LVwG-750187/14/ER

Linz, 20.10.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Elisabeth Reitter über die Beschwerde des R. S., geb. 1982, Xgasse 14/2, H., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 20. Mai 2014, Sich30-6-2-2014, wegen der Abweisung eines Antrags auf Ausstellung eines Reisepasses, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2014

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.      Gemäß § 28 Abs 1 und 2 VwGVG iVm §§ 3, 7, 11 und 13 PassG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und dem Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines gewöhnlichen Reisepasses stattgegeben.

 

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid vom 20. Mai 2014, Sich30-6-2-2014, wies die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) auf Ausstellung eines Reisepasses gemäß § 14 Abs 1 Z 3 lit f iVm § 14 Abs 3 Passgesetz ab und begründete diese Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

 

Der Bf habe am 17. März 2014 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses gestellt. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei festgestellt worden, dass der Bf in den letzten Jahren wiederholt gegen das Suchtmittelgesetz – SMG verstoßen habe. Die erste Verurteilung sei im Jahr 2006 durch das Amtsgericht München wegen vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln erfolgt. 2007 sei der Bf vom LG Innsbruck zu einer vierjährigen Haftstrafe wegen des Verbrechens gemäß § 22 Abs 2 und 3 und § 28 Abs 4 Z 3 SMG verurteilt worden. Aufgrund dieses Verbrechens sei dem Bf sein Reisepass vom Magistrat der Stadt Innsbruck gemäß § 15 Abs 1 Passgesetz rechtskräftig ab 27. Mai 2009 entzogen worden.

 

Der Bf sei am 14. November 2008 von der vierjährigen Freiheitsstrafe bedingt entlassen worden. Während dieser Bewährungszeit habe er am 8. März 2010 neuerlich ein Verbrechen iSd SMG begangen und sei vom LG Innsbruck am
7. Juli 2010 zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden. Gleichzeitig sei festgesetzt worden, dass er die Restzeit der Vorhaft von einem Jahr, fünf Monaten und zehn Tagen zu vollziehen habe.

Am 21. Dezember 2011 sei der Bf vom LG Innsbruck erneut wegen eines Vergehens nach dem SMG schuldig gesprochen worden und zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden.

Ferner habe der Bf ein weiteres Vergehen iSd SMG während seiner Haftzeit in der Justizanstalt Stein an der Donau begangen.

 

Da der Bf seit 2006 wiederholt gegen das SMG verstoßen habe, könne die Behörde keine positive Zukunftsprognose stellen. Die angeführten Verurteilungen würden Tatsachen iSd § 14 Abs 3 Passgesetz darstellen, wobei in Ansehung der letzten Tatzeit (Tatzeitraum von 15. Juni bis 22. August 2011) sowie außer Betracht bleibende Haftzeiten die dreijährige Mindestdauer iSd § 14 Abs 3 Passgesetz zum Entscheidungszeitpunkt nicht erreicht sei. Nach Ablauf von drei Jahren – Wohlverhalten vorausgesetzt – könne sich die Prognose ändern.

 

Die vom Bf im Verfahren eingebrachten Einwände, den Lebensmittelpunkt nach der Haftentlassung ins Ausland zu verlegen, könne die Behörde zu keiner positiven Zukunftsprognose veranlassen, da er durch sein wiederholtes Fehlverhalten gezeigt habe, dass die Wiederholungsgefahr bei Suchtmitteldelikten besonders groß sei. Es sei eine Erfahrungstatsache, dass die Drogenszene in den meisten Fällen mit Suchtgiftimporten aus dem Ausland verknüpft sei. Der Besitz eines Reisepasses würde dem Bf jedenfalls den Handel mit Suchtgiften wesentlich erleichtern.

