LVwG-300412/2/Kü/TO/SH

Linz, 26.09.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Thomas Kühberger über die Beschwerde von Herrn P. H., vertreten durch x, vom 23. Juli 2014 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 17. Juni 2014, SV96-73-2012, wegen Übertretungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG)

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.      Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) eingestellt.

 

II.      Der Beschwerdeführer hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde (§ 66 Abs. 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (§ 52 Abs. 9 VwGVG) zu leisten.

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 17. Juni 2014, GZ: SV96-73-2012, wurden über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 7b Abs. 5 iVm § 7b Abs. 9 AVRAG zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils 500 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von jeweils
50 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von 100 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

„Sie haben als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 außenvertretungsbefugtes und daher verwaltungsstrafrechtlich verantwortliches Organ der P.H. Montagen mit Sitz in F., zu verantworten, dass diese Firma als Arbeitgeberin mit Sitz in einem EWR-Mitgliedstaat, die Arbeitnehmer

1.) D. O.

2.) K. M.

am 19.04.2012 um 07.52 Uhr auf der Baustelle in P. beschäftigt hat ohne, dass Unterlagen über die Anmeldung der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung (E101 bzw. A1) gemäß § 7b Abs. 5 AVRAG am Arbeits(Einsatz)ort bereitgehalten wurden, obwohl Arbeitgeber im Sinne des § 7b Abs. 1 oder in Abs. 1 Z. 4 bezeichnete Beauftragte oder der Arbeitnehmer verpflichtet sind, diese Unterlagen gemäß § 7b Abs. 9 Z. 2 AVRAG am Arbeitsort im Inland bereitzuhalten.

Diese Arbeitnehmer wurden im Zuge der Kontrolle durch Organe des Finanzamtes Linz, am 19.04.2012 um 07.52 Uhr, auf o. Baustelle bei Holzarbeiten (Fußboden, die kompletten Möbel aufstellen bzw. montieren) angetroffen. Von Ihnen wurde verabsäumt den zwei o.a. Arbeitnehmern, welche nach Österreich entsandt wurden, die o.a. Unterlagen (E101 bzw. A1) auszuhändigen.“

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass sich der Sachverhalt aus der Anzeige des Finanzamtes Linz vom 25.6.2012 ergebe. Das Team der Finanzpolizei des Finanzamtes Linz habe am 19.4.2012 in P. Baustelle „P.“ eine Kontrolle durchgeführt, dabei seien die angeführten Arbeitnehmer angetroffen und kontrolliert worden. Die erforderlichen Unterlagen über die Anmeldung der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung (E101 bzw. A1) hätten nicht vorgelegt werden können.

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 2.8.2012 sei dem Bf die Möglichkeit geboten worden eine Stellungnahme abzugeben. In der schriftlichen Rechtfertigung vom 17.8.2012 habe der Bf angeführt, dass der Einsatz der Monteure auf Wunsch des Auftraggebers zwei Wochen früher als geplant erfolgt sei und deshalb zur Anmeldung eine relativ kurze Frist gesetzt gewesen sei. Der Bf gab an, dass es die I. nicht geschafft habe, die Anträge noch am selben Tag zu bearbeiten und er deshalb den Mitarbeitern die Anträge mitgegeben habe, um diese bei einer Kontrolle vorzeigen zu können. Die genannten Arbeitnehmer haben in der Folgewoche, nämlich am 19.4.2012, von der I. die Nachweise erhalten und der Bf habe diese sofort per Mail auf die Baustelle gesendet. Die Kontrolle sei jedoch zwischenzeitlich schon durchgeführt worden.

