LVwG-600338/12/Bi/CG

Linz, 01.10.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn DI Dr. U. P., V.gasse, St. P., vom 18. Mai 2014 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf/Krems vom 5. Mai 2014, VerkR96-2835-2013, wegen Übertretung der StVO 1960 aufgrund des Ergebnisses der am 25. September 2014 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

II.

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren.

 

 

III.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.2d StVO 1960 eine Geldstrafe von 120 Euro (48 Stunden EFS) verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs.1 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von 12 Euro auferlegt.  

Im Schuldspruch wurde ihm zur Last gelegt, er habe am 15. März 2014, 15.58 Uhr, mit dem Pkw W-.. auf der A9 bei km 52.695, Gemeindegebiet S., in Fahrtrichtung W. die auf Autobahnen zulässige Höchst­geschwindigkeit von 130 km/h um 40 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden sei.

 

2. Dagegen hat der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die seitens der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landes-verwaltungsgericht vorgelegt wurde und über die gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden ist. Am 25. September 2014 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Bf, des Meldungslegers (Ml) GI T., API K., und des kfz­technischen Amtssachverständigen (SV) Dipl.HTL-Ing. H. durchge­führt. Der Vertreter der belangten Behörde war entschuldigt. Das Erkenntnis wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bf rügt im Wesentlichen, er verstehe nicht, warum die belangte Behörde dem Beamten Glauben geschenkt habe, und sein Einspruch nicht glaubwürdig sein sollte. Dieser habe auch keinen objektiven Beweis vorlegen können, wobei auch Diensteid und Wahrheitspflicht einen Irrtum nicht kategorisch ausschließen könnten. Weder die Beamten noch er könnten einen objektiven Beweis vorlegen, daher stehe Aussage gegen Aussage. Er könne auch nicht nachvollziehen, warum über seinen Einspruch wieder dieselbe Behörde entschieden habe.

Das ihm gezeigte Messgerät verfüge weder über Video noch über Fotoauf­zeichnung, daher gebe es keine objektive Zuordnung zum von ihm gelenkten Fahrzeug. Ihm seien im Berufsleben auch schon Irrtümer unterlaufen, daher sei der Hinweis auf einen geschulten Beamten objektiv nicht haltbar.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der der Bf gehört, die schriftlichen Ausführungen der belangten Behörde berücksichtigt, der Ml unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 288 StGB zeugenschaftlich einver­nommen, der Eichschein des verwendeten Lasermessgerätes der Bauart TruSpeed Nr.3075 sowie das vom Ml bereits der belangten Behörde vorgelegte Messprotokoll erörtert, ein Ortsaugenschein am damaligen Standort des Ml mit einer Demonstration der Lasermessung durchgeführt und auf dieser Grundlage ein kfztechnisches SV-Gutachten durch den AmtsSV erstellt wurde.

 

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der Bf zum im Spruch genannten Zeitpunkt den angeführten Pkw auf der A9 in Richtung Wels lenkte. Es regnete leicht, er befuhr den rechten der beiden Fahrstreifen, wobei er den Verkehr als aufgelockert beschrieb und bestätigte, alle Fahrzeuge seien damals rechts gefahren; einen genauen Abstand zum vor ihm fahrenden Pkw konnte er nicht angeben, es sei ein auf Autobahnen üblicher gewesen.

Der Ml saß auf dem Lenkersitz eines bei km 52.236 abgestellten Blaulichtfahrzeuges – hier befindet sich die Autobahnauffahrt Gleinkerau, wobei im Grünstreifen bei der Einmündung in die RFB Wels eine Schotterfläche zum Abstellen des Polizeifahrzeuges im rechten Winkel zur RFB besteht und in der Leitschiene die genaue Kilometrierung des Standortes markiert ist.

Der Ml begann laut Messprotokoll am 15. März 2014 um 15.51 Uhr nach Durchführung der Einstiegstests mit der Messung der aus Richtung S. aus einer leichten Kurve ankommenden Fahrzeuge mit dem Lasergeschwindig­keitsmessgerät der Bauart TruSpeed mit der IdentifikationsNr. 3075, zuletzt vorher geeicht vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen am 19. Dezember 2013 mit Nacheichfrist bis 31. Dezember 2016. Der Ml zeigte beim Ortsaugenschein seine handschriftlichen Aufzeichnungen, die in Protokollform gehalten waren und Alternativen zum Ankreuzen enthielten. Er gab an, wenn sich auf dem rechten Fahrstreifen vor dem Pkw des Bf ein Fahrzeug befunden habe, sei es in einem solchen Abstand zum Bf gefahren, dass es bei Messung des Pkw des Bf schon an ihm vorbeigefahren gewesen sei, da bei der Messung im Messbereich sich außer dem des Bf kein weiteres Fahrzeug befunden habe. Bei seinen handschriftlichen Aufzeichnungen sind beide Alternativen angekreuzt, nämlich „kein weiteres Fahrzeug im Messbereich“ und „alleine“. Letzteres ist unterstrichen, ersteres mehrmals durchgestrichen, was der Ml damit begründet hat, er habe irrtümlich zunächst die erste Alternative angekreuzt.

