher lediglich in Ausnahmesituationen von einer Gefahr der Beeinträchtigung des Kernbestands der Unionsbürgerrechte auszugehen (vgl. EuGH Entscheidung in der Rechtssache D., Rz 67). Diese Auffassung des EuGH hat mittlerweile auch der VwGH seinen Entscheidungen mehrfach zugrunde gelegt (vgl. z.B: VwGH vom 21. Dezember 2011, ZI 2009/22/0054, sowie vom 19. Jänner 2012, ZI 2008/22/0130).

 

Nach vorliegender Aktenlage wird vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen im Ergebnis nicht davon ausgegangen, dass es für Ihre österreichische Ankerperson bedeuten würde, „de facto" Österreich und das Gebiet der Europäischen Union verlassen zu müssen, wenn Ihnen kein Aufenthaltstitel erteilt wird.

 

Sie sind Angehöriger (Verwandter dem Unterhalt gewährt wird) eines erwachsenen Österreichers. Aus der Aktenlage ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass sich der Zusammenführende in

einer Ausnahmesituation befindet, die bei Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels an Sie bedeuten würde, dass dieser de facto gezwungen wäre das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Vielmehr ist ihr Vorbringen als bloßer Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben in Österreich zu werten, bzw. liegen ihrem Begehren nach einem gemeinsamen Familienleben in Österreich wirtschaftliche Überlegungen zu Grunde. Weder der bloße Wunsch nach einem Zusammenleben in Österreich, noch wirtschaftliche Überlegungen rechtfertigen jedoch für sich genommen die Annahme eines de facto Zwanges im oben genannten Sinn. Weitere besondere Umstände, die in Ihrem Fall auf eine Ausnahmesituation schließen lassen könnten, haben Sie weder vorgebracht, noch ergeben sich diese unmittelbar aus dem Akteninhalt.

 

Ihr Vater, K. H., geb. x, öster. StA., ist für Sie und für Ihre Mutter, K. L., geb. x, zur Gänze unterhaltspflichtig. Ihr Vater hat auch für Sie eine notariell beglaubigte Haftungserklärung abgegeben. Ihr Vater ist Notstandsbezieher und erhält ein Tagessatz von € 22,77,-. Das entspricht einem monatlichen Einkommen in der Höhe von € 683,10,-. Die monatliche Miete beträgt nach Abzug des Wertes der freien Station € 335,94,-. Daraus resultiert ein monatlich verfügbares Nettoeinkommen in der Höhe von € 347,16,-.

 

Gemäß den Richtsätzen des § 293 ASVG beträgt dieser für ein Ehepaar monatlich netto
€ 1.286,06,- und für eine erwachsene Person monatlich netto € 857,73,-. Das monatliche Mindest­einkommen Ihres Vaters müsste € 2.143,76,- betragen. Dies ist jedoch nicht der Fall und es entsteht ein monatlicher Differenzbetrag in der Höhe von € 1.896,60,-.

 

Somit steht fest, dass die von Ihrem Vater notariell beglaubigte Haftungserklärung nicht tragfähig ist. Ihr Vater ist nicht in der Lage für Ihren Unterhalt zur Gänze aufzukommen. Aus diesem Grund besteht die begründete Gefahr, dass Ihr Aufenthalt hier im Bundesgebiet der Republik Österreich zu einer finanziellen Belastung einer öffentlichen Gebietskörperschaft führen wird.

 

In Ihrer schriftlichen Stellungnahme haben Sie angeführt, Sie seien im Jahr 2003 als Asylant nach Österreich gekommen. Im Jahr 2011 sind Sie aber selbstbestimmt wieder in die Türkei zurückge­kehrt, da Ihnen versichert worden sei, dass es für Ihnen einfacher wäre wieder nach Österreich zu kommen, wenn Sie freiwillig in die Türkei zurückkehren würden. In der Türkei angekommen, haben Sie einen Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung in Österreich gestellt, welches abgelehnt worden sei. Daraufhin haben Sie einen weiteren Antrag gestellt, der wiederum abgelehnt worden sei.

