LVwG-780020/14/Gf/Rt

Linz, 01.10.2014

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des Ing. W, vertreten durch RA Dr. L, gegen eine am 30. Juni 2014 vorgenommene, auf das Sicherheitspolizeigesetz gegründete Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Anordnung eines Betretungsverbotes) durch Exekutivorgane des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen

 

 

z u  R e c h t  e r k a n n t:

 

 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2  VwGVG insoweit stattgegeben, als die über 48 Stunden hinausgehende weitere Aufrechterhaltung des verhängten Betretungsverbotes als rechtswidrig festgestellt wird.

 

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Grieskirchen) hat dem Beschwerdeführer gemäß § 35 VwGVG i.V.m. § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung Kosten in einer Höhe von insgesamt 1.659,60 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

IV. Das Verhandlungsprotokoll (ONr. 13 des hg. Aktes) wird zum integrierenden Bestandteil der Begründung dieses Erkenntnisses erklärt.

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.

1.1. Mit Schriftsatz vom 8. August 2014 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass gegen ihn am 30. Juni 2014 seitens der Polizeiinspektion N (im Folgenden: PI) ein Betretungsverbot in Bezug auf sein Wohnhaus ausgesprochen worden sei. Grund hierfür sei eine Anzeige seiner beiden Töchter gewesen, wonach er diese am 27. Juni 2014 nach einer Auseinandersetzung über Unterhalts- und Taschengeldkürzungen im Gefolge eines laufenden Scheidungsverfahrens gefährlich bedroht haben soll.

 

Da er jedoch zu keinem Zeitpunkt gegenüber seinen Familienmitgliedern körperliche oder seelische Gewalt ausgeübt habe und die Wegweisung zudem ohne seine vorherige Anhörung ausgesprochen worden sei, erhebe er gegen dieses widerrechtliche behördliche Vorgehen eine (hg. am 8. August 2014 eingelangte und damit rechtzeitige) auf Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B‑VG i.V.m. § 88 des Sicherheitspolizeigesetzes gestützte Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich, zumal in der Folge der Antrag seiner Gattin und seiner Töchter auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung gemäß § 382 EO vom BG Grieskirchen als unbegründet abgewiesen worden sei.

 

1.2. Mit Schreiben vom 26. August 2014, Zl. Sich20-205-2014, hat die belangte Behörde den do. Bezug habenden Akt vorgelegt; eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

 

1.3. Mit Eingabe vom 29. August 2014 hat der Beschwerdeführer den Beschluss des BG Grieskirchen vom 18. Juli 2014, 8 C 37/14s-9, nachgereicht, mit dem der Antrag der Töchter des Rechtsmittelwerbers auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung dahin, dem Beschwerdeführer weiterhin die Rückkehr in seine Wohnung zu verbieten, abgewiesen wurde.

 

 

II.

 

 

Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen zu Zl. Sich20-2014 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 26. September 2014, zu der als Partei Ing. W und dessen Rechtsvertreter RA Dr. L sowie der Zeuge AI S erschienen sind.

 

1. Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

 

Am 30. Juni 2014 zwischen 14:00 Uhr und 14:15 Uhr erschienen die beiden sechzehnjährigen Töchter des Beschwerdeführers mit deren Mutter in der PI N und teilten dem Zeugen mit, dass sie am 27. Juni 2014 von ihrem Vater gefährlich bedroht worden seien und sie sich dadurch in Furcht und Unruhe versetzt gefühlt hätten; diese Furcht und Unruhe sei auch zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung noch vorgelegen.

 

Auf näheres Nachfragen gaben die drei Frauen an, dass sie zuvor bei jenem Rechtsanwalt, der die Mutter im damals laufenden Scheidungsverfahren vertrat, vorgesprochen hätten und dieser ihnen zur Anzeigeerstattung geraten habe. Konkret habe die gefährliche Drohung des Rechtsmittelwerbers darin bestanden, dass er seine beiden Töchter in deren Zimmer angeschrien und eine von ihnen an deren Schulter gegen eine Wand gedrückt hätte. Wenngleich dies zu keinen Verletzungen geführt habe, hätten sich dadurch aber beide in Angst und Unruhe versetzt gefühlt und dieser Zustand dauere bei ihnen auch gegenwärtig noch an.

