LVwG-600430/2/Zo/SA

Linz, 17.09.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde des Herrn R O, geb. x, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. M H, W, vom 30.7.2014 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Linz-Land, vom 15.7.2014, GZ: VerkR96-19879-2014, wegen einer Übertretung der StVO

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.          Der Beschwerde gegen die Strafhöhe wird teilweise stattgegeben und die verhängte Geldstrafe auf 600 Euro sowie Ersatzfreiheitsstrafe auf 160 Stunden herabgesetzt.

 

 

II.         Die Kosten des behördlichen Verfahrens reduzieren sich auf 60 Euro, für das Beschwerdeverfahren sind keine Kosten zu bezahlen.

 

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat dem Beschwerdeführer im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er am 5.6.2014 um 20.14 Uhr mit dem Pkw mit dem tschechischen Kennzeichen X in Pucking auf der A1 bei km 175.362 die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 88 km/h überschritten habe. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Zif. 10a StVO begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 2e StVO eine Geldstrafe in Höhe von 728 Euro sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 196 Stunden verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrens-kostenbeitrages in Höhe von 72,80 Euro verpflichtet. Er wurde darauf hingewiesen, dass die von Beamten der Autobahnpolizeiinspektion H wegen dieses Vorfalles eingehobene Sicherheitsleistung von 800 Euro dem Strafbetrag samt Verfahrenskosten angerechnet wird, weshalb eine Einzahlung der Geldstrafe nicht mehr erforderlich ist.

 

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde, welche sich ausschließlich gegen die Strafhöhe richtet, machte der Beschwerdeführer zusammengefasst geltend, dass die Behörde sich bei der Strafbemessung nicht an den Grundsätzen des § 19 VStG orientiert habe. Der Beschwerdeführer habe sich auf der Rückreise befunden und müsse die Geschwindigkeitsüberschreitung auf diesem an sich gut ausgebauten und eher schwach frequentierten Abschnitt der Autobahn übersehen haben. Er habe nach der Anhaltung die Übertretung auch sofort zugegeben. Sein Verschulden bestehe lediglich in einem Versehen, was genauso wie seine geständige Verantwortung bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sei. Es handle sich bei dieser Geschwindigkeitsüberschreitung auch um einen Einzelfall.

 

Die Behörde habe auch seine finanziellen Verhältnisse nicht konkret gewürdigt. Er verdiene als Angestellter eines tschechischen Unternehmens 636 Euro, sei für seine minderjährige Tochter sorgepflichtig und müsse als Folge der Scheidung einen Kredit zurückzahlen. Selbst wenn man die Kredit- und Unterhalts-verpflichtungen nicht berücksichtigen würde, liege sein Einkommen bei nur ca. 70 % des in Österreich gültigen Existenzminimums.  Die Behörde habe nicht berücksichtigt, dass die von ihr verhängte Strafe in Höhe von insgesamt 800 Euro bei einem Lenker mit einem durchschnittlichen inländischen Einkommen (also über 1.800 Euro) möglicherweise angemessen sei, jedoch keinesfalls bei seinen ungünstigen finanziellen Verhältnissen. Die Geldstrafe betrage 130 % seines Nettoeinkommens und erscheine existenzbedrohend.

 

Die gängige Praxis, die eingehobene Sicherheitsleistung bei der Bemessung der Geldstrafe stets auszuschöpfen, erscheine zwar verständlich, dürfe aber nicht die gesetzlichen Strafbemessungskriterien ad absurdum führen. Die von der Exekutive eingehobene Sicherheitsleistung könne weder die Bestimmungen des  § 19 VStG berühren noch könnten übliche Strafsätze für derartige Übertretungen vorgegeben werden, wenn diese die Einkommenssituation des Betroffenen völlig außer Acht lassen. Aufgrund seiner finanziellen Situation würde auch eine Geldstrafe von 300 Euro eine ausreichende spezialpräventive Wirkung entfalten.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Beschwerde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergab sich dessen Zuständigkeit, wobei es durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter zu entscheiden hat (§ 2 VwGVG).