 

Die hs. Niederlassungsbehörde stellt dazu fest, dass Sie nachweislich nicht freiwillig in Ihren Heimatstaat Türkei ausgereist sind. Sie sind von der hs. Fremdenpolizeibehörde am 15. November 2011 in die Türkei abgeschoben worden. Von einer Freiwilligkeit kann daher wohl kaum die Rede sein. Unrichtig ist auch, dass Sie von der öster. Botschaft aus nach Ihrer Ankunft in der Türkei einen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels gestellt haben. Richtig ist, dass Sie vor Ihrer behördlichen Abschiebung am 15.11.2011 am 08.11.2011 bei derhs. Niederlassungsbehörde einen quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG 2005 gestellt haben, der mit rechtskräftigem Bescheid vom 09.01.2012, ZI Sich40-27957-2010, abgewiesen worden ist. Erst am 12. September 2013 haben Sie über die öster. Botschaft in Ankara einen quotenfreien Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" gestellt. Somit entsprechen Ihren Angaben nicht der Wahrheit.

 

In Ihrer schriftlichen Stellungnahme haben Sie angeführt, Sie wollen darauf aufmerksam machen, dass Sie sich von 2003 bis 2011 ohne jegliche Hilfe des Staates in Österreich aufgehalten haben und sich in dieser Zeit weder einer Straftat bezichtigt noch in irgendeiner Weise aufgefallen seien. Zudem haben Sie Ihren Führerschein in Österreich erworben und haben dort auch einen festen Arbeitsplatz gehabt.

 

Dazu wird von der hs. Niederlassungsbehörde angeführt, dass Sie am 15. September 2003 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, der mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylge­richtshofes vom 22.02.2010, ZI E5 253.246-0/2008/08-11E, abgewiesen worden ist. Gleichzeitig sind ist Ihre Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich in die Türkei bestätigt worden. Aus Ihren Versicherungsdatenauszug vom 20.04.2010 und vom 07.11.2011 ist ersichtlich, dass Sie in der Zeit zwischen dem 08.02.2006 bis zum 31.03.2006 als Arbeiter, in der Zeit zwischen dem 03.04.2006 bis einschließlich 07.04.2006 als Arbeiter und in der Zeit zwischen dem 22.05.2006 bis zum 31.10.2006 als Arbeiter beschäftigt gewesen sind. Ab dem 01.11.2006 sind Sie keiner erlaubten Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen. Somit sind auch diese schriftlichen Angaben von Ihnen widerlegt worden.

 

In Ihrer schriftlichen Stellungnahme haben Sie angeführt, Sie möchten betonen, dass Ihre Eltern, Ihre vier Geschwister und Ihre Freundin am wichtigsten seien. In den acht Jahren haben Sie sich sehr an die Lebensweise mit Ihrer Familie und Ihrer Freunde gewöhnt. Nach dem Tod Ihrer Groß­eltern fühlen Sie sich in der Türkei ohne Ihre Familie sehr einsam. Der Gedanke ohne Ihre Familie und ohne meine Freunde zu leben bedrücke Sie psychisch sehr. Sie können nach den acht Jahren in Österreich nicht an ein Leben in der Türkei und an ein Leben ohne Ihrer Familie, Ihrer Freundin und Ihres Freundeskreises denken.

 

Das Einzige was Sie möchten, ist wieder nach Österreich zurückzukehren. In diesem Fall versichern Sie ohne die Unterstützung Ihres Vaters auf eigenen Beinen zu stehen und selbst für sich zu sorgen, indem Sie in kürzester Zeit eine Arbeitsstelle finden werden. In der Zeit, in der Sie

nach einer Arbeit suchen, werden Sie von Ihren Brüdern in Österreich und in Deutschland sowohl finanziell als auch mental unterstützt werden. Sie können aber versichern, dass diese Phase nicht lange andauern werde. Sie hoffen mit Ihrem Schreiben auf Verständnis und Sie hoffen wieder in das Land zurückkehren zu können, indem Sie sich acht Jahre lang sehr wohlgefühlt haben. Sie wollen mit Ihrer Familie, mit Ihrem Freundeskreis und mit Ihrer Freundin glücklich zusammenleben.