 

Aus der Sicht des Zeugen war auf Grund dieser Aussage der Tatbestand der Gefährlichen Drohung i.S.d. § 107 Abs. 1 StGB erfüllt, sodass er eine entsprechende Anzeige an die Staatsanwaltschaft erstattete. Außerdem sprach er gegen den Beschwerdeführer, den er allerdings erst um ca. 18:30 Uhr dieses Tages telefonisch erreichen konnte, ein Betretungsverbot für das gemeinsame Wohnhaus der Familie (Str., N) aus. Die vom Rechtsmittelwerber dagegen vorgebrachten Einwände wurden von ihm zur Kenntnis genommen, aber in der Sache nicht berücksichtigt.

 

Hierauf kontaktierte der Beschwerdeführer telefonisch seine beiden Töchter, die ihm in diesem Zusammenhang erklärten, dass sie ihm mit dieser Anzeige in erster Linie einen Denkzettel verpassen wollten.

 

Seine Einwand dahin, dass das Anzeigevorbringen seiner Töchter in keiner Weise der Wahrheit entspreche, wurde in der Folge auch von der BH Grieskirchen nicht zur Kenntnis genommen. Vielmehr wurde ein am 3. Juli 2014 eingebrachter Antrag auf Aufhebung des Betretungsverbotes mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 8. Juli 2014, Zl. Sich20-2014, mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass für den Betroffenen kein subjektives Recht auf die Vornahme einer amtswegigen Überprüfung des gegen ihn verhängten Betretungsverbotes bestehe.

 

Ob eine derartige Überprüfung tatsächlich vorgenommen wurde, lässt sich dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt nicht entnehmen und konnte auch im Rahmen der öffentlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich nicht geklärt werden, weil in dieser seitens der belangten Behörde (wenngleich entschuldigt) kein Vertreter zugegen war.

 

Mit Beschluss des BG Grieskirchen vom 18. Juli 2014, 8 C 37/14s-9, wurde der Antrag der Antrag der Töchter des Beschwerdeführers auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung dahin, diesem weiterhin die Rückkehr in seine Wohnung zu verbieten, im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass einerseits ganz geringfügige körperliche Misshandlungen noch keine Unzumutbarkeit des Zusammenlebens nach sich ziehen und andererseits der Rechtsmittelwerber ohnehin versichert habe, jedenfalls bis zum Abschluss des Scheidungsverfahrens freiwillig nicht in sein Haus zurückzukehren, um weitere Eskalationen hintanzuhalten, sodass aktuell keine Gefährdungssituation mehr vorliege. 

 

2. Diese Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus den glaubwürdigen und widerspruchsfreien Aussagen des in der öffentlichen Verhandlung einvernommen Zeugen und des Beschwerdeführers sowie aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt.

 

Unter einem wird das Verhandlungsprotokoll (vgl. ONr. 13 des hg. Aktes) zum integrierenden Bestandteil der Begründung dieses Erkenntnisses erklärt.

 

 

III.

 

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:

 

1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. § 88 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991 i.d.gF. BGBl.Nr. I 73/2014 (im Folgenden: SPG), erkennen die Verwaltungsgerichte der Länder über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

 

Nach § 38a Abs. 1 Z. 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dazu ermächtigt, dann, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen ist, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevorsteht, jenem Menschen, von dem diese Gefahr ausgeht, u.a. das Betreten einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, zu untersagen. Bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, ist gemäß § 38a Abs. 2 SPG besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass dieser Eingriff in das Privatleben des Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29 SPG) wahrt.

 

Die Anordnung eines derartigen Betretungsverbotes ist der Sicherheitsbehörde nach § 38a Abs. 6 SPG unverzüglich bekanntzugeben und von dieser binnen 48 Stunden zu überprüfen. Stellt die Sicherheitsbehörde fest, dass das Betretungsverbot nicht hätte angeordnet werden dürfen, so hat sie dieses dem Gefährder gegenüber unverzüglich aufzuheben.

 

Gemäß § 38a Abs. 8 SPG endet das Betretungsverbot zwei Wochen nach seiner Anordnung. Wird die Sicherheitsbehörde binnen dieser Frist vom ordentlichen Gericht über die Einbringung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO informiert, so verlängert sich das Betretungsverbot bis zum Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung des ordentlichen Gerichts an den Antragsgegner, längstens jedoch auf vier Wochen ab Anordnung.

