LVwG-840044/6/KLi/Rd/AK

Linz, 28.11.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Karin Lidauer über den Antrag der H und T, vertreten durch Bmst. DI O N, c/o x, x, vom 21. November 2014 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Auftraggeberinnen Marktgemeinde F und Marktgemeinde A, beide vertreten durch Rechtsanwälte H & P, x, x, betreffend das Vorhaben "Rückhaltebecken xbach F, Erd-, Baumeister- und Rohrverlegungsarbeiten",

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Dem Antrag wird gemäß § 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 - Oö. VergRSG 2006, LGBl. Nr. 130/2006 idF LGBl. Nr. 90/2013, stattgegeben und den Auftraggeberinnen Marktgemeinde F und Marktgemeinde A die Erteilung des Zuschlages bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis 24. Jänner 2015, untersagt.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Eingabe vom 21. November 2014, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eingelangt am 24. November 2014 per E-Mail und per Fax sowie am 25. November 2014 auf postalischem Wege, hat die H und T (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf  Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einst­weiligen Verfügung, den Auftraggeberinnen die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 4.500 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hierzu aus, dass die offizielle Ausschreibung die Auftraggeberin Marktgemeinde F als ausschreibende Stelle nenne. Hingegen seien im standardisierten und vorgegebenen Angebots­schreiben, welche die Bieter unterfertigt abzugeben hätten, sowohl die Markt­gemeinde F als auch die Markt­gemeinde A als Auftraggeber genannt. Von den Auftraggeberinnen werde ein offenes Verfahren im Unter­schwellenbereich zur Vergabe von Erd-, Baumeister- und Rohrverlegungsarbeiten für die Errichtung des Rückhaltebeckens xbach in F nach dem Billigstbieterprinzip durchgeführt. Die Angebotsfrist habe am 10. Oktober 2014 geendet; die Angebotsöffnung erfolgte am selben Tag. Von der Antragstellerin sei fristgerecht ein Anbot mit einem Gesamtpreis von 1.254.295,23 Euro gelegt worden. Das Anbot der präsumtiven Zuschlags­empfängerin betrage 1.257.858,58 Euro. Das Anbot der Antragstellerin liege daher unter jenem der präsumtiven Zuschlagsempfängerin. Mit Zuschlags­entscheidung vom 14. Oktober 2014 sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, dem Anbot der B GmbH (Variante SBR) mit einem geprüften Gesamtpreis von 1.224.950,78 Euro den Zuschlag zu erteilen. Der Gesamtpreis hinsichtlich der Variante SBR der Antragstellerin weise einen Gesamtpreis in Höhe von 1.225.581,33 Euro aus. Die Zuschlagsentscheidung sei mit dem billigeren Gesamtpreis als einziges Zuschlagskriterium begründet worden.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf

-      gesetzeskonforme Angebotsprüfung,

-      Ausscheiden ausscheidungswidriger bzw. Berücksichtigung nicht zu berück­sichtigender Angebote,

-      Zuschlagsentscheidung und Zuschlagserteilung zugunsten ihres Ange­botes,

-      Teilnahme an einem gesetzmäßigen Vergabeverfahren, in eventu auf Widerruf der gegenständlichen Ausschreibung und Beteiligung an einem neuen, gesetzeskonformen Vergabeverfahren,

verletzt.

 

Die Antragstellerin habe ein wirtschaftliches Interesse am Vertragsabschluss und belaufe sich der bereits entstandene Schaden auf ca. 15.000 Euro. Das Erfüllungsinteresse (Gewinn- und Deckungsbeitrag) am gegenständlichen Auftrag betrage 10 % der Angebotssumme, sohin 111.400 Euro.

 

Als Gründe für die Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung wurden von der Antragstellerin die Berücksichtigung von Variantenangeboten und das mangelnde Ausscheiden von solchen Angeboten genannt.

Begründet wurde dies damit, dass die Auftraggeberinnen ein Variantenangebot in den Angebotsbestimmungen nicht ausdrücklich für zulässig erklärt haben.  Im Leistungsverzeichnis (LV) sei in Pos.Nr. 0103041302 die Leistung „kreisförmige Stahlbetonrohre“ angeführt, wobei die Auftraggeberinnen aber keinen Positions­preis nachgefragt hätten, weshalb ein solcher auch nicht ausgewiesen sei. In der Spalte Positionspreis finden sich stattdessen lediglich „Sterne“, denen ein Erklärungswert nicht beigemessen werden könne.

Die Pos.Nr. 0103041302 könne nicht neben der von den Auftraggeberinnen unter der Pos.Nr. 01030425 nachgefragten Leistung „GGG Kanalrohre“ bestehen. Für die Pos. „GGG Kanalrohre“ sei von den Auftraggeberinnen bei den Bietern sehr wohl ein Positionspreis angefragt worden. Ein solcher werde im LV daher auch mit der notwendigen Transparenz ausdrücklich ausgewiesen.