 

Zu diesen schriftlichen Angaben wird von der hs. Niederlassungsbehörde festgestellt, dass Sie in den 8 Jahren 6,5 Jahre vorläufig aufgrund Ihres Asylantrages hier in Österreich aufhältig gewesen sind. Mit Bescheid des Bundesasylamtes Außenstelle Linz, ZI 03 28.149, vom 13.09.2004 ist Ihr Asylantrag gemäß §§ 7 u 8 AsylG 1997 abgewiesen und gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 sind Sie aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich ausgewiesen worden. Bereits zu diesem Zeitpunkt musste es Ihnen klar gewesen sein, dass Ihr Aufenthalt hier im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgrund Ihres Asylantrages als unsicher anzusehen war.

 

Laut Angaben Ihres Vaters haben Sie nach Ihrer Abschiebung in die Türkei Ihren Militärdienst abgeleistet. Sie leben seit dem 15.11.2011 durchgehend wieder in der Türkei, Sie sprechen Ihre Muttersprache und sind mit den Sitten und Gebräuchen Ihres Herkunftslandes vertraut. Da Sie laut Ihren eigenen Angaben auch über keine gesundheitliche Beeinträchtigungen haben, können Sie auch in der Türkei erwerbstätig sein. Schließlich wollen Sie auch hier in Österreich eine Erwerbs­tätigkeit ausüben. Nach einem Aufenthalt von fast 2,5 Jahren in der Türkei ist es Ihnen zuzumuten, sich sowohl wirtschaftlich als auch sozial in Ihrem Heimatstaat zu integrieren, zumal Sie keine sprachlichen Barrieren aufweisen. Sie haben auch Ihre Wehrpflicht erfüllt, haben dort auch Ihre Schul- und Berufsausbildung absolviert. Sie sind volljährig. Für eine vollständige Integration in Ihrem Heimatstaat können keine Hindernisse erkannt werden.

 

Die hs. Niederlassungsbehörde verkennt nicht Ihren Wünsch nach Österreich zu Ihrer Familie zuziehen zu wollen. Doch dafür müssen auch die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Es liegt bei Ihnen, diese Voraussetzungen zu erfüllen, es ist somit Ihre Entscheidung.

 

 

Zu Ihrem Privat- und Familienleben wird folgendes festgestellt:

 

Sie sind im Alter von 19,5 Jahren im Februar 2001 illegal hier in das Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist und haben sich bis zu Ihrer Asylantragsstellung am 15.09.2003 illegal hier in Österreich aufgehalten. Betreffend Ihr Asylverfahren wird auf das bereits Gesagte und auf das Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 22.02.2010, ZI E5 253.246-0/2008/-11E, verwiesen. Gegen dieses Erkenntnis haben Sie fristgerecht Beschwerde beim Verfassungsgericht erhoben. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 16.04.2010, ZI U 522/10-2, ist Ihnen die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom

03.11.2011 ist die Behandlung Ihrer Beschwerde abgelehnt worden. Am
15. November 2011 sind sie von der damaligen Fremdenpolizeibehörde in Ihren Heimatstaat abgeschoben worden. Seit diesem Zeitpunkt sind Sie in Ihrem Heimatstaat wieder aufhältig. Ihr illegaler Aufenthalt beträgt somit mehr als 2,5 Jahre. Ihr vorläufiger Aufenthalt begründet sich ausschließlich aufgrund Ihres Asylverfahrens, das in weiterer Folge negativ rechtskräftig beschieden worden ist. Sie haben für das Bundesgebiet der Republik Österreich weder einen Aufenthaltstitel noch eine Niederlassungs­bewilligung noch eine andere Aufenthaltsberechtigung nach § 31 FPG 2005 besessen.