 

Nach § 107 Abs. 1 StGB ist derjenige, der einen anderen gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.

 

2. Davon ausgehend, dass § 38a SPG im Falle von familiären Konflikten von den Exekutivorganen ein umgehendes Einschreiten zwecks Abwehr einer drohenden Gefahr verlangt, kann im vorliegenden Fall die Annahme des Polizeibeamten, dass der Beschwerdeführer seine Töchter zu Beginn des Wochenendes – nämlich am Freitag, dem 27. Juni 2014 gegen 16:00 Uhr – gefährlich bedroht und diese dadurch derart in Furcht und Unruhe versetzt hatte, dass dieser Zustand zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung am Montag, dem 30. Juni 2014 gegen 14:00 Uhr noch andauerte, im Ergebnis als gerade noch vertretbar angesehen werden:

 

Denn dem Zeugen war die Familie des Rechtsmittelwerbers bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt und es gab objektiv besehen auch keinen Grund dafür, am Zutreffen des Vorbringens der Töchter des Beschwerdeführers und seiner damaligen Noch-Ehegattin zu zweifeln. Davon ausgehend kann die Qualifikation des mit einem Anschreien verbundenen Gegen-die-Wand-Drückens als gefährlicher Angriff des Beschwerdeführers gegen die Gesundheit einer Person – nämlich seiner Tochter – i.S.d. § 38a Abs. 1 SPG von vornherein ebenso wenig von der Hand gewiesen werden wie der Umstand, dass nach dem glaubwürdigen Vorbringen der Anzeigelegerinnen der dadurch in ihnen ausgelöste Furcht- und Unruhezustand auch gegenwärtig noch andauerte.

 

Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass es während des Wochenendes, das die Familie überwiegend gemeinsam verbracht hatte, zu keinen gleichartigen Vorkommnissen gekommen war, weil allein daraus noch nicht mit Sicherheit abgeleitet werden kann, dass nach einer gewissen Abkühlungsphase wegen des laufenden Scheidungsverfahrens nicht wieder neuerliche wechselseitige Aggressionen entstehen. 

 

3. Als bereits grenzwertig erweist sich hingegen, dass der einschreitende Exekutivbeamte dann, als er mehr als vier Stunden später gegenüber dem beruflich in Wien weilenden Rechtsmittelwerber telefonisch die Verhängung des Betretungsverbotes aussprach, die von diesem vorgebrachten Einwände mit dem Hinweis ignorierte, dass auf Grund des Vorbringens seiner Töchter jedenfalls ein Betretungsverbot zu verhängen sei.

 

Zu diesem Zeitpunkt wäre zumindest deshalb eine entsprechende Abwägung geboten gewesen, weil insgesamt besehen eine bloße „Aussage-gegen-Aussage“-Situation vorlag und davon ausgehend jedenfalls theoretisch die Möglichkeit bestanden hätte, dass nicht das Sachvorbringen der Anzeigelegerinnen, sondern tatsächlich jenes des Beschwerdeführers zutrifft.

 

Immerhin kann aber zu dessen Gunsten nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge, der bei seiner Befragung in der öffentlichen Verhandlung gelegentlich unverbindlich und ausweichend antwortete, der Sache nach zwar ohnehin die Einwände des Rechtsmittelwerbers zur Kenntnis genommen, das Vorbringen seiner Töchter und seiner damaligen Noch-Ehegattin aber subjektiv eben als glaubwürdiger erachtete.

 

4. Wenn § 38a Abs. 6 SPG festlegt, dass die Behörde das von einem Exekutivorgan ausgesprochene Betretungsverbot binnen 48 Stunden (zwar nicht auf Antrag, aber von Amts wegen) zu überprüfen hat, so ist mit dieser Prüfungsbefugnis bzw. -verpflichtung untrennbar verbunden, dass jedenfalls spätestens in diesem Stadium eine Auseinandersetzung mit den von den Kontrahenden vorgebrachten Argumenten zu erfolgen gehabt hätte; anders lässt sich nämlich gar nicht beurteilen, ob zu diesem Zeitpunkt die weitere Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes noch dem in § 38a Abs. 2 i.V.m. § 29 SPG explizit positivierten Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprach.

