LVwG-300547/2/BMA/PP/TK

Linz, 22.12.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Maga. Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde der D G vom 27. Oktober 2014 (die dem LVwG am 18. Dezember 2014 vorgelegt wurde), vertreten durch Mag.a E M, Rechtsanwältin in R, E, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 23. September 2014, SV96-56-2012, wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG),

 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 1 VStG wird der bekämpfte Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 23. September 2014, SV96-56-2012, wurde die Rechtsmittelwerberin wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

Sie haben es als Inhaberin und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ des pro­tokollierten Einzelunternehmens "P P" mit Sitz in H., B, zu ver­antworten, dass dieses Unternehmen im Rahmen der ausgeübten gewerblichen Tätigkeit "Handel mit P artikeln" und somit als Dienstgeber iSd § 35 Abs. 1 ASVG die nachfol­gend angeführten Personen mit dem Verkauf von F an den vom genannten Unternehmen betriebenen mobilen Verkaufsständen als vollzeitbeschäftigte Dienstnehmer in einem Arbeitsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit jeweils gegen ein Pauschalentgelt von 100 Euro pro Arbeitstag plus einer 10%-igen Umsatzbeteiligung bei einem Gesamtumsatz von mehr als 5.000 Euro beschäftigt hat.

 

Obwohl diese Dienstnehmer aufgrund der tatsächlichen Arbeitszeiten und dem vereinbarten und geleisteten Entgelt samt allfälliger Provision nicht mehr von der Vollversicherung iSd § 5 ASVG ausgenommen und in der Kranken-, Unfall und Pensionsversicherung vollversichert sind, wurden diese nicht vor Arbeitsantritt als vollbeschäftigte Personen zumindest mit den Mindestangaben zur Pflichtversicherung aus der Krankenversicherung bei der Oö. Gebiets­krankenkasse mit Sitz in Linz, Gruberstraße 77, als zuständigem Sozialversicherungsträger angemeldet, sondern wurde jeweils mit Beschäftigungsbeginn 27.12.2011 eine falsche Mel­dung eines in der Unfallversicherung teilversicherten geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses mit einem die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG nicht übersteigenden Monats­bezug von 140 Euro brutto inkl. Provisionen erstattet und hat das Unternehmen somit gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht des
§ 33 Abs. 1 ASVG verstoßen.

 

 

 

1.        A C, geb. x, beschäftigt vom

 

27.12.2011 - 31.12.2011, jeweils von 9.00 - 18.00/18.30 Uhr.

 

 

 

2.        B T, geb. x, beschäftigt vom

 

27.12.2011 - 29.12.2011, je­weils von 9.00 - 18.00 Uhr, am 30.12.2011 von 8.00 - 18.00 Uhr und am 31.12.2011 von 7.30-18.00 Uhr, plus zusätzlich 1.700 Euro für die Organisation.

 

 

 

3.        D H, geb. x, beschäftigt vom

 

27.12.2011 - 29.12.2011, jeweils von 9.00 - 18.30 Uhr, am 30.12.2011 von 8.00 - 18.30 Uhr u. am 31.12.2011 von 7.30 - 19.00 Uhr.

 

 

 

4.         F V, geb. x, beschäftigt ganztägig vom

27.12.2011  - 31.12.2011.

 

5.        K F, geb. x, beschäftigt It. ELDA-Meldung vom 27.12.2011 - 31.12.2011, lt. eigenen Angaben vom 28.12.2011 - 30.12.2012, jew. v. 9.00 - 17.00 Uhr.

 

 

 

6.        L A, geb. x, beschäftigt am 27.12.2011 für ca.

 

1,5 Std., am 28.12.2011 u. 29.12.2011 von 9.00 - 17.00 Uhr,

 

am 30.12.2011 u. 31.12.2011 von 8.00 - 17.00 Uhr.

 

 

 

7.        P R, geb. x, beschäftigt vom

 

27.12.2011 - 31.12.2011, jeweils von 9.00 - 18.00 Uhr.

 

 

 

8.        W E, geb. x, beschäftigt vom 27.12.2011 - 31.12.2011, jeweils von 9:00 - 18.00 Uhr.

 

 

 

9.        W G, geb. x, beschäftigt ganztägig vom

 

27.12.2011 -31.12.2011.

 

 

 

10.     H M, geb. x, beschäftigt ganztägig am

 

30.12.2011 u. 31.12.2011.