 

Da seit Begehung der letzten Tat – unter Außerachtlassung der Haftzeiten – drei Jahre noch nicht verstrichen seien, greife eine Interessenabwägung aufgrund der gesetzlich angeordneten Wartezeit ohnehin nicht Platz. Auch sei nach der ständigen Rechtsprechung auf persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse keine Rücksicht zu nehmen, somit auch nicht auf die Einwände des Bf, dass er nach Haftentlassung bei seinem schwer erkrankten Vater in Spanien leben und dort in einem Touristencafé bzw im Winter durch Bauarbeiten seinen Lebensunterhalt verdienen möchte. Der Ankündigung des Bf, sich nach der Haftentlassung vom Suchtgiftmilieu fernhalten zu wollen, könne kein Glauben geschenkt werden, da er sogar während seiner Inhaftierung gegen das Suchtmittelgesetz verstoßen habe.

Im Ergebnis sei die Ausstellung eines Reisepasses zu versagen gewesen.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf mit Schreiben vom 24. Juni 2014 rechtzeitig Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen damit, dass er seinem schwer an Krebs erkrankten Vater, der in Spanien lebe, beistehen möchte. Ferner wäre es dem Bf in Spanien sofort möglich, Arbeit zu finden. Sein Drogenvergehen während der Inhaftierung begründet der Bf mit der Belastung, die durch die Krebserkrankung seines Vaters entstanden sei, er habe sich aber in der Justizanstalt einer Drogentherapie unterzogen. In der Justizanstalt Garsten habe der Bf den Führerschein gemacht und ein entsprechendes psychiatrisches Gutachten dafür erhalten. Auch habe er sich während der Haft für die Lehrabschlussprüfung angemeldet.

 

I.3. Am 14. Oktober 2014 fand vor dem Oö. Landesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch die Ausführungen des Bf im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung, sowie durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und die Beschwerde.

 

I.4. Das Oö Landesverwaltungsgericht geht von folgendem entscheidungsrelevanten  S a c h v e r h a l t  aus:

 

Am 16. Jänner 2006 wurde der Bf vom Amtsgericht München zu einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen zu je 13 Euro wegen vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln verurteilt.

 

Am 20. März 2007 (rk seit 26. September 2007) wurde der Bf wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach den §§ 28 Abs 2, Abs 3 1. Fall und Abs 4 Z 3 SMG (teilweise in Form der Betragstäterschaft) und 15 StGB, des wiederholten Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG und des Vergehens nach § 27 Abs 2 Z 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, wobei vom
LG Innsbruck festgestellt wurde dass der Bf im Zusammenwirken mit anderen neben mehr als 15.000 Ectasy-Tabletten mehrere Kilogramm Haschisch und mehrere hundert Gramm Kokain von Berlin nach Österreich geschmuggelt hat. Die letzte zu dieser Verurteilung führende Tat fand am 26. April 2006 statt.

Am 16. November 2008 wurde der Bf aus dem Vollzug der Freiheitsstrafe bedingt entlassen.

 

Am 7. Juli 2010 wurde der Bf rechtskräftig wegen teils unentgeltlichen Überlassens, größtenteils aber wegen des gewerbsmäßigen Verkaufs von Cannabis, Kokain, Amphetamin, Ecstasy-Tabletten und LSD iSd § 28a Abs 1, 5. Fall und Abs 2 Z 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, unter Einem wurde die bedingte Entlassung vom 16. November 2008 widerrufen und angeordnet, dass der Strafrest ebenfalls zu vollziehen sei.

 

Am 21. Dezember 2011 (rk seit 5. April 2012) wurde der Bf wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG und § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr wegen Aufzucht und Anbau von Cannabis verurteilt.

 

Am 4. November 2013 (rk seit 8. November 2013) wurde der Bf vom Bezirksgericht Krems an der Donau wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 Suchtmittelgesetz zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, da er im Dezember 2012 in der Justizanstalt Stein ein halbes Gramm Cannabisharz für den Eigenkonsum erworben und besessen hat.

 

Mit Bescheid des Magistrats der Landeshauptstadt Innsbruck vom 7. Mai 2009 wurde dem Bf der Reisepass entzogen. Begründet wurde die Entziehung mit der Verurteilung vom 20. März 2007, die eine Tatsache im Sinne des § 14 Abs 3 Passgesetz darstelle, wonach ein Reisepass zu entziehen sei.

 

Am 17. März 2014 stellte der Bf bei der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land einen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses.

 

Der in Spanien lebende Vater des Bf ist vor etwa 1,5 Jahren schwer an Krebs erkrankt, zur Zeit der Erkrankung des Vaters war der Bf inhaftiert. Der Zustand des Vaters des Bf ist mittlerweile so schlecht, dass ihm eine Reise nach Österreich nicht möglich ist.

Der Bf, der 2001 mit seinem Vater nach Spanien ausgewandert ist und bis etwa 2005 dort bei seinem Vater gelebt hat, beabsichtigt, wieder dort Fuß zu fassen und als Kellner bzw im Winter im Baugewerbe zu arbeiten. Derzeit absolviert er einen Ausbildungslehrgang zur Lehre als Kellner, der am 28. November 2014 beendet sein wird. Im Jänner 2015 beabsichtigt er, die Lehrabschlussprüfung abzulegen. Der Bf verfügt über eine Einstellungszusage als Kellner in einer Bar auf Mallorca. Von 2001 bis 2005 hat der Bf mit seinem Vater eine Firma für Innen- und Außenausbau geführt, diese Firma wurde mittlerweile aufgrund der Erkrankung des Vaters aufgelöst. Der Bf hat eine Lehre zum Maler abgeschlossen, ohne jedoch die Lehrabschlussprüfung abzulegen.

 

Am 8. September 2014 wurde der Bf aus der Haft vorzeitig bedingt entlassen.

 

Der Bf hat im September 2014 die Führerscheinprüfung absolviert, nachdem seine Eignung zum Lenken eines Fahrzeugs durch ein am 24. Juli 2014 erstelltes psychiatrisches Gutachten, das aufgrund des Suchtmittelmissbrauchs des Bf angefordert wurde, bestätigt wurde. Der Bf muss sich aufgrund dieses Gutachtens und der bedingten Entlassung regelmäßigen Drogenkontrollen unterziehen.

 

 

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unbestritten und widerspruchsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den Aussagen des Bf im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Für eine Arbeit als Kellner in einer Bar auf Mallorca legte der Bf in der öffentlichen mündlichen Verhandlung eine schriftliche Zusage, datiert mit 11. Oktober 2014, vor. Ferner legte der Bf zwei mit 3. und 7. Juli 2014 datierte Arztberichte der Universitätsklinik Innsbruck seinen Vater betreffend vor, aus denen die inoperable Krebserkrankung des Vaters, sowie die Erstdiagnose im September 2012 hervorgehen. Der Bf hat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass er keine neueren Arztberichte betreffend seinen Vater vorlegen könne, da es diesem aufgrund seiner Erkrankung nicht möglich gewesen sei, dem Bf weitere Berichte zu senden.

 

 

III. Gemäß § 7 Passgesetz 1992, BGBl Nr 839/1992, idgF BGBl I Nr 161/2013 – PassG, werden Reisepässe auf Antrag [...] ausgestellt.

 

Gemäß § 11 Abs 1 PassG sind gewöhnliche Reisepässe mit einer Gültigkeitsdauer von zehn Jahren gerechnet ab dem Zeitpunkt der vollständigen Erfassung der Daten durch die Behörde auszustellen [...]

 

Gemäß § 13 Abs 1 sind gewöhnliche Reisepasse sind mit einem Geltungsbereich für alle Staaten der Welt auszustellen [...]

 

Gemäß § 14 Abs 1 PassG sind die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses zu versagen, wenn

[...]

3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um

[...]

f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, […]

 

Liegen den in Abs. 1 Z 3 lit. b bis f und Z 4 und 5 angeführten Tatsachen gerichtlich strafbare Handlungen zugrunde, ist gemäß Abs 3 bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen, wobei Haftzeiten und Zeiten einer Unterbringung nach den §§ 21 bis 23 StGB außer Betracht zu bleiben haben.