 

Dass eine derartige Überprüfung überhaupt vorgenommen wurde, lässt sich dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt nicht entnehmen. Eine – zumindest telefonische – Kontaktaufnahme zwischen dem Beschwerdeführer und der Bezirkshauptmannschaft dürfte aber doch stattgefunden haben, weil Ersterer in der öffentlichen Verhandlung angab, dass „in der Folge ..... auch von der BH Grieskirchen meine Einwände dahin, dass das Anzeigevorbringen meiner Töchter in keiner Weise der Wahrheit entspricht, nicht zur Kenntnis genommen“ und „mein Antrag auf Aufhebung des Betretungsverbotes ..... ohne sachliche Einlassung einfach zurückgewiesen“ wurde.

 

Allerdings erfolgte weder in diesem Zusammenhang noch auch in der Begründung des Bescheides des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 8. Juli 2014, Zl. Sich20-2014, eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob und aus welchen konkreten Gründen das Vorbringen der Anzeigelegerinnen – und nicht jenes des Beschwerdeführers – als zutreffend erachtet wurde.

 

Im Ergebnis wurde damit aber durch die Nichteinräumung jeglichen rechtlichen Gehörs nicht nur der Grundsatz des fairen Verfahrens i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt, sondern es fehlt objektiv besehen auch eine sachliche Rechtfertigung für die weitere Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes nach dem 30. Juni 2014 i.S.d. § 38a Abs. 2 i.V.m. § 29 SPG.

 

5. Aus diesen Gründen war daher der vorliegenden Maßnahmenbeschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2  VwGVG insoweit stattzugeben, als die über 48 Stunden hinausgehende weitere Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes als rechtswidrig festzustellen war.

 

7. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Grieskirchen) nach § 35 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 1 und Z. 2 der VwG-Aufwandersatzverordnung BGBl.Nr. II 517/2013 dazu zu verpflichten, dem Beschwerdeführer Kosten in einer Höhe von insgesamt 1.659,60 Euro (Schriftsatzaufwand: 737,60 Euro; Verhandlungsaufwand: 922,00 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

IV.

 

 

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision unzulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG eine grundsätzliche, d.h. über die fallbezogen-konkreten Einzelheiten des Anlassfalles hinausgehende allgemein-rechtliche Bedeutung zukommt.

 

Weder weicht nämlich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Eine solche Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

Gegen dieses Erkenntnis kann innerhalb derselben Frist auch eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die durch einen bevollmächtigen Rechtsanwalt abzufassen und beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Ver-waltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.  G r o f

 

 

LVwG 780020/14/Gf/Rt vom 1. Oktober 2014

 

Erkenntnis

 

Rechtssatz

 

EMRK Art6 Abs1

B-VG Art130 Abs1 Z2

SPG §29

SPG §38a

StGB §107 Abs1

 

* Davon ausgehend, dass § 38a SPG im Falle von familiären Konflikten von den Exekutivorganen ein umgehendes Einschreiten zwecks Abwehr einer drohenden Gefahr verlangt, kann die Annahme des Polizeibeamten, dass der Bf. seine Töchter zu Beginn des Wochenendes gefährlich bedroht und diese dadurch derart in Furcht und Unruhe versetzt hatte, dass dieser Zustand zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung am folgenden Montag noch andauerte, im Ergebnis als gerade noch vertretbar angesehen werden;

 

* Als bereits grenzwertig erweist sich hingegen, dass der einschreitende Exekutivbeamte dann, als er mehr als vier Stunden später gegenüber dem beruflich in Wien weilenden Bf. telefonisch die Verhängung des Betretungsverbotes aussprach, die von diesem vorgebrachten Einwände mit dem Hinweis ignorierte, dass auf Grund des Vorbringens seiner Töchter jedenfalls ein Betretungsverbot zu verhängen sei. Zu diesem Zeitpunkt wäre nämlich zumindest deshalb eine entsprechende Abwägung geboten gewesen, weil insgesamt besehen eine bloße „Aussage-gegen-Aussage“-Situation vorlag und davon ausgehend jedenfalls theoretisch die Möglichkeit bestanden hätte, dass nicht das Sachvorbringen der Anzeigelegerinnen, sondern tatsächlich jenes des Beschwerdeführers zutrifft;

 

