LVwG-350096/2/GS/SH/PP

Linz, 06.11.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Maga. Gabriele Saxinger über die Beschwerde (fälschlicherweise als Einspruch bezeichnet) von Frau I.K., x, vom 6. August 2014, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landes­hauptstadt Linz vom 29. Juli 2014, GZ. 3.01-ASJF, wegen Zurückweisung des Antrages auf bedarfsorientierte Mindestsicherung wegen entschiedener Sache

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Der Beschwerde wird gemäß § 28 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 29. Juli 2014 wird aufgehoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom
29. Juli 2014 wurde der Antrag von Frau I.K., x, vom 7. Juli 2014 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunter­haltes und Wohnbedarfes gemäß § 27 Oö. BMSG iVm § 68 Abs. 1 AVG zurück­gewiesen. Begründend wurde dargelegt, dass mit Bescheid vom 31. März 2014 der Antrag auf Hilfeleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohn­bedarfes abge­­wiesen worden wäre. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Frau K.I. habe am 7. Juli 2014 neuerlich einen Antrag auf Leistung sozialer Hilfe zum Lebensunterhalt gestellt. Seit dem letzten Bescheid habe sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht geändert. Da der Bescheid mit obigem Datum bereits rechtskräftig geworden wäre und die Voraussetzung zu einer Ver­fügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG nicht vorlägen, wäre spruchgemäß zu ent­scheiden und der Antrag als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

 

I.2. In der von Frau K. rechtzeitig erhobenen Beschwerde (fälschlicher­weise als Einspruch bezeichnet) wird begründend im Wesentlichen vorgebracht, dass sie seit Anfang Juni auf ihrem Pachtgrund (Z.) alleine im Wohn­wagen wohne.­ Der Wohnwagen habe Strom, Heizung, WC, Fernseher, Kaffee­maschine, Bett. Es sei ihr unerklärlich, wie jemand sagen könne, dass sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt seit 31. März 2014 nicht geändert habe. Ihr stehe leider keine andere Wohnmöglichkeit zur Verfügung. Der betreffende Mitarbeiter des Magistrates Linz habe über ihr Ansuchen zu entscheiden.

 

I.3. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2014 wurde die verfahrensgegenständliche Beschwerde von der belangten Behörde dem Oö. Landesverwaltungsgericht (LVwG) zur Entscheidung vorgelegt.

 

Das LVwG entscheidet gemäß § 2 VwGVG durch einen Einzelrichter.

 

I.4. Das Oö. LVwG hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte eine Verhandlung nach § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.

 

I.5. Das Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Am 12. Februar 2014 stellte Frau I.D., geboren x, x, einen Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes. Als weitere volljährige, im gemein­samen Haushalt lebende Person gab sie ihren Ex-Gatten Herrn D.H. an. Be­züglich der Wohnsituation kreuzte die Beschwerdeführerin (Bf) als Art der Unter­kunft „Eigenheim (Haus)“ an. Die Größe der Unterkunft wurde mit 120 m2 und die jährlichen Betriebskosten mit 900 Euro (Grundkosten) und monatliche Betriebs­kosten von ca. 300 Euro (Strom, Müll) angegeben.

 

Mit Bescheid vom 31. März 2014 wurde diesem Antrag vom 12. Februar 2014 keine Folge gegeben. Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt wurde dieser Entscheidung zugrunde gelegt:“ Die Bf hat mit Antrag vom
12. Februar 2014 um bedarfsorientierte Mindestsicherung an­gesucht. Bei ihrer ersten Vorsprache hat sie angegeben, dass Herr S.A., geboren x, der sie begleitet, ein Freund sei. Nach einer Lebens­gemeinschaft befragt, verneinten die Bf und Herr S. ausdrücklich eine Lebensge­meinschaft. Sie gaben weiters zum Zeitpunkt der Antragstellung an, dass Sie noch bei ihrem Ex-Mann gemeldet sind, jedoch bei einer Freundin und ihrer Tochter wohnen. Aufgrund einer Erhebung vom 5. März 2014 ergab sich, dass Sie nunmehr seit zwei Jahren nicht mehr an der gemeldeten Adresse bei Ihrem Ex-Mann leben und zum Erhebungszeitpunkt mit Herrn S. auf Urlaub in Gran Canaria waren. Am 6. März 2014 wurden Sie seitens der Behörde befragt, ob es für Sie in Ordnung sei, dass der zuständige Erheber nach Beendigung der Vorsprache einen Blick in die Wohnung von Herrn S. werfe. Sie haben darauf­hin das Büro verlassen. Herr S. hat dann das Büro betreten und wurde befragt, ob es für ihn in Ordnung sei, dass der zuständige Erheber sich in seiner Wohnung umsieht. Herr S. hat in der Folge mitgeteilt, dass sich sehr wohl Habseligkeiten von Ihnen bei ihm in der Wohnung befinden, dass auch das Bett geteilt werde und eine Lebensgemeinschaft besteht. Herr S. hat angegeben, dass er eine Pension in der Höhe von 1.200 Euro (14 mal) monatlich beziehe. Sie beziehen AMS-Leistung in der Höhe von 10,18 Euro täglich. Das Haushaltsein­kommen überschreitet die für Sie und Ihren Lebensge­fährten anzuwendenden Mindeststandards in der Höhe von 625,70 Euro. Auf­grund des vorliegenden Sachverhaltes besteht daher kein Anspruch auf bedarfs­orientierte Mindest­sicherung. Ihr Antrag wird somit negativ entschieden. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme vom 18. März 2014 erfolgte Ihrerseits keine Stellungnahme.“