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze und die Beschwerde ist lediglich gegen die Strafhöhe gerichtet, weshalb von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen wurde (§ 44 Abs. 3 Z. 2 VwGVG). Eine solche wurde auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Beschwerdeführer lenkte zur Vorfallszeit den im Spruch angeführten Pkw auf der A1 Westautobahn. Er hielt im Bereich einer 100 km/h-Beschränkung eine tatsächliche Geschwindigkeit von 188 km/h ein. Er rechtfertigte sich bei der Anhaltung dahingehend, dass er das Tempo übersehen habe und ihm der Vorfall leid tue. Von den Polizeibeamten wurde eine vorläufige Sicherheit in Höhe von 800 Euro eingehoben.

 

Im Verfahren gestand der Beschwerdeführer die Übertretung ein und ersuchte unter Hinweis auf seine ungünstigen (in Punkt 2 dargestellten) finanziellen Verhältnisse um eine niedrige Bestrafung. Daraufhin erließ die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land das oben angeführte Straferkenntnis und verhängte eine Strafe, welche einschließlich der Verfahrenskosten praktisch genau der eingehobenen Sicherheitsleistung entsprach. Der Bw ist aktenkundig unbescholten.

 

5. Darüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Vorerst ist festzuhalten, dass sich die Beschwerde nur gegen die Strafhöhe richtet. Der Schuldspruch der gegenständlichen Übertretung ist daher in Rechtskraft erwachsen und es ist lediglich die Strafbemessung zu überprüfen.

 

5.2. Gemäß § 19 Abs.1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungs-strafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Gemäß § 99 Abs. 2e StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 150 Euro bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 48 Stunden bis zu 6 Wochen zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschreitet.

 

Die Verwaltungsbehörde hat zutreffend die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als strafmildernd berücksichtigt und die Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um wesentlich mehr als 50 km/h als erschwerend gewertet. Da die (strengere) Strafnorm des § 99 Abs. 2e StVO bereits ab einer Überschreitung von 51 km/h anzuwenden ist, der Beschwerdeführer die Geschwindigkeit jedoch um 88 km/h überschritten hat, ist der Unrechtsgehalt der Übertretung außergewöhnlich hoch, weshalb mit der gesetzlichen Mindeststrafe bei Weitem nicht das Auslangen gefunden werden kann.

 

Auch das Verschulden des Beschwerdeführers kann entgegen seinem Vorbringen nicht als geringfügig angesehen werden, weil er nicht nur die 100 km/h-Beschränkung sondern auch die allgemein auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h ganz wesentlich überschritten hat. Selbst wenn er tatsächlich das Verkehrszeichen betreffend die Geschwindigkeits-überschreitung übersehen hätte, so hätte ihm doch jedenfalls seine massive Geschwindigkeitsüberschreitung auffallen müssen. Sein Tatsachengeständnis kann nur einen geringfügigen Milderungsgrund bilden, weil die Übertretung aufgrund der Feststellung mit einem geeichten Messgerät ohnedies objektiv bewiesen ist (vgl. VwGH vom 24.4.1996, 95/03/0306).

 

Sowohl aus general- als auch aus spezialpräventiven Überlegungen ist daher die Verhängung einer hohen Geldstrafe erforderlich. Dennoch kommt dem Beschwerdevorbringen zumindest teilweise Berechtigung zu. Der Beschwerdeführer verfügt über ein (nach österreichischen Verhältnissen) deutlich unterdurchschnittliches Einkommen, hat Sorgepflichten für ein Kind und erhebliche Schulden. Unter Berücksichtigung dieser finanziellen Situation erscheint die von der Behörde verhängte Geldstrafe zu hoch. Auch die nunmehr herabgesetzte Strafe erscheint ausreichend, um den Beschwerdeführer in Zukunft zur Beachtung der Geschwindigkeitsbeschränkungen anzuhalten. Auch generalpräventive Überlegungen sprechen nicht gegen die Herabsetzung der Strafe. Letztlich ist auch das Beschwerdevorbringen dahingehend zutreffend, dass sich die Behörde bei ihrer Strafbemessung ausschließlich an § 19 VStG zu orientieren hat, nicht aber an der Höhe der von einem Polizeibeamten eingehobenen vorläufigen Sicherheit.

 

 

Zu II.:

Die Kosten für das behördliche Verfahren ergeben sich aus § 64 VStG, für das verwaltungsgerichtliche Verfahren sind gemäß § 52 VwGVG keine Kosten zu bezahlen.

 

 

Zu III.:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Strafbemessung ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs-gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Beschwerde bzw. Revision ist durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l