 

Ein tatsächliches Familienleben besteht hier in Österreich aufgrund Ihrer Abschiebung nicht mehr. Sie sind wie bereits angeführt, volljährig und zählen somit auch nicht mehr zur Kernfamilie. Sie sind hier in Österreich auch nicht mit einer Person verheiratet, die hier in Österreich lebt, und Sie haben hier in Österreich auch keine eigenen Kinder. Sie beabsichtigten bei Ihren Eltern, K. H., geb. x und K. L., geb. x, in  V., x Straße Nr. x, zu wohnen. Ihre Eltern wohnen seit dem 11.02.1999 an der angeführten Adresse. Ihr Vater, K. H. besitzt seit dem Jahr 2007 die öster. Staatsbürgerschaft, die Mutter besitzt seit dem 07.04.2009 einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG" (unbefristetes Niederlassungsrecht). Ihre Schwester, K. Ö., geb. x, ist ebenfalls öster. Staatsbürgerin, Ihr Bruder, K. A., geb. x, türk. StA. ist nach seinem Asylverfahren am 02.04.2010 von der damaligen Fremdenpolizeibehörde zurückgeschoben worden. Seit dem 05.09.2012 ist er bis dato rechtmäßig hier im Bundesgebiet der Republik Österreich niedergelassen. Sowohl Ihre Schwester als auch Ihr Bruder wohnen nicht bei Ihren Eltern.

 

Aus Ihren Versicherungsdatenauszug vom 20.04.2010 und vom 07.11.2011 ist ersichtlich, dass Sie in der Zeit zwischen dem 08.02.2006 bis zum 31.03.2006 als Arbeiter, in der Zeit zwischen dem 03.04.2006 bis einschließlich 07.04.2006 als Arbeiter und in der Zeit zwischen dem 22.05.2006 bis zum 31.10.2006 als Arbeiter beschäftigt gewesen sind. Ab dem 01.11.2006 sind Sie keiner erlaubten Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen.

 

Bedenkt man, dass Sie in einer der bekanntesten Tourismusregion Österreichs - Salzkammergut, Attersee Region - gelebt haben, ist es für die hs. Niederlassungsbehörde nicht nachvollziehbar, warum Sie während Ihres Asylverfahrens keine längere Erwerbstätigkeit ausgeübt haben. Gerade im Bereich der Gastronomie und im Bereich der Land- und Forstwirtschaft werden immer wieder Arbeitskräfte gesucht. Asylwerber hätten nämlich die Möglichkeit während Ihres Asylverfahrens in diesen Bereichen eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Doch diese Chance haben Sie nicht genutzt. Sie haben sich während Ihres asylrechtlichen Aufenthaltes weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht integriert, obwohl Ihnen dies möglich und zumutbar gewesen wäre. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, für sich selbst zu sorgen. Angeführt wird auch, dass Sie in der Türkei als

landwirtschaftlicher Helfer tätig gewesen sind. Somit hätten Sie die Chance gehabt, sich weiterbilden zu können. Eine Berufsaus- oder -Weiterbildung haben Sie hier in Österreich während Ihres vorläufigen Aufenthaltes nicht gemacht.

 

Da Sie auch keinen gültigen und verbindlichen Arbeitsvertrag bis dato vorgelegt haben, unter­mauert dieser Umstand die Ansicht der hs. Niederlassungsbehörde, dass Sie sich nicht wirklich am Arbeitsmarkt integrieren wollen. Ansonsten hätten Sie mit Ihrer schriftlichen Stellungnahme einen neuen und verbindlichen Arbeitsvertrag vorlegen können. Dies ist jedoch nicht der Fall gewesen.

 

Sie haben am 31. August 2011 die positive Deutschprüfung Niveau A 2 abgelegt. Eine sprachliche Integration ist damit vorhanden.

 

Eine entsprechende soziale Integration liegt bei Ihnen ebenfalls nicht vor, da sich bis dato keine Personen wie etwa Freunde, Bekannte, etc. für Ihren Aufenthalt hier in Österreich eingesetzt haben.

 

Sie selbst sind strafrechtlich unbescholten. Dieses Vorbringen kann nicht zu Ihren Gunsten aus­schlagen, weil dieser Umstand weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung des öffentlichen Interesses zur Folge hat. Aus demselben Grund versagt auch Ihr Vorbringen, dass Sie dem Staat nicht finanziell zur Last fallen sind bzw. fallen werden (vgl. VwGH vom 28.05.1998, 97/18/0663, VwGH 23.07.1998, 98/18/0203).