 

Von den Auftraggeberinnen sei die Pos. 0103041302 nicht als Wahlposition oder Variante gekennzeichnet worden, weshalb auch nicht mit der notwendigen Transparenz erkennbar sei, dass die Auftraggeberinnen hier tatsächlich eine Variante abfragen wollten. Der Umstand, dass möglicherweise eine Variante vorliegen könne, ergebe sich allenfalls daraus, dass die eine Leistung beim konkreten Bauvorhaben nicht neben der anderen Leistung bestehen könne („entweder - oder“). Dies sei aber noch kein ausreichender Hinweis dafür, dass die Auftraggeberinnen bereits mit dem Angebot ein korrekt ausgepreistes Variantenangebot haben wollten. Falls die Position nicht überhaupt irrtümlich Eingang in das LV gefunden habe, könne dieser Position auch jener Sinn unterstellt werden, dass die Auftraggeberinnen bloß frühzeitig einen indikativen Preis für eine mögliche andere Ausführung abfragen, sich aber die Entscheidung zugunsten der tatsächlichen Ausführung mit Stahlbetonrohren (statt GGG Rohre)  für einen späteren Zeitpunkt während der Ausführung vorbehalten wollten.

 

Daran ändere auch der Umstand nichts, dass im LV auf Seite 28 die Überschrift „Zusammenstellung der Varianten“ anführe. Dieser Zusammenstellung komme im Hinblick auf nachstehende Umstände keine Bedeutung idS zu, dass die Auftraggeberinnen auf eine Variante den Zuschlag erteilen dürfen:

 

Von den Auftraggeberinnen seien Varianten nicht ausdrücklich für zulässig erklärt  und seien die Ausführungsvarianten im LV nicht als solche gekennzeichnet worden. Der im Deckblatt des LV in der Zeile „Angebotssumme netto“ ausgewiesene Gesamtpreis sei - unter Außerachtlassung eines allfällig gewährten Nachlasses - das rechnerische Ergebnis jener Positionen, für die im LV ein Positionspreis auch tatsächlich ausgewiesen sei. Der auf Seite 28 „Zusammen­stellung der Varianten“ ausgewiesene Variantenpreis sei - aus Gründen, die den Auftraggeberinnen zuzurechnen seien - rechnerisch falsch. Die Auftrag­geberinnen haben im standardisierten und von ihnen selbst vorgegebenen Angebots­schreiben keine Vorkehrungen getroffen, einen Variantenpreis auszuweisen.

 

In Zusammenschau dieser Punkte mit dem Umstand, dass die Auftraggeberinnen unter Punkt E3 des Angebotsschreibens lediglich einen (einzigen) Preis einsetzen konnten, nämlich jenen, der sich auf Grundlage der Gesamtsumme jener Positionen, für die ein Positionspreis ausgewiesen sei, ergebe, ergebe sich, dass die Auftraggeberinnen einen Variantenpreis nicht nachfragen wollten bzw. nicht mit der für ein faires Vergabeverfahren notwendigen Klarheit und Transparenz nachgefragt haben.

 

Mangels Existierens eines rechtswirksam nachgefragten Variantenangebotes hätten die Auftraggeberinnen die Zuschlagsentscheidung auch nicht zugunsten irgendeines Variantenangebotes treffen dürfen.

 

Bloß der Vollständigkeit halber weise die Antragstellerin daraufhin, dass sie den Preis für die Variante - entgegen ihrer Rechtsansicht - bloß aus unternehme­rischer Vorsicht handschriftlich in das Angebotsschreiben eingefügt habe.

 

Ferner haben die Auftraggeberinnen es unterlassen, den Variantenpreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin bei der Angebotsöffnung zu verlesen und zu protokollieren. Aus diesem Grund lasse sich auch nicht nachvollziehen, ob der von den Auftraggeberinnen in der Zuschlagsentscheidung letztendlich ausge­wiesene Preis für die Variante SBR überhaupt rechnerisch richtig sei. Diese Vorgehensweise verstoße gegen § 118 Abs. 5 Z 2 und Abs. 6 BVergG 2006.