 

Gemäß § 15 Abs 1 PassG ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

 

Gemäß § 22 Abs 2 PassG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz das Landesverwaltungsgericht.

 

Nach Art 4 Abs 3 der Richtlinie 2004/38/EG stellen die Mitgliedstaaten ihren Staatsangehörigen gemäß ihren Rechtsvorschriften einen Personalausweis oder einen Reisepass aus, der ihre Staatsangehörigkeit angibt und verlängern diese Dokumente.

 

Artikel 4 Abs 4 dieser Richtlinie sieht vor, dass der Reisepass zumindest für alle Mitgliedstaaten und die unmittelbar zwischen den Mitgliedstaaten liegenden Durchreiseländer gelten muss. Sehen die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates keinen Personalausweis vor, so ist der Reisepass mit einer Gültigkeit von mindestens fünf Jahren auszustellen oder zu verlängern.

 

Gemäß Art 27 Abs 1 dieser Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken.

Gemäß Abs 2 ist bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

 

IV. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

VI.1.1. Die angefochtene Entscheidung bezweckt, es dem Bf unmöglich zu machen, sich ins Ausland, also auch in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union, zu begeben und sich dort aufzuhalten. Somit hat diese Entscheidung aber auch zum Inhalt, das dem Bf, einem österreichischen Staatsbürger, der sohin auch als Unionsbürger anzusehen ist, unionsrechtlich zustehendes Recht auf Freizügigkeit, soweit es das Recht umfasst, sich in einen anderen Mitgliedstaat als seinen Herkunftsmitgliedstaat zu begeben, als auch das Recht, den Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, einzuschränken. Dies hat aber zur Folge, dass die diesbezüglich maßgeblichen Vorschriften der RL 2004/38/EG zu beachten sind (vgl RN 25 bis 27 des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 17. November 2011, C-430/10).

 

Der Europäische Gerichtshof hat allerdings in seinem Urteil vom
17. November 2011, C-430/10, darauf hingewiesen, dass das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit nicht uneingeschränkt besteht, sondern den im Vertrag und in den Bestimmungen zu seiner Durchführung vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen unterworfen werden darf. Nach Art 27 Abs 1 RL 2004/38/EG ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit der Unionsbürger oder ihrer Familienangehörigen nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken dürfen (vgl RN 29 und 30).

 

Zur Einschränkung des Rechts eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates, sich in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates zu begeben, die mit einer strafrechtlichen Verurteilung wegen des Handels mit Betäubungsmitteln begründet wird, führt der Europäische Gerichtshof im selben Urteil aus, dass diese dann gerechtfertigt ist, wenn das persönliche Verhalten des verurteilten Staatsangehörigen eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Beschränkung geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgen Ziels zu gewährleisten und nicht darüber hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

 

Zu diesem Urteil führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. September 2012, 2009/18/0168, Folgendes aus (Hervorhebungen nicht im Original):

„Der EuGH hat allerdings darauf hingewiesen, dass das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit nicht uneingeschränkt besteht, sondern den im Vertrag und in den Bestimmungen zu seiner Durchführung vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen unterworfen werden darf. In Bezug auf eine mit dem hier vorliegenden Sachverhalt vergleichbare Konstellation, wie sie auch hier vorliegt, führt der EuGH aus, dass sich diese Beschränkungen und Bedingungen insbesondere aus Art. 27 Abs. 1 RL 2004/38/EG ergeben. Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit der Unionsbürger oder ihrer Familienangehörigen nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken (vgl. Randnr. 29 und 30 Urteil C-430/10). Der EuGH stellt aber auch klar, dass der Begriff der öffentlichen Ordnung jedenfalls voraussetzt, dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr vorliegen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (Randnr. 33 Urteil C-430/10). Die Ausnahmen vom freien Personenverkehr, auf die sich ein Mitgliedstaat berufen kann, implizieren in diesem Rahmen, wie Art. 27 Abs. 2 RL 2004/38/EG zu entnehmen ist, insbesondere, dass Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nur gerechtfertigt sind, wenn für sie ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend ist, während vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen nicht zulässig sind. Strafrechtliche Verurteilungen allein können eine die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit beschränkende Maßnahme nicht ohne weiteres begründen (Randnr. 34 Urteil C-430/10; vgl. zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2012, Zl. 2009/18/0094).

