LVwG-650204/6/Bi/HK

Linz, 28.10.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn A. Y.  , X, vom 14. August 2014 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 17. Juli 2014, GZ:14262910, wegen  Abweisung des Antrages auf Austausch seines tschechischen EWR-Führer­scheines für die Klassen C und CE in einen österreichischen Führerschein sowie Eintragung der Berufsqualifikation (Code 95),  zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 VwGVG  wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der in Beschwerde gezogene Bescheid bestätigt.

 

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in Folge: Bf) vom 15. Juli 2014 auf Austausch seines tschechischen EWR-Führerscheins für die Klassen C und CE (ausgestellt vom Mag. m. M.  zu EG041187) in einen österreichischen Führerschein sowie die Eintragung der Berufskraftfahrerqualifikation (Code 95) gemäß § 15 Abs.3 FSG abgewiesen. Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut Rückschein am 21. Juli 2014.

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerde­vorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wurde. Eine (nicht beantragte) mündliche Verhandlung konnte entfallen (§ 24 VwGVG).

3. Der Bf macht im Wesentlichen geltend, es bestünden keine früheren bzw aktuellen FS-Delikte, die eine Ausstellung verwehren würden. Er habe als jahrzehntelanger FS B-Fahrer nie einen Unfall verursacht, weder Probleme mit Alkohol oder Drogen gehabt, was er auch als beruflicher Lkw-Fahrer weiterführen werde. Mit seiner Krankengeschichte solle verdeutlicht werden, dass eine weitere Ausübung seines Berufs als Metallarbeiter, den er in den letzten 15 Jahren ausgeübt habe, durch die Wirbelsäulen-OP im Jänner 2012 mit großen Risiko verbunden sei. Er habe in seiner langen Zeit der Arbeitsunfähigkeit vor und nach der OP, verbunden mit der psychischen Belastung des „Nichts-mehr-wert-seins“ versucht, eine neue Perspektive für sich und seine Familie zu finden, nicht mehr von Notstandshilfe und Invaliditätspension leben zu wollen, sondern durch den gesundheitlich nötigen Berufswechsel die Möglichkeit zur Selbsterhaltung zu erlangen, ohne auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Er beantragt die Umschreibung seines rechtmäßig erworbenen tschechischen Führerscheins der Gruppe C/E auf einen österreichischen Führerschein und die Eintragung der bald notwendig werdenden Berufskraftfahrerqualifikation (C95) des WIFI bzw BFI Ried.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Anforderung der in der Beschwerde angeführten Meldebestätigungen der Stadt M.  vom Bf.

 

Das  Beweisverfahren hat ergeben, dass der 1967 geborene Bf 1991 in Österreich eine Lenkberechtigung für die Klassen B und AM erworben hat und besitzt. Er ist seit 16. April 1993 durchgehend in P. , mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Vorgelegt wurde weiters eine Mitteilung des AMS vom 22. August 2011 über den Leistungsanspruch auf Notstandshilfe im Zeitraum vom 11. August 2011 bis 8. August 2012 von 30,82 Euro täglich, sowie eine Kopie eines auf ihn vom Mag. M. M.  am 28. November 2011 zu EG 041187 ausgestellten Führerscheins für die Lenkberechtigung der Klassen B, C und CE. 

Nach den nunmehr vorgelegten Unterlagen war der Bf im Zeitraum 11. April 2011 bis 11. Februar 2012 in M. , Hotel D. , x, gemeldet. Vorgelegt wurde auch eine Bestätigung des vorübergehenden Aufenthalts an dieser Adresse vom 2. Mai 2011.

 

Die Gattin des Bf schilderte im Schreiben vom 16. Oktober 2014, sie habe den Bf nach der Zeit vom Beginn der physikalischen Behandlungen bis zur OP-Nachbetreuung im Klinikum Wels und in Passau, dh mehr als 2 Jahre mit ungewissen Zukunftsaussichten und fehlendem Einkommen bei vier Kindern, sowie danach den Rücken freigehalten und ihm auch eine „Auszeit“ freigestellt, um ihm die Suche nach einer neuen Zukunftsperspektive zu ermöglichen. Ihr Gatte habe in Tschechien Anschluss gefunden an Bekannte ehemaliger Arbeitskollegen, habe dort einen zweiten Wohnsitz angemeldet, sich aber hauptsächlich an den Wochenenden dort aufgehalten und in dieser Zeit einen FS-Kurs für C und E absolviert, um zuhause ev. als Lkw-Fahrer weiter arbeiten zu können. Nach 8 Monaten habe er sich „wieder gefangen“ und sei zurück­gekommen, im Mai 2012 habe er die Weiterbildung für Berufskraftfahrer (C95) absolviert. Vorgelegt wurde die Kopie einer vom „ÖAMTC 4110 im Auftrag des BMVIT“ ausgestellten Fahrerkarte für den Zeitraum 4. Oktober 2012 bis 3. Oktober 2017.