 

Am 7. Juli 2014 stellte die Bf unter ihrem nunmehrigen Namen I.K. erneut einen Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes. Hinsichtlich des Punktes „Im gemeinsamen Haushalt leben folgende volljährige weitere Personen“ wurden keine Eintragungen vorge­nommen. Bezüglich der Wohnsituation wurde als Art der Unterkunft „Wohn­wagen“ eingetragen.

 

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 29. Juli 2014 wurde der Antrag der Bf vom 7. Juli 2014 zurückgewiesen. Begründend wurde fest-gehalten: „Mit Bescheid vom 31. März 2014 wurde Ihr Antrag auf Hilfe Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes abgewiesen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Sie haben am 07. Juli 2014 neuerlich einen Antrag auf Leistung sozialer Hilfe zum Lebensunterhalt gestellt. Seit dem letzten Bescheid hat sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht geändert. Da der Bescheid mit obigem Datum bereits rechtskräftig wurde und die Voraus­setzungen zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden und Ihr Antrag als unzulässig zurückzuweisen.“

 

 

II.         Beweiswürdigung:

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem vorgelegten Ver­waltungsakt.

 

 

III. Rechtsgrundlage und rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde zu überprüfen.

Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 BV-G dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungs­ gericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist im Fall der Zurückweisung eines Antrages (hier: wegen entschiedener Sache) Sache der Rechtsmittelentscheidung nur die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurück­weisung (vergleiche z. B. VwGH vom 08.04.2014, Zl. 2011/05/0074).

 

Gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG),
BGBl. I Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 161/2013, sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der § 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen ent­schiedener Sache zurückzuweisen.

 

Die Zurückweisung eines Anbringens wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG setzt Zweierlei voraus:

 

Zum einen muss sich der Antrag auf eine rechtskräftig entschiedene Sache beziehen, die nur dann vorliegt, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid, dessen Abänderung oder Aufhebung begehrt wird, weder am erheblichen Sach­verhalt noch an der maßgeblichen Rechtslage etwas geändert hat und sich das neue Parteienbegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.7.1992, Zl. 92/06/0062; 28.10.2003, Zl. 2001/11/0224; VwGH 27.5.2004, Zl. 2003/07/0100).

Zum anderen muss die Partei einen recht­lichen Anspruch auf neuerliche Entscheidung in derselben Sache – sei es unter unzutreffendem Vorbringen (vermeintlich), geänderter Sach- oder Rechtslage oder unter einfachem Hinweg­setzen über den bereits rechtskräftig gewordenen Bescheid – geltend gemacht haben (VwGH 28.7.1995, Zl. 95/02/0082; VwGH 28.3.2000, Zl. 99/08/0284; VwGH 24.3.2004, Zl. 99/12/0114), der ihr nicht zusteht.

 

Nun liegt entschiedene Sache dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Dabei muss der Begriff der „Identität der Sache“ aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (zu all dem VwGH vom 25.04.2003, Zl. 2000/12/0055).

 

Vergleicht man den ersten Antrag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes mit dem zweiten Antrag, so ist betreffend das Parteibe­gehren sehr wohl eine entscheidungsrelevante Änderung zu sehen:

 

Hinsichtlich der Angabe im gemeinsamen Haushalt lebenden, volljährigen weiteren Personen und der „Wohnsituation“ wurden in den beiden Anträgen unter­schiedliche Angaben vorgenommen. Der erste Antrag beinhaltet die An­gabe, dass im gemeinsamen Haushalt der Ex-Gatte als weitere volljährige Person lebt, während im zweiten Antrag keine Person als im gemeinsamen Haushalt lebend angegeben wurde. Die Angabe, ob im Antrag weitere volljährige, im gemeinsamen Haushalt lebende Personen vermerkt sind, stellt für die Gewährung von bedarfsorientierter Mindestsicherung nach dem Oö. BMSG (An­trag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes) ein entscheidungsrelevantes Faktum dar. Für alleinstehende Personen einerseits und für volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben, andererseits, gelten unterschiedliche Mindeststandards nach der Oö. Mindestsicherungsver­ordnung. Aus diesem Grund deckt sich das Parteienbegehren im gegenständ­lichen Antrag nicht mit jenem des Vorverfahrens. Da somit keine Identität der Sache vorliegt, hat die belangte Behörde das Parteianbringen zu Unrecht wegen „entschiedener Sache“ zurückgewiesen. Die belangte Behörde hätte über den Antrag der Bf vom 7. Juli 2014 in der Sache selbst eine Entscheidung treffen müssen. Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der Bescheid zu beheben.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Maga. Gabriele Saxinger