 

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 17. November 2011 aber auch klargestellt, dass die beschränkende Maßnahme geeignet sein muss, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie nicht über das hinausgehen darf, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. In den Ausführungen in Randnr. 40 dieses Urteils präzisiert der EuGH dies dahingehend, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden muss.“

 

IV.1.2. Gemäß § 14 Abs 3 PassG ist für den Fall, dass dem genannten Versagungsgrund eine gerichtlich strafbare Handlungen zugrunde liegt, bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen, wobei Haftzeiten und Zeiten einer Unterbringung nach den
§§ 21 bis 23 StGB außer Betracht zu bleiben haben.

Die belangte Behörde hat die beantragte Ausstellung eines Reisepasses im Wesentlichen auf diese Bestimmung gestützt abgewiesen.

 

Zu § 14 Abs 3 PassG äußerte sich der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2012, 2009/18/0458, bezogen auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. November 2011, C-430/10, wie folgt (Hervorhebungen nicht im Original):

„Vor dem Hintergrund der nunmehr vom Gerichtshof der Europäischen Union klar gestellten – und im oben genannten Erkenntnis 2009/18/0168 näher dargelegten – Rechtslage stellt sich die Vorschrift des § 14 Abs. 3 PassG, mit der – ohne dass eine Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles möglich wäre – eine gesetzliche Vermutung des Bestehens einer maßgeblichen Gefahr für eine im Vorhinein festgelegte Zeit angeordnet wird, als mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/38/EG, denen zufolge nicht schon für sich genommen der Umstand der strafrechtlichen Verurteilung die Einschränkung des aus dem Unionsrecht herrührenden Rechts auf Freizügigkeit zur Folge haben darf (Art. 27 Abs. 2), nicht vereinbar dar. § 14 Abs. 3 PassG hat daher infolge der dem Unionsrecht beizumessenden Vorrangwirkung unangewendet zu bleiben (vgl. hiezu auch bereits das hg. Erkenntnis vom 6. September 2012,
Zl. 2009/18/0041).“

 

Aufgrund dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs steht nunmehr fest, dass § 14 Abs 3 PassG im gegenständlichen Verfahren nicht zur Anwendung kommt. Stattdessen ist aufgrund der zitierten Rechtsprechung im Folgenden zunächst zu prüfen, ob vom Bf noch immer eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und für den Fall, dass dies gegeben ist, ob die Nichtausstellung eines Reisepasses geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten und sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist – also ob sie verhältnismäßig ist.

Nur bei Vorliegen dieser Parameter ist eine Beschränkung der Freizügigkeit eines Unionsbürgers iSd Art 27 Abs 1 RL 2004/38/EG und dem dazu ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. November 2011, C-430/10, unionsrechtlich zulässig.

 

IV.2.1. Der Bf wurde – wie unter I.4. festgestellt – am 20. März 2007 (rk seit 26. September 2007) wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach den §§ 28 Abs 2, Abs 3 1. Fall und Abs 4 Z 3 SMG (teilweise in Form der Betragstäterschaft) und 15 StGB, des wiederholten Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG und des Vergehens nach § 27 Abs 2 Z 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Der Bf wurde dabei unter anderem deswegen bestraft, weil er die Straftat in Bezug auf große Mengen Suchtgift begangen hat (§ 28 Abs 2 SMG).

Am 7. Juli 2010 wurde der Bf rechtskräftig wegen teils unentgeltlichen Überlassens, größtenteils aber wegen des gewerbsmäßigen Verkaufs von Cannabis, Kokain, Amphetamin, Ecstasy-Tabletten und LSD iSd § 28a Abs 1, 5. Fall und Abs 2 Z 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Am 21. Dezember 2011 (rk seit 5. April 2012) wurde der Bf wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 dritter Fall SMG und § 28 Abs 1 zweiter Satz SMG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Am 4. November 2013 (rk seit 8. November 2013) wurde der Bf vom Bezirksgericht Krems an der Donau wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 Suchtmittelgesetz zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt.

 

In einem Zeitraum von 7,5 Jahren wurde der Bf somit vier Mal von österreichischen Gerichten wegen Suchtgiftdelikten verurteilt, wobei ausschließlich die Verurteilung vom 20. März 2007 in Bezug auf große Mengen Suchtgift erfolgte.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, ist die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten besonders groß, was sich auch im vorliegenden Fall in den vier einschlägigen Verurteilungen des Bf während eines Zeitraums von 7,5 Jahren äußert.

 

Die Verurteilung vom 20. März 2007 erfolgte aufgrund des Schmuggelns von großen Mengen an Suchtgiften von Berlin nach Österreich.

 

IV.2.2. Bei der Beurteilung, ob es zulässig ist, das unionsrechtlich zustehende Recht auf Freizügigkeit einzuschränken, hat sich das Oö. Verwaltungsgericht iSd genannten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs damit auseinanderzusetzen, ob vom Bf im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde immer noch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr iSd Vorgaben der Richtlinie 2004/38/EG ausgeht und diese Annahme auch für die Zukunft gerechtfertigt ist. Dabei ist auch zu beachten, ob die Straftaten des Bf dergestalt waren, dass aufgrund der Art der Tatbegehungen begründet angenommen werden kann, der Bf werde hinkünftig Straftaten iSd § 14 Abs 1 Z 3 lit f PassG begehen. Es müssen demnach Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bf in Zukunft seinen Reisepass dazu benutzen will, Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.

 

Dabei sind das bisherige Verhalten des Bf und die Rückfälle in die Suchtgiftkriminalität – teils in engem zeitlichem Zusammenhang mit Haftentlassungen und zuletzt sogar während der Verbüßung einer Haftstrafe – bei der Prognoseentscheidung entsprechend zu berücksichtigen. Der Bf hat sich bisher nicht vom jeweils erfahrenen Haftübel davon abbringen lassen, weitere Suchtgiftdelikte zu begehen.

 

Für eine negative Prognoseentscheidung iSd entscheidungsrelevanten § 14 Abs 1 Z 3 lit f PassG sind allerdings Tatsachen erforderlich, die darauf schließen lassen, dass der Bf aufgrund der Art und Häufigkeit der bisherigen Tatbegehungen seinen Reisepass dazu nützen würde, entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.

 

Die belangte Behörde hat sich im Rahmen der zu erstellenden Zukunftsprognose auf allgemeine Aussagen hinsichtlich des Erfahrungswissens im Zusammenhang mit der bei Suchtgiftdelikten bestehenden großen Wiederholungsgefahr beschränkt. Konkrete Feststellungen, die die Annahme rechtfertigten, der Bf wolle künftig den Reisepass dazu benützen, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, wurden im Verfahren der belangten Behörde nicht angesprochen und sind auch im Beschwerdeverfahren nicht hervorgekommen

 

Im gegenständlichen Fall liegt eine Straftat vor, bei der der Reisepass verwendet wurde – nämlich der der Verurteilung vom 20. März 2007 zugrundeliegende Schmuggel großer Mengen von Suchtgiften von Berlin nach Österreich. Die letzte mit dieser Verurteilung im Zusammenhang stehende Tat liegt bereits rund 8,5 Jahre zurück, doch hat der Bf in Folge weitere Suchtmitteldelikte begangen, die zu drei weiteren Verurteilungen führten. Aus diesen Straftaten ist jedoch ersichtlich, dass die kriminelle Energie, die hinter der jeweiligen Begehung stand, im Vergleich zur Verurteilung wegen Schmuggels großer Mengen von Suchtgift deutlich geringer war.

 

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung brachte der Bf glaubhaft vor, aufgrund seiner bisher verbüßten Haftstrafen dermaßen von der Begehung weiterer Suchtgiftdelikte abgeschreckt worden zu sein, dass er nunmehr ernsthaft eine Änderung seines Lebenswandels verfolge und sich von der Drogenszene und dem Drogenkonsum fernhalten wolle. Der Bf gab an, aus diesem Grund seit der Entlassung aus der letzten Haft in H. und nicht mehr in I. zu wohnen, um nicht den früheren Kontaktpersonen aus der Drogenszene zu begegnen. Des Weiteren absolviert er derzeit den Lehrausbildungskurs zur Lehre als Kellner und beabsichtigt, im Jänner 2015 die Lehrabschlussprüfung zu machen. Ferner hat der Bf im September 2014 die Führerscheinprüfung bestanden und ist in Folge dessen verpflichtet, sich regelmäßig Drogentest zu unterziehen. Im Rahmen der Führerscheinprüfung wurde am 24. Juli 2014 ein psychiatrisches Gutachten erstellt, wonach ihm die Eignung zum Besitz eines Führerscheins beschieden wurde. In diesem Gutachten wird ferner ausgeführt, dass ein Rückfall in die Drogenabhängigkeit nur mit geringer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, jedoch Kontrollen erforderlich seien.

 

Der Bf legte damit glaubhaft dar – und belegte dies durch seine derzeitige Berufsausbildung und die Vorlage einer der Ausbildung entsprechenden Beschäftigungszusage, sowie durch die Verlegung seines Wohnsitzes von Innsbruck nach Hall in Tirol, um bisherigen Kontaktpersonen aus der Drogenszene aus dem Weg zu gehen – dass er aufgrund des bisher erfahrenen Haftübels und der negativen Folgen für seine gesamte Familie, mit der er in engem Kontakt stehe, nunmehr ernstlich beabsichtigt, ein geregeltes Leben zu führen.

 

Aufgrund der glaubhaften Ausführungen des Bf im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung, der bereits rund 8,5 Jahre zurückliegenden in Zusammenhang mit dem Schmuggel von großen Mangen Suchtgift liegenden Tat, der kontinuierlichen Abnahme der Intensität seiner Suchtgiftdelikte (die letzte Verurteilung erfolgte aufgrund des Erwerbs und Besitzes eines halben Gramms Cannabisharz für den Eigenkonsum) und des derzeitigen Lebenswandels des Bf, der sich aufgrund der – zu seinen Gunsten zu wertenden – vorzeitigen bedingten Haftentlassung und der Auflagen im Rahmen der Ausstellung eines Führerscheins regelmäßigen Drogenkontrollen unterziehen muss, sowie der im psychiatrischen Gutachten festgehaltenen geringen Rückfallswahrscheinlichkeit in die Drogensucht und seinem Bemühen, durch die Ablegung der Lehrabschlussprüfung und durch Vorlage einer seiner Ausbildung entsprechenden Einstellungszusage am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, kann jedoch nicht festgestellt werden, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde vom Bf eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr ausgeht, er wolle als Passinhaber seinen Reisepass dazu benutzen, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen.

 

Dem Bf kann daher im Ergebnis die Ausstellung eines österreichischen Reisepasses nicht verweigert werden.

 

IV.3.1. Selbst für den Fall, dass eine negative Prognose zu treffen gewesen wäre, hätte aber auch die in weiterer Folge durchzuführende Verhältnismäßigkeitsprüfung iSd Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 17. November 2011, C-430/10, zum Ergebnis geführt, dass dem Bf ein österreichischer Reisepass auszustellen ist.

 

Im Sinne der RN 42 dieses Urteils ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung darauf Bedacht zu nehmen, ob die Maßnahme geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

 

Für den Fall einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr, dass ein Reisepass dazu genützt werden soll, entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu bringen, wäre die Entziehung des Reisepasses wohl eine geeignete Maßnahme zur Verhinderung derartiger Delikte.

 

Zur Verhältnismäßigkeit einer derartigen Maßnahme hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 6. September 2012, 2009/18/0168, festgehalten, dass der Einwand eines Beschwerdeführers, dass er durch die Unmöglichkeit zu reisen den Kontakt zu seinem Sohn und seiner Lebensgefährtin, die in Ungarn wohnen würden, verlieren würde, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Entziehung eines Reisedokuments dazu führen würde, dass ein Beschwerdeführer seinen Arbeitsplatz verlieren würde.

 

IV.3.2. Der Bf hat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgebracht, im Jahr 2001 mit seinem Vater nach Spanien ausgewandert zu sein. 2005 sei er in Österreich auf Urlaub gewesen und im Zuge dessen verhaftet worden. Wäre es nicht zu dieser Verhaftung gekommen, wäre er wieder nach Spanien zurückgekehrt und hätte weiterhin mit seinem Vater zusammen gelebt. Trotz seiner Haftstrafen sei der Kontakt zum Vater aufrecht geblieben. Der Bf, der regelmäßig Freigang bekommen habe, habe den Vater, der sich bis Sommer 2014 seiner Krebsbehandlung in Innsbruck unterzogen hat, regelmäßig im Rahmen dieser Behandlungsaufenthalte getroffen. Auch habe er – soweit ihm das finanziell möglich war – während der Haft zum Vater telefonisch Kontakt gehalten. Mittlerweile sei der Vater so schwer erkrankt, dass ihm das Reisen unmöglich sei. Der Bf beantragte die Ausstellung eines Reisepasses mit der Begründung, den Vater vor dessen Ableben noch besuchen zu können. In Gesamtbetrachtung ergibt sich aus den glaubwürdigen Aussagen des Bf ein sehr enges Verhältnis zum Vater.

 

Der Bf hat glaubhaft dargestellt und mittels Arztbriefen belegt, dass die Ausstellung eines Reisepasses die einzige Möglichkeit ist, seinen in Spanien lebenden und mittlerweile nicht mehr reisefähigen Vater zu sehen.

 

Ferner ist der Bf im Besitz einer Einstellungszusage einer Bar in Spanien, wonach er sofort einer Tätigkeit als Kellner nachgehen könne. Diese Einstellungszusage entspricht seiner Berufsausbildung. Durch die Nichtausstellung eines Reisepasses wäre der Bf daran gehindert, dieser Tätigkeit nachzugehen und dadurch seinen Lebensunterhalt seiner Berufsausbildung entsprechend zu bestreiten.

 

Die Nichtausstellung eines Reisepasses würde iSd Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 17. November 2011, C-430/10, über das Ziel der Verhinderung des Schmuggels von großen Mengen Suchtgifts hinausgehen, indem es dem Bf die Möglichkeit, seinen schwer erkrankten Vater, zu dem er ein sehr enges Verhältnis hat, noch einmal zu sehen, verwehren würde.

Außerdem würde die Nichtausstellung eines Reisepasses den Bf daran hindern, der zugesagten, seiner Berufsausbildung entsprechend Beschäftigung nachzugehen.

 

Die Nichtausstellung eines Reisepasses wäre im Ergebnis – sofern überhaupt eine negative Prognoseentscheidung zu treffen gewesen wäre – als unverhältnismäßig zu betrachten, da diese Maßnahme durch die damit einhergehende Unmöglichkeit, dass der Bf seinen schwerkranken Vater besuchen und seinen Lebensunterhalt seiner Ausbildung entsprechend bestreiten zu können, darüber hinausgeht, was zur Erreichung des damit verfolgten Ziels erforderlich ist.

 

 

V. Im Ergebnis haben sowohl die Prognoseentscheidung als auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Folge, dass der Beschwerde des Bf über die Abweisung seines Antrags auf Ausstellung eines Reisepasses stattzugeben war. Dem Bf ist ein gewöhnlicher Reisepass auszustellen.

 

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Elisabeth Reitter