 

Auffällig ist, dass der tschechische Führerschein dem Bf am 28. November 2011 ausgestellt wurde, wobei er laut Meldebestätigung vom 11. April 2011 bis 11. Februar 2012 in Tschechien über ein tschechisches Unternehmen als Unter­kunftgeber gemeldet war, dh jedenfalls in den letzten sechs Monaten vor FS-Ausstellung – allerdings hat er laut Mitteilung des AMS in der Zeit von 11. August 2011 bis 8. August 2012 in Österreich Notstandshilfe bezogen.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:      

Gemäß § 15 Abs.3 FSG kann der Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung unbeschadet des – hier nicht relevanten, weil der EWR-Lenkberechtigung keine Nicht-EWR-Lenkberechtigung zugrunde lag – § 23 Abs.3a die Ausstellung eines neuen Führerscheines beantragen, wenn er seinen Wohnsitz (§ 5 Abs.1 Z1) nach Österreich verlegt hat. … Vor Ausstellung des neuen Führerscheines hat die Behörde im Ausstellungsstaat und in dem Staat, in dem der Antragsteller zuletzt wohnhaft war (Herkunftsstaat), anzufragen, ob dort Gründe gegen die Ausstellung vorliegen und allenfalls die Ausstellung zu verweigern, insbesondere dann, wenn keine gültige Lenkberechtigung vorliegt. Wurde der EWR-Führerschein auf Grund einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung ausgestellt, so ist eine Lenkberechtigung nach Maßgabe des   § 23 zu erteilen.

 

Diese Bestimmung entspricht der des Art. 11 Z1 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (im Folgenden kurz: FS-RL 2006/126/EG): „Hat der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, so kann er einen Antrag auf Umtausch seines Führerscheins gegen einen gleichwertigen Führerschein stellen. Es ist Sache des umtauschenden Mitgliedstaats, zu prüfen, für welche Fahrzeugklasse der vorgelegte Führerschein tatsächlich noch gültig ist.“

 

§ 5 Abs.1 Z1 FSG normiert, dass ein Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung nur gestellt werden darf, wenn der Antragsteller seinen Wohnsitz im Sinne des Art. 12 der Richtlinie über den Führerschein ABl. Nr. 403/2006 in Österreich hat (Abs.2).

Gemäß Abs.2 dieser Bestimmung liegt ein Wohnsitz in Österreich gemäß Abs.1 Z1 vor, wenn sich die betreffende Person aufgrund ihrer persönlichen und – sofern vorhanden – beruflichen Bindungen innerhalb der letzten zwölf Monate nachweislich während mindestens 185 Tagen in Österreich aufgehalten hat oder glaubhaft macht, dass sie beabsichtigt, sich für mindestens 185 Tage in Österreich aufzuhalten. Als Wohnsitz eines Führerscheinwerbers oder -besitzers, dessen berufliche Bindungen in einem anderen Staat als seine persönlichen Bindungen liegen, gilt unabhängig von der 185-tägigen Frist der Ort der persönlichen Bindungen, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt.

 

Gemäß Art. 2 Abs.1 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (im Folgenden kurz: FS-RL 2006/126/EG) werden die von den Mitglieds­staaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt.

Gemäß Art. 7 Abs.1 lit.e darf ein Führerschein nur an Bewerber ausgestellt werden, die im Hoheitsgebiet des den Führerschein ausstellenden Mitglieds­staates ihren ordentlichen Wohnsitz haben oder nachweisen können, dass sie während eines Mindestzeitraumes von sechs Monaten dort studiert haben. Gemäß Abs.5 letzter Satz dieser Bestimmung achten die Mitgliedstaaten unbeschadet des Art. 2 bei der Erteilung der Fahrerlaubnis sorgfältig darauf, dass eine Person die Anforderungen des Abs. 1 des vorliegenden Artikels erfüllt; sie wenden ihre nationalen Vorschriften für die Aufhebung oder den Entzug der Fahrerlaubnis an, wenn feststeht, dass ein Führerschein ausgestellt worden ist, ohne dass die Voraussetzungen hiefür vorlagen.

Gemäß Art. 12 der FS-RL 2006/126/EG gilt im Sinne dieser Richtlinie als ordentlicher Wohnsitz der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – im Falle eines Führerscheininhabers ohne berufliche Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen dem Führerscheininhaber und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, dh während mindestens 185 Tagen im Kalender­jahr, wohnt. Als ordentlicher Wohnsitz eines Führerscheininhabers, dessen berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem seiner persönlichen Bindungen liegen und der sich daher abwechselnd an verschiedenen Orten in zwei oder mehr Mitgliedsstaaten aufhalten muss, gilt jedoch der Ort seiner persönlichen Bindungen, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt. Diese letztgenannte Voraussetzung muss nicht erfüllt sein, wenn sich der Führerscheininhaber in einem Mitgliedsstaat zur Ausführung eines Auftrages von bestimmter Dauer aufhält. Der Besuch einer Universität oder einer Schule hat keine Verlegung des ordentlichen Wohnsitzes zur Folge.

 

Abgesehen davon, dass für das Landesverwaltungsgericht die Ausführungen zur Wirbelsäulen-OP des Bf im Jänner 2012 und der nachfolgenden mit psychischer Belastung verbundenen Behandlungen mit dem Ausstellungsdatum des tschechischen Führerscheins (28. November 2011) nicht in Einklang zu bringen sind, zumal der tschechische Führerschein bereits vor der Operation des Bf ausgestellt worden war, hatte der Bf seine Familie (Gattin und 4 Kinder) während der sechs Monate vor dem 28. November 2011, in denen er in Tschechien gemeldet war, in Österreich, sodass, da der Ort seiner persönlichen Bindungen in Österreich liegt, im Sinne des § 5 Abs.1 Z1 FSG iVm Art. 12 der FS-RL 2006/126/EG von seinem ordentlichen Wohnsitz in Österreich auszugehen ist. Der Bf hat in Tschechien nicht gearbeitet, dh dort bestand für ihn keine berufliche Bindung. In Österreich übte er auch keine berufliche Tätigkeit aus, bezog hier aber laut Mitteilung des AMS ab 11. August 2011 für ein Jahr Notstandshilfe – die gemäß § 33 ASVG nur zu gewähren ist, wenn der/die Arbeitslose der Vermittlung zur Verfügung steht – dh eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf und arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist – und sich in Notlage befindet, dh die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist; er/sie muss sich bereithalten, um eine unselbständige Beschäftigung aufzu­nehmen und auszuüben.

 

Bei einem ordentlichen Wohnsitz im Ausland sind diese Voraussetzungen nicht gegeben; der Besuch einer Fahrschule reicht für eine Wohnsitzbegründung in Tschechien nach der oben genannten Bestimmung nicht aus. Damit ist eine Verlegung des ordentlichen Wohnsitzes nach Tschechien als Voraussetzung für eine (Rück-)Verlegung nach Österreich im Sinne des § 15 Abs.3 FSG bzw Art.11 Z1 FS-RL 2006/126/EG aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens dezidiert auszuschließen. Wie bereits von der belangten Behörde dargelegt, besteht auch beim Landesverwaltungsgericht vielmehr der Eindruck, dass der Bf in Tschechien nur zusätzlich einen „vorübergehenden Aufenthalt“ („Potvrzeni o prechodnem pobytu na uzemi“ laut der von ihm vorgelegten Bestätigung der Tschechischen Republik vom 2.5.2011) angemeldet und dort einen EWR-Führerschein für die Klassen C und CE erworben hat, der auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH zur FS-RL 2006/126/EG anzuerkennen ist (vgl Urteil in der Rechtssache Baris Akyüz, C-467/10; ua).

Die Eintragung einer in Österreich erworbenen Berufskraftfahrerqualifikation  in einen tschechischen Führerschein durch eine österreichische Behörde ist ausgeschlossen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.   

 

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine entsprechende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Bissenberger