 

Zum Strafausmaß führt die Behörde aus, dass die verhängte Strafe ausreichend erscheine, um den Bf in Zukunft von der Begehung ähnlicher Verstöße abzuhalten.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bf im Wege seiner rechts-freundlichen Vertretung eingebrachte Beschwerde vom 23. Juli 2014, in der das Straferkenntnis sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach angefochten wird.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit Schreiben vom 30. Juli 2014 den Aktenvorgang dem Landesverwaltungsgericht Oö. zur Entscheidungsfindung vorgelegt. Gemäß § 2 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht durch Einzel-richter zu entscheiden.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

II. Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Oö:

 

1. Gemäß § 7b Abs. 9 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), in der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung BGBl I Nr. 24/2011 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5.000 Euro, im Wiederholungsfall von 1.000 Euro bis 10.000 Euro zu bestrafen, wer als Arbeitgeber oder als in Abs. 1 Z 4 bezeichneter Beauftragter

1.   die Meldung nach Abs. 3 nicht rechtzeitig erstattet oder

2.   die erforderlichen Unterlagen entgegen Abs. 5 nicht bereit hält.

 

2. Gemäß § 2 Abs. 1 und 2 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur im Inland begangene Verwaltungsübertretungen strafbar. Eine Übertretung ist im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder, wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.

 

Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Zur Auslegung des im Sinn des § 27 Abs. 1 VStG maßgebenden Begriffes des "Ortes der Begehung" muss die Bestimmung des § 2 Abs. 2 VStG herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass eine Verwaltungsübertretung regelmäßig als dort begangen anzusehen ist, wo der Täter gehandelt hat oder (bei Unterlassungsdelikten) hätte handeln sollen (VwGH 26. Februar 1987, 86/08/0231; vgl. auch Hauer/Leukauf – Handbuch des Verwaltungsverfahrens; 2003)

 

Für den Bereich des VStG kommt es auch in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung beziehen – und dies wird auch für in Filialen gegliederten Unternehmen angenommen -, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörden grundsätzlich nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird, sondern ist der Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens, für welches der zur Vertretung nach außen Befugte gemäß § 9 VStG gehandelt hat (VwGH vom 18.6.1990, Zl. 90/19/0107).

 

Im Hinblick auf § 2 Abs. 2 VStG ist der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Verwaltungsmaterien zum Ergebnis gekommen, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Ob in derartigen Fällen ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ, ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG oder ein gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen wird, spielt für die Frage der Tatortbestimmung keine Rolle. Für die örtliche Zuständigkeit ist grundsätzlich allein entscheidend, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen. Wird ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ zur Verantwortung gezogen, wird als Tatort im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzunehmen sein (VwGH vom 4.9.2006, Zl. 2003/09/0096; vgl. auch Hauer/Leukauf – Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 2003, zu VStG § 27 Abs. 1 E 9b).

 

Der Unternehmenssitz des vom Bf vertretenen Unternehmens liegt zum fraglichen Tatzeitpunkt – wie dem Verwaltungsstrafkat zu entnehmen ist - in F. und damit außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereiches der belangten Behörde. Es hätte der Bf somit vom Firmensitz in F. aus die entsprechenden Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verwaltungsübertretung setzen müssen und ist daher durch Unterlassen der gesetzlich geforderten Vorsorgehandlung am Unternehmenssitz in D. strafbar geworden. Es ist daher der Unternehmenssitz als Tatort gemäß § 2 VStG anzusehen, wobei dieser Tatort im Ausland gelegen ist.

 

Da im AVRAG zum Tatzeitpunkt eine spezielle Bestimmung über den Tatort bei grenzüberschreitender Entsendung von Arbeitnehmern fehlte - zwischenzeitig erfolgte eine Novellierung des § 7b Abs. 9 AVRAG durch BGBl I Nr. 98/2012 - , liegt im vorliegenden Fall gemäß der allgemein geltenden Bestimmungen nach § 2 VStG keine Strafbarkeit vor, weil die vorgeworfene Verwaltungsübertretung zum Tatzeitpunkt nicht im Inland begangen wurde und der Ort des Arbeitseinsatzes nicht den Tatort sondern eine nähere Sachverhaltsumschreibung darstellt.

 

Die belangte Behörde war daher örtlich nicht zuständig, wegen der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Bf zu führen. Das angefochtene Straferkenntnis war daher mangels Zuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben. Bei diesem Verfahrensausgang war auf die weiteren Vorbringen des Bf nicht einzugehen.

 

Es war somit wie im Spruch zu entscheiden.

 

 

III. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Thomas Kühberger