 

 

 

11.     B R, geb. x, beschäftigt ganztägig am 30.12.2011 u. 31.12.2011.

 

 

 

12.     E T, geb. x, beschäft. ganztägig am 30.12.2011 u. 31.12.2011.

 


Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

 

§ 111 Abs. 1 Zi.1 iVm § 33 Abs. 1 u. 1a Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, in der Fassung des Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2007 (BGBl. I Nr. 31/2007), iVm § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) 1991

 

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung in 12 Fällen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

 

Geldstrafen von falls diese uneinbring- Gemäß

lich ist, Ersatzfreiheits-

strafen von

jeweils

12 x 730 Euro 12 x 112 Stunden § 111 Abs. 2 ASVG

insges. 1.344 Stunden iVm § 9 Abs. 1 VStG

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

 

 

 

12 X 73 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet);

 

 

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 9.636 Euro.“

 

 

 

 

 

Mit Spruchpunkt 2 dieses Bescheides wurde ein Tatvorwurf hinsichtlich einer weiteren Beschäftigten eingestellt.

 

Mit der sich inhaltlich nur gegen Spruchpunkt 1 richtenden, rechtzeitig erhobenen Beschwerde vom 27. Oktober 2014 wurde abschließend u.a. die Durchführung einer mündliche Verhandlung, unter Einbeziehung zweier weiterer gegen die Bf geführten Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung, beantragt.

 

Die Beschwerde wurde mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 10. Dezember 2014 dem Oö. Landesverwaltungsgericht am
18. Dezember 2014 vorgelegt.

 

II. Das Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

II.1. Folgender rechtlich relevanter Sachverhalt wird festgestellt:

 

Im bekämpften Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses wurde die Bf wegen Falschmeldung an den zuständigen Sozialversicherungsträger von zwölf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Zeitraum zwischen 27.12.2011 und 31.12.2011 bestraft.

Die Falschmeldung beruht auf einem „Verständigungsfehler“ mit dem Steuerberater der Bf. Es war von vornherein klar, dass die Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer vollversichert werden hätten sollen (Seite 3 der Beschwerde vom 27. Oktober 2014).

Diese haben von Anfang an ein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Entgelt pro Tag erhalten.

 

II.2. Rechtsgrundlagen:

 

Nach § 45 Abs. 1 Z 1 hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn u.a. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung entfällt, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzu­heben ist.

 

Gemäß § 41 Abs. 1 AVG hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen.  ...

Die Verhandlung ist so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vor­bereitet erscheinen können.  ... (Abs. 2 leg.cit).

 

Mit Erkenntnis vom 10. Dezember 2013, Zl. 2013/05/0206, sieht der VwGH eine Vorbereitungszeit von acht Tagen zwischen Zustellung der Ladung und Termin der Verhandlung in der Regel als ausreichend an. „Die Frage, ob einer Partei hinreichende Vorbereitungszeit gewährt wurde, ist nach den Umständen des Einzelfalles, der Komplexität sowie dem Umfang und Schwierigkeitsgrad des Verhandlungsgegenstandes zu beurteilen, wobei die Vorbereitungszeit von acht Tagen zwischen der Verständigung von der Anberaumung der mündlichen Ver­handlung (Ladung) und der Verhandlung in der Regel ausreichend erscheint.“

 

II.3. In rechtlicher Hinsicht hat das Oö. Landesverwaltungsgericht erwogen:

 

Der beim Oö. Landesverwaltungsgericht am 18. Dezember 2014 eingelangte Akt wurde der erkennenden Richterin am Freitag dem 19. Dezember 2014, vorgelegt. Eine Zustellung der Ladungen zur öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der zur Klärung der Verschuldensfrage auch Zeugen zu laden wären, wird unter Einrechnung des Postlaufs frühestens am 24. Dezember 2014, möglicherweise aber auch erst am 29. Dezember erfolgen, folgen dem 24. Dezember doch Weihnachtsfeiertage und ein Wochenende. 

Unter Beachtung der Strafbarkeitsverjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 31 Abs. 2 VStG würde diese in neun der angeführten Fällen mit 27.12.2014 und in drei Fällen mit 30. 12. 2014 eintreten. Damit wäre nicht einmal die Einhaltung der nötigen Vorbereitungsfrist der Parteien möglich.

Unter den gegebenen Umständen ist es - bei Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen zur Führung eines ordnungsgemäßen Verfahrens beim Landesverwaltungsgericht - diesem nicht möglich, ohne Beeinträchtigung der Parteieninteressen, das Verfahren bis zum Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist durchzuführen.

 

II.4. Damit aber konnte die der Bf zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden und das Verwaltungsstrafverfahren war einzustellen.

 

III. Weil der bekämpfte Bescheid und damit auch der Kostenausspruch aufgehoben wurde und das gegenständliche Strafverfahren einzustellen war, entfällt gemäß § 66 Abs. 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere weicht die gegenständliche Entscheidung von der als einheitlich zu beurteilenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Maga. Gerda Bergmayr-Mann

Beachte:

Die angefochtenen Erkenntnisse wurden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

VwGH vom 24. April 2015, Zl.: Ra 2015/08/0016 und 0017-5