Bei den Einstiegstests hat sich ergeben, dass der Ml nach dem Einschalten des Gerätes mit Prüfung der Displayanzeigen für die Gerätefunktionskontrolle einen in Richtung S. aus seiner Sicht links im Abstand von 366 m befindlichen Vorwegweiser von hinten so anvisiert hat, dass er ihn für die Vertikal- und die Horizontalmessung etwa in der Tafel-Mitte anvisiert und die Signaltöne des Lasermessgerätes auf Übereinstimmung mit seinem optischen Eindruck geprüft hat. Laut SV sollte gemäß der Bedienungsanleitung die Tafel an den Kanten und Ecken anvisiert werden, da bei Anvisieren der Fläche eine Abweichung zwischen Visierpunkt und Laserstrahl möglich ist, der beim Visiertest nicht bemerkt wird. Beim Anvisieren einer Fläche ändert sich der Signalton des Lasermessgerätes wegen des gleichbleibenden Lasermessstrahls naturgemäß nicht, beim Anvisieren einer Kante ändert sich der Ton beim Verlieren der Kante, dh der Messbeamte kann hören, wenn er die anvisierte Tafel „verliert“.

Laut Punkt 2.5 der Verwendungsbestimmungen ist ua „vor Beginn der Messungen an einem neuen Aufstellungsort die einwandfreie Zielerfassung in horizontaler und vertikaler Richtung unter Verwendung der vorgesehenen Testprozedur gegen ein allseits scharf gegen den Hintergrund abgegrenztes Ziel entsprechend der Bedienungsanleitung zu prüfen“. Weiter heißt es dort: „Wenn diese Bedingungen nicht eingehalten werden, gilt der Laser-Verkehrs­geschwindigkeitsmesser als fehlerhaft und darf nicht weiter verwendet werden.“

 

Zusammenfassend führte der SV aus, dass der Visiertest im ggst Fall nicht gemäß den Verwendungsbestimmungen durchgeführt wurde, wobei er lediglich dann eine leichte Zielabweichung für nicht schlagend hielt, wenn sich tatsächlich kein weiteres Fahrzeug neben dem Fahrzeug des Bf befunden hat. Ein Fahrzeug im Gegenverkehr wäre dabei irrelevant, weil auf der Displayanzeige ein eventuell erzielter Geschwindigkeitswert eines im abfließenden Verkehr gemessenen Fahrzeuges durch ein „Minus“ vor dem Wert erkennbar wäre und sich bei wider­streitenden Messungen eine Error-Anzeige ergeben würde. In der ggst Situation – die Fahrzeuge kommen aus einer leichten Kurve auf den Ml zu – wäre es nicht auszuschließen, dass sich auf der linken Spur hinter dem Fahrzeug des Bf ein in gleicher Richtung fahrendes Fahrzeug befunden hat, das sich „nicht im Messbereich“, dh laut Ml nicht zwischen ihm und dem anvisierten Pkw des Bf  befunden hat und deshalb von diesem nicht beachtet und vom Bf nicht bemerkt wurde. Tatsächlich könnte sich ein Pkw links versetzt hinter dem Pkw des Bf in einer Position innerhalb der Kurve befunden haben, dem der Messwert zuzuordnen war. Der Ml konnte letztlich mangels konkreter Erinnerung nicht betätigen, dass der Pkw des Bf tatsächlich „alleine“ im für ihn einsehbaren Abschnitt der RFB W. war. 

 

In rechtlicher Hinsicht ist aufgrund der wegen der fehlerhaften Zielerfassungs­kontrolle für den Ml nicht bemerkbaren möglichen Zielabweichung aus den obigen Überlegungen nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass der Ml tatsächlich mit dem roten Laserpunkt den Pkw des Bf im Frontbereich irgendwo zwischen den Schein­werfern anvisiert hat – der Messkegel hat bei der vom Ml angegebenen Messentfernung von 459 m eine Aufweitung von 1,37 m – jedoch der Messwert „176“ tatsächlich nicht dem anvisierten sondern einem hinter dem Pkw des Bf fahrenden Fahrzeug zuzuordnen ist. Bei den widersprüchlichen handschriftlichen Auf­zeichnungen („nicht im Bereich zwischen dem Ml und dem anvisierten Fahrzeug“ ist nicht gleichzusetzen mit „alleine“) ist durchaus denkbar, dass der Ml der Meinung war, er habe den vom Bf gelenkten Pkw gemessen, und sich bei der Nachfahrt und Anhaltung auf diesen konzentriert. Der Bf bestritt bereits bei der Anhaltung eine Geschwindigkeit von 176 km/h, gestand maximal eine solche  von höchstens 155 km/h zu und bezweifelte eine einwandfreie Zuordnung zu seinem Pkw. Aufgrund der fehlerhaften Zielerfassungskontrolle ist eine einwandfreie Zuordnung nicht mit letzter Sicherheit möglich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß auch keine Verfahrenskosten anfallen.   

 

 

Zu II.:

Gemäß § 52 Abs.8 VwGVG entfällt die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren.

 

Zu III.:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger