LVwG-650252/2/Sch/Bb/MSt

Linz, 10.11.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Schön über die Beschwerde des R.H., geb. x, W., vertreten durch Rechtsanwalt Ing. Mag. K.H., S., L., vom       1. Oktober 2014, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 11. September 2014, GZ VerkR-1203/872-1988-Jo/KB, betreffend Aufforderung zur amts­ärztlichen Untersuchung gemäß § 24 Abs. 4 FSG,

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

 

I.          Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene behördliche Bescheid behoben.

 

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung (im Folgenden: belangte Behörde) vom 11. September 2014, GZ VerkR-1203/872-1988-Jo/KB, wurde R.H. (der Beschwerdeführer – im Folgenden: Bf) gemäß §§ 24 Abs. 4 iVm 8 FSG aufgefordert, sich binnen eines Monats ab Rechtskraft des Bescheides bei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung amtsärztlich untersuchen zu lassen.

 

Dieser Bescheid stützt im Wesentlichen darauf, dass der Bf beschuldigt werde, am 11. Juli 2014 um 18.15 Uhr im Besitz von 0,1 g Kokain gewesen zu sein und darüber hinaus verdächtigt werde, Kokain konsumiert zu haben, wobei er einem Drogenharntest nicht zugestimmt habe.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid – zugestellt am 18. September 2014 - wurde durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter des Bf frist­gerecht die Beschwerde vom 1. Oktober 2014 erhoben, mit welcher die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wurde.

 

Der Bf bestreitet darin jeglichen Kontakt mit Suchtgift und führt an, nie im Besitz von Kokain gewesen zu sein, noch derartige Suchtmittel konsumiert zu haben. Es habe sich nicht um seine Jacke gehandelt, in welcher das Suchtgift vorgefunden worden sei. Seine Weigerung, einem Drogentest im Harn zuzustimmen, sei ausschließlich darin begründet gewesen, dass sich einerseits der einschreitende Beamte völlig unangebracht benommen und ihn wie einen „Grundwehrdiener“ beim Militär herumkommandiert habe, andererseits sehe er nicht ein, sich als ordentlicher unbescholtender Bürger, der keinerlei Suchtmittel konsumiert bzw. konsumert habe, einem Drogentest unterziehen zu müssen.

 

Abgesehen davon, dass er keinesfalls einen Sachverhalt verwirklicht habe, der eine mangelnde gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zur Folge hätte, könnte selbst dann, wenn er tatsächlich im Sinne des völlig unberechtigten Vorwurfes Kokain konsumiert hätte oder sich 0,1 g Kokain in seiner Jacke befunden hätte, dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinesfalls eine Grundlage für eine amtsärztliche Untersuchung darstellen.

 

I.3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes mit Vorlageschreiben vom 29. Oktober 2014, GZ VerkR-1203/872-1988, ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Ent­scheidungsfindung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

I.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt.

 

Gemäß § 24 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mangels gesonderten Antrages des rechtsfreundlich vertretenen Bf (vgl. VwGH 28. April 2004, 2003/03/0017) und der Tatsache, dass bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, unterbleiben.

 

I.4.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der am x geborene Bf ist dem Akteninhalt zufolge im Besitz einer Lenkberechtigung der Führerscheinklassen AM und B.

 

Am 5. September 2014 wurde der belangten Behörde bekannt, dass der Bf offenbar in Zusammenhang mit Suchmitteln in Erscheinung getreten ist. Laut entsprechendem Sachverhaltsbericht vom 2. September 2014 der Polizei­inspektion Ottensheim, GZ: B6/5149/2014-Hö, ist der Bf verdächtig, am 11. Juli 2014 um 18.15 Uhr im Besitz von 0,1 g Kokain gewesen zu sein und überdies Kokain konsumiert zu haben. Dieser Verdacht ergab sich anlässlich einer polizeilichen Nachschau im Zimmer des Bf an der Adresse W., J, bei der die genannte Kokainmenge in einer Jacke vorgefunden wurde. Der Bf lehnte einen Drogenharntest ab und gab im Rahmen seiner niederschriftlichen Befragung zu Protokoll gab, niemals mit Drogen zu tun gehabt zu haben.  

 

Die Führerscheinbehörde der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung nahm diesen Umstand zum Anlass, um die gesundheitliche Eignung des Bf zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Führerscheingruppe 1, Klassen AM und B, zu überprüfen und erließ den nunmehr angefochtenen Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG.

 

 

 

I.5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht hierüber erwogen:

 

I.5.1. § 24 Abs. 4 FSG lautet:

„Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen“.

 

Gemäß § 14 Abs. 1 FSG-GV darf Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, soweit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.

 

Gemäß § 14 Abs. 5 FSG-GV ist Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.

 

I.5.2. Ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung bei der Behörde bzw. im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung durch das Landesverwaltungsgericht (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in diese Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungs­bescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl. VwGH z. B. 21. September 2010, 2010/11/0126; 22. Juni 2010, 2010/11/0076 uvm.).

 

Im gegebenen Zusammenhang wäre somit der angefochtene Aufforderungs­bescheid rechtmäßig, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, dem Bf fehle infolge Suchtmittelabhängigkeit oder gehäuftem Missbrauch die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass gelegentlicher bzw. geringfügiger Konsum von Suchmitteln ohne Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges die gesundheitliche Eignung (noch) nicht berührt. Erst wenn dieser Konsum zu einer Abhängigkeit zu führen geeignet ist oder wenn die Gefahr besteht, dass die betreffende Person nicht in der Lage sein könnte, den Konsum so weit einzuschränken, dass ihre Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht (mehr) beeinträchtigt ist, liegt ein Grund vor, die gesundheitliche Eignung begründeterweise in Zweifel zu ziehen (VwGH 13. Dezember 2005, 2005/11/0191; 18. März 2003, 2002/11/0209 uvm.).

 

Um von einem gehäuften Suchtmittelmissbrauch sprechen zu können, genügt nicht ein gelegentlicher wiederholter Missbrauch, sondern es muss sich um einen häufigen Missbrauch innerhalb relativ kurzer Zeit handeln (VwGH 18. März 2003, 2002/11/0209; 25. Mai 2004, 2003/11/0310).

 

Aus der Aktenlage geht derartiges aber nicht hervor. Demnach ist der Bf ohne Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges bloß verdächtig, am 11. Juli 2014 um 18.15 Uhr 0,1 g Kokain besessen zu haben und überdies Kokain konsumiert zu haben, wobei er ausdrücklich jeglichen Kokainbesitz und –konsum bestreitet.

 

Es gibt nach den vorliegenden Verfahrensunterlagen weder konkrete Beweis­ergebnisse dahingehend, zu welchen Zeitpunkten, in welchen Abständen und welche Menge Kokain der Bf konsumiert haben soll, noch, dass der Suchtmittelkonsum - sofern ein solcher tatsächlich stattgefunden hat - über eine gelegentliche Einnahme hinausgegangen wäre. Im polizeilichen Bericht finden sich auch keine Anhaltspunkte eines gehäuften Missbrauches noch Verdachtsmomente einer Suchtmittelabhängigkeit. Aus der alleinigen Tatsache, dass der Bf einem Drogenharntest nicht zustimmte, kann nicht zwingend auf einen vorangegangen Suchtmittelkonsum bzw. eine Suchtmittel­beeinträchtigung des Bf zum damaligen Zeitpunkt geschlossen werden. Es gibt auch keine Verdachtsmomente dafür, dass er seit Juli 2014 Suchtmittel konsumiert hätte oder aktuell konsumiert oder gar in diesem Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt hätte.

Im vorliegenden Fall sind damit die Hinweise auf einen möglichen Suchtmittelkonsum des Bf jedenfalls nicht konkret genug, um tatsächlich relevante Bedenken an seiner gesundheitlichen Eignung zum jetzigen Zeitpunkt zu begründen, sodass daher im Ergebnis in Anbetracht der genannten Umstände sowie vor dem Hintergrund der dargestellten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung der Beschwerde statt­zugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

H i n w e i s

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

S c h ö n