 

Indem die Auftraggeberinnen dies unterlassen und dadurch die Bestimmungen verletzt haben, sei gegen wesentliche Grundsätze des Vergabeverfahrens (Transparenzgebot, faires Verfahren) verstoßen worden. Der VwGH vertrete die Ansicht, dass das Gebot, Angaben nach § 118 Abs. 5 BVergG 2006 zu verlesen und in der Niederschrift gemäß § 118 Abs. 6 BVergG 2006 festzuhalten, nicht nur der Transparenz des Vergabeverfahrens diene, sondern auch präventive Wirkung hinsichtlich der Manipulation der Angebote habe. Grundsätzlich gelte, dass ein Anbot, das nicht bzw. fehlerhaft verlesen wurde, als nicht abgegeben gelte (VwGH 24.9.2003, 2000/04/0106). In diesem Sinne habe auch das BVA in seiner Entscheidung vom 10.9.2004, 13N-71/04-38, festgehalten, dass eine unter­bliebene Verlesung der Preise einen schweren und unbehebbaren Mangel darstelle, weil eine Angebotsöffnung nicht wiederholbar sei, dabei gemachte Fehler nicht sanierungsfähig seien und ein Zuschlag auf ein nicht verlesenes Angebot nicht erfolgen dürfe.

 

Abgesehen davon, gehe die Antragstellerin davon aus, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin ein „Variantenangebot“ gar nicht unterfertigt habe und ein solches auch aus diesem Grunde nicht vorliege bzw. als rechtsgültiges Angebot anzusehen sei.

 

Die Antragstellerin begründet ihre Annahme damit, dass das von den Auftraggeberinnen vorgegebene Angebotsschreiben, welches von den Bietern zu unterfertigen war, in den für die Angebotspreise relevanten Bereichen ein Variantenangebot gar nicht vorgesehen habe. Die Unterfertigung des Angebotsschreibens erfasse also lediglich jenes Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, das einen Angebotspreis von 1.257.858,58 Euro ausweise und damit um 0,28 % teurer sei, als jenes der Antragstellerin.

 

Gemäß § 108 Abs. 1 Z 9 BVergG 2006 muss jedes Angebot auch eine rechts­gültige Unterfertigung der Bieter enthalten. Die präsumtive Zuschlagsem­pfängerin habe ihr Variantenangebot aber nicht unterfertigt, weshalb dieses Angebot auszuscheiden gewesen wäre.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde von der Antragstellerin zunächst auf die Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen. Weiters wurde vorgebracht, dass einer vorläufigen Untersagung der Zuschlags­erteilung weder ein besonderes öffentliches Interesse noch ein überwiegendes Interesse der beteiligten Bieter entgegenstehen würde. Gegenständlich würden im Vergleich zu den Bieterinteressen offensichtlich keine schützenswerten Interessen an der Erhaltung höherwertigerer Rechtsgüter, wie Leib und Leben, Gesundheit und Eigentum, bestehen. Des Weiteren haben die Auftraggeberinnen ihr fehlendes Dringlichkeitsinteresse auch dadurch dokumentiert, dass sie keine beschleunigte Verfahrensart gewählt haben.

 

Da nur Interessen der Antragstellerin bei Fortführung des Vergabeverfahrens bedroht seien, eine vorläufige Maßnahme aber keinerlei berücksichtigungs­würdige Interessen der Auftraggeberinnen und sonstiger Mitbieter schädige und auch sonst kein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens bestehe, habe die Interessensabwägung zugunsten der Antragstellerin aus­zufallen.

 

2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat die Marktgemeinde F und die Marktgemeinde A als Auftraggeberinnen am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Eine Stellungnahme hinsichtlich der Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde nicht abgegeben. Bezüglich der Auftrag­gebereigenschaft wurde klargestellt, dass sowohl die Marktgemeinde F als auch die Marktgemeinde A als Auftraggeberin anzusehen ist.

 

3.  Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens (Vergabeverfahren), die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 2 lit.a B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch die Gemeinde. Das gegenständliche Nachprü­fungsverfahren unterliegt daher den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs. 1 leg.cit.

 

3.2. Gemäß § 2 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z 16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Unterschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstan­dene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Mit Eingabe vom 26. November 2014 hat der rechtsfreundliche Vertreter der Auftraggeberinnen bekanntgegeben, dass sowohl die Marktgemeinde F als auch die Marktgemeinde A Auftraggeber sind.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 leg.cit. hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs. 3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4. Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art. 2 Abs. 4 Satz 1 (entspricht nunmehr Art. 2 Abs. 5) der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechts­schutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessens­abwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftrag­geber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskrimi­nierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftrags­erteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabeverfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlos­sen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberinnen im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorial­verfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwal­tungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberinnen haben im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberinnen vorgebracht worden noch dem Landesverwal­tungs­gericht Oberösterreich zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interes­sensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berück­sichtigen, dass die Auftraggeberinnen ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabever­fahren haben müssen. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsver­fahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs. 3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs. 1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. einer Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages, zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für das Landesverwaltungs­gericht Oberösterreich somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs. 4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von
14,30 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Recht­sprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsge­richtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechts­frage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen  durch einen bevollmächtigten Rechts­anwalt oder eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Lidauer