 

Betreffend der Bindungen in Ihrem Heimatstaat wird von der hs. Niederlassungsbehörde festge­stellt, dass Sie laut Ihren eigenen Angaben im Asylverfahren mit K. H., geb. x, whft in der Türkei, F., verheiratet sind. Sie haben angegeben, dass ein Scheidungsverfahren anhängig sei. Bis dato haben Sie der hs. Niederlassungsbehörde keine Scheidungsurkunde vorgelegt, aus der ersichtlich ist, dass Sie tatsächlich geschieden sind. In Ihrem Erstantrag vom 12. September 2013 haben Sie angegeben, Sie seien ledig. Aufgrund Ihrer Aufenthaltsdauer von 2,5 Jahren in der Türkei und aufgrund des Umstandes, dass Sie auch Ihren Wehrdienst in der Türkei abgeleistet haben, ist anzunehmen, dass Sie sich bereits wieder ein entsprechendes soziales Netzwerk, Freunde, Bekannte, etc. in der Türkei aufgebaut haben. Da Sie auch die Heimatsprache sprechen, ist jedenfalls eine soziale Integration als realistisch anzusehen. Sie sind in einem erwerbsfähigen Alter und leiden an keiner Krankheit bzw. weisen laut Ihren eigenen Angaben keine Gesundheitsbeeinträchtigungen auf. Somit ist es Ihnen auch zuzumuten, sich sowohl wirtschaftlich als auch beruflich in der Türkei zu integrieren. Es sprechen keine Gründe da­gegen, warum diese Integration nicht gelingen kann bzw. gelungen ist. Aus den angeführten Gründen bestehen nach wie vor Bindungen zu Ihrem Heimatstaat. Sie leben schließlich nach wie vor auch in der Türkei.

Deutlich angeführt wird, dass Ihr Familienleben zu einem Zeitpunkt in Österreich entstanden ist, wo Sie sich nachweislich über Ihren unsicheren Aufenthalt bewusst gewesen sind. Bereits mit Bescheid des Bundesasylamtes Außenstelle Linz vom 13.09.2004, ZI 03 28.149, ist Ihnen nachweislich zur Kenntnis gebracht worden, dass Sie aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich in die Türkei ausgewiesen werden. Ab diesem Zeitpunkt haben Sie nicht mehr darauf vertrauen können, dass Sie hier in Österreich ein Aufenthaltsrecht erlangen werden. Somit steht eindeutig fest, dass Ihr Privatleben tatsächlich erst nach dem Ihnen der Bescheid zugestellt worden ist, entstanden ist.

 

 

Die hs. Niederlassungsbehörde schließt ein Organisationsverschulden ihrerseits zur Gänze aus.

 

Faktum ist, dass Ihr Vater eine notariell beglaubigte Haftungserklärung am 05.12.2013 bei der hs. Niederlassungsbehörde abgegeben hat. Wie umseits bereits festgestellt, ist die abgegeben und notariell beglaubigte Haftungserklärung für Sie nicht tragfähig. Faktum ist auch, dass Ihr Vater bereits für Ihren Bruder, K. A., geb. x, türk. StA., eine notariell beglaubigte Haftungserklärung abgegeben hat. Somit haftet Ihr Vater sowohl für Sie als auch für Ihren Bruder. Aufgrund des Sachverhaltes, da in Ihrem Fall eine besondere Erteilungsvoraussetzung fehlt, ist von einer Prüfung hinsichtlich Ihres Privat- und Familienlebens nicht Bedacht zu nehmen.

 

Die Tragfähigkeit einer notariell beglaubigte Haftungserklärung stellt eine besondere Erteilungs­voraussetzung nach § 47 Abs. 3 NAG dar. Laut Erkenntnis des VwGH vom 22.09.2009, ZI 2009/22/0169, ist der Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3 NAG nicht erfasst in Fällen, in denen eine besondere Erteilungsvoraussetzung fehlt. Auch nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. I 29/2009 besteht keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzugehen. Nach den Erläuterungen zur RV zu § 11 NAG bewirken „die vorgeschlagenen Ergänzungen keine inhaltliche Änderung der Rechtslage, weil die verfassungs- und menschenrechtliche Schranke des Art. 8 MRK unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur von den Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörden bereits jetzt zu beachten ist. Es wird keine zusätzliche formelle oder inhaltliche Änderung der Prüfung geschaffen". Es lag somit nicht in der Intention des Gesetzgebers, die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 3 NAG auszuweiten.

 

 

Aus den angeführten Gründen ist spruchgemäß entschieden worden.

 

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde des Bf vom 31. März 2014:

 

Begründet wird die gegenständliche Beschwerde wie folgt:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat in dem oben genannten Bescheid meinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit den. folgenden Begründungen abgelehnt:

a)    Kein wirksamer Arbeitsvertrag

b)    Unzureichende Haftungserklärung meines Vaters H. K.,
geb. x

 

 

Die Begründung, dass die Einstellungszusage von F. K. nicht tragbar ist und ein „Freundschaftsdienst" sein sollte, erachte ich als unzutreffend und der Wirklichkeit nicht entsprechend. Einen Beweis, dass ich in einer Firma mit dem Geschäftsleiter Herrn F. K., geb. x gearbeitet habe, lege ich Ihnen mit einem Versicherungsnachweis bei. Nachdem ich „freiwillig" in die Türkei zurückgekehrt bin, hat Herr F. K. seine Firma aus mir unbekannten Gründen, aufgelöst. Die Auflösung seiner Firma kann man mir nicht als „Erschleichung der Aufenthaltstitels" vorgeworfen werden.

Zudem kann man nicht von einer sich im Ausland befindenden Person erwarten, dass er eine Arbeitsstelle finden soll. Es liegt zur Hand, dass keine Firma einen sich im Ausland befindende Person als Arbeiter einstellen oder dies gar versprechen möchte. Um einen Arbeitsplatz finden zu können, muss einem die Gelegenheit gegeben werden, sich den Firmen vorzustellen. Dies kann aber nicht zustande kommen, wenn man sich im Ausland befindet.

 

Desweiteren möchte ich noch anmerken, dass ich freiwillig in die Türkei zurückgekehrt bin, weil mir von der Bezirkshauptmannschaft versichert worden ist, auf diese Weise einfacher einen Aufenthaltstitel für die Rückkehr nach Österreich zu erlangen. Bis jetzt ist mir eine Vereinfachung und ein Entgegenkommen Ihrerseits nicht aufgefallen.

 

An die Stelle der unzureichenden Haftungserklärung meines Vaters H. K., geb. x. möchte ich meinen Bruder O. K., x als Haftungserklärer angeben. Mein Bruder ist alleinlebend, wohnhaft in x-Str. x. V. und arbeitet in der Firma M. GmbH. Nach der Berechnung des oben genannten Bescheids sollte das Einkommen meines Bruders sowohl für ihn als auch für mich ausreichen. Benötigte Unterlagen können von meinen Bruder angefordert werden.

 

Ich bitte um Überprüfung der neuen Sachlage.

 

 

 

3. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den mit Schreiben vom 15. Mai 2014 von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vorgelegten Verwaltungsakt. Aus dem Verwaltungsakt ließ sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt widerspruchsfrei feststellen.

 

Die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 NAG entfallen, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt völlig unbestritten feststeht, lediglich eine Rechtsfrage zu klären war und im Übrigen die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung auch nicht beantragt wurde.

 

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von dem unter den Punkten I. 1. und I. 2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus.

 

 

II.

 

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt und insbesondere auch aus der Beschwerde, weshalb eine detaillierte Beweiswürdigung unterbleiben konnte.

 

 

III.

 

1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B VG erkennen ab 1. Jänner 2014 die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

1.2. Gemäß § 47 Abs. 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 40/2014, ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.