* Wenn § 38a Abs. 6 SPG festlegt, dass die Behörde das von einem Exekutivorgan ausgesprochene Betretungsverbot binnen 48 Stunden (zwar nicht auf Antrag, aber von Amts wegen) zu überprüfen hat, so ist mit dieser Prüfungsbefugnis bzw. ‑verpflichtung untrennbar verbunden, dass jedenfalls spätestens in diesem Stadium eine Auseinandersetzung mit den von den Kontrahenden vorgebrachten Argumenten zu erfolgen gehabt hätte; anders lässt sich nämlich gar nicht beurteilen, ob zu diesem Zeitpunkt die weitere Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes noch dem in § 38a Abs. 2 i.V.m. § 29 SPG explizit positivierten Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprach;

 

* Dadurch, dass keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob und aus welchen konkreten Gründen das Vorbringen der Anzeigelegerinnen – und nicht jenes des Beschwerdeführers – als zutreffend erachtet wurde, erfolgte, wurde im Wege der Nichteinräumung jeglichen rechtlichen Gehörs nicht nur der Grundsatz des fairen Verfahrens i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt, sondern es fehlt objektiv besehen auch eine sachliche Rechtfertigung für die weitere Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes i.S.d. § 38a Abs. 2 i.V.m. § 29 SPG.

 

Beschlagwortung:

 

Familienkonflikt; Betretungsverbot, Prüfungskompetenz; fair hearing

 

 

Rechtssatz

 

 

LVwG 780020/14/Gf/Rt vom 1. Oktober 2014

 

EMRK Art6 Abs1

B-VG Art130 Abs1 Z2

SPG §29

SPG §38a

StGB §107 Abs1

 

* Davon ausgehend, dass § 38a SPG im Falle von familiären Konflikten von den Exekutivorganen ein umgehendes Einschreiten zwecks Abwehr einer drohenden Gefahr verlangt, kann die Annahme des Polizeibeamten, dass der Bf. seine Töchter zu Beginn des Wochenendes gefährlich bedroht und diese dadurch derart in Furcht und Unruhe versetzt hatte, dass dieser Zustand zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung am folgenden Montag noch andauerte, im Ergebnis als gerade noch vertretbar angesehen werden;

 

* Als bereits grenzwertig erweist sich hingegen, dass der einschreitende Exekutivbeamte dann, als er mehr als vier Stunden später gegenüber dem beruflich in Wien weilenden Bf. telefonisch die Verhängung des Betretungsverbotes aussprach, die von diesem vorgebrachten Einwände mit dem Hinweis ignorierte, dass auf Grund des Vorbringens seiner Töchter jedenfalls ein Betretungsverbot zu verhängen sei. Zu diesem Zeitpunkt wäre nämlich zumindest deshalb eine entsprechende Abwägung geboten gewesen, weil insgesamt besehen eine bloße „Aussage-gegen-Aussage“-Situation vorlag und davon ausgehend jedenfalls theoretisch die Möglichkeit bestanden hätte, dass nicht das Sachvorbringen der Anzeigelegerinnen, sondern tatsächlich jenes des Beschwerdeführers zutrifft;

 

* Wenn § 38a Abs. 6 SPG festlegt, dass die Behörde das von einem Exekutivorgan ausgesprochene Betretungsverbot binnen 48 Stunden (zwar nicht auf Antrag, aber von Amts wegen) zu überprüfen hat, so ist mit dieser Prüfungsbefugnis bzw. ‑verpflichtung untrennbar verbunden, dass jedenfalls spätestens in diesem Stadium eine Auseinandersetzung mit den von den Kontrahenden vorgebrachten Argumenten zu erfolgen gehabt hätte; anders lässt sich nämlich gar nicht beurteilen, ob zu diesem Zeitpunkt die weitere Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes noch dem in § 38a Abs. 2 i.V.m. § 29 SPG explizit positivierten Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprach;

 

* Dadurch, dass keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob und aus welchen konkreten Gründen das Vorbringen der Anzeigelegerinnen – und nicht jenes des Beschwerdeführers – als zutreffend erachtet wurde, erfolgte, wurde im Wege der Nichteinräumung jeglichen rechtlichen Gehörs nicht nur der Grundsatz des fairen Verfahrens i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt, sondern es fehlt objektiv besehen auch eine sachliche Rechtfertigung für die weitere Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes i.S.d. § 38a Abs. 2 i.V.m. § 29 SPG.