 

Gemäß § 47 Abs. 3 NAG kann Angehörigen von Zusammenführenden auf Antrag eine „Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

1. Verwandte des Zusammenführenden, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird,

2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird oder

3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben,

b) die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.

 

2. Im vorliegenden Fall wies die belangte Behörde den in Rede stehenden Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Angehöriger gemäß § 47 Abs. 3 NAG als unbegründet ab; dies im Wesentlichen deshalb, weil der Bf mangels eigener Mittel für die Existenzgrundlage weder eine tragbare Einstellungszusage noch eine tragbare Haftungserklärung seines Vaters vorweisen konnte. Es ist nun vorweg anzuführen, dass unabhängig vom Zustandekommen der umstrittenen Einstellungszusage, der Bf nunmehr selbst nicht mehr auf diese reflektiert, weshalb sie in der Erörterung außer Betracht bleiben kann. Weiters akzeptiert der Bf auch den Umstand, dass das Einkommen seines Vaters eine tragbare Haftungserklärung nicht zulässt. Im Gegenzug dazu legt er aber eine Haftungserklärung (nicht notariell beglaubigt) seines Bruders vor, die auf 5 Jahre gelten soll, wobei aber keine näheren Details über das monatliche Einkommen des Bruders angeführt sind. 

 

3.1. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 9 NAG ist Familienangehöriger, wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie). (...) 

 

3.2. Es ist nun unbestritten, dass der Bf nicht unter diese Legaldefinition fällt, weshalb § 47 Abs. 2 NAG, der ja die Eigenschaft eines „Familienangehörigen“ fordert, nicht zur Anwendung gebracht werden kann.

 

4.1. Es wäre also – der belangten Behörde folgend - § 47 Abs. 3 NAG einschlägig.

 

Von den besonderen Voraussetzungen dieser Bestimmung scheiden – ohne vorerst auf das Vorliegen der Voraussetzungen des 1. Teiles einzugehen – Z. 1 und 2 per se aus, da der Bf weder mit seinem Vater noch mit seinem Bruder als in Frage kommende Zusammenführende in gerader aufsteigender Linie verwandt und auch nicht Lebenspartner derselben ist.

 

Z. 3 wiederum sieht 3 in Frage kommende alternativen für sonstige Angehörige vor. Es sind dies Personen, die 

a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben,

b) die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.

 

4.2. Der Vater des Bf, der schon bisher als Zusammenführender angegeben wurde, ist – wie dargestellt – nicht in der Lage für eine entsprechende finanzielle Absicherung des Aufenthalts seines Sohnes im Bundesgebiet zu sorgen. Nach dem letzten Satz des § 47 Abs. 3 NAG muss es aber der Zusammenführende sein, der die Haftungserklärung notariell beglaubigt abzugeben hat. Der Vater des Bf kommt sohin nicht zielführend in Frage.

 

Man könnte die Beschwerdeausführungen dahingehend interpretieren, dass der Bf nunmehr seinen Bruder (nach seinen Angaben ebenfalls österreichischer Staatsbürger) als Zusammenführenden betrachtet haben will. Damit wäre aber für ihn nichts gewonnen. Der Bruder hat ihn nämlich bisher nicht im Herkunftsland unterstützt (dahingehend finden sich keinerlei Hinweise im Sachverhalt). Auch lebt der Bruder in Österreich und nicht – wie der Bf – in der Türkei. Ferner liegen keine Hinweise auf eine wie immer geartete Pflegebedürftigkeit des Bf im Sinne des § 47 ABs. 3 Z. 3 lit. c NAG vor.

 

5. Es ist nun aber laut herrschender Rechtsprechung nicht zulässig, das Fehlen der besonderen Voraussetzungen durch eine Interessensabwägung im Sinne des § 11 Abs. 3 NAG zu kompensieren, weshalb eine solche hier auch nicht vorzunehmen ist. Auch eine Erörterung des Vorliegens der Voraussetzungen nach dem 1. Teil des NAG, das kumulativ zu dem der besonderen Voraussetzungen gefordert ist, konnte entfallen.

 

6. Es war daher im Ergebnis die